Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
ÃG
Abteilung
37
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 37 SF 255/13 EK U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 ÜG 1/15 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wird eine unverzüglich erforderliche Verzögerungsrüge nicht rechtzeitig erhoben, ist ein Entschädigungsanspruch bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Verzögerungsrüge präkludiert (so schon Urteile des Senats vom 02.08.2013 – L 37 SF 252/12 EK AL – Rn. 37 sowie – L 37 SF 274/12 EK AS – Rn. 54).
Die Präklusion erstreckt sich nicht nur auf den Entschädigungsanspruch, sondern auch auf eine mögliche Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer (Anschluss an BGH, Urteil vom 10.04.2014 – III ZR 335/13 – Rn. 35).
Die Präklusion erstreckt sich nicht nur auf den Entschädigungsanspruch, sondern auch auf eine mögliche Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer (Anschluss an BGH, Urteil vom 10.04.2014 – III ZR 335/13 – Rn. 35).
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 6.100,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) unter dem Aktenzeichen S 3 U 165/04 geführten Verfahrens. Dem Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 19. April 2004 erhob der bereits damals durch seine jetzigen Bevollmächtigten vertretene Kläger vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) eine Untätigkeitsklage, mit der er die Verurteilung der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen zur Bescheidung seines Antrages vom 22. März 2002 auf Anerkennung eines Unfallereignisses vom selben Tage als Arbeitsunfall in entschädigungspflichtigem Umfang begehrte. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 10 U 52/04 registriert. Nachdem die dortige Beklagte mit Bescheid vom 18. Oktober 2004 die Gewährung von Entschädigungsleistungen über den 02. Mai 2002 hinaus abgelehnt hatte, nahm der Kläger seine Klage am 16. November 2004 zurück.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01. Dezember 2004 bestätigte die Berufsgenossenschaft ihre ablehnende Entscheidung vom 18. Oktober 2004, woraufhin der Kläger am 06. Dezember 2004 erneut Klage erhob, die unter dem Aktenzeichen S 3 U 165/04 registriert wurde. Auf die am 31. Januar 2005 bei Gericht eingegangene Klagebegründung erwiderte der dortige Beklagte umgehend (Eingang des Schriftsatzes am 07. Februar 2005). Es schlossen sich medizinische Ermittlungen insbesondere bei den behandelnden Ärzten an. Zwischen August und Dezember 2005 gaben die Beteiligten diverse Stellungnahmen ab. In der Folgezeit zog das Sozialgericht weitere medizinische Unterlagen bei bzw. wurden solche seitens des Klägers zu den Akten gereicht. Mit Beweisanordnung vom 12. Dezember 2006 bestellte das Sozialgericht Frankfurt (Oder) schließlich einen medizinischen Sachverständigen und räumte diesem eine fünfmonatige Frist zur Erstellung des Gutachtens ein. Nachdem der beauftragte Sachverständige Anfang Januar 2007 die Erstattung des Gutachtens mangels erforderlicher aber nicht zur Verfügung stehender spezieller Untersuchungsinstrumente abgelehnt hatte, wurde Ende des Monats ein anderer Gutachter bestimmt. Dieser teilte dem Gericht Ende März 2007 mit, dass er das Gutachten wegen Überlastung nicht erstellen könne, und sandte die Unterlagen zurück. Unter Hinweis auf seine Pflicht zur Gutachtenerstattung und den bereits seit Anfang Februar 2007 vorliegenden Auftrag wurden diesem Sachverständigen die Unterlagen umgehend erneut zugeschickt. Nachdem dem Sachverständigen zwischenzeitlich eine Fristverlängerung gewährt worden war, ging das Gutachten am 30. November 2007 bei Gericht ein.
Es schloss sich erneut der Austausch von Stellungnahmen der Beteiligten an. Am 09. April 2008 gab das Gericht sodann ein Zusatzgutachten in Auftrag, das drei Monate später bei Gericht einging und – wie schon das vorangegangene – nicht geeignet war, das Begehren des Klägers zu stützen.
Im Folgenden wurde insbesondere klägerischerseits mehrfach zur Sache vorgetragen. Unter dem 28. Januar 2009 forderte der Kammervorsitzende eine gutachterliche Stellungnahme an, die nach zwischenzeitlicher Erinnerung am 29. April 2009 bei Gericht eintraf. Hierzu nahmen die Bevollmächtigten Ende Mai 2009 und Anfang Juli 2009 Stellung.
