Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 27 KR 55/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 144/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Nach der Neuregelung von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V zum 1. April 2008 können Versicherte in betreuten Wohnformen in der Regel keinen eigenen Haushalt mehr führen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem betreuten Wohnen Vertragsgestaltungen zugrunde liegen, nach denen der betreuten Person sowohl die Unterkunft als auch die nicht nur unerheblichen Betreuungsleistungen vom selben Vertragspartner zur Verfügung gestellt werden.
2. Auch gesetzlich Versicherte, die in einer betreuten Wohnform leben und Leistungen der ambulanten Eingliederungshilfe erhalten (hier u.a. durch Anleitung und Beratung zur Gesundheitsförderung und -erhaltung), haben gegenüber ihrer Krankenkasse keinen Anspruch auf Leistungen der einfachsten medizinischen Behandlungspflege, wenn sie diese Leistungen bereits vom Leistungserbringer der Eingliederungshilfe beanspruchen können.
2. Auch gesetzlich Versicherte, die in einer betreuten Wohnform leben und Leistungen der ambulanten Eingliederungshilfe erhalten (hier u.a. durch Anleitung und Beratung zur Gesundheitsförderung und -erhaltung), haben gegenüber ihrer Krankenkasse keinen Anspruch auf Leistungen der einfachsten medizinischen Behandlungspflege, wenn sie diese Leistungen bereits vom Leistungserbringer der Eingliederungshilfe beanspruchen können.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 17. März 2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten gewährt.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 17. März 2016 ist gemäß § 172, § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat es das Sozialgericht abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin über den 25. Februar 2016 hinaus mit Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form des Herrichtens und Verabreichens von Medikamenten zu versorgen. Denn die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung glaubhaft gemacht.
1. Das Sozialgericht hat einen Leistungs- und damit auch Anordnungsanspruch der Antragstellerin nach § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) mit der Begründung abgelehnt, das Herrichten und Verabreichen von Medikamenten aufgrund ärztlicher Verordnung sei im Rahmen der vom Sozialhilfeträger [Beigeladener zu 1)] bewilligten (ambulanten) Eingliederungshilfe zu erbringen. Da die Begründung des Sozialgerichts Fehler nicht erkennen lässt, sondern vielmehr der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Senats entspricht, verweist der Senat gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf dessen zutreffende Ausführungen. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände überzeugen nicht.
a. Aus welchen pflegerechtlichen Vorschriften sich ergeben soll, dass nur Fachkräfte Medikamente herrichten und verabreichen dürfen, ist weder nach dem Vorbringen der Antragstellerin noch anderweitig ersichtlich. Für das Herrichten und Verabreichen von Tabletten nach ärztlicher Anweisung und das Blutdruckmessen ist regelmäßig keine medizinische Fachkunde erforderlich. Vielmehr ist § 37 Abs. 2 SGB V im hier maßgeblichen Zusammenhang zu entnehmen, dass es nach den gesetzlichen Regelungen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege gibt, die ohne medizinische Vorkenntnisse von Laien erbracht werden können. Das gilt auch für Mitarbeiter in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Dazu gehört z.B. regelmäßig die Gabe von Tabletten nach ärztlicher Anweisung (BSG, Urteil vom 25. Februar 2015 – B 3 KR 11/14 R –, juris). Dass für diejenigen vorwiegend pädagogisch oder sozialpädagogisch ausgebildeten Mitarbeiter der Beigeladenen zu 2), die mit der Erbringung der bewilligten ambulanten Leistungen der Eingliederungshilfe zugunsten der Antragstellerin betraut sind, ggf. eine kurze Einweisung erforderlich ist, unterscheidet sich nicht von der Konstellation, in der ein Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegen die Krankenkasse deshalb nicht besteht, weil eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann (§ 37 Abs. 3 SGB V). Auch eine solche Person bedarf ggf. einer kurzen Einweisung, entweder durch einen den Kranken behandelnden Arzt oder durch einen hinreichend qualifizierten Mitarbeiter des zuständigen Sozialleistungsträgers; die Beigeladene zu 2) und ihre Mitarbeiter müssten sich im Falle der Antragstellerin daher an den Beigeladenen zu 1) halten.
