L 9 KR 192/15 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 KR 843/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 192/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1.) Rechtsbehelfe gegen Beitragsbescheide prüfender Rentenversicherungsträger nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV haben weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung des § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV aufschiebende Wirkung.
2.) Ein GmbH-Gesellschafter, der von der GmbH angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt wurde, besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung regelmäßig nicht zugleich auch die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft nach Belieben aufzuheben oder abzuschwächen.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2015 geändert. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 30.163,35 Euro festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene bei der Antragstellerin versicherungspflichtig beschäftigt ist, und diese Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 60.327,27 EUR nachzahlen muss.

Die Beigeladene betreibt zusammen mit ihrem Ehemann seit November 2010 eine Galerie, den Handel mit Kunst und Kunsterzeugnissen sowie die Durchführung von Kunstausstellungen in der Rechtsform einer GmbH. Beide Eheleute sind Gesellschafter der GmbH mit Geschäftsanteilen zu je 50%; der Gesellschaftsvertrag sieht in § 7 vor, dass Beschlüsse der Gesellschaft mit einfacher Mehrheit gefasst werden. Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen.

Zum Geschäftsführer der GmbH bestellten die Eheleute den Ehemann der Beigeladenen, der der Beigeladenen Einzelprokura erteilte. Dem Geschäftsführer haben die Eheleute die Befugnis eingeräumt, die Gesellschaft allein zu vertreten mit der Befugnis, Rechtsgeschäfte mit sich selbst oder als Vertreter Dritter abzuschließen. Die Beigeladene erhielt eine feste monatliche Vergütung i.H.v. 4.000,00 EUR brutto, von der keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden und über die Lohn- und Gehaltsabrechnungen ausgestellt wurden. Die Eheleute sind nach ihren Angaben privat gegen Krankheit versichert und haben zur Altersvorsorge Kapitallebensversicherungen abgeschlossen. Schriftliche Verträge zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen über die ihr gezahlte Vergütung sollen nicht existieren.

Die Antragsgegnerin führte Anfang 2015 bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 01. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2013 durch. Mit Bescheid vom 23. Februar 2015 stellte sie gegenüber der Antragstellerin fest, dass die Beigeladene bei dieser seit dem 01. Januar 2011 abhängig beschäftigt sei und deswegen Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bestehe. Für die Zeit ab dem 01. Januar 2011 würden Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 60.327,27 EUR nachgefordert. Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist. Mit dem Widerspruch machte sie geltend: Die Beigeladene unterliege bei ihrer Arbeit keinen Weisungen und bestimme über Inhalt, Ort sowie den zeitlichen Umfang ihrer Arbeit selbst. Als Prokuristin sei sie auch in der Lage und berechtigt, sie - die Antragstellerin - nach außen wirksam zu vertreten. Als Gesellschafterin wiederum könne sie entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft nehmen, da keine Beschlüsse gegen ihren Willen gefasst werden könnten; in dieser Eigenschaft trage sie auch unternehmerisches Risiko. Bei einem Misserfolg könne sie das eingebrachte Kapital vollständig verlieren und im Erfolgsfall stehe ihr ein ihrer Beteiligung entsprechender Anteil am Gewinn zu. Im Übrigen sei die Arbeit in der GmbH durch die familiären Bindungen der Gesellschafter geprägt, was ein Beschäftigungsverhältnis ausschließe. Deshalb sei die Beigeladene für sie - die Antragstellerin - selbständig tätig. Ihren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 23. Februar 2015 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch lehnte die Antragsgegnerin ab (Schreiben vom 26. März 2015).

Unter dem 24. März 2015 hat die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz beim Sozialgericht Berlin nachgesucht. Über ihr bisheriges Vorbringen hinaus hat sie geltend gemacht, dass ihr Widerspruch in entsprechender Anwendung des § 7a Abs. 7 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV) kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung habe.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 23. April 2015 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin angeordnet. Bei einer Familien-GmbH sei die nach dem Gesellschaftsrecht maßgebliche Rechtsmacht ausschlaggebend. Sei ein Gesellschafter im Besitz einer Sperrminorität, könne er schon maßgebenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben. Deshalb könne die Beigeladene für sie nachteilige Beschlüsse der Gesellschaft verhindern. Das schließe auch die Möglichkeit ein, ihr nicht genehme Weisungen unmöglich zu machen. Im Übrigen könne auch der tatsächliche Einfluss der Gesellschafter auf die GmbH von Bedeutung sein. Insoweit sei die Einzelprokura der Beigeladenen zu berücksichtigen, die ihr rechtlich eine Stellung innerhalb der GmbH verschaffe, die derjenigen ihres zum Geschäftsführer bestellten Ehemannes nahekomme. Deshalb gehe das Gericht von einer Überlagerung der rechtlich bestehenden Abhängigkeit der Klägerin durch die tatsächlichen Verhältnisse aus, so dass bei einer Gesamtschau mehr gegen als für eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen in ihrer Tätigkeit für die Antragstellerin spreche.