Im November 2009 informierte das Gericht die Beteiligten, dass es aus gerichtsorganisatorischen Gründen innerhalb weniger Wochen zu einem mehrfachen Wechsel im Vorsitz gekommen sei und angesichts der Belastung ein konkreter Termin nicht in Aussicht gestellt werden könne. Im Folgenden kam es zu weiteren medizinischen Ermittlungen bei den behandelnden Ärzten.
Am 10. Juni 2010 verfügte der Kammervorsitzende den Rechtsstreit in das Sitzungsfach; mit Verfügung vom 29. Juli 2010 beraumte er eine mündliche Verhandlung für den 02. September 2010 an. Die Sache wurde in der Sitzung zur weiteren Sachverhaltsaufklärung vertagt. Es schlossen sich erneut umfangreiche Stellungnahmen der Beteiligten an.
Nach zwischenzeitlicher eigener Erkrankung lud der Vorsitzende die Beteiligten zum 17. Februar 2011 zu einem Erörterungstermin zur Beweisaufnahme. Infolge der im Termin erfolgten Vernehmung eines sachverständigen Zeugen wurde den Beteiligten eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Nach Eingang der Stellungnahme der Bevollmächtigten des Klägers samt zahlreichen medizinischen Unterlagen am 05. April 2011 und nach Ablauf einer der dortigen Beklagten zur Stellungnahme eingeräumten Frist, verfügte der Vorsitzende unter dem 27. Mai 2011 die Einholung einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme bei dem zuerst gehörten Sachverständigen und räumte diesem eine vierwöchige Frist ein. Nachdem der Sachverständige im Juli mitgeteilt hatte, dass er die Stellungnahme nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist abgeben könne, wurde ihm eine Fristverlängerung bis Ende August eingeräumt. Letztlich ging die Stellungnahme am 20. Oktober 2011 ein.
Am 27. Oktober 2011 wurden die Bevollmächtigten des Klägers um Stellungnahme geben, ob an der Klage festgehalten werde. Unter dem 07. Dezember 2011 baten diese um Fristverlängerung; am 29. Dezember 2011 ging schließlich die Stellungnahme bei Gericht ein. Unter dem 04. Januar 2012 unterrichtete das Sozialgericht die Beteiligten, dass weitere medizinische Ermittlungen nicht beabsichtigt seien, und bat um Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, die die Beteiligten mit am 10. bzw. 23. Januar 2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsätzen erklärten. Der Rechtsstreit wurde daraufhin am 24. Januar 2012 in das Fach "EomV" (Entscheidung ohne mündliche Verhandlung) verfügt.
Mit am 05. April 2012 eingegangenem Schriftsatz erhoben die Bevollmächtigten des Klägers Verzögerungsrüge.
Anlässlich des Termins am 24. Mai 2012 wies das Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Klage ohne mündliche Verhandlung ab. Auf richterliche Verfügung vom 28. Juni 2012 wurden die Urteilsausfertigungen am 01. August 2012 gefertigt und den Beteiligten am 03. bzw. 09. August 2012 zugestellt.
Am 31. August 2012 legte der Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung ein, die unter dem Aktenzeichen L 3 U 189/12 registriert wurde. Mit ohne mündliche Verhandlung ergangenem Urteil der Berichterstatterin vom 27. Juni 2013 wies das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Berufung des Klägers zurück. Die Urteilsgründe wurden den Beteiligten jeweils am 03. Juli 2013 zugestellt.
Am 16. September 2013 hat der Kläger eine Entschädigungsklage erhoben und eine angemessene Entschädigung für den ihm entstandenen immateriellen Schaden begehrt.
Er meint, das Ausgangsverfahren habe – ausgehend von der Untätigkeitsklage vom 19. April 2004 - einschließlich des Berufungsverfahrens neun Jahre und einen Monat gedauert. Auch die Komplexität der Materie und ein Wechsel der Kammer rechtfertige nicht die Überschreitung einer Verfahrensdauer von drei Jahren. Er mache daher für das erstinstanzliche Verfahren eine überlange Dauer von fünf Jahren und einem Monat geltend.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) unter dem Aktenzeichen S 3 U 165/04 geführten Verfahrens für fünf Jahre und einen Monat eine Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch pro Jahr der Verzögerung 1.200,00 EUR nicht unterschreiten sollte.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, für die Dauer des Klageverfahrens komme es bereits nicht auf die ursprünglich erhobene Untätigkeitsklage an. Hierbei handele es sich um einen anderen Streitgegenstand. Im Übrigen fehle es an einer unverzüglich erhobenen Verzögerungsrüge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zwar zulässig, nicht jedoch begründet.