Dass die Beigeladene zu 2) grundsätzlich in der Lage ist, die Antragstellerin bei der Ausführung ärztlicher Verordnungen zu unterstützen, belegen die Bescheide des Beigeladenen zu 1) vom 14. März 2014, wonach der Antragstellerin für die Zeit vom 1. April bis 31. August 2014 Leistungen der ambulanten Eingliederungshilfe u.a. durch Anleitung und Beratung beim "Ausführen ärztlicher oder therapeutischer Verordnungen" bewilligt wurden. Schon damals wurden die der Antragstellerin vom Beigeladenen zu 1) bewilligten Leistungen durch die Beigeladene zu 2) erbracht.
b. Im Rahmen welcher Dienstzeiten die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 2) die vom Beigeladenen zu 1) bewilligten Fachleistungsstunden im Bereich der ambulanten Eingliederungshilfe erbringen, bleibt im vorliegenden Verfahren ohne Einfluss. Welcher Sozialleistungsträger für die Erbringung einer Leistung zuständig ist, kann nicht vom Dienstplan eines Leistungserbringers abhängen. Ggf. muss die Beigeladene zu 2) ihre Dienstpläne so ändern, dass die von den bewilligten Fachleistungsstunden umfassten Leistungen, zu denen hier auch einfache Formen der Behandlungspflege zählen (wie vom Sozialgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG zu Recht festgestellt), zu den jeweils erforderlichen Zeiten erbracht werden. Sollte mit dem derzeitigen Personal der Beigeladenen zu 2) eine Leistungserbringung an jedem Wochenende nicht möglich sein, wird ggf. der Beigeladene zu 1) als Sozialhilfeträger zu prüfen haben, ob er insoweit einen anderen Leistungserbringer, z.B. einen Pflegedienst, beauftragen muss.
c. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin auf der Grundlage von § 43 Sozialgesetzbuch / Erstes Buch scheidet aus, nachdem die Abgrenzung der Zuständigkeiten im Rahmen des vorliegenden Falles anhand der Rechtsprechung des BSG ohne weitere Ermittlungen zum Sachverhalt möglich ist.
2. Ein Anspruch des Antragstellerin nach § 37 Abs. 2 SGB V ist auch nicht deshalb gegeben, weil sie die Leistungen der häuslichen Krankenpflege in ihrem Haushalt erhalten will.
Der Antragstellerin ist zwar zuzugeben, dass in ihrem Fall zahlreiche Umstände dafür sprechen, die zumindest nach der bis zum 31. März 2007 geltenden Fassung von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V die Bejahung eines eigenen Haushalts nahegelegt hätten. Dieses Ergebnis ist indes nach Auffassung des Senats infolge der zum 1. April 2007 durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG -) eingetretenen Rechtsänderung, welche die Beschränkung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege auf den Haushalt oder die Familie des Versicherten aufhob, im vorliegenden Fall nicht mehr begründbar. Denn der Gesetzgeber hat als Beispielsfall für den sonstigen "geeigneten Ort" gerade die "betreuten Wohnformen" in den Gesetzeswortlaut aufgenommen. Daraus folgert der Senat, dass bei dieser Wohnform – so vielgestaltig und offen für neue Entwicklungen sie auch sein mag (BSG a.a.O.) – wie bei jedem anderen sonstigen "geeigneten Ort" i.S.v. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V die Zuständigkeit der Krankenkasse nur dann besteht, wenn der Versicherte nicht bereits aufgrund sozialhilferechtlicher Vorschriften einen Leistungsanspruch hat.
