L 2 U 60/13

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 163 U 261/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 60/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 87/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. März 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines Schulunfalls.

Die 1986 geborene Klägerin erlitt am 8. März 2004 während eines Basketballspiels im Rahmen des Wahlpflichtfachs Sport der 11. Klassen in der Sporthalle ihrer damaligen Schule einen Unfall. In der von der Schule ausgefüllten Unfallanzeige heißt es hierzu, dass die Klägerin während des Basketballspiels von einem Mitschüler derart angerempelt worden sei, dass sie stürzte und seitlich auf den Boden fiel, wobei ihr Kopf auf den Boden aufgeschlagen sei. Nach dem Unfall habe die Klägerin kurz das Spiel unterbrochen und im Anschluss an den Einzelübungen zum Korbleger wieder teilgenommen. Sie fuhr selbständig mit der U-Bahn nach Hause. Der von der Klägerin und ihrer Mutter am Nachmittag desselben Tages aufgesuchte Durchgangsarzt im S G-Krankenhaus, Prof. Dr. B, diagnostizierte nach Röntgen der Halswirbelsäule eine Distorsion der Halswirbelsäule. Bei ihrem stationären Aufenthalt zur weiteren Abklärung von etwaigen Unfallfolgen in der Neurochirurgischen Klinik der C vom 9. März 2004 bis zum 12. März 2004 wurden die Diagnosen Commotio spinalis, Commotio cerebri und unklare Reflexsteigerung der unteren Extremität gestellt. Der Erstuntersucher Dr. R hatte die stationäre Aufnahme angeregt, nachdem in seiner neurologischen Untersuchung ein kloniformer Achillessehnenreflex auf der rechten Seite aufgefallen war. Bei der Aufnahme fiel an Stamm und Extremitäten eine diskrete Hemihypästhesie links auf. Die kernspintomographischen Untersuchungen der Hals- und Brustwirbelsäule blieben ohne pathologischen Befund. Insbesondere hatte sich hiernach keine Kontusion des Rückenmarks gezeigt. Bei der neurologischen Untersuchung fanden sich unklare Reflexsteigerungen und eine leichte Spitzfußstellung rechts, die als eher vorbestehend gewertet wurden. Im Entlassungszeitpunkt zeigte sich bis auf die gesteigerten Reflexe und den erschöpflichen Klonus rechts ein unauffälliger neurologischer Befund. Die Hemihypästhesie hatte sich vollständig zurückgebildet. Die Klägerin begab sich am 16. März 2004 erstmals in die Behandlung des Facharztes für Neurologie Dr. B, der die Beschwerden der Klägerin derart wiedergab, dass anfangs die ganze rechte Körperhälfte und schwerpunktmäßig die rechte Hand taub gewesen sei, diese Störung habe sich jedoch zurückgebildet. Im Rahmen seiner Sensibilitätsprüfung sei eine Hypästhesie und Hypalgesie am ganzen linken Bein angegeben worden sowie eine Palhypästhesie. An der rechten Körperseite sei kein Sensibilitätsausfall festgestellt worden. Ein MRT der Brust- und Lendenwirbelsäule der Klägerin vom 17. März 2004 war unauffällig. Die Funktionsaufnahmen der Halswirbelsäule vom 22. März 2004 ergaben keinen Hinweis auf eine Instabilität und keinen Nachweis einer Fraktur. Eine Kernspintomographie der Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule vom 21. Juli 2004 zeigte eine deutliche rechtskonvexe Fehlhaltung der Halswirbelsäule, keine Narbenbildung, kein Ödem und keine Syringomyelie (flüssigkeitsgefüllte Höhle im Rückenmark). Bei einer Untersuchung in der Sklinik vom 29. Juli 2004 bis 3. August 2004 wurde eine Multiple Sklerose ausgeschlossen und der Verdacht auf eine somatoforme Störung gestellt.

Auf Veranlassung der Beklagten erstellte Dr. H am 20. Oktober 2004 ein neurologisch-psychologisches Gutachten, in dem er das bei seiner Untersuchung befundete Zustandsbild der Klägerin mit einer kloniformen Reflexsteigerung an einem Bein und einer nach wie vor leicht gekreuzten Sensibilitätsproblematik, die im Sinne eines abortiven Brown-Séquard-Syndroms zu interpretieren sei, nicht als psychogen-ätiologisch zuordnen konnte. Typisch für die Feinsymptomatik mit einer latenten Spastik sei die Problematik beim raschen Treppabsteigen, hierbei habe die Klägerin vor dem Ereignis keinerlei Auffälligkeiten oder Probleme gehabt. Dies würde zunächst den Ursächlichkeitsschluss nahelegen. Recht unwahrscheinlich sei eine Irritation medullärer Strukturen durch eine Commotio oder Contusio, etwa im Halsmark- oder Hirnstammbereich, die funktionell ohne entsprechenden morphologischen Befund vorübergehend vorstellbar sei. In diesen Fällen komme es allerdings eigentlich nie primär innerhalb der ersten Stunden zu einer Spastik, sondern zunächst zu einer eher schlaff erscheinenden Parese und die Spastik entwickele sich erst, weil sie über die entsprechenden neuronalen Kreise gebahnt werden müsse. Dies würde mindestens die Zuordnung als Folge einer primären Schädigung problematisieren. Insgesamt sei eine eindeutige Zuordnung der Beschwerden der Klägerin letztlich nicht sicher möglich. Wenn man davon ausgehe, dass es sich hierbei um eine Commotio spinalis gehandelt habe, also um eine schockartige Schädigung von Rückenmarkstrukturen ohne Blutung oder morphologische Schädigung, sei zu erwarten, dass sich die Symptomatik völlig zurückbilde, wobei allerdings dafür unter Umständen Monate bis zu einem Jahr anzusetzen seien. Eine unfallunabhängige Genese sei nicht ausreichend zu sichern, wobei eine definitive Zuordnung auch nicht möglich sei. Die MdE Beeinträchtigung sei zur Zeit gering. Die Beeinträchtigungen der Befindlichkeit und einiger Leistungen seien im Sinne der Erwerbsfähigkeit nicht bedeutsam, so dass er keine Gradzahl in Vorschlag bringe.

In einem weiteren Gutachten vom 13. November 2006 führte Dr. H aus, dass an den langen Bahnen die Muskeldehnungsreflexe deutlich rechtsbetont auszulösen seien, die Sensibilität sei links abgeschwächt. Die vorliegenden MRT Aufnahmen ließen neuroradiologisch einen sicheren pathologischen Befund ausschließen. Hinsichtlich der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit im Allgemeinen seien die vorliegenden Störungen minimal. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. Januar 2007 erkannte er keine Veränderungen, diskutierte jedoch auch insbesondere bei stagnierender Symptomatik bei fehlendem traumatologisch begründetem morphologischem Befund den Verdacht auf eine unfallunabhängige Genese.

Im Folgenden erstattete Prof. Dr. unter dem 17. September 2007 ein neurologisches Fachgutachten im Auftrag der Beklagten, in dem er zusammenfassend feststellte, dass die Klägerin am 8. März 2004 ein spinales Trauma mit leichtgradiger spastischer Parese des rechten Beines und sensiblen Defiziten des linken Beines erlitten habe. Das ausgeprägte sensible Defizit im linken Bein und Thorax unterhalb Th 10 ließe sich nicht durch die anatomische Einordnung der Rückenmarksstrukturen erklären und sei dadurch als psychosomatische Überlagerung zu interpretieren. Eine zusätzlich durchgeführte Elektroneurographie habe keinen pathologischen Befund ergeben. Wegen der leichtgradigen spastischen Parese des rechten Beines sei neurologischerseits eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 % einzuschätzen.

In seiner abschließenden gutachterlichen Stellungnahme vom 5. März 2008 kritisierte Dr. H, dass das Gutachten von Prof. Dr. K weder eine Begründung der vorliegenden Symptomatik noch Ausführungen darüber, was sie ausgelöst habe, noch eine differenzialdiagnostische Differenzierung enthalte. Eine rein motorische spinale Störung sei fachlich nicht ausreichend begründet und nicht haltbar. Eine MdE in Höhe von 20 % lasse sich aus dem vorliegenden Befund als unfallbedingt nicht ableiten.

Mit Bescheid vom 1. April 2008 lehnte die Beklagte bezogen auf den Unfall vom 8. März 2004 eine Rente ab. In dem Bescheid führt die Beklagte als Unfallfolgen ein pseudoneurologisches Syndrom mit leichtgradiger Beschwerdesymptomatik im Bereich des rechten Beines nach Schädelprellung und Distorsion der Halswirbelsäule an. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2009 als unbegründet zurück. Das als Folge des Schulunfalls geltend gemachte Erkrankungsbild im Sinne eines Brown-Séquard-Syndroms könne nicht als Unfallfolge anerkannt werden.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin erstellte Dr. B im Auftrag des Gerichts unter dem 9. Juni 2010 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten. Der Gutachter stellte als Erkrankung der Klägerin eine spastische Parasymptomatik der unteren Extremitäten mit akzessorischen Symptomen, am ehesten als Ausdruck einer spastischen Spinalparalyse, fest. Er stimme den Überlegungen von Dr. H in dessen erstem Gutachten zu. Die Präsenz der Spastik am Unfallfolgetag spreche eindeutig gegen einen Unfallzusammenhang. Ebenso die radiologischen Befunde, die keine traumatischen Veränderungen aufgewiesen hätten. Eine traumatische Contusio spinalis sei als gesichertes Erstschadensbild nicht zu formulieren. Letztlich könne als Erstschadensbild bei der Klägerin ausschließlich eine Halswirbelsäulendistorsion angenommen werden mit kurzdauernder pseudoradikulärer Läsion im Bereich der oberen Extremität, die sich innerhalb der ersten Woche zurückgebildet habe. Das strukturelle Schadensbild einer spinalen traumatischen Läsion wie das eines Brown Séquard-Syndroms wäre als erheblich einzuschätzen; neben ausgeprägten Sofortschmerzen im Bereich der Läsion hätten auch Lähmungen erwartet werden können, zudem auch Arterienverletzungen mit entsprechenden Einblutungen in das Gewebe. Unmittelbar nach dem Unfall hätte bei einer strukturellen Verletzung eine ausgeprägte lokale Sofortsymptomatik vorliegen müssen. Keines der primären und sekundären Verletzungszeichen habe bei der Klägerin in der Kernspintomographie der Halswirbelsäule, die wenige Tage nach dem Trauma angefertigt worden sei, nachgewiesen werden können. Bei einem Unfall sei ein Beschwerdemaximum zeitnah zu erwarten, das später abnehmen würde. Bei der Klägerin sei ein solcher Verlauf nicht nachweisbar, im Gegenteil habe das Beschwerdebild im Laufe der Jahre deutlich zugenommen. Ursache sei hier mit Wahrscheinlichkeit ein unfallunabhängiges Krankheitsbild, das bisher keiner Diagnose zugeführt worden sei. Aus seiner Sicht sei bei der Klägerin am ehesten vom Vorliegen einer spastischen Spinalparalyse auszugehen. Leitsymptom der Erkrankung sei eine spastische Paraparese, die oft schleichend beginne und langsam progredient sei. Eine MdE sei durch den Unfall vom 8. März 2004 nicht herbeigeführt.

Auf Antrag der Klägerin erstellte sodann der sie behandelnde Facharzt für Neurologie Dr. B unter dem 9. Juni 2011 ein Gutachten. Dieser verwies hinsichtlich des Unfallhergangs darauf, dass der in der Unfallanzeige der Schule vom 17. März 2004 dargestellte Hergang insoweit nicht richtig sei, als dass sich die Klägerin nach dem Unfall auf eine Bank in der Sporthalle gelegt und nicht weiter am Sportunterricht teilgenommen habe. Dr. B interpretierte die Befunde dergestalt, dass die Klägerin bei dem Sportunfall am 8. März 2004 eine spinale Läsion erlitten habe, und zwar eine Rückenmarkskontusion in Höhe der Halswirbelsäule mit einer anfänglichen Gefühlsstörung der rechten Körperhälfte und schwerpunktmäßig der rechten Hand, mit Nacken- und Rückenschmerzen und einer Brown Séquardartigen Störung an den Beinen (dissoziierte Empfindungsstörung am linken Bein und Spastizität am rechten Bein). Initial habe ein sog. spinaler Schock mit abgeschwächten Eigenreflexen am rechten Bein bestanden. Die spinale Läsion im Halswirbelsäulenbereich sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch den Schulunfall verursacht worden. Zur Sicherung der Diagnose einer Rückenmarkskontusion im Halswirbelsäulenbereich sei eine rechtzeitige und technisch einwandfreie MRT Untersuchung hilfreich, jedoch nicht unbedingt erforderlich. Die hier mit 30 Stunden Verzögerung und nach erfolgter Cortison-Infusionsbehandlung durchgeführte MRT Untersuchung sei wegen eines defekten Apparates unvollständig und technisch insuffizient gewesen und deshalb als Beweis für oder gegen eine Rückenmarkskontusion nicht zu verwerten. Die mehrere Monate später durchgeführten MRT Untersuchungen der Halswirbelsäule hätten keine traumatischen Schäden am Rückenmark ergeben, was aber nichts besage. Führend und entscheidend für die Beurteilung einer funktionellen Störung sei die klinische Diagnostik und nicht ein technisches Hilfsmittel. Entgegen der Ansicht des Sachverständigen Dr. B sei eine spinale Kontusion ohne begleitende Verletzungen der Wirbelsäule oder Halsmuskulatur sehr wohl möglich. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die wissenschaftlich diskutierte spinal cord injury without radiographic abnormality (SCIWORA). Eine von dem Sachverständigen Dr. B beschriebene Distorsion der Halswirbelsäule mit einer Hyperextension oder einer Hyperflexion habe bei der Klägerin nicht stattgefunden. Vielmehr sei bei dem Aufschlag der Klägerin mit Rücken und Hinterkopf auf den Boden das Rückenmark durch den Schwung beim Sturz gegen die Hinterwand des Spinalkanals geprallt. Der röhrenförmige Spinalkanal sei durch die lordotische Krümmung der Halswirbelsäule gegen die Stoßrichtung des aufprallenden Rückenmarks vorgewölbt, wobei der Scheitelpunkt, wie die Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule der Klägerin zeigten, in Höhe des 3., 4. und 5. Halswirbelsäule liege. In dieser Höhe habe die Kontusion des Rückenmarks stattgefunden. Dem entspräche die Angabe der Klägerin, dass anfangs die rechte Körperhälfte und schwerpunktmäßig die Hand, die von den Segmenten C6, C7 und C8 versorgt werde, taub gewesen sei. Bei dem Aufprall seien offenbar beide Hinterstränge sowie die rechte Hälfte des Rückenmarks traumatisiert worden. Die anfängliche Störung der rechten Hinterstrangbahn habe sich rasch zurückgebildet, bestehen geblieben sei eine Störung der rechten Pyramidenbahn sowie des rechten Tractus spinothalamicus sowie eines Teils der linken Hinterstrangbahn zum Bein. Differenzialdiagnostisch seien Erkrankungen wie die Multiple Sklerose, eine Syringomyelie oder eine psychosomatische Überlagerung ausgeschlossen worden. Eine spastische Spinalparalyse, die Dr. B für wahrscheinlich halte, bestehe bei der Klägerin nicht. Die neurologischen Untersuchungen aus den Jahren 2004 bis 2011 würden zeigen, dass - anders als von Dr. B behauptet - keine Progredienz der Störung vorliege. Die unfallbedingte MdE schätzte Dr. B auf 20 % ein. Sämtliche Neurologen, die die Klägerin gutachterlich untersucht hätten, hätten spinale Störungen (Spastizität und Sensibilitätsstörungen der Beine) beschrieben. Zusammenfassend hätte er in den aktenkundigen neurologischen Befundberichten und Gutachten kein stichhaltiges Argument gefunden, das eine unfallfremde vorbestehende Erkrankung bei der Klägerin belegen oder eine durch den Unfall vom 8. März 2004 verursachte spinale Läsion widerlegen würde.

Im weiteren Verfahren bekräftigten die Gutachter Dr. B und Dr. B ihre jeweiligen Standpunkte in ergänzenden schriftlichen Stellungnahmen vom 7. Januar 2012, vom 21. März 2012 und vom 4. Juni 2012 (Dr. B) sowie vom 6. Februar 2012 und vom 7. Mai 2012 (Dr. B) und im Rahmen ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung der Sache am 12. März 2013 vor dem Sozialgericht Berlin.

Mit Urteil vom 12. März 2013 verurteilte das Sozialgericht Berlin die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2009 dazu, der Klägerin wegen des Arbeitsunfalls vom 8. März 2004 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. zu gewähren. Zur Begründung führte es aus, dass nach dem Ergebnis der vorliegenden Sachverständigengutachten zur vollen Überzeugung des Gerichts bei der Klägerin ein sogenanntes Brown-Séquard-Syndrom durch den Arbeitsunfall hervorgerufen worden sei. Dabei stützte sich das Gericht auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. B.

Gegen das der Beklagten am 26. März 2013 zugestellte Urteil hat diese am 18. April 2013 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.

Sie macht unter Verweis auf die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie geltend, dass eine vermutete Verletzung des Rückenmarks eine bildgebende Befundung voraussetze. Bei Fehlen struktureller Schädigungen des Rückenmarks bilde sich der spinale Schock innerhalb einiger Tage zurück und sämtliche Funktionen würden wieder hergestellt. Bei Rückenmarksverletzungen ohne radiologische Abnormität (sogenanntes SCIWORA-Syndrom) habe sich bei den von dem Entdecker dieses Syndroms als nicht schwer verletzt eingestuften Kindern bei 70 % dieser Kinder die neurologische Symptomatik vollständig zurückgebildet. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. H gehe insoweit nicht mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B konform, als dass Dr. H eine eindeutige Zuordnung letztlich nicht als sicher möglich angesehen habe. Weder die bildgebenden Befunde noch die kurz nach dem Unfall veranlasste neurologische Untersuchung habe - bis auf die unklare Reflexsteigerung und eine leichte Spitzfußstellung - einen auffälligen Befund ergeben. Die Beklagte könne eine plausible Erklärung für die sechs Jahre nach der Unfallanzeige geänderte Aussage der Lehrerin zum Unfallhergang nicht finden. Die entscheidenden Beurteilungskriterien der unfallnahen Symptomatik in Korrelation mit dem Befund der MRT Aufnahme der Halswirbelsäule und Brustwirbelsäule sprächen eindeutig gegen eine unfallbedingte strukturelle Läsion im Bereich des Rückenmarks. Dabei sei es unerheblich, ob man zusätzlich das Vorliegen einer Rückenmarkserschütterung annehmen wolle, da diese Symptomatik vollständig reversibel sei und ein andauerndes morphologisches Korrelat hierbei nicht existiere. Die Beklagte gehe weiterhin davon aus, dass der jetzt noch vorliegende Gesundheitsschaden der Klägerin nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesundheitserstschaden bzw. als Unfallfolge zu klassifizieren sei. Deshalb sei eine unfallbedingte MdE insoweit auch nicht festzustellen. In der nur neun Tage nach dem Unfallereignis angefertigten MRT Aufnahme der Halswirbelsäule hätten keine der primären und sekundären Verletzungszeichen einer spinalen traumatischen Läsion nachgewiesen werden können. Sie sieht sich in ihrer Einschätzung durch das weitere vom Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingeholte Sachverständigengutachten von Prof. Dr. M im Ergebnis bestätigt.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. März 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und verweist auf die Argumente des Sachverständigen Dr. B. Zur Bekräftigung ihres Vorbringens hat sie zwei weitere Stellungnahmen des Sachverständigen Dr. B vom 8. August 2013 und vom 7. Dezember 2015 eingereicht.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat von Amts wegen ein neurologisches Gutachten von Prof. Dr. M eingeholt, das dieser am 25 September 2015 nach einer Untersuchung der Klägerin erstellte. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass die bei der Klägerin vorliegenden Störungen einem inkompletten Brown Séquard-Syndrom mit Verletzung der vorderen (ventralen) Anteile der rechten Rückenmarksseite entsprechen würden, da eine Störung der Hinterstrangsensibilität auf der rechten Seite fehle. Unmittelbar nach dem Unfall hätten bei der Klägerin keine erkennbaren Störungen der Beinmotorik bestanden. Sie sei in der Lage gewesen, sich zur Bank zu begeben und den Heimweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen. Störungen im rechten Bein seien dabei nicht bemerkt worden. Der unfallchirurgische Bericht vom Unfalltag dokumentiere, dass keine neurologischen Defizite vorgelegen hätten. Erst am Tag nach dem Unfall seien von dem behandelnden Orthopäden der Klägerin und der Neurochirurgischen Abteilung des Campus eine rechtsbetonte Steigerung der Muskeleigenreflexe an den Beinen gefunden worden. Die Dokumentationen der Sensibilitätsstörungen nach dem Unfall seien verwirrend und widersprüchlich. Die Ursache der initialen rechtsseitigen Sensibilitätsstörung sei nicht klar ersichtlich. Die Interpretation als vorübergehendes Zeichen einer Rückenmarksläsion, wie sie Dr. B getätigt habe, sei nicht plausibel. Es sei für eine akute Rückenmarksverletzung nicht verständlich, warum die Störung des Hinterstrangs des Rückenmarks auf der rechten Seite ohne Beteiligung von Pyramidenbahn und Vorderseitenstrang isoliert sofort eintrete, sich dann zurückbilde und bleibende Störungen von Vorderseitenstrang und Pyramidenbahn der gleichen Seite erst mit Verzögerung von Tagen entstehen würden. Da das Brown Séquard-Syndrom nur inkomplett sei, lasse sich keine genaue Angabe des betroffenen Rückenmarkssegments treffen. Gutachtlich bestünden keine vernünftigen Zweifel daran, dass bei der Klägerin eine Rückenmarksläsion im Sinne eines Brown Séquard-Syndroms vorliege, auch wenn die bisher erhobenen Befunde bildgebender Verfahren eine Rückenmarksläsion nicht hätten darstellen können. Die Sensibilität der angewendeten Methoden sei eingeschränkt, so dass ein fehlender Nachweis nicht als Beleg für die Nichtexistenz des Schadens gelten könne. Die für eine Rückenmarksläsion charakteristischen Sensibilitätsstörungen seien durch die Befunderhebung durch Dr. B am 17. März 2004 bestätigt worden. Unfallunabhängige Gründe für eine derartige Läsion, z. B. Multiple Sklerose, Durchblutungsstörungen oder Tumoren des Rückenmarks sowie spontane Durafisteln oder eine Syringomyelie, würden bei der Klägerin nicht vorliegen. Insgesamt ergebe sich keine plausible diagnostische Zuordnung für eine traumaunabhängige Ursache der Rückenmarksstörung der Klägerin. Unfallabhängig sei eine Commotio spinalis ausgeschlossen, da Restsymptome (leichte Spastik mit Reflexsteigerung und Sensibilitätsstörungen) vorlägen. Ein Trauma wie das von der Klägerin erlittene führe üblicherweise nicht zu einer Rückenmarksprellung. Diese entstehe fast ausschließlich, wenn gleichzeitig Wirbelsäulenverletzungen, d. h. Wirbelbrüche oder schwerwiegende Verletzungen des Bandapparats der Wirbelsäule, eingetreten wären. Ursache sei dann der Druck auf das sehr empfindliche Rückenmark durch Knochenbruchstücke oder die Verschiebung von Wirbelkörpern gegeneinander. Derartige Verletzungen lägen bei der Klägerin nicht vor. Ausnahmen von dieser Regel gebe es bei Personen, die eine Einengung des Wirbelkanals, z. B. durch einen Bandscheibenvorfall, oder schwere degenerative Veränderungen (Spondylose) hätten. Bei der Klägerin liege aber keine Einengung des Wirbelkanals vor. Das Rückenmark sei bei ihr allseits von einem normal dicken Liquorkissen umgeben und dadurch weitgehend vor mechanischer Verletzung geschützt. Auch sei es bei der Klägerin zu keinem spinalen Schock gekommen. Dieser bestehe in einer schlaffen Lähmung ab der Querschnittshöhe, einem kompletten Sensibilitätsverlust und dem Verlust der Blasen-Mastdarmfunktion. Der Schock könne sich innerhalb von Minuten oder erst nach Wochen zurückbilden. Die zunächst schlaffe Parese werde dann spastisch mit Steigerung der Reflexe. Die Klägerin habe jedoch das rechte Bein nach dem Unfall bewegen und zu einer Bank bzw. sogar nach Hause gehen können und keine Beschwerden oder Funktionseinbußen bemerkt. Die bei ihr am Tag nach dem Unfall festgestellte Reflexsteigerung als Ausdruck einer spastischen Lähmung folge also keiner zuvor schlaffen Lähmung. Dies sei ungewöhnlich. Die Klägerin habe auch keine Blasen-Mastdarmstörungen gehabt. Gegen eine Rückenmarkskontusion spreche auch der fehlende Nachweis eines Rückenmarködems in der Kernspintomographie. Das Fehlen eines Rückenmarködems mache eine akute Rückenmarksverletzung unwahrscheinlich. Nach Ausschluss weiterer möglicher Ursachen des Brown Séquard-Syndroms (traumatische Durafistel, Syringomyelie, Vertebralis-dissektion) erörtert der Sachverständige eine von ihm selbst als selten bezeichnete traumatische Ursache von Rückenmarksschädigungen in Form einer Embolie von Knorpel- und Bindegewebe aus einer Bandscheibe bzw. einem Wirbelkörper (sogenannte fibrokartilaginäre Embolie). Hierzu führt er aus, dass Beschreibungen bei Überlebenden oft auf Verdacht bei Fehlen anderer Ursachen beruhen würden. Als gesichert könne die Diagnose gelten, wenn begleitende Veränderungen an der Bandscheibe bzw. ein Ödem im Wirbelkörper nachweisbar seien, was mit speziellen Kernspintomographie-Sequenzen gelingen könne. Die Klägerin habe die mit einer fibrokartilaginären Embolie übereinstimmenden Symptome innerhalb des für dieses Krankheitsbild recht charakteristischen Zeitraums entwickelt. Eine Verletzung an der Bandscheibenwirbelkörpergrenze eines Wirbelsäulensegments als primäre Gesundheitsstörung, die die fibrokartilaginäre Embolie voraussetze, sei in den bildgebenden Verfahren nicht nachgewiesen worden, wobei zu bedenken sei, dass spezifische MRT Sequenzen mit Fettunterdrückung nicht angewandt worden seien. Die Schädigung könne somit dem Nachweis entgangen sein. Ein nachträglicher Nachweis sei nicht mehr möglich. Zwar sei eine Rückenmarksläsion in den bildgebenden Verfahren ebenfalls nicht nachgewiesen, sie stehe jedoch aufgrund des klinischen Krankheitsbildes außer Zweifel. Nochmalige aufwändige Kernspintomographien könnten zwar den Rückenmarksschaden mit hoher Wahrscheinlichkeit nachweisen, würden aber hinsichtlich der Verursachung wegen des langen zeitlichen Abstands vom Unfallereignis in der Kausalitätsfrage nicht weiterhelfen. Die Kausalverknüpfung zwischen dem Unfall und der Rückenmarksschädigung sei bei Annahme einer fibrokartilaginären Embolie trotz der verzögerten zeitlichen Entwicklung des Brown Séquard-Syndroms plausibel und wahrscheinlich. Zusammenfassend sprächen für die Annahme einer durch den Unfall verursachten Rückenmarkschädigung im Sinne eines Brown Séquard-Syndroms der zeitliche Zusammenhang, das adäquate Trauma, die progrediente Entwicklung der neurologischen Ausfälle und das Alter der Verunfallten. Eine eindeutige kausale Zuordnung des zweifelsfrei bestehenden Rückenmarkschadens sei medizinisch-wissenschaftlich nicht möglich. Es spreche trotz des nicht im Vollbeweis zu sichernden Primärschadens an der Bandscheibenwirbelkörpergrenze mehr dafür als dagegen, dass der Unfall den Rückenmarksschaden durch eine fibrokartilaginäre Embolie verursacht habe, so dass eine Kausalität mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei. Der Sachverständige schätzte die MdE auf 30 v. H.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der - soweit maßgeblich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht Berlin hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin wegen des Schulunfalls vom 8. März 2004 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. zu gewähren. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 1. April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2009 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 54 Abs. 1, 2 Sozialgerichtsgesetz SGG -).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Schulunfalls vom 8. März 2004. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte Anspruch auf Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist.

Als Unfallfolge lassen sich in diesem Zusammenhang nur diejenigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen feststellen, die rechtlich wesentlich auf das Unfallgeschehen zurückgeführt werden können.

Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (BSG SozR Nr. 69 zu § 542 a. F. RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Kap. 1.5, S. 24 f.). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSGE 12, 242, 245 = SozR Nr. 27 zu § 542 RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 75; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 jeweils Rdnr. 11). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 jeweils Rdnr. 11; ähnlich Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen.

Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung, der Gesundheitserstschaden und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung müssen erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 43/84 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen (BSG, Urteile vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, vom 2. April 2009 - B 2 U 29/07 R - und vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, alle zitiert nach juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen kann vorliegend nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Brown Séquard-Syndrom als Folge des als Versicherungsfall anerkannten Schulunfalls vom 8. März 2004 festgestellt werden.

Zwar hält der Senat die von den Gutachtern Dr. H, Dr. B und Prof. Dr. M übereinstimmend gefundene Diagnose einer Rückenmarkserkrankung der Klägerin, die sich in Form des sogenannten Brown Séquard-Syndroms auswirkt, für überzeugend. Bei dem Brown Séquard-Syndrom handelt es sich um eine halbseitige seitliche Rückenmarksläsion mit der Folge einer asymmetrischen Lähmung und einer Minderung des Schmerz- und Temperaturempfindens auf der Gegenseite (dissoziierte Empfindungsstörung). Die bei den neurologischen Untersuchungen der Klägerin festgestellte spastische Bewegungsstörung des rechten Beines und die dissoziierte Empfindungsstörung am linken Bein entsprechen der Brown-Séquard-Symptomatik. Eine spastische Spinalparalyse, wie sie der Sachverständige Dr. B in seinem Gutachten vom 9. Juni 2010 vermutet, kann der Senat demgegenüber nicht feststellen. Hierbei handelt es sich um eine langsam fortschreitende, genetisch bedingte Erkrankung. Gegen das Vorliegen dieser Erkrankung sprechen das Fehlen der familiären Belastung, die fehlende Progredienz und die bei der Klägerin festzustellende Störung der Schmerz- und Temperaturempfindung am linken Bein, was nicht zu dem Krankheitsbild der spastischen Spinalparalyse passt. Insbesondere konnten die untersuchenden Ärzte bei der Klägerin nicht die zwingend zur spastischen Spinalparalyse gehörenden Hohlfüße feststellen. Die in der Untersuchung von Dr. B nicht auslösbaren linksseitigen Bauchhautreflexe sind in Anbetracht der Tatsache, dass sie an dieser Stelle in allen anderen Untersuchungen der Klägerin auslösbar waren, offensichtlich einem Messfehler geschuldet.

Das festgestellte Brown Séquard-Syndrom kann vorliegend jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als Folge des am 8. März 2004 erlittenen Schulunfalls der Klägerin festgestellt werden. Es fehlt insoweit an einem Gesundheitserstschaden. Der Vollbeweis des Primärschadens konnte nicht geführt werden.

Der Senat folgt insoweit den Sachverständigen Dr. H und Prof. Dr. M. Entgegen dem Sachverständigen Dr. B kann der Senat einen durch den Schulunfall ausgelösten spinalen Schock, also den plötzlichen Ausfall sämtlicher oder bestimmter motorischer, sensorischer und vegetativer Funktionen, bei der Klägerin nicht feststellen. Wie Prof. Dr. M zutreffend ausführt, wurden am Unfalltag selbst keine neurologischen Defizite festgestellt. Die Klägerin war unmittelbar nach dem Unfall in der Lage aufzustehen, sich in der Sporthalle zur Bank zur begeben und den Heimweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln selbständig zu bewältigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie noch an weiteren Übungen im Rahmen des Basketballspiels teilgenommen hat oder nicht. Erst am Folgetag stellten der sie behandelnde Orthopäde und die behandelnden Ärzte in der Neurochirurgischen Klinik der C rechtsseitig gesteigerte Muskeleigenreflexe fest. Hieran zeigt sich, dass die am Tag nach dem Unfall festgestellte Reflexsteigerung als Ausdruck einer spastischen Lähmung keiner zuvor schlaffen Lähmung folgte, die jedoch Voraussetzung für den spinalen Schock ist. Auch eine Rückenmarksprellung konnte bei der Klägerin nicht nachgewiesen werden. Sämtliche MRT und Röntgenbilder zeigen insoweit einen unauffälligen Befund. In diesem Zusammenhang weist Prof. Dr. M zutreffend darauf hin, dass ein Rückenmarksödem optimalerweise am Tag nach dem Unfall nachgewiesen hätte werden müssen, da Rückenmarksödeme nicht im Augenblick des Unfalls entstehen, sondern sich erst im Laufe der nächsten Stunden oder Tage entwickeln. Die Unverwertbarkeit der zunächst am Unfalltag angefertigten Aufnahmen im Krankenhaus ist vor diesem Hintergrund nicht entscheidend. Das Fehlen eines Rückenmarködems macht eine akute Rückenmarksverletzung jedoch unwahrscheinlich. Soweit Dr. B die fehlende Sicherung einer Rückenmarksprellung (Contusia spinalis) durch die radiologischen Aufnahmen nach dem Unfall durch den Hinweis auf wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach eine solche Verletzung auch ohne radiologischen Nachweis vorliegen kann (sog. SCIWORA), überspielen will, ersetzt diese Möglichkeit zum einen nicht den fehlenden Nachweis und scheint darüber hinaus auf den Fall der Klägerin nicht anwendbar. Denn nach der von Dr. B zitierten Literatur betreffen die dort untersuchten Fälle entweder sehr junge Patienten oder ältere Patienten mit einer zervikalen Spondylose. Bei der im Unfallzeitpunkt fast 18 Jahre alten Klägerin besteht jedoch keine Spondylose. Aber auch die von Prof. Dr. M als Auslöser des Brown Séquard-Syndroms angenommene fibrokartilaginäre Embolie kann der Senat nicht feststellen. Wie Prof. Dr. M selbst ausführt, ist die sogenannte fibrokartilaginäre Embolie, die durch eine Embolie von Knorpel- und Bindegewebe aus einer Bandscheibe bzw. einem Wirbelkörper entsteht, eine seltene traumatische Ursache von Rückenmarksschädigungen. Weiter führt er aus, dass Beschreibungen bei Überlebenden oft auf Verdacht beruhen bei Fehlen anderer Ursachen. Als gesichert könne die Diagnose gelten, wenn begleitende Veränderungen an der Bandscheibe bzw. ein Ödem im Wirbelkörper nachweisbar seien, was mit speziellen Kernspintomographiesequenzen gelingen könne. Eine entsprechende Kernspintomographie wurde bei der Klägerin jedoch nie durchgeführt und wäre zum jetzigen Zeitpunkt - worauf Prof. Dr. M ebenfalls zutreffend hinweist - nicht mehr in kausalitätsbegründender Weise aussagekräftig.

Auch soweit Prof. Dr. M- jedenfalls im Ergebnis - eine Rückenmarksläsion als außer Zweifel bestehend beschreibt, vermag dieser Befund für sich betrachtet einen Anspruch der Klägerin nicht zu begründen, weil es an einem Erstschaden fehlt, der zu der Rückenmarksläsion geführt hat. Bildgebend hat sich weder ein Ödem noch eine Läsion als ein solcher Gesundheitserstschaden nachweisen lassen. So begründet Prof. Dr. M seine Diagnose der Rückenmarksläsion allein mit dem klinischen Befund bei Dr. B am 17. März 2004. Dies an sich zieht der Senat auch nicht in Zweifel. Allerdings beschreibt Prof. Dr. M als Ursache der Läsion eine auf den Sturz zurückzuführende fibrokartilaginäre Embolie, die medizinisch wiederum begleitende Veränderungen an der Bandscheibe oder ein Ödem des Wirbelkörpers voraussetzt. Beides wurde bei der Klägerin aber gerade nicht festgestellt. Da zwischen dem Sturz als Trauma und der Läsion mit Brown-Séquard-Syndrom als medizinisch notwendiger Verlauf (Brückensymptomatik) die beschriebene Embolie entstanden sein müsste, die sich aber gerade nicht nachweisen lässt, führt die Feststellung der Läsion allein bei der Kausalitätsbetrachtung nicht weiter. Gesundheitsstörungen an sich müssen im Vollbeweis gesichert sein und zwar auch dann, wenn sie "nur" als Anknüpfungstatsachen bei der Beurteilung des Kausalverlaufs nach dem Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit dienen. Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt nur für die Kausalitätsbeurteilung selbst, nicht für die dieser Beurteilung zugrunde liegenden Gesundheitsstörungen.

Wie bereits dargelegt reicht der Ausschluss anderer Ursachen (so die von Prof. Dr. K angenommene psychosomatische Überlagerung, die mangels eines psychiatrischen Krankheitsbildes und der Unmöglichkeit der Simulation des Brown Séquard-Syndroms ausscheidet, oder die nicht feststellbaren Störungen des Gehirns, Multiple Sklerose, Durchblutungsstörungen und Tumore des Rückenmarks, Durafisteln oder eine Syringomyelie) zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus.

Wenn sich aber die neurologischen Störungen der Klägerin nicht kausal auf den Schulunfall vom 8. März 2004 zurückführen lassen, können sie auch keine MdE auslösen. Das in dem angegriffenen Bescheid vom 1. April 2008 als Unfallfolge anerkannte pseudoneurologische Syndrom im Bereich des rechten Beines nach Schädelprellung und Distorsion der Halswirbelsäule kann wegen der nur leichtgradigen Beschwerdesymptomatik nicht zu der Anerkennung einer MdE in rentenberechtigender Höhe führen. Prellungen und Stauchungen heilen erfahrungsgemäß spätestens in sechs Wochen aus.

Der Berufung der Beklagten war stattzugeben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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