A. Die auf Gewährung einer Entschädigung gerichtete Klage ist zulässig.
I. Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554). Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer handelt es sich nicht um einen Amtshaftungsanspruch im Sinne des Art. 34 des Grundgesetzes (GG). Es ist daher nicht der ordentliche Rechtsweg, sondern vorliegend der zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Denn die grundsätzlich in § 201 Abs. 1 Satz 1 vorgesehene Zuweisung der Entschädigungsklagen an das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde, wird für sozialgerichtliche Verfahren in § 202 Satz 2 SGG modifiziert. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das SGG tritt. Für die Entscheidung über die Klage ist daher das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zuständig.
II. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG sind die Vorschriften des SGG über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug heranzuziehen. Gemäß § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Der Kläger macht angesichts der Regelung des § 198 GVG nachvollziehbar geltend, auf die begehrte Entschädigungszahlung, die eine Leistung i.S.d. § 54 Abs. 5 SGG darstellt, einen Rechtsanspruch zu haben. Eine vorherige Verwaltungsentscheidung ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen (vgl. § 198 Abs. 5 GVG). Vielmehr lässt die amtliche Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 17/3802, S. 22 zu Abs. 5 Satz 1), nach der der Anspruch nach allgemeinen Grundsätzen auch vor einer Klageerhebung gegenüber dem jeweils haftenden Rechtsträger geltend gemacht und außergerichtlich befriedigt werden kann, erkennen, dass es sich hierbei um eine Möglichkeit, nicht jedoch eine Verpflichtung handelt.
III. Auch ist die Klage form- und fristgerecht erhoben. Die gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebene Schriftform ist eingehalten. Gleiches gilt für die Einlegungsfrist. Nach § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG muss eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder nach einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Vorliegend hat das Verfahren mit dem die Berufung zurückweisenden, den damaligen Verfahrensbeteiligten am 03. Juli 2013 zugestellten Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg seinen Abschluss gefunden. Mit der am 16. September 2013 erhobenen Entschädigungsklage ist damit die Frist gewahrt.
B. Allerdings ist die Klage zur Überzeugung des Senats nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens. Zwar ist der Beklagte passivlegitimiert (hierzu im Folgenden zu I.). Nicht hingegen liegen die Voraussetzungen für die begehrte Entschädigung vor (hierzu im Folgenden zu II.).
I. Zu Recht hat der Kläger seine Klage gegen das Land Brandenburg gerichtet. Denn nach § 200 Satz 1 GVG haftet für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten eines Landes eingetreten sind, das Land.
Die Übertragung der Vertretung des beklagten Bundeslandes Brandenburg auf die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg [Nr. 5 der Anordnung über die Vertretung des Landes Brandenburg im Geschäftsbereich des Ministers der Justiz - Vertretungsordnung JM Brdbg, Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz - vom 09.06.1992 (JMBl. S. 78) in der Fassung der Änderung vom 21.11.2012 (JMBl. S. 116)] ist nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte diese Übertragung durch eine Verwaltungsanweisung vorgenommen werden; ein Gesetz war nicht erforderlich (so BFH, Urteil vom 17.04.2013 - X K 3/12 - zitiert nach juris, Rn. 30 ff. für eine entsprechende Anordnung über die Vertretung des Landes Berlin im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz vom 20.09.2007, Amtsblatt Berlin 2007, 2641).
II. Die Voraussetzungen für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch liegen hingegen nicht vor.
Der Kläger macht bei verständiger Würdigung eine unangemessene Dauer des am 06. Dezember 2004 beim Sozialgericht Berlin eingeleiteten, letztlich durch Zustellung des seine Berufung zurückweisenden Urteils am 03. Juli 2013 beendeten und damit insgesamt etwa acht Jahre und sieben Monate bei Gericht anhängigen Verfahrens geltend. Er rügt diesbezüglich eine Verzögerung im Umfang von fünf Jahren und einem Monat bzgl. des erstinstanzlichen Verfahrens und macht ausschließlich einen Nachteil geltend, der kein Vermögensnachteil ist. Ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer steht ihm jedoch weder im geltend gemachten Umfang von insgesamt 61 Monaten noch für einen geringeren Zeitraum zu.
Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 S. 2 GVG). Eine Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG). Dies gilt nach Art. 23 Satz 2 bis 5 GRüGV für anhängige Verfahren, die bei Inkrafttreten des GRüGV schon verzögert sind, mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten des GRüGV erhoben werden muss. Nur in diesem Fall wahrt die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den vorausgehenden Zeitraum.
Der Rechtsstreit, für dessen Dauer eine Entschädigung begehrt wird, war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GRüGV am 03. Dezember 2011 schon und noch in der ersten Instanz anhängig, sodass eine unverzügliche Verzögerungsrüge insbesondere auch für das erstinstanzliche Verfahren erforderlich gewesen wäre, so der Rechtsstreit schon damals verzögert war.
Der Kläger begehrt für das im Sommer 2012 beendete erstinstanzliche Verfahren eine Entschädigung wegen einer Verzögerung um fünf Jahre und einen Monat. Er geht mithin selbst davon aus, dass das Verfahren bei Inkrafttreten des GRüGV bereits deutlich verzögert war, sodass eine unverzügliche Verzögerungsrüge erforderlich gewesen wäre. Ob der Rechtsstreit seinerzeit tatsächlich verzögert war oder zumindest irgendwann bis zum 05. April 2012 als verzögert anzusehen ist, kann hier jedoch dahinstehen. Denn wenn der Rechtsstreit nicht verzögert war, kommt selbstverständlich eine Entschädigungspflicht nicht in Betracht. War das Verfahren hingegen bei Inkrafttreten des GRüGV verzögert, wäre eine unverzügliche Verzögerungsrüge erforderlich gewesen. An dieser fehlt es jedoch.
Der Senat ist in zwei Urteilen vom 02. August 2013 (L 37 SF 252/12 EK AL, juris, Rn. 28 ff., und L 37 SF 274/12 EK AS, juris, Rn. 43 ff.) unter ausführlicher Begründung davon ausgegangen, dass nur eine innerhalb eines Monats ab Inkrafttreten des Gesetzes erhobene Verzögerungsrüge als unverzüglich anzusehen ist. Inzwischen haben sowohl der Bundesfinanzhof (Urteil vom 07.11.2013 – X K 13/12 – juris, Rn. 31 ff.) als auch der Bundesgerichtshof (Urteil vom 10.04.2014 – III ZR 335/13 – juris, Rn. 23 ff.) angenommen, dass eine Verzögerungsrüge solange als unverzüglich anzusehen ist, wie sie innerhalb von drei Monaten ab Inkrafttreten des GRüGV erhoben wird. Es kann hier dahinstehen, ob der Senat an seiner bisherigen Rechtsauffassung festhält oder sich der abweichenden Ansicht anschließt. Denn auch nach der Rechtsprechung der genannten Bundesgerichte wäre die am 05. April 2012 und damit gut vier Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes erhobene Verzögerungsrüge als nicht mehr unverzüglich anzusehen. Dies hat zur Folge, dass ein Entschädigungsanspruch bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Verzögerungsrüge als präkludiert anzusehen ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 02.08.2013 – L 37 SF 252/12 EK AL – Rn. 37 sowie – L 37 SF 274/12 EK AS – Rn. 54, jeweils zitiert nach juris, so auch BGH, a.a.O., Rn. 27 f.).
Entschädigungsrelevant könnte damit nur noch eine ab dem 05. April 2012 eingetretene Verzögerung sein. Eine solche ist jedoch – auch unter Berücksichtigung, dass das Verfahren seinerzeit tatsächlich etwa siebeneinhalb Jahre anhängig war und mit zunehmender Verfahrensdauer die Förderungspflicht steigt – nicht erkennbar. Die Kammer des Sozialgerichts hat am 24. Mai 2012 – und damit etwa sieben Wochen nach Erhebung der Verzögerungsrüge - über die Klage entschieden; das Urteil wurde den Beteiligten Anfang August 2012 zugestellt. Dass es insoweit zu sachlich nicht mehr gerechtfertigten Verzögerungen gekommen ist, ist nicht ersichtlich und wird auch vom Kläger nicht substantiiert geltend gemacht. Selbst wenn man in diesem Verfahrensabschnitt jedoch eine geringfügige Verzögerung erkennen wollte, fiele diese gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht entscheidend ins Gewicht, sodass eine Entschädigung nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 36).