Allerdings legt die Begründung zum Entwurf des GKV-WSG auf den ersten Blick die von der Antragstellerin vertretene Sichtweise nahe. Danach bewirke die Neuregelung "durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt werden" (BT-Drs. 16/3100 S. 104). Eine "Erweiterung des Haushaltsbegriffs" hat im Gesetzeswortlaut jedoch keinen Niederschlag gefunden. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, neben dem eigenen Haushalt und der eigenen Familie einen weiteren Leistungserbringungsort – den sonstigen "geeigneten Ort" – einzuführen. Zu dessen näherer Eingrenzung hat er Beispielsfälle ("insbesondere") in den Gesetzwortlaut aufgenommen, darunter auch die "betreuten Wohnformen". Dies lässt sich nach der Auffassung des Senats nur dahin verstehen, dass betreute Wohnformen grundsätzlich keine Ausprägung des Haushalts i.S.v. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V darstellen, und gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – dem betreuten Wohnen Vertragsgestaltungen zugrunde liegen, nach denen der betreuten Person sowohl die Unterkunft als auch die nicht nur unerheblichen Betreuungsleistungen vom selben Vertragspartner – hier der Beigeladenen zu 2) – zur Verfügung gestellt werden.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass es möglicherweise nicht Absicht des Gesetzgebers war, durch die zum 1. April 2007 in Kraft getretene Neuregelung bei sehr vielen Formen des betreuten Wohnens die Zuständigkeit der Krankenkasse für Leistungen der häuslichen Krankenpflege auf diejenigen Fälle zu begrenzen, in denen der Versicherte keinen Anspruch gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger hat. In der Auslegung des Senats kann die Neufassung von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V – wie der vorliegende Fall belegt – nämlich zur Folge haben, dass für bestimmte Formen des betreuten Wohnens, bei denen nach der alten, bis zum 31. März 2007 geltenden Rechtslage ein Haushalt i.S. dieser Vorschrift zu bejahen gewesen wäre, ohne dass es auf mögliche Ansprüche gegen andere Sozialleistungsträger angekommen wäre, ein Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber der Krankenkasse zusätzlich davon abhängt, dass der Versicherte die Leistung nicht von einem anderen Sozialleistungsträger beanspruchen kann. Dies ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift hinzunehmen, denn "der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation" (BVerfG, Beschluss vom 19. März 2007 - 2 BvR 2273/06 -, juris). Es wäre Aufgabe des Gesetzgebers, die Abgrenzung zwischen den Zuständigkeiten der gesetzlichen Krankenversicherung und der Sozialhilfe ggf. neu zu justieren.
3. Auch der hilfsweise geltend gemachte Antrag auf Kostenerstattung für bisher vorverauslagte Kosten des Pflegedienstes in der Zeit vom 26. Februar bis 20. März 2016 i.H.v. 360.- Euro bleibt ohne Erfolg. Ist schon der Sachleistungsanspruch nach § 37 Abs. 2 SGB V als Primäranspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, muss dies erst recht für den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V als Sekundäranspruch gelten.
Unabhängig hiervon fehlt es nach den dem Senat bislang vorlegten Unterlagen auch an weiteren Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V. Es ist derzeit weder erkennbar, mit welchem Pflegedienst die Antragstellerin einen zivilrechtlich wirksamen Vertrag geschlossen hat, noch welcher wirksamen zivilrechtlichen Forderung (zu diesen Anforderungen: Senat, Urteile vom 09. März 2011 – L 9 KR 302/07 –, vom 08. Oktober 2008 – L 9 KR 37/03 –,vom 02. Juli 2008 – L 9 KR 1211/05 –, und vom 15. November 2006 – L 9 KR 82/03 –, jeweils juris und unter Hinweis auf Rechtsprechung des BSG) sie ausgesetzt ist. Nur unter diesen Voraussetzungen ist ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten gegenüber seiner Krankenkasse denkbar. Soweit das Sozialgericht demgegenüber dem o.g. Urteil des Senats vom 15. November 2006 entnommen haben sollte, Leistungserbringer seien grundsätzlich nicht befugt, von der Krankenkasse abgelehnte Leistungen gegenüber dem Versicherten geltend zu machen, entspräche dies weder der Rechtsprechung des Senats noch der des BSG (BSG, Urteil vom 03. August 2006 – B 3 KR 24/05 R –, juris, Rn. 21f).
