L 9 KR 103/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 3 KR 60/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 103/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. Februar 2011 und der Bescheid der Beklagten vom 9. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2007 werden geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger auch für die Zeit vom 17. November 2006 bis zum 13. Februar 2007 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt drei Viertel der außergerichtlichen Kosten des Klägers für das gesamte Verfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten verfügte Entziehung von Krankengeld für den Zeitraum vom 17. November 2006 bis zum 12. März 2007.

Der 1956 geborene Kläger war zuletzt als Bauleiter tätig; sein Arbeitsverhältnis endete spätestens am 30. April 2006. Bei der Beklagten war er vom 15. Oktober 2005 bis zum 5. Dezember 2007 krankenversichert.

Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie P K bescheinigte dem Kläger für die Zeit ab dem 6. Dezember 2005 fortlaufend Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer mittelgradigen depressiven Episode (F32.1G). Auf der Grundlage eines Bescheides der Beklagten vom 16. März 2006 erhielt der Kläger von der Beklagten seit dem 16. Januar 2006 Krankengeld in Höhe von 61,17 Euro brutto kalendertäglich (Nettozahlbetrag 52,47 Euro). Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen reichte der Kläger mit lückenloser Geltung bis zum 13. Februar 2007 sowie vom 15. Februar 2007 bis 16. März 2007 bei der Beklagten ein.

Aufgrund einer am 28. April 2006 durchgeführten Untersuchung sah der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. (MDK, Ärztin W) bei dem Kläger Bedarf an einer medizinischen Rehabilitation. Die Beklagte forderte den Kläger daraufhin erstmalig mit Schreiben vom 2. Mai 2006 dazu auf, beim Rentenversicherungsträger einen Antrag auf medizinische Rehabilitation zu stellen.

Hierauf stellte der Kläger zunächst Ende Juni 2006 bei der (damaligen) Landesversicherungsanstalt Brandenburg einen Antrag auf Leistungen zur ambulanten/teil¬stationären medizinischen Rehabilitation, nahm wenige Tage später jedoch Abstand von diesem Antrag, weil eine Reha-Maßnahme für ihn aufgrund verschiedener familiärer Belastungen derzeit nicht in Betracht komme.

Am 3. August 2006 unterzog der Kläger sich einer weiteren Untersuchung bei dem MDK (Nervenärztin/Psychotherapeutin und Ärztin für Sozialmedizin Dr. R). Diese sah bei ihm Anpassungsstörungen, einen Verdacht auf neurotische Persönlichkeitsproblematik mit abhängig narzisstischen Zügen sowie den Verdacht auf eine rentenneurotische Entwicklung. Sie empfahl in ihrem Gutachten für die Beklagte dringend die Durchführung eines psychosomatischen Heilverfahrens. Mit Schreiben vom 10. August 2006 forderte die Beklagte den Kläger daraufhin erneut dazu auf, einen Antrag auf Rehabilitation beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen und wies den Kläger außerdem darauf hin, dass der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf einer 10-wöchigen Frist entfalle, sofern er einen solchen Antrag nicht stelle.

Am 29. August 2006, bei der Deutschen Rentenversicherung Brandenburg eingegangen am 6. September 2006, stellte der Kläger einen Antrag auf Leistungen zur stationären medizinischen Rehabilitation.