Angesichts der bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Verzögerungsrüge eingetretenen Präklusion, die sich nicht nur auf den Entschädigungsanspruch, sondern auch auf eine mögliche Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer erstreckt (BGH, a.a.O., Rn. 35, anders noch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02.08.2013 – L 37 SF 274/12 EK AS – juris, Rn. 56), bedarf es schließlich keiner Klärung, ob der Senat auch ohne dahingehenden ausdrücklichen Antrag des Klägers ggf. eine Überlänge der Verfahrensdauer von Amts wegen feststellen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Anlass, die Revision nach §§ 160 Abs. 2, 202 Satz 2 SGG, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzulassen, bestand nicht.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) unter dem Aktenzeichen S 3 U 165/04 geführten Verfahrens. Dem Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 19. April 2004 erhob der bereits damals durch seine jetzigen Bevollmächtigten vertretene Kläger vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) eine Untätigkeitsklage, mit der er die Verurteilung der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen zur Bescheidung seines Antrages vom 22. März 2002 auf Anerkennung eines Unfallereignisses vom selben Tage als Arbeitsunfall in entschädigungspflichtigem Umfang begehrte. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 10 U 52/04 registriert. Nachdem die dortige Beklagte mit Bescheid vom 18. Oktober 2004 die Gewährung von Entschädigungsleistungen über den 02. Mai 2002 hinaus abgelehnt hatte, nahm der Kläger seine Klage am 16. November 2004 zurück.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01. Dezember 2004 bestätigte die Berufsgenossenschaft ihre ablehnende Entscheidung vom 18. Oktober 2004, woraufhin der Kläger am 06. Dezember 2004 erneut Klage erhob, die unter dem Aktenzeichen S 3 U 165/04 registriert wurde. Auf die am 31. Januar 2005 bei Gericht eingegangene Klagebegründung erwiderte der dortige Beklagte umgehend (Eingang des Schriftsatzes am 07. Februar 2005). Es schlossen sich medizinische Ermittlungen insbesondere bei den behandelnden Ärzten an. Zwischen August und Dezember 2005 gaben die Beteiligten diverse Stellungnahmen ab. In der Folgezeit zog das Sozialgericht weitere medizinische Unterlagen bei bzw. wurden solche seitens des Klägers zu den Akten gereicht. Mit Beweisanordnung vom 12. Dezember 2006 bestellte das Sozialgericht Frankfurt (Oder) schließlich einen medizinischen Sachverständigen und räumte diesem eine fünfmonatige Frist zur Erstellung des Gutachtens ein. Nachdem der beauftragte Sachverständige Anfang Januar 2007 die Erstattung des Gutachtens mangels erforderlicher aber nicht zur Verfügung stehender spezieller Untersuchungsinstrumente abgelehnt hatte, wurde Ende des Monats ein anderer Gutachter bestimmt. Dieser teilte dem Gericht Ende März 2007 mit, dass er das Gutachten wegen Überlastung nicht erstellen könne, und sandte die Unterlagen zurück. Unter Hinweis auf seine Pflicht zur Gutachtenerstattung und den bereits seit Anfang Februar 2007 vorliegenden Auftrag wurden diesem Sachverständigen die Unterlagen umgehend erneut zugeschickt. Nachdem dem Sachverständigen zwischenzeitlich eine Fristverlängerung gewährt worden war, ging das Gutachten am 30. November 2007 bei Gericht ein.
Es schloss sich erneut der Austausch von Stellungnahmen der Beteiligten an. Am 09. April 2008 gab das Gericht sodann ein Zusatzgutachten in Auftrag, das drei Monate später bei Gericht einging und – wie schon das vorangegangene – nicht geeignet war, das Begehren des Klägers zu stützen.
Im Folgenden wurde insbesondere klägerischerseits mehrfach zur Sache vorgetragen. Unter dem 28. Januar 2009 forderte der Kammervorsitzende eine gutachterliche Stellungnahme an, die nach zwischenzeitlicher Erinnerung am 29. April 2009 bei Gericht eintraf. Hierzu nahmen die Bevollmächtigten Ende Mai 2009 und Anfang Juli 2009 Stellung.
Im November 2009 informierte das Gericht die Beteiligten, dass es aus gerichtsorganisatorischen Gründen innerhalb weniger Wochen zu einem mehrfachen Wechsel im Vorsitz gekommen sei und angesichts der Belastung ein konkreter Termin nicht in Aussicht gestellt werden könne. Im Folgenden kam es zu weiteren medizinischen Ermittlungen bei den behandelnden Ärzten.