4. Der Antragstellerin war Prozesskostenhilfe nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114ff Zivilprozessordnung zu gewähren. Sie ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung auch nur zum Teil oder in Raten aufzubringen. Die Rechtsverfolgung bot auch zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife, d.h. hier bei Einreichung der Erklärung über die o.g. Verhältnisse am 20. April 2016, hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil zur Frage, ob Versicherte in einer betreuten Wohnform nach der Rechtsänderung zum 1. April 2007 gleichwohl einen eigenen Haushalt i.S.v. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V führen können, bislang keine Rechtsprechung veröffentlicht ist.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Diese Entscheidung kann gem. § 177 SGG nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 17. März 2016 ist gemäß § 172, § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat es das Sozialgericht abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin über den 25. Februar 2016 hinaus mit Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form des Herrichtens und Verabreichens von Medikamenten zu versorgen. Denn die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung glaubhaft gemacht.
1. Das Sozialgericht hat einen Leistungs- und damit auch Anordnungsanspruch der Antragstellerin nach § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) mit der Begründung abgelehnt, das Herrichten und Verabreichen von Medikamenten aufgrund ärztlicher Verordnung sei im Rahmen der vom Sozialhilfeträger [Beigeladener zu 1)] bewilligten (ambulanten) Eingliederungshilfe zu erbringen. Da die Begründung des Sozialgerichts Fehler nicht erkennen lässt, sondern vielmehr der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Senats entspricht, verweist der Senat gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf dessen zutreffende Ausführungen. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände überzeugen nicht.
a. Aus welchen pflegerechtlichen Vorschriften sich ergeben soll, dass nur Fachkräfte Medikamente herrichten und verabreichen dürfen, ist weder nach dem Vorbringen der Antragstellerin noch anderweitig ersichtlich. Für das Herrichten und Verabreichen von Tabletten nach ärztlicher Anweisung und das Blutdruckmessen ist regelmäßig keine medizinische Fachkunde erforderlich. Vielmehr ist § 37 Abs. 2 SGB V im hier maßgeblichen Zusammenhang zu entnehmen, dass es nach den gesetzlichen Regelungen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege gibt, die ohne medizinische Vorkenntnisse von Laien erbracht werden können. Das gilt auch für Mitarbeiter in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Dazu gehört z.B. regelmäßig die Gabe von Tabletten nach ärztlicher Anweisung (BSG, Urteil vom 25. Februar 2015 – B 3 KR 11/14 R –, juris). Dass für diejenigen vorwiegend pädagogisch oder sozialpädagogisch ausgebildeten Mitarbeiter der Beigeladenen zu 2), die mit der Erbringung der bewilligten ambulanten Leistungen der Eingliederungshilfe zugunsten der Antragstellerin betraut sind, ggf. eine kurze Einweisung erforderlich ist, unterscheidet sich nicht von der Konstellation, in der ein Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegen die Krankenkasse deshalb nicht besteht, weil eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann (§ 37 Abs. 3 SGB V). Auch eine solche Person bedarf ggf. einer kurzen Einweisung, entweder durch einen den Kranken behandelnden Arzt oder durch einen hinreichend qualifizierten Mitarbeiter des zuständigen Sozialleistungsträgers; die Beigeladene zu 2) und ihre Mitarbeiter müssten sich im Falle der Antragstellerin daher an den Beigeladenen zu 1) halten.