Gegen diesen ihr am 27. April 2015 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 22. Mai 2015 Beschwerde eingelegt. Maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke einer GmbH hätten mitarbeitende Gesellschafter nur, sofern sie Mehrheitsgesellschafter seien. Nur in diesem Fall könnten sie entscheidenden gestalterischen Einfluss auf die Gesellschaft nehmen. Das gelte auch für Prokuristen, die als leitende Angestellte der Geschäftsführung unterstellt blieben. Die familiären Bindungen der Gesellschafter seien dagegen ohne rechtliche Bedeutung für die Qualifikation der Arbeit der Beigeladenen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2015 aufzuheben und den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Antragsgegnerin aus den Gründen ihres erstinstanzli-chen Sachvortrags entgegen. Sie hält den Beschluss des Sozialgerichts materiell-rechtlich für zutreffend.

II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2015 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr.2 SGG angeordnet, mit dem diese ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen bei der Antragstellerin zu allen Zweigen der Sozialversicherung festgestellt und Beiträge in Höhe von 60.327,27 EUR von der Antragstellerin nachgefordert hat. Denn die Beigeladene war in der hier streitigen Zeit vom 01. Januar 201 bis zum 31. Dezember 2013 bei der Antragstellerin abhängig beschäftigt.

1.) Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. selbstständigen Tätigkeit macht es erforderlich, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R –, juris).

b) Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, a.a.O.).

c) Danach hatte die Beigeladene im Betrieb der Antragstellerin eine Stellung inne, die derjenigen von Beschäftigten in einem Arbeitsverhältnis entspricht. Sie erhielt für ihre Arbeit als Prokuristin von der Antragstellerin eine feste, vorab vereinbarte und monatlich ausgezahlte Vergütung auf ihr privates Konto zur alleinigen Verfügbarkeit überwiesen, über die Lohn- und Gehaltsabrechnungen ausgestellt wurden. Dass kein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte, ändert nichts an der Wirksamkeit der Vereinbarungen sowie an deren Bedeutung im Rahmen der vorzunehmenden sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung. Das gilt auch für die Tatsache, dass die Beigeladene sich für Krankheit und Alter durch den Abschluss privater Versicherungen abgesichert hat.

2.) Die Beigeladene war auch unter Berücksichtigung ihrer Stellung als Gesellschafterin im Rahmen einer Beschäftigung i.S. von § 7 Abs. 1 SGB IV für die Antragstellerin als (abhängig) Beschäftigte versicherungspflichtig erwerbstätig. Einem Beschäftigungsverhältnis zwischen der Beigeladenen und der in der Rechtsform einer GmbH handelnden Antragstellerin stehen die zwischen der Beigeladenen und ihrem Ehemann getroffenen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages nicht entgegen. Die Beigeladene war insbesondere trotz ihres Geschäftsanteils von 50% an der Antragstellerin nach dem Gesellschaftsvertrag weisungsgebunden in den von ihr selbst personenverschieden unterhaltenen Betrieb der Antragstellerin - einer juristischen Person des Privatrechts - eingegliedert.

a) Wer Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch an einer Familiengesellschaft - hält, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nur dann selbstständig erwerbstätig, wenn damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist; das kann insbesondere in einem seinem Gesellschaftsanteil entsprechenden Stimmgewicht zum Ausdruck kommen oder ausnahmsweise auch in Form einer Sperrminorität, wenn der Betroffene damit rechtlich zugleich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner konkreten Tätigkeit abzuwehren (vgl. hierzu allgemein bereits z.B. BSGE 38, 53, 57 f. = SozR 4600 § 56 Nr. 1 Satz 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr. 1 S 3 m.w.N.; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 17, RdNr. 25 m.w.N.; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 21, RdNr. 16). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

b) Ein GmbH-Gesellschafter, der von der GmbH angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt wurde, besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung nicht regelmäßig zugleich auch die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft nach Belieben aufzuheben oder abzuschwächen. Die Rechtsmacht eines Gesellschafters mit 50% Geschäftsanteilen erschöpft sich in solchen Fällen vielmehr allein darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern zu können (vgl. dazu bereits BSG SozR 3-4100 § 168 Nr. 22 S 64 f). Vorbehaltlich abweichender Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH Sache der laufenden Geschäftsführung, nicht dagegen der Gesellschafterversammlung (vgl. BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - juris RdNr. 15; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 17 RdNr. 15; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - juris RdNr. 23).