Am 10. Juni 2010 verfügte der Kammervorsitzende den Rechtsstreit in das Sitzungsfach; mit Verfügung vom 29. Juli 2010 beraumte er eine mündliche Verhandlung für den 02. September 2010 an. Die Sache wurde in der Sitzung zur weiteren Sachverhaltsaufklärung vertagt. Es schlossen sich erneut umfangreiche Stellungnahmen der Beteiligten an.
Nach zwischenzeitlicher eigener Erkrankung lud der Vorsitzende die Beteiligten zum 17. Februar 2011 zu einem Erörterungstermin zur Beweisaufnahme. Infolge der im Termin erfolgten Vernehmung eines sachverständigen Zeugen wurde den Beteiligten eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Nach Eingang der Stellungnahme der Bevollmächtigten des Klägers samt zahlreichen medizinischen Unterlagen am 05. April 2011 und nach Ablauf einer der dortigen Beklagten zur Stellungnahme eingeräumten Frist, verfügte der Vorsitzende unter dem 27. Mai 2011 die Einholung einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme bei dem zuerst gehörten Sachverständigen und räumte diesem eine vierwöchige Frist ein. Nachdem der Sachverständige im Juli mitgeteilt hatte, dass er die Stellungnahme nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist abgeben könne, wurde ihm eine Fristverlängerung bis Ende August eingeräumt. Letztlich ging die Stellungnahme am 20. Oktober 2011 ein.
Am 27. Oktober 2011 wurden die Bevollmächtigten des Klägers um Stellungnahme geben, ob an der Klage festgehalten werde. Unter dem 07. Dezember 2011 baten diese um Fristverlängerung; am 29. Dezember 2011 ging schließlich die Stellungnahme bei Gericht ein. Unter dem 04. Januar 2012 unterrichtete das Sozialgericht die Beteiligten, dass weitere medizinische Ermittlungen nicht beabsichtigt seien, und bat um Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, die die Beteiligten mit am 10. bzw. 23. Januar 2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsätzen erklärten. Der Rechtsstreit wurde daraufhin am 24. Januar 2012 in das Fach "EomV" (Entscheidung ohne mündliche Verhandlung) verfügt.
Mit am 05. April 2012 eingegangenem Schriftsatz erhoben die Bevollmächtigten des Klägers Verzögerungsrüge.
Anlässlich des Termins am 24. Mai 2012 wies das Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Klage ohne mündliche Verhandlung ab. Auf richterliche Verfügung vom 28. Juni 2012 wurden die Urteilsausfertigungen am 01. August 2012 gefertigt und den Beteiligten am 03. bzw. 09. August 2012 zugestellt.
Am 31. August 2012 legte der Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung ein, die unter dem Aktenzeichen L 3 U 189/12 registriert wurde. Mit ohne mündliche Verhandlung ergangenem Urteil der Berichterstatterin vom 27. Juni 2013 wies das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Berufung des Klägers zurück. Die Urteilsgründe wurden den Beteiligten jeweils am 03. Juli 2013 zugestellt.
Am 16. September 2013 hat der Kläger eine Entschädigungsklage erhoben und eine angemessene Entschädigung für den ihm entstandenen immateriellen Schaden begehrt.
Er meint, das Ausgangsverfahren habe – ausgehend von der Untätigkeitsklage vom 19. April 2004 - einschließlich des Berufungsverfahrens neun Jahre und einen Monat gedauert. Auch die Komplexität der Materie und ein Wechsel der Kammer rechtfertige nicht die Überschreitung einer Verfahrensdauer von drei Jahren. Er mache daher für das erstinstanzliche Verfahren eine überlange Dauer von fünf Jahren und einem Monat geltend.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) unter dem Aktenzeichen S 3 U 165/04 geführten Verfahrens für fünf Jahre und einen Monat eine Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch pro Jahr der Verzögerung 1.200,00 EUR nicht unterschreiten sollte.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, für die Dauer des Klageverfahrens komme es bereits nicht auf die ursprünglich erhobene Untätigkeitsklage an. Hierbei handele es sich um einen anderen Streitgegenstand. Im Übrigen fehle es an einer unverzüglich erhobenen Verzögerungsrüge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zwar zulässig, nicht jedoch begründet.
A. Die auf Gewährung einer Entschädigung gerichtete Klage ist zulässig.
I. Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554). Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer handelt es sich nicht um einen Amtshaftungsanspruch im Sinne des Art. 34 des Grundgesetzes (GG). Es ist daher nicht der ordentliche Rechtsweg, sondern vorliegend der zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Denn die grundsätzlich in § 201 Abs. 1 Satz 1 vorgesehene Zuweisung der Entschädigungsklagen an das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde, wird für sozialgerichtliche Verfahren in § 202 Satz 2 SGG modifiziert. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das SGG tritt. Für die Entscheidung über die Klage ist daher das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zuständig.
II. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG sind die Vorschriften des SGG über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug heranzuziehen. Gemäß § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Der Kläger macht angesichts der Regelung des § 198 GVG nachvollziehbar geltend, auf die begehrte Entschädigungszahlung, die eine Leistung i.S.d. § 54 Abs. 5 SGG darstellt, einen Rechtsanspruch zu haben. Eine vorherige Verwaltungsentscheidung ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen (vgl. § 198 Abs. 5 GVG). Vielmehr lässt die amtliche Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 17/3802, S. 22 zu Abs. 5 Satz 1), nach der der Anspruch nach allgemeinen Grundsätzen auch vor einer Klageerhebung gegenüber dem jeweils haftenden Rechtsträger geltend gemacht und außergerichtlich befriedigt werden kann, erkennen, dass es sich hierbei um eine Möglichkeit, nicht jedoch eine Verpflichtung handelt.
III. Auch ist die Klage form- und fristgerecht erhoben. Die gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebene Schriftform ist eingehalten. Gleiches gilt für die Einlegungsfrist. Nach § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG muss eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder nach einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Vorliegend hat das Verfahren mit dem die Berufung zurückweisenden, den damaligen Verfahrensbeteiligten am 03. Juli 2013 zugestellten Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg seinen Abschluss gefunden. Mit der am 16. September 2013 erhobenen Entschädigungsklage ist damit die Frist gewahrt.
B. Allerdings ist die Klage zur Überzeugung des Senats nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens. Zwar ist der Beklagte passivlegitimiert (hierzu im Folgenden zu I.). Nicht hingegen liegen die Voraussetzungen für die begehrte Entschädigung vor (hierzu im Folgenden zu II.).
I. Zu Recht hat der Kläger seine Klage gegen das Land Brandenburg gerichtet. Denn nach § 200 Satz 1 GVG haftet für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten eines Landes eingetreten sind, das Land.
Die Übertragung der Vertretung des beklagten Bundeslandes Brandenburg auf die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg [Nr. 5 der Anordnung über die Vertretung des Landes Brandenburg im Geschäftsbereich des Ministers der Justiz - Vertretungsordnung JM Brdbg, Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz - vom 09.06.1992 (JMBl. S. 78) in der Fassung der Änderung vom 21.11.2012 (JMBl. S. 116)] ist nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte diese Übertragung durch eine Verwaltungsanweisung vorgenommen werden; ein Gesetz war nicht erforderlich (so BFH, Urteil vom 17.04.2013 - X K 3/12 - zitiert nach juris, Rn. 30 ff. für eine entsprechende Anordnung über die Vertretung des Landes Berlin im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz vom 20.09.2007, Amtsblatt Berlin 2007, 2641).
II. Die Voraussetzungen für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch liegen hingegen nicht vor.
Der Kläger macht bei verständiger Würdigung eine unangemessene Dauer des am 06. Dezember 2004 beim Sozialgericht Berlin eingeleiteten, letztlich durch Zustellung des seine Berufung zurückweisenden Urteils am 03. Juli 2013 beendeten und damit insgesamt etwa acht Jahre und sieben Monate bei Gericht anhängigen Verfahrens geltend. Er rügt diesbezüglich eine Verzögerung im Umfang von fünf Jahren und einem Monat bzgl. des erstinstanzlichen Verfahrens und macht ausschließlich einen Nachteil geltend, der kein Vermögensnachteil ist. Ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer steht ihm jedoch weder im geltend gemachten Umfang von insgesamt 61 Monaten noch für einen geringeren Zeitraum zu.
Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 S. 2 GVG). Eine Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG). Dies gilt nach Art. 23 Satz 2 bis 5 GRüGV für anhängige Verfahren, die bei Inkrafttreten des GRüGV schon verzögert sind, mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten des GRüGV erhoben werden muss. Nur in diesem Fall wahrt die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den vorausgehenden Zeitraum.
Der Rechtsstreit, für dessen Dauer eine Entschädigung begehrt wird, war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GRüGV am 03. Dezember 2011 schon und noch in der ersten Instanz anhängig, sodass eine unverzügliche Verzögerungsrüge insbesondere auch für das erstinstanzliche Verfahren erforderlich gewesen wäre, so der Rechtsstreit schon damals verzögert war.