Dass die Beigeladene zu 2) grundsätzlich in der Lage ist, die Antragstellerin bei der Ausführung ärztlicher Verordnungen zu unterstützen, belegen die Bescheide des Beigeladenen zu 1) vom 14. März 2014, wonach der Antragstellerin für die Zeit vom 1. April bis 31. August 2014 Leistungen der ambulanten Eingliederungshilfe u.a. durch Anleitung und Beratung beim "Ausführen ärztlicher oder therapeutischer Verordnungen" bewilligt wurden. Schon damals wurden die der Antragstellerin vom Beigeladenen zu 1) bewilligten Leistungen durch die Beigeladene zu 2) erbracht.
b. Im Rahmen welcher Dienstzeiten die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 2) die vom Beigeladenen zu 1) bewilligten Fachleistungsstunden im Bereich der ambulanten Eingliederungshilfe erbringen, bleibt im vorliegenden Verfahren ohne Einfluss. Welcher Sozialleistungsträger für die Erbringung einer Leistung zuständig ist, kann nicht vom Dienstplan eines Leistungserbringers abhängen. Ggf. muss die Beigeladene zu 2) ihre Dienstpläne so ändern, dass die von den bewilligten Fachleistungsstunden umfassten Leistungen, zu denen hier auch einfache Formen der Behandlungspflege zählen (wie vom Sozialgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG zu Recht festgestellt), zu den jeweils erforderlichen Zeiten erbracht werden. Sollte mit dem derzeitigen Personal der Beigeladenen zu 2) eine Leistungserbringung an jedem Wochenende nicht möglich sein, wird ggf. der Beigeladene zu 1) als Sozialhilfeträger zu prüfen haben, ob er insoweit einen anderen Leistungserbringer, z.B. einen Pflegedienst, beauftragen muss.
c. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin auf der Grundlage von § 43 Sozialgesetzbuch / Erstes Buch scheidet aus, nachdem die Abgrenzung der Zuständigkeiten im Rahmen des vorliegenden Falles anhand der Rechtsprechung des BSG ohne weitere Ermittlungen zum Sachverhalt möglich ist.
2. Ein Anspruch des Antragstellerin nach § 37 Abs. 2 SGB V ist auch nicht deshalb gegeben, weil sie die Leistungen der häuslichen Krankenpflege in ihrem Haushalt erhalten will.
Der Antragstellerin ist zwar zuzugeben, dass in ihrem Fall zahlreiche Umstände dafür sprechen, die zumindest nach der bis zum 31. März 2007 geltenden Fassung von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V die Bejahung eines eigenen Haushalts nahegelegt hätten. Dieses Ergebnis ist indes nach Auffassung des Senats infolge der zum 1. April 2007 durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG -) eingetretenen Rechtsänderung, welche die Beschränkung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege auf den Haushalt oder die Familie des Versicherten aufhob, im vorliegenden Fall nicht mehr begründbar. Denn der Gesetzgeber hat als Beispielsfall für den sonstigen "geeigneten Ort" gerade die "betreuten Wohnformen" in den Gesetzeswortlaut aufgenommen. Daraus folgert der Senat, dass bei dieser Wohnform – so vielgestaltig und offen für neue Entwicklungen sie auch sein mag (BSG a.a.O.) – wie bei jedem anderen sonstigen "geeigneten Ort" i.S.v. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V die Zuständigkeit der Krankenkasse nur dann besteht, wenn der Versicherte nicht bereits aufgrund sozialhilferechtlicher Vorschriften einen Leistungsanspruch hat.