c) Entsprechendes gilt auch im vorliegenden Fall: Als alleiniger Geschäftsführer der Antragstellerin war der Ehemann der Beigeladenen bestellt. Sie war deshalb als Prokuristin der Antragstellerin im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit für diese an die Weisungen des Geschäftsführers rechtlich gebunden war. Allein dieser führte die laufenden Geschäfte der GmbH, zu denen auch die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Beschäftigten der Gesellschaft gehörte, zu denen auch eine Prokuristin zählt. Einschränkungen in Bezug auf dieses Weisungsrecht sieht der Gesellschaftsvertrag insoweit nicht vor, insbesondere hat sich die Gesellschafterversammlung keine Weisungsrechte gegenüber Beschäftigten vorbehalten. Auch soweit die Beigeladene innerhalb der GmbH für einen wesentlichen Bereich eigenständig verantwortlich war, wurde sie letztlich nur als Erfüllungsgehilfin des Geschäftsführers tätig (vgl. BSG, a.a.O.).

d) Der Beurteilung der Arbeit der Beigeladenen als Beschäftigung i.S. von § 7 Abs. 1 SGB IV steht schließlich auch nicht entgegen, dass sie mit dem alleinigen Geschäftsführer der Antragstellerin verheiratet ist.

Wie das BSG bereits entschieden hat, ist ein wichtiger Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten abzuwenden. Eine solche Möglichkeit mag rein faktisch unbeschadet einschlägiger rechtlicher Bindungen allein aufgrund gegenseitiger familiärer Rücksichtnahme solange bestehen, wie auch das Einvernehmen der beteiligten Familienmitglieder im Rahmen eines gedeihlichen Zusammenwirkens gewahrt ist. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten würde dieser Gesichtspunkt indessen versagen, weil in einem solchen Fall durchsetzbar doch wieder allein die den einzelnen Familienmitgliedern konkret zustehende Rechtsmacht zum Tragen käme, sodass dann auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen, die einen Rückgriff auf die der Erwerbstätigkeit zugrundeliegenden vertraglichen und gesetzlichen Grundlagen gebieten, wieder eine Weisungsunterworfenheit angenommen werden müsste. Eine bloße "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände indessen schwerlich hinnehmbar und nicht anzuerkennen (grundlegend BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 17; zuletzt BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, vgl. dazu Nr. 4 des BSG-Terminberichts Nr. 31/15 vom 30.7.2015).

3.) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin folgt die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs schließlich nicht schon aus § 86a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGG i.V.m. § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV. Rechtsbehelfe gegen Beitragsbescheide prüfender Rentenversicherungsträger nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV haben weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung des § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV aufschiebende Wirkung (so mit ausführlicher Begründung LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 20.12.2012, L 8 R 565/12 B ER; Beschluss v. 16.9.2013, L 8 R 361/13 B ER; Beschluss v. 11.5.2015, L 8 R 106/15 B ER, juris; Bayerisches LSG, Beschluss v. 16.3.2010, L 5 R 21/10 B ER; LSG Hamburg, Beschluss v. 16.4.2012, L 3 R 19/12 B ER; Hessisches LSG, Beschluss v. 22.8.2013, L 1 KR 228/13 B ER; Sächsisches LSG, Beschluss v. 30.8.2013, L 1 KR 129/13 B ER; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss v. 7.9.2015, L 5 KR 147/15 B ER; jeweils juris).

Bescheide nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV, mit denen die Träger der Rentenversicherung nach Durchführung einer Betriebsprüfung Nachforderungen auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für Beschäftigte sowie auf Umlagen erheben, gehören auch dann zu den von § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG erfassten, sofort vollziehbaren Anforderungsbescheiden, wenn zugleich über den Status von Beschäftigten entschieden wird. Aus § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV, wonach Widerspruch und Klage gegen eine Entscheidung, dass Beschäftigung vorliegt, aufschiebende Wirkung hat, ergibt sich nichts anderes. Denn die Anwendbarkeit der Vorschrift ist von ihrem Wortlaut und ihrem systematischen Zusammenhang her auf das Anfrageverfahren nach § 7a Abs. 1 SGB IV beschränkt. Bei einem im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV durch den Rentenversicherungsträger festgestellten Verdacht auf Verletzung der Meldepflichten nach § 28a SGB IV ist für eine derartige beitragsrechtliche Honorierung des in der Regel zumindest fahrlässig handelnden Arbeitgebers kein Raum (Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 16. April 2012 – L 3 R 19/12 B ER –, juris). Auch mit Blick auf den Gesetzeszweck ist der Anwendungsbereich des § 7a Abs. 7 SGB IV auf reine Statusfeststellungsverfahren zu beschränken. Das entspricht auch dem Sinn der Bestimmung, die frühzeitige Klärung von Statusfragen (die § 7a SGB IV ja gerade ermöglichen soll) zu honorieren.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO und entspricht dem Ausgang in der Sache. Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 52, 53 GKG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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