L 34 AS 3090/13

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 150 AS 18937/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 AS 3090/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 15. Oktober 2013 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung von Kosten des Widerspruchsverfahrens.

Der Beklagte bewilligte den Klägern mit Bewilligungsbescheid vom 16. Februar 2012 Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01. April 2012 bis zum 30. September 2012. Gegen den Bewilligungsbescheid legten die Kläger, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, Wiederspruch ein, der unter dem Zeichen W 1756/12 bei dem Beklagten registriert wurde.

Im Laufe dieses Widerspruchsverfahrens ergingen mehrere Änderungsbescheide, u. a. unter dem 26. April 2012, mit welchem für den Monat April 2012 aufgrund der nunmehr vorliegenden, den Monat März 2012 betreffenden, Lohnabrechnung des Klägers zu 2) höhere Leistungen bewilligt wurden. In der Rechtsbehelfsbelehrung hieß es, gegen den Bescheid könne Widerspruch eingelegt werden. Hiervon machten die Kläger am 03. Mai 2012 Gebrauch. Diesen Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2012 (W 2649/12) als unzulässig. Kosten würden nicht erstattet. Der angefochtene Änderungsbescheid sei Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bewilligungsbescheid vom 16. Februar 2012 (W 1756/12) geworden. Eines gesonderten Widerspruchs gegen den Änderungsbescheid vom 26. April 2012 habe es somit nicht bedurft, ein nochmaliges Widerspruchsverfahrens werde daher nicht durchgeführt. Der Widerspruch habe demzufolge keinen Erfolg haben können. Die Kostenentscheidung beruhe auf § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Das Widerspruchsverfahren W 1756/12 gegen den Bewilligungsbescheid vom 16. Februar 2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 03. April 2012, 26. April 2012, 12. Juni 2012, 22. Juni 2012 und 05. Juli 2012 ist zwischenzeitlich durch Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2012 zum Abschluss gebracht worden. In der Kostenentscheidung hieß es, die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen seien auf Antrag zu 2/3 zu erstatten.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2012 haben die Kläger am 17. Juli 2012 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben und die Erstattung der notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren i. H. v. 792,54 EUR begehrt. Zu Unrecht sei der Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 26. April 2012 als unzulässig verworfen worden. Bei dem angegriffenen Änderungsbescheid handele es sich um einen Teilabhilfebescheid, welcher die Kostenerstattungspflicht des Beklagten auslöse.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage durch Gerichtsbescheid vom 15. Oktober 2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 26. April 2012 habe keinen Erfolg i. S. d. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X gehabt und hat im Weiteren auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Juni 2012 – B 4 AS 142/11 R – Bezug ge-nommen.

Gegen den am 15. Juni 2012 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 23. November 2013 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) erhoben und ihr erstinstanzliches Begehren fortgeführt.

Die Kläger beantragen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 15. Oktober 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 26. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2012 zu verurteilen, ihnen die notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren W 2649/12 zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Berufung für unbegründet.

Durch Beschluss des Senats vom 24. Januar 2014 ist der Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 SGG der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen worden.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 04. Februar 2014 und 17. Februar 2014 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Auszugs aus den Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, der vorgelegen hat und Gegenstand der Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere ist die Berufung statthaft (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG), da der Wert des Beschwerdegegenstandes – Kosten des Widerspruchsverfahrens – mit geltend gemachten 792,54 EUR den Betrag von 750 EUR übersteigt. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid des Beklagten vom 26. April 2012. Die Kostenentscheidung des Beklagten in dem Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2012 ist rechtmäßig.

Die Klage unmittelbar gegen die Entscheidung des Beklagten im Widerspruchsbescheid über die Kosten des Widerspruchsverfahrens war zulässig. Eines gesonderten Vorverfahrens nach § 78 Abs. 1 SGG hinsichtlich der Kostengrundentscheidung bedurfte es nicht (vgl. das Urteil des BSG vom 19. Juni 2012 – B 4 AS 142/11 – in juris Rn. 10).

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist ausschließlich die Entscheidung über die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2012 für das Vorverfahren gegen den Ausgangsbescheid vom 26. April 2012 betreffend die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Monat April 2012 (W 2649/12). Gegen diesen Widerspruchsbescheid wenden sich die Kläger mit ihrem Begehren auf Erstattung der Aufwendungen für das Vorverfahren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage.

Die Voraussetzungen für den begehrten Aufwendungsersatz nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X sind im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, wenn der Widerspruch erfolgreich ist. Erfolg i. S. d. § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X hat nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der Widerspruch nur dann, wenn die Behörde ihm stattgibt (vgl. u. a. SozR 3-1300 § 63 Nr. 3 S 13; SozR 4-1300 § 63 Nr. 5, Rn. 15; SozR 4-1500 § 193 Nr. 6, Rn. 30, vgl. Urteil des BSG vom 16. Mai 2012 - B 4 AS 168/11 R – in juris). Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. April 2012 hatte keinen Erfolg im vorgenannten Sinne. Der Beklagte hat ihn unter Hinweis auf § 86 SGG als unzulässig verworfen. Nach § 86 SGG wird der Verwaltungsakt, der während des Vorverfahrens den bereits angefochtenen Ausgangsbescheid abändert, Gegenstand des Vorverfahrens. So liegt der Fall hier.

Der Bescheid vom 26. April 2012 ist Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bewilligungsbescheid vom 16. Februar 2012 (W 1756/12) geworden. In jenem Vorverfahren war mithin vom Beklagten über den Bescheid vom 16. Februar 2012 u. a. in der Fassung des Bescheides vom 26. April 2012 zu entscheiden. Zwar ist ein Widerspruch gegen den ändernden Bescheid unschädlich (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 11. A. 2014, § 86 Rn. 4). Andererseits erfolgt grundsätzlich wegen der Einbeziehung des Änderungsbescheides in das Vorverfahren jedoch keine gesonderte Entscheidung über den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid. Es ist über diesen "überflüssigen" Widerspruch mit der Entscheidung über den Widerspruch gegen den Ausgangsbescheid zu befinden (vgl. Hintz in BeckOK SGG, Stand 01.03.2012, § 86 Rn. 4). Insoweit findet er auch Eingang in die Kostenentscheidung (hier in dem - abschließenden - Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2012 zum Az. W 1756/12), unabhängig davon, ob die Verwaltung - wie hier - den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid als unzulässig verworfen hat oder nicht. In diesem Sinne kann der "Widerspruch" gegen den Änderungsbescheid zwar grundsätzlich auch erfolgreich sein. Umgekehrt kann er außerhalb des Vorverfahrens gegen den Ausgangsbescheid jedoch keinen Erfolg i. S. d. § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X haben (vgl. das Urteil des BSG vom 19. Juni 2012 – B 4 AS 142/11 R – a. a. O. Rn. 13).

Die Kläger können ihr Begehren auch nicht auf § 63 Abs. 1 S. 2 SGB X stützen. Nach dieser Regelung zieht auch ein Widerspruch, der nur deswegen nicht erfolgreich war, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift des § 41 SGB X unbeachtlich ist, die Kostenfolge des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X nach sich. Weder kann diese Regelung unmittelbar herangezogen werden, noch in analoger Anwendung i. V. m. § 41 SGB X in dem Sinne, dass sie auch auf den Mangel einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung Anwendung findet. Ebenso wenig kommt ein Anspruch auf Aufwendungsersatz aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in Betracht (vgl. das Urteil des BSG vom 19. Juni 2012 – B 4 AS 142/11 R – a. a. O. Rn. 14 m. w. N.).

Die Kostenentscheidung des Beklagten in dem Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2012 ist auch nicht deswegen aufzuheben, weil sie im Hinblick auf die Einbeziehung des Bescheides vom 26. April 2012 in das Vorverfahren gegen den Bescheid vom 16. Februar 2012 erst mit einer Entscheidung über diesen Widerspruch hätte getroffen werden dürfen. Die Kostenfolge des unzulässigen und damit erfolglosen Widerspruchs i. S. d. § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X ist die Nichterstattung der Aufwendungen des Widerspruchsführers. Hieran ändert es nichts, dass der Beklagte im Widerspruchsbescheid gegen den Ausgangsbescheid auch über die Kosten eines zum Gegenstand des Vorverfahrens nach § 86 SGG gewordenen Änderungsbescheids mitzuentscheiden hat. Dem ist der Beklagte hier im Übrigen auch nachgekommen.

Der von den Klägern im Weiteren aufgezeigte Aspekt, bei dem Änderungsbescheid vom 26. April 2012 handele es sich um einen "Teilabhilfe-Bescheid" (im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen den Ausgangsbescheid vom 16. Februar 2012?), weshalb ein "Erfolg" eingetreten sei, kann nur im Rahmen der Kostenentscheidung im Widerspruchsverfahren gegen den Bewilligungsbescheid vom 16. Februar 2012 (W 1756/12) zu berücksichtigen sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Obwohl im Rahmen des § 193 SGG auch die Veranlassung des Rechtsstreits einen Ermessensgesichtspunkt darstellen kann (vgl. hierzu BSG Urteil vom 16. Mai 2012 - B 4 AS 168/10 R – in juris), führt die unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung des Beklagten im Bescheid vom 26. April 2012 hier nicht zu einer Kostenentscheidung zugunsten der im Übrigen auch im Vorverfahren rechtskundig vertretenen Kläger. Sie sind mit ihrem Begehren im Rechtsstreit erfolglos geblieben.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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