Allerdings legt die Begründung zum Entwurf des GKV-WSG auf den ersten Blick die von der Antragstellerin vertretene Sichtweise nahe. Danach bewirke die Neuregelung "durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt werden" (BT-Drs. 16/3100 S. 104). Eine "Erweiterung des Haushaltsbegriffs" hat im Gesetzeswortlaut jedoch keinen Niederschlag gefunden. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, neben dem eigenen Haushalt und der eigenen Familie einen weiteren Leistungserbringungsort – den sonstigen "geeigneten Ort" – einzuführen. Zu dessen näherer Eingrenzung hat er Beispielsfälle ("insbesondere") in den Gesetzwortlaut aufgenommen, darunter auch die "betreuten Wohnformen". Dies lässt sich nach der Auffassung des Senats nur dahin verstehen, dass betreute Wohnformen grundsätzlich keine Ausprägung des Haushalts i.S.v. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V darstellen, und gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – dem betreuten Wohnen Vertragsgestaltungen zugrunde liegen, nach denen der betreuten Person sowohl die Unterkunft als auch die nicht nur unerheblichen Betreuungsleistungen vom selben Vertragspartner – hier der Beigeladenen zu 2) – zur Verfügung gestellt werden.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass es möglicherweise nicht Absicht des Gesetzgebers war, durch die zum 1. April 2007 in Kraft getretene Neuregelung bei sehr vielen Formen des betreuten Wohnens die Zuständigkeit der Krankenkasse für Leistungen der häuslichen Krankenpflege auf diejenigen Fälle zu begrenzen, in denen der Versicherte keinen Anspruch gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger hat. In der Auslegung des Senats kann die Neufassung von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V – wie der vorliegende Fall belegt – nämlich zur Folge haben, dass für bestimmte Formen des betreuten Wohnens, bei denen nach der alten, bis zum 31. März 2007 geltenden Rechtslage ein Haushalt i.S. dieser Vorschrift zu bejahen gewesen wäre, ohne dass es auf mögliche Ansprüche gegen andere Sozialleistungsträger angekommen wäre, ein Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber der Krankenkasse zusätzlich davon abhängt, dass der Versicherte die Leistung nicht von einem anderen Sozialleistungsträger beanspruchen kann. Dies ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift hinzunehmen, denn "der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation" (BVerfG, Beschluss vom 19. März 2007 - 2 BvR 2273/06 -, juris). Es wäre Aufgabe des Gesetzgebers, die Abgrenzung zwischen den Zuständigkeiten der gesetzlichen Krankenversicherung und der Sozialhilfe ggf. neu zu justieren.
3. Auch der hilfsweise geltend gemachte Antrag auf Kostenerstattung für bisher vorverauslagte Kosten des Pflegedienstes in der Zeit vom 26. Februar bis 20. März 2016 i.H.v. 360.- Euro bleibt ohne Erfolg. Ist schon der Sachleistungsanspruch nach § 37 Abs. 2 SGB V als Primäranspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, muss dies erst recht für den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V als Sekundäranspruch gelten.
Unabhängig hiervon fehlt es nach den dem Senat bislang vorlegten Unterlagen auch an weiteren Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V. Es ist derzeit weder erkennbar, mit welchem Pflegedienst die Antragstellerin einen zivilrechtlich wirksamen Vertrag geschlossen hat, noch welcher wirksamen zivilrechtlichen Forderung (zu diesen Anforderungen: Senat, Urteile vom 09. März 2011 – L 9 KR 302/07 –, vom 08. Oktober 2008 – L 9 KR 37/03 –,vom 02. Juli 2008 – L 9 KR 1211/05 –, und vom 15. November 2006 – L 9 KR 82/03 –, jeweils juris und unter Hinweis auf Rechtsprechung des BSG) sie ausgesetzt ist. Nur unter diesen Voraussetzungen ist ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten gegenüber seiner Krankenkasse denkbar. Soweit das Sozialgericht demgegenüber dem o.g. Urteil des Senats vom 15. November 2006 entnommen haben sollte, Leistungserbringer seien grundsätzlich nicht befugt, von der Krankenkasse abgelehnte Leistungen gegenüber dem Versicherten geltend zu machen, entspräche dies weder der Rechtsprechung des Senats noch der des BSG (BSG, Urteil vom 03. August 2006 – B 3 KR 24/05 R –, juris, Rn. 21f).
4. Der Antragstellerin war Prozesskostenhilfe nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114ff Zivilprozessordnung zu gewähren. Sie ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung auch nur zum Teil oder in Raten aufzubringen. Die Rechtsverfolgung bot auch zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife, d.h. hier bei Einreichung der Erklärung über die o.g. Verhältnisse am 20. April 2016, hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil zur Frage, ob Versicherte in einer betreuten Wohnform nach der Rechtsänderung zum 1. April 2007 gleichwohl einen eigenen Haushalt i.S.v. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V führen können, bislang keine Rechtsprechung veröffentlicht ist.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Diese Entscheidung kann gem. § 177 SGG nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved