L 15 SO 13/15 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 146 SO 3150/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 13/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. Dezember 2014 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. August 2014 aufschiebende Wirkung hat. Der Antragsgegner hat den Antragstellerinnen die außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerinnen, mit der sie sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. Dezember 2014 wenden, mit dem dieses es abgelehnt hat, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen zum Lebensunterhalt in Form der anteiligen Regelleistung in Höhe von je einem Dreißigstel pro Tag, an dem sie sich im Rahmen des Umgangsrechts bei ihrem Vater aufhalten, zu gewähren, ist zulässig und begründet.

Der Antrag hat in der Form Erfolg, dass festzustellen ist, dass der Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. August 2014 gemäß § 86 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufschiebende Wirkung hat. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG war zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes insoweit in einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86 b Abs. 1 SGG umzudeuten (vgl. zur Zulässigkeit der Umdeutung eines unzulässigen Antrags gemäß § 86b Abs. 2 SGG in einen Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 86b Rdnr. 15 m.w.N.).

Der Bescheid vom 15. August 2014 ist entgegen seiner Rechtsbehelfsbelehrung nicht Gegenstand des Verfahrens S 49 SO 2232/13 des Sozialgerichts Berlin geworden. In dem dortigen Verfahren war bzw. ist der Bescheid vom 11. Juli 2013, mit dem ursprünglich die begehrten Leistungen abgelehnt worden waren, angefochten. Durch den Bescheid vom 19. November 2013, der fälschlicherweise mit dem Datum 19. September 2013 versehen ist, ist der Beschwer der Antragstellerinnen voll abgeholfen worden, weil ihnen die begehrten Leistungen unbefristet in vollem Umfang gewährt wurden. Es handelte sich auch nicht nur um einen Ausführungsbescheid, der Verfügungssatz des Bescheides ist eindeutig, es findet sich auch in der Begründung kein Hinweis auf eine Vorläufigkeit. Ein Bescheid, der die Beschwer vollständig beseitigt, wird nicht Gegenstand eines anhängigen Verfahrens gegen den ursprünglich ablehnenden Bescheid (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., § 96 Rdnr. 4b m.w.N.). Das Verfahren S 49 SO 2232/13 des Sozialgerichts Berlin dürfte sich damit erledigt haben.

Gleichwohl ist der Bescheid vom 15. August 2014 als mit Widerspruch angefochten anzusehen. Die Antragstellerinnen haben bereits mit Schreiben vom 18. September 2014 an den Antragsgegner, spätestens aber mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 10. November 2014, vermutlich aber auch in dem Verfahren S 49 SO 2232/13, deutlich gemacht, dass sie mit der Ablehnung bzw. der Aufhebung der Leistung nicht einverstanden sind und Leistungen über den 15. Oktober 2014 hinaus begehren. Dass sie nicht ausdrücklich Widerspruch eingelegt haben liegt an der falschen Rechtsbehelfsbelehrung in dem Bescheid vom 15. August 2014, die dahingehend lautet, dass er gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens S 49 SO 2232/13 geworden ist. Ein Rechtsbehelf muss jedoch nicht als solcher bezeichnet sein, es genügt, wenn zum Ausdruck kommt, dass sich der Betroffene durch den Verwaltungsakt beeinträchtigt fühlt und eine Überprüfung durch die Verwaltung anstrebt (vgl. Leitherer, aaO., § 84 Rdnr. 2). Auch Bestandskraft ist nicht eingetreten. Da der Bescheid vom 15. Oktober 2014 die falsche Rechtsbehelfsbelehrung trug, kann der Widerspruch gemäß § 66 Abs. 2 SGG innerhalb eines Jahres eingelegt werden, diese Frist ist gewahrt.

Der Widerspruch gegen diesen belastenden Verwaltungsakt hat gemäß § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung. § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG greift nicht, weil eine dem § 39 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) entsprechende Vorschrift im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) fehlt (vgl. Keller, aaO., § 86a Rdnr. 16c).

Bei dem Bescheid vom 15. August 2014 handelt es sich um einen Rücknahmebescheid, zurückgenommen wird der Bescheid vom 19. November 2013, der, wie gesagt, Leistungen unbefristet gewährt hat. Der Bescheid vom 15. August 2014 leidet bereits an der fehlenden Anhörung (§ 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X -), aber auch daran, dass er keinerlei Rechtsgrundlage für die Rücknahme benennt. Der Begründung ist zu entnehmen, dass sich der Antragsgegner zur Rücknahme berechtigt sah, weil er bei Erlass des Bescheides vom 19. November 2013 nicht gewusst habe, dass die Antragstellerinnen seit dem 01. August 2013 Leistungen nach dem SGB II erhielten. Möglicherweise schwebte dem Antragsgegner eine Aufhebung wegen Änderung der Verhältnisse gemäß § 48 SGB X vor. Tatsächlich würde es sich jedoch um eine Rücknahme gemäß § 45 SGB X handeln, da, unterstellt, die Annahme des Antragsgegners wäre richtig, dass der Bewilligung von Sozialhilfe § 21 SGB XII entgegensteht, der Bescheid vom 19. November 2013 von Anfang an falsch gewesen wäre. Wegen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die Voraussetzungen des § 45 SGB X erfüllt sind, insbesondere, ob der Bescheid vom 19. November 2013 rechtswidrig war. Der Senat weist jedoch darauf hin, dass viel dafür spricht, dass die Voraussetzungen zur Rücknahme nicht erfüllt sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in den Entscheidungen vom 12. Juni 2013 (Az. B 14 AS 50/12 R) und vom 02. Juli 2009 (Az. B 14 AS 75/08 R), beide dokumentiert in juris, dürfte, übertragen auf das Sozialhilferecht, ein Anspruch der Antragstellerinnen bestehen in der Form, in der es in dem Beschluss vom 30. September 2013 in dem Verfahren S 49 SO 2232/13 ER dargestellt ist. § 21 SGB XII dürfte hier unbeachtlich sein, da während des Aufenthaltes der Antragstellerinnen beim Vater die temporäre Bedarfsgemeinschaft mit der Mutter aufgelöst sein dürfte. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, wäre im Hinblick auf Art. 6 Grundgesetz (GG) und der bestehenden besonderen Förderungspflicht des Staates (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2013, aaO., juris Rdnr.18) eine verfassungskonforme Lösung zu finden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog. Sie berücksichtigt, dass die Antragstellerinnen mit ihrem Begehren erfolgreich waren.

Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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