Gegenüber dem Rentenversicherungsträger nahm das Verwaltungsverfahren sodann folgenden weiteren Verlauf: Der sozialmedizinische Dienst der Deutschen Rentenversicherung Brandenburg befürwortete die Bewilligung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation; eine ambulante Reha-Maßnahme sei aus medizinischer Sicht nicht möglich. Mit Bescheid vom 22. September 2006 bewilligte der Rentenversicherungsträger daraufhin eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation ( Klinik L). Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, von der Beklagten zwangsweise zur Beantragung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme angehalten worden zu sein, obwohl er eine ambulante Behandlung bevorzuge. Das in Berlin ansässige Z (ZAR) sei insoweit eine geeignete Einrichtung. Auch sein behandelnder Arzt, P K, sehe keine Nachteile in der Durchführung einer ambulanten Reha-Maßnahme. Auf den Widerspruch des Klägers reagierte der Rentenversicherungsträger erst durch Verfügung vom 28. Dezember 2006, mit der der Ärztliche Dienst um Stellungnahme dazu gebeten wurde, ob das Reha-Ziel auch durch eine ambulante Maßnahme erreicht werden könne. Dieser erklärte am 2. Januar 2007 durch den Facharzt für Neurologie und Sozialmedizin R, dass eine ambulante Reha möglich, das vom Kläger favorisierte, in Berlin tätige ZAR aber eher nicht geeignet sei. Dem Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 22. September 2006 half der Rentenversicherungsträger daraufhin ab und bewilligte mit Bescheid vom 19. Februar 2007 eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme. Der Rentenversicherungsträger schlug zunächst eine ambulante Reha-Einrichtung in T in Betracht, zeigte sich aber nach nochmaliger Rücksprache mit dem Neurologen R vom Ärztlichen Dienst einverstanden mit einer Durchführung der ambulanten Reha-Maßnahme bei dem ZAR in B, weil auch dort eine psychosomatische Behandlung durchgeführt werde. Der Reha-Maßnahme bei dem ZAR in B unterzog der Kläger sich sodann in der Zeit vom 13. März 2007 bis zum 10. Mai 2007. Von dort wurde er als arbeitsunfähig entlassen. Während der Reha-Maßnahme bezog der Kläger Übergangsgeld von Seiten des Rentenversicherungsträgers. Im Anschluss bezog der Kläger vom 11. Mai 2007 bis zur Aussteuerung am 5. Juni 2007 wiederum Krankengeld von der Beklagten.

Nachdem der Rentenversicherungsträger durch den Bescheid vom 22. September 2006 die Maßnahme stationärer Rehabilitation bewilligt hatte, verfolgte die Beklagte die Absicht, den Kläger zu einem möglichst zeitnahen Antritt der Reha-Maßnahme zu bewegen; der Rentenversicherungsträger unternahm keine derartigen Anstrengungen, forderte vielmehr Anfang Dezember 2005 die Akte des Klägers von der S Klinik L zurück. Nach Angaben der S Klinik L war zunächst eine Aufnahme des Klägers zum 19. Oktober 2006 geplant. Weil der Kläger anführte, einen nicht aufschiebbaren Anwaltstermin am 20. Oktober 2006 zu haben, wurde der Aufnahmetermin in der S-Klinik in L auf den 2. November 2006 verschoben.

Auf der Grundlage von Bescheinigungen seines Zahnarztes C G war der Kläger in der Zeit vom 18. Oktober 2006 bis zum 24. Oktober 2006 wegen eines Abszesses im Backenzahnbereich arbeitsunfähig.

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ihn nach einer telefonischen Rücksprache mit dem Zahnarzt G für rehabilitationsfähig halte. Bis zum Aufnahmetermin in der S Klinik L am 2. November 2006 werde Krankengeld gezahlt. Gleichzeitig wies die Beklagte den Kläger auf seine Mitwirkungspflicht nach § 63 SGB I hin und drohte an, die Krankengeldzahlung mit Ablauf des 1. November 2006 bis zur Nachholung der Mitwirkung zu versagen.

Mit Schreiben an die Beklagte ebenfalls vom 27. Oktober 2006 erklärte der Kläger, dass er die Durchführung einer stationären Reha-Maßnahme nicht für notwendig halte; für ihn stehe die Wahrnehmung einer ambulanten Reha im Vordergrund. Mit Schreiben vom 1. November 2006 hielt die Beklagte daran fest, dass der Kläger auf der Grundlage des Bewilligungsbescheides des Rentenversicherungsträgers vom 22. September 2006 die stationäre Reha am 2. November 2006 antreten müsse. Dem leistete der Kläger indessen keine Folge.

Mit Bescheid vom 9. November 2006 versagte die Beklagte dem Kläger daraufhin die Krankengeldzahlung mit Ablauf des 2. November 2006 "bis zur Nachholung der Mitwirkung (§ 66 Abs. 1 SGB I)". Mit Schreiben vom 27. Oktober 2006 sei der Kläger auf seine Mitwirkungspflichten hingewiesen worden; nachdem er die Reha-Maßnahme nicht angetreten habe, müsse die Krankengeldzahlung eingestellt werden.

In seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die Annahme, er sei seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen, sei unzutreffend. Er weise darauf hin, dass er ab sofort eine ambulante Rehabilitation im ZAR in B durchführen könnte und dies auch wolle.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen ihren Bescheid vom 9. November 2006 zurück. Der Rentenversicherungsträger habe bei dem Krankheitsbild des Klägers eine fünfwöchige stationäre Rehabilitationsmaßnahme für angemessen gehalten. Eine solche Entscheidung sei angesichts der Schwere der Erkrankung des Klägers nachvollziehbar. Durch eine stationäre Reha-Maßnahme könne er sehr viel intensiver als durch eine ambulante Leistung behandelt werden. Aufgrund der kategorischen Weigerung des Klägers, eine stationäre Reha-Maßnahme anzutreten, sei ihm nun vom Rentenversicherungsträger eine ambulante Maßnahme angeboten worden. Bei Würdigung der Gesamtumstände erscheine es so, dass der Kläger durch immer neue Wünsche und Forderungen versuche, den Beginn der Reha-Maßnahme zu verzögern. Er könne die Durchführung einer solchen Maßnahme zwar auch ohne ausreichenden Grund ablehnen, müsse in diesem Fall aber die im SGB I normierten Konsequenzen tragen. Die Krankenkasse könne nämlich das Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit bis zu Nachholung der Mitwirkung in Gestalt der Durchführung einer Reha-Maßnahme ganz oder teilweise versagen, wenn wegen des Verstoßes gegen die Mitwirkungspflichten anzunehmen sei, dass deshalb die Arbeits- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert worden sei. Hierüber sei der Kläger auch schriftlich belehrt worden. Soweit der Kläger ausgeführt habe, dass sich sein Allgemeinzustand sogar noch verschlechtert habe, hätte dieser Entwicklung mit hinreichender Sicherheit entgegen gewirkt werden können, wenn er an einer stationären Reha-Maßnahme teilgenommen hätte. Das vollständige Versagen des Krankengeldes ab dem 3. November 2006 sei gerechtfertigt, weil sich der Kläger der zur Verbesserung seines Gesundheitszustandes erforderlichen Reha-Maßnahme bisher konsequent verweigert habe. Der Nichtantritt von zwei stationären und einer ambulanten Reha-Maßnahme sowie die Rücknahme eines Reha-Antrages ließen keine andere Ermessensentscheidung als die vollständige Versagung des Krankengeldes zu. Die Wünsche des Klägers in Bezug auf die Ausgestaltung einer Reha-Maßnahme dürften nicht dazu führen, dass eine solche Maßnahme nicht mehr zu verwirklichen sei und er sich auf die ambulante vertragsärztliche Behandlung sowie die Entgegennahme des Krankengeldes beschränke. Die Versagung des Krankengeldes ab 3. November 2006 führe auch nicht zu einer finanziellen Notlage, denn das monatliche Nettoeinkommen der Ehefrau in Höhe von rund 1.450,00 Euro reiche für das Bestreiten des gemeinsamen Lebensunterhaltes beider Ehegatten aus.

Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger ausgeführt, nicht gegen seine gesetzlichen Mitwirkungspflichten verstoßen zu haben, indem er auf der Durchführung einer ambulanten Reha-Maßnahme bestanden habe. Es könne nicht davon die Rede sein, dass er versucht habe, den Beginn einer Reha-Maßnahme zu verzögern. Er habe sich selbstverständlich einer Heilbehandlung unterziehen wollen, allerdings nur einer für ihn geeigneten. Am 2. November 2006, dem Tag des geplanten Antritts der stationären Reha-Maßnahme, sei er nicht rehabilitationsfähig gewesen. Dies belegten Atteste des behandelnden Internisten E P. Diesen habe er am 2., 7., 14. und 16. November 2006 aufgrund eines Taubheitsgefühl im rechten Arm und im rechten Bein sowie der Anzeichen eines Burnout-Syndroms aufgesucht. Seit November 2006 habe er sich intensiv um die Durchführung einer ambulanten Reha-Maßnahme gekümmert, die er dann ja auch im März 2007 angetreten habe.

Nachdem der Kläger nachgewiesen hatte, in der Zeit vom 2. November 2006 bis zum 16. November 2006 in ärztlicher Behandlung gewesen zu sein und deshalb die stationäre Reha-Maßnahme nicht antreten zu können, hat die Beklagte insoweit einen Anspruch auf Krankengeld anerkannt.

In Bezug auf den streitigen Zeitraum 17. November 2006 bis 12. März 2007 hat das Sozialgericht Potsdam mit Urteil vom 8. Februar 2011 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Zu Recht habe die Beklagte für diesen Zeitraum die Gewährung von Krankengeld versagt. Bei Erlass des Bescheides, am 9. November 2006 habe eine Entschuldigung des Klägers für den Nichtantritt der stationären Reha-Maßnahme am 2. November 2006 im Sinne eines wichtigen Grundes nicht vorgelegen. Seinen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld habe der Kläger daher aufgrund fehlender Mitwirkungen nach den § 63, 65 und 66 SGB I verloren. Dass der Kläger rehabilitationsbedürftig gewesen sei, sei unstreitig. Ein wichtiger Grund für den Nichtantritt der Reha-Maßnahme habe lediglich für den Zeitraum 2. November 2006 bis 17. November 2006 vorgelegen. Insoweit habe die Beklagte nunmehr auch ein Anerkenntnis abgegeben. Anders liege es aber für die Zeit ab dem 17. November 2006; insoweit fehle es an einem "wichtigen Grund" im Sinne von § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I. Auf die Folgen fehlender Mitwirkung und auf die Möglichkeit, die weitere Gewährung von Krankengeld zu versagen, sei der Kläger wiederholt von der Beklagten ordnungsgemäß hingewiesen worden. Aufgrund der Tatsache, dass der Rentenversicherungsträger eine Maßnahme stationärer Rehabilitation für notwendig erachtet habe, habe auch die Beklagte davon ausgehen müssen, dass ein ambulantes Reha-Verfahren für den Kläger nicht medizinisch ausreichend gewesen wäre. Die Maßnahme der Beklagten sei auch weder unverhältnismäßig noch unzumutbar. Das ihr nach § 66 SGB I zustehende Ermessen habe sie beanstandungsfrei ausgeübt. Sie habe ihre Entscheidung nicht allein auf die unberechtigte Weigerung des Klägers abgestellt, die stationäre Reha-Maßnahme anzutreten, sondern auch Feststellungen zum Familieneinkommen getroffen.