Der Kläger begehrt für das im Sommer 2012 beendete erstinstanzliche Verfahren eine Entschädigung wegen einer Verzögerung um fünf Jahre und einen Monat. Er geht mithin selbst davon aus, dass das Verfahren bei Inkrafttreten des GRüGV bereits deutlich verzögert war, sodass eine unverzügliche Verzögerungsrüge erforderlich gewesen wäre. Ob der Rechtsstreit seinerzeit tatsächlich verzögert war oder zumindest irgendwann bis zum 05. April 2012 als verzögert anzusehen ist, kann hier jedoch dahinstehen. Denn wenn der Rechtsstreit nicht verzögert war, kommt selbstverständlich eine Entschädigungspflicht nicht in Betracht. War das Verfahren hingegen bei Inkrafttreten des GRüGV verzögert, wäre eine unverzügliche Verzögerungsrüge erforderlich gewesen. An dieser fehlt es jedoch.
Der Senat ist in zwei Urteilen vom 02. August 2013 (L 37 SF 252/12 EK AL, juris, Rn. 28 ff., und L 37 SF 274/12 EK AS, juris, Rn. 43 ff.) unter ausführlicher Begründung davon ausgegangen, dass nur eine innerhalb eines Monats ab Inkrafttreten des Gesetzes erhobene Verzögerungsrüge als unverzüglich anzusehen ist. Inzwischen haben sowohl der Bundesfinanzhof (Urteil vom 07.11.2013 – X K 13/12 – juris, Rn. 31 ff.) als auch der Bundesgerichtshof (Urteil vom 10.04.2014 – III ZR 335/13 – juris, Rn. 23 ff.) angenommen, dass eine Verzögerungsrüge solange als unverzüglich anzusehen ist, wie sie innerhalb von drei Monaten ab Inkrafttreten des GRüGV erhoben wird. Es kann hier dahinstehen, ob der Senat an seiner bisherigen Rechtsauffassung festhält oder sich der abweichenden Ansicht anschließt. Denn auch nach der Rechtsprechung der genannten Bundesgerichte wäre die am 05. April 2012 und damit gut vier Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes erhobene Verzögerungsrüge als nicht mehr unverzüglich anzusehen. Dies hat zur Folge, dass ein Entschädigungsanspruch bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Verzögerungsrüge als präkludiert anzusehen ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 02.08.2013 – L 37 SF 252/12 EK AL – Rn. 37 sowie – L 37 SF 274/12 EK AS – Rn. 54, jeweils zitiert nach juris, so auch BGH, a.a.O., Rn. 27 f.).
Entschädigungsrelevant könnte damit nur noch eine ab dem 05. April 2012 eingetretene Verzögerung sein. Eine solche ist jedoch – auch unter Berücksichtigung, dass das Verfahren seinerzeit tatsächlich etwa siebeneinhalb Jahre anhängig war und mit zunehmender Verfahrensdauer die Förderungspflicht steigt – nicht erkennbar. Die Kammer des Sozialgerichts hat am 24. Mai 2012 – und damit etwa sieben Wochen nach Erhebung der Verzögerungsrüge - über die Klage entschieden; das Urteil wurde den Beteiligten Anfang August 2012 zugestellt. Dass es insoweit zu sachlich nicht mehr gerechtfertigten Verzögerungen gekommen ist, ist nicht ersichtlich und wird auch vom Kläger nicht substantiiert geltend gemacht. Selbst wenn man in diesem Verfahrensabschnitt jedoch eine geringfügige Verzögerung erkennen wollte, fiele diese gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht entscheidend ins Gewicht, sodass eine Entschädigung nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 36).
Angesichts der bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Verzögerungsrüge eingetretenen Präklusion, die sich nicht nur auf den Entschädigungsanspruch, sondern auch auf eine mögliche Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer erstreckt (BGH, a.a.O., Rn. 35, anders noch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02.08.2013 – L 37 SF 274/12 EK AS – juris, Rn. 56), bedarf es schließlich keiner Klärung, ob der Senat auch ohne dahingehenden ausdrücklichen Antrag des Klägers ggf. eine Überlänge der Verfahrensdauer von Amts wegen feststellen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Anlass, die Revision nach §§ 160 Abs. 2, 202 Satz 2 SGG, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzulassen, bestand nicht.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG.
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