Gegen das ihm am 11. März 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. April 2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgebracht: Die Sichtweise des Sozialgerichts werde dem Sachverhalt nicht gerecht. Aufgrund der seinerzeit bestehenden mittelgradigen depressiven Episode sei er in seinem Alltag stark eingeschränkt gewesen. Teilweise sei er nicht einmal in der Lage gewesen, Telefonate zu führen. Stark beeinträchtigt hätten ihn auch die gesundheitlichen Probleme seiner Ehefrau und seiner Mutter. Gegen den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 22. September 2006, mit dem diese eine stationäre Reha bewilligt hatte, die am 2. November 2006 angetreten werden sollte, habe er Widerspruch eingelegt. Daher könne ihm nicht angelastet werden, diese Maßnahme nicht angetreten zu haben. Stets habe er sich um eine ambulante Reha-Maßnahme bemüht, die er dann im März 2007 auch wahrgenommen habe. All dies sei von seinem Arzt P K befürwortet worden. Dass er gegen den Bescheid des Rentenversicherungsträgers vom September 2006 Widerspruch eingelegt habe, dürfe nicht dazu führen, ihm in dem Verfahren wegen der Gewährung von Krankengeld fehlende Mitwirkung vorzuwerfen. Zudem sei dieser Widerspruch letztlich ja auch erfolgreich gewesen. Er dürfe nicht durch die Verweigerung von Krankengeld unter Druck gesetzt werden. Mangelnde Verständigung zwischen dem Rentenversicherungsträger und der Beklagten dürfe nicht zu seinen Lasten gehen. Auch im November 2006 habe der Rentenversicherungsträger die Durchführung einer ambulanten Rehabilitation bestätigt. Inwiefern die Beklagte daher eine Verletzung der Mitwirkungspflicht sehe, sei nicht nachvollziehbar. Warum die Bewilligung dann erst am 19. Februar 2007 erfolgt sei, entziehe sich der Kenntnis des Klägers. Er habe hier lediglich auf einen neuen Bescheid seitens des Rentenversicherungsträgers gewartet. Dies erkläre auch, warum er nach dem 2. November 2006 keinen weiteren Termin für die Aufnahme in eine stationäre Rehabilitation erhalten habe. Er habe sich der Durchführung einer Rehabilitation zu keinem Zeitpunkt entzogen, sondern nur nach der für seine damalige Lebenssituation am besten geeignete Maßnahme gesucht. Er habe einen Anspruch auf die Beachtung der individuellen Lebensumstände.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. Februar 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm auch für die Zeit vom 17. November 2006 bis zum 12. März 2007 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Ergänzend führt sie aus: Die in dem Verfahren zur Bewilligung einer Rehabilitations-Maßnahme aufgetretenen Verzögerungen habe der Kläger zu vertreten. Die Beklagte habe sogar weiter Krankengeld gezahlt, obwohl schon im April eine Rehabilitations-Maßnahme seitens des MDK dringend empfohlen worden sei. Zu von dem Kläger zu vertretenden Verzögerungen sei es auch im Zusammenhang mit der vom Rentenversicherungsträger schließlich bewilligten ambulanten Rehabilitation gekommen; denn dieser habe zunächst eine Maßnahme in T vorgeschlagen, welche der Kläger jedoch abgelehnt und eine solche bei dem ZAR in B angestrebt habe.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte, des Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie des Verwaltungsvorgangs des Rentenversicherungsträgers DRV Brandenburg Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und im tenorierten Umfange begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage vollständig abgewiesen. Der Kläger hat Anspruch auf die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 17. November 2006 bis zum 13. Februar 2007, für die Zeit danach indessen nicht.

1. Für die Zeit ab 14. Februar 2007 hat der Kläger aus Rechtsgründen keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld. Für den 14. Februar 2007 scheitert ein Krankengeldanspruch schon an einer ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, denn Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen liegen nur vor für die Zeit bis einschließlich 13. Februar 2007 und ab 15. Februar 2007. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld aber erst von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit in Form der üblichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist damit unabdingbare Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld. Dem Versicherten wird vom Gesetz insoweit eine Obliegenheit auferlegt, die ärztliche Feststellung herbeizuführen; mögliche Härten für den Versicherten hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen (vgl. Höfler in Kasseler Kommentar, Rdnr. 4 zu § 46 SGB V). Es besteht auch keine Notwendigkeit, ausnahmsweise von der Erforderlichkeit der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit abzusehen (vgl. hierzu a.a.O., Rdnr. 8), denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger etwa aus zwingenden gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, eine ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig auch für die Zeit unmittelbar nach dem 13. Februar 2007 herbeizuführen.

Der Krankengeldanspruch des Klägers war danach mit Ablauf des 13. Februar 2007 von Gesetzes wegen erloschen. Mit Ablauf des 13. Februar 2007 endete nämlich gleichzeitig die den Krankengeldanspruch begründende Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten aus eigenem Recht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt); diese Mitgliedschaft hatte bis zum 13. Februar 2007 aufgrund des Bezuges von Krankengeld fortbestanden (§ 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V), nachdem das Arbeitsverhältnis bereits (spätestens) am 30. April 2006 geendet hatte. Nach dem 13. Februar 2007 war der Kläger nicht mehr mit Anspruch auf Zahlung von Krankengeld krankenversichert, vgl. § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB V in der bis zum 31. März 2007 geltenden Fassung, so dass die ärztliche Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit ab dem 15. Februar 2007 bedeutungslos ist.

2. Anders liegt es, soweit der Zeitraum 17. November 2006 bis 13. Februar 2007 streitbefangen ist. An der Arbeitsunfähigkeit des Klägers und der lückenlosen Vorlage entsprechender ärztlicher Bescheinigungen besteht insoweit kein Zweifel. Gleichzeitig liegen die Voraussetzungen für eine Versagung bzw. Entziehung des Anspruchs auf Krankengeld nach § 66 Abs. 2 Sozialgesetzbuch / Erstes Buch (SGB I) nicht vor. Danach kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, wenn derjenige, der eine Sozialleistung u.a. wegen Arbeitsunfähigkeit erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 SGB I nicht nachkommt und unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird. Nach § 63 SGB I soll sich auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers derjenige, der wegen Krankheit oder Behinderung Sozialleistungen beantragt oder erhält, einer Heilbehandlung unterziehen, wenn zu erwarten ist, dass sie eine Besserung seines Gesundheitszustandes herbeiführen oder eine Verschlechterung verhindern wird. Nach § 66 Abs. 3 SGB I dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden und seine Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

Nach § 63 SGB I war der Kläger, der Krankengeld bezog, grundsätzlich verpflichtet, auf Verlangen der Beklagten eine Rehabilitationsmaßnahme wahrzunehmen.

Ob die in § 63 SGB I und § 66 Abs. 2 SGB I vorausgesetzte Kausalität zwischen der Verletzung der Mitwirkungspflicht und der weiteren Arbeitsunfähigkeit vorliegt und ob das Schreiben der Beklagten vom 27. Oktober 2006 den Erfordernissen des § 66 Abs. 3 SGB I genügt, kann dahinstehen.

Denn der angefochtene Bescheid ist für den Zeitraum 17. November 2006 bis 13. Februar 2007 schon deshalb rechtswidrig, weil der Kläger zur Überzeugung des Senats seine gesetzlichen Mitwirkungspflichten nicht verletzt hat. Dass der Kläger es dem Rentenversicherungsträger im Laufe des Verfahrens zur Beantragung und Bewilligung einer Reha-Maßnahme "nicht leicht" gemacht hat, was auch eine Ausprägung seines Krankheitsbildes gewesen sein dürfte, steht ebenso wenig außer Frage wie die Tatsache, dass zwischen der ersten Aufforderung durch die Beklagte (Schreiben vom 2. Mai 2006) und Antritt der ambulanten Reha (13. März 2007) etwa zehn Monate lagen. Die gebotene Gesamtschau indessen ergibt zur Überzeugung des Senats, dass die Entziehung des Krankengeldes dem Fall des Klägers nicht gerecht wird. Insbesondere lässt sich die Auffassung der Beklagten, der Kläger habe seine Mitwirkungspflicht aus § 63 SGB I verletzt, im Hinblick auf den Ablauf des von der DRV Berlin-Brandenburg seit Ende August 2006 durchgeführten Verwaltungsverfahrens nicht halten. Hier aufgetretene Verzögerungen können dem Kläger nicht mit der Folge angelastet werden, dass das Krankengeld nach § 66 Abs. 2 SGB I entzogen wird.

Schon früh (mit Schreiben vom 29. Oktober 2006) und stringent verfolgte der Kläger das erklärte Ziel, sich einer ambulanten Reha-Maßnahme unterziehen zu wollen; gegen die Durchführung einer stationären Reha-Maßnahme führte er nachvollziehbare Gründe im familiären Bereich an. Sein Ziel erreichte er schließlich auf der Grundlage des Bescheides der DRV Berlin-Brandenburg vom 19. Februar 2007, der zur ambulanten Reha vom 13. März 2007 bis 10. Mai 2007 führte.

Seine Mitwirkungspflicht hat der Kläger insbesondere nicht dadurch verletzt, dass er gegen den Reha-Bescheid des Rentenversicherungsträgers vom 22. September 2006 Widerspruch einlegte.

Rechtlich maßgeblich ist insoweit zum einen, dass dieser Widerspruch aufschiebende Wirkung entfaltete, § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG, so dass die sich aus dem Bescheid ergebende Verpflichtung zum Antritt der bewilligten stationären Reha-Maßnahme nicht vollziehbar war. Dem kann nicht etwa entgegen gehalten werden, dass dieser Widerspruch unzulässig gewesen sei, denn an die Bewilligung einer stationären Reha können sich für einen Bezieher von Krankengeld – wie der Fall gerade zeigt – auch nachteilige Folgen knüpfen, sofern die Reha nicht angetreten wird. So nahm denn auch – und das ist entscheidend – der Rentenversicherungsträger den Widerspruch zum Anlass, den Sachverhalt einer erneuten Überprüfung zu unterziehen und den Ärztlichen Dienst die Geeignetheit einer ambulanten Reha erneut prüfen zu lassen. Dann darf aber die beklagte Krankenkasse auf der anderen Seite den Kläger nicht an dem Bescheid vom 22. September 2006 festhalten und ihn unter Androhung von Leistungsentzug zwingen wollen, die stationäre Reha anzutreten. Die Beklagte hat sich hier gleichsam zum ersatzweisen Träger der Reha-Maßnahme aufgeschwungen, indem sie an Stelle der DRV Berlin-Brandenburg mit der S Klinik L verhandelte und um beschleunigte Aufnahme zu bestimmten Terminen bat. Dass der Rentenversicherungsträger den Widerspruch des Klägers mit zeitlicher Verzögerung behandelte und erst Ende Dezember 2006 zur erneuten Prüfung an den Ärztlichen Dienst weiterleitete, kann dabei nicht dem Kläger zur Last fallen.

Zum anderen liegt auch in der Ausübung des Widerspruchrechts selbst keine Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 63 SGB I. Auf der Grundlage von § 51 SGB V hatte die Beklagte den Kläger durch das Schreiben vom 10. August 2006 aufgefordert, "einen Antrag auf Rehabilitation beim zuständigen Rentenversicherungsträger" zu stellen. Eine Eingrenzung auf eine Maßnahme stationärer Rehabilitation nahm die Beklagte dabei nicht vor. Der Kläger nahm daher durch Erhebung seines Widerspruchs gegen den Reha-Bescheid vom 22. September 2006 nicht etwa vollständig Abstand von seinem zuvor gestellten Reha-Antrag, sondern grenzte diesen nur ein auf das Begehren einer ambulanten Reha-Maßnahme. Daher kann auch nicht davon die Rede sein, dass der Anspruch auf Krankengeld gemäß § 51 Abs. 3 SGB V nach Ablauf der dem Kläger gesetzten 10-wöchigen Frist entfiel. Denn der Kläger hat an seinem fristgemäß gestellten Reha-Antrag festgehalten und diesen mit Erhebung seines Widerspruchs nur konkretisiert.

Insgesamt ist daher festzuhalten, dass von der maßgeblichen Beantragung der Reha-Maßnahme am 6. September 2006 bis zum Reha-Bescheid vom 19. Februar 2007 gut fünf Monate vergangen sind. In diesem Zeitraum hat der Kläger nach Lage der Akten keine ihm anzulastende Verzögerungstaktik an den Tag gelegt, sondern sich lediglich darum bemüht, eine für ihn wirklich geeignete Reha-Maßnahme zu erhalten. Vor diesem Hintergrund war die Beklagte nicht berechtigt, ihm mit Wirkung vom 3. bzw. 17. November 2006 das Krankengeld zu entziehen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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