L 30 P 75/15 B

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 111 P 122/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 30 P 75/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. Oktober 2015 geändert.

Der Streitwert wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Für das Beschwerdeverfahren werden Gebühren nicht erhoben und Kosten nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Beschwerde der Beklagten richtet sich gegen die Höhe der Festsetzung des Streitwertes durch das Sozialgericht Berlin.

Nach einer Qualitätsprüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen Baden-Württemberg (MDK) am 23. Mai 2011 mit festgestellten Qualitätsmängeln in einer Pflegeeinrichtung der Klägerin forderten die Beklagten die Klägerin mit Maßnahmenbescheid vom 29. Dezember 2011 unter Bezugnahme auf den MDK-Prüfbericht zur Beseitigung der Mängel zur Umsetzung von insgesamt acht Maßnahmen (behandlungspflegerische Maßnahmen, Umgang mit Medikamenten, Sturzprophylaxe, Dekubitusrisiko, Dekubitusprophylaxe, Kontrakturrisiko, Kontrakturprophylaxe und Ernährung/Flüssigkeitsversorgung) auf.

Gegen diesen Maßnahmenbescheid hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben und auf Anfrage des Gerichts den Streitwert gemäß § 61 des Gerichtskostengesetzes (GKG) mit vorläufig 5.000 EUR beziffert. Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 11. April 2012 den Streitwert vorläufig gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 GKG auf 40.000 EUR festgesetzt.

Nachdem das Klageverfahren durch übereinstimmende Erledigungserklärungen vom 20. und 25. August 2015 beendet worden ist, hat das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 8. Oktober 2015 den Beteiligten die Kosten des Rechtsstreits jeweils zur Hälfte auferlegt und den Wert des Streitgegenstandes auf 25.000,- EUR festgesetzt. Hierbei ist es unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des 27. Senats des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (unter anderem Beschluss vom 5. Oktober 2011 - L 27 P 23/11 B) von fünf Maßnahmen mit Regelungscharakter ausgegangen, die es jeweils mit 5.000 EUR bewertet hat und unter entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 5 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu der Gesamtsumme von 25.000 EUR addiert hat.

Gegen diesen am 19. Oktober 2015 zugestellten Beschluss haben die Beklagten am 23. November 2015 Beschwerde eingelegt. Der Streitwert sei mit dem Auffangstreitwert von 5.000 EUR anzusetzen, da der Sach- und Streitstand keine anderweitigen Anhaltspunkte biete. Eine Addition dieses Auffangstreitwertes unter Berücksichtigung jeder einzelnen geforderten Maßnahme des angegriffenen Bescheides käme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin letztlich nur die Aufhebung eines Maßnahmenbescheides begehrt habe.

II.

Über die Beschwerden ist mangels anderweitiger Regelung im Bereich des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch den Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern zu entscheiden (vgl. hierzu Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2. Oktober 2012, L 4 P 19/12 B, m.w.N.; a. A. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. März 2012, L 10 P 133/11B, beide zitiert nach juris).

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert im sozialgerichtlichen Verfahren nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen, soweit in den Vorschriften des GKG, insbesondere in § 52 Abs. 2 bis 7 GKG, nichts anderes bestimmt ist. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG).

Nach diesen Regelungen ist nach Ansicht des erkennenden Senats in Fällen der vorliegenden Art bei Klageverfahren gegen so genannte Maßnahmenbescheide grundsätzlich der so genannte Auffangstreitwert von einmalig 5.000 EUR nach § 52 Abs. 2 GKG festzusetzen. Der nunmehr im Bereich der Pflegeversicherung zuständige 30. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg folgt insofern der Rechtsprechung des bisher zuständigen 27. Senats des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg nicht.

Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des 27. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (vgl. u. a. Beschlüsse des 27. Senats vom 7. Oktober 2010 - L 27 P 51/10 B RG, vom 7. Juli 2010 - L 27 P 12/10 B, vom 10. Dezember 2009 - L 27 P 41/09 B RG, vom 30. Juli 2013 - L 27 P 24/11 B, vom 31. Juli 2013 - L 27 P6 60/11 B, und zuletzt vom 18. September 2014 - L 27 P 46/14 B, zitiert nach juris) waren für die Streitwertermittlung in einem ersten Schritt die der Klägerin auferlegten einzelnen Maßnahmen mit Regelungscharakter zu ermitteln, sofern diese jeweils einen eigenen Streitgegenstand darstellten. Für jede einzelne dieser Maßnahmen mit Regelungscharakter war dann in einem zweiten Schritt der Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen ist. Entsprechend des Rechtsgedankens des § 5 Zivilprozessordnung (ZPO) sollten dann diese einzelnen Auffangstreitwerte in einem dritten Schritt zu einem Gesamtstreitwert addiert werden.

In ähnlicher Weise vertritt der 10. Senat des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, die verschiedenen Maßnahmen seien in Maßnahmekomplexen zu gewichten; für jeden Maßnahmekomplex sei dann der Auffangstreitwert von 5.000 EUR anzusetzen und anschließend seien die so ermittelten Auffangstreitwerte zum Gesamtstreitwert zu addieren (unter anderem Beschluss vom 26. Mai 2010 - L 10 B 41/09P, vom 7. März 2012 - L 10 P 133/11 B und vom 2. Mai 2012 - L 10 P5/12 B ER, jeweils zitiert nach juris).

Beide Verfahren zur Ermittlung des Streitwertes sieht der erkennende Senat nicht als überzeugend an und schließt sich deshalb der beispielsweise vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 10. Mai 2012 - L 4 18/11 B ER, zitiert nach juris), vom Bayerischen Landessozialgericht (Urteil vom 8. Juli 2014 - L 2 P 80/13, zitiert nach juris) und wohl auch vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 21. Januar 2010 - L 15 P 69/09 B - siehe van der Ploeg, NZS 2011, 212) vertretenen Auffassung an, wonach der Auffangstreitwert nur einmalig anzusetzen ist (so auch die Empfehlung im Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, 4. Auflage, Stand: Mai 2012, veröffentlicht unter: www.lsg.nrw.de/infos/Streitwertkatalog/index.php).

Zu dieser Überzeugung gelangt der erkennende Senat insbesondere unter Berücksichtigung des Wortlautes, der Gesetzessystematik und auch des Gesetzeszwecks der entscheidenden gesetzlichen Regelungen, vorrangig des § 52 GKG.

Nach dem Wortlaut des § 52 Abs. 1 GKG ist in den Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG). Nach dem Wortlaut kommt es mithin für die Wertermittlung auf die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger an. Lässt sich diese nicht beziffern, ist verbindlich ein Streitwert von (einmalig) 5.000 EUR anzunehmen. Schon der Wortlaut dieser Regelungen rechtfertigt es nach Ansicht des Senats in einem Gerichtsverfahren nicht, auf den Auffangwert von 5.000 EUR abzustellen und diesen zu vervielfachen.

Gegen eine Vervielfachung des pauschalen Auffangwertes spricht auch die Gesetzessystematik der Regelungen.

In einem ersten Schritt ist nach § 52 Abs. 1 GKG die Bedeutung der Sache zu ermitteln und nur wenn der bisherige Sach- und Streitstand bis zum Verfahrensende hierfür keine genügenden Anhaltspunkte für die Bemessung bietet, kann nach § 52 Abs. 2 GKG in einem zweiten Schritt auf den Auffangwert zurückgegriffen werden (Hartmann, Kostengesetze, 45. Auflage 2015, § 52 GKG, Rn. 20, mit weiteren Nachweisen). Danach ergibt sich aus dem Wert nach § 52 Abs. 2 GKG nicht etwa ein Ausgangswert, an den sich die Festsetzung nach Abs. 1 anlehnen müsste, und erst recht kein Regelwert, der zu berücksichtigen wäre. Auch nach der Gesetzessystematik handelt es sich bei dem Betrag von 5.000 EUR vielmehr um einen Auffangwert (fiktiven Streitwert) oder um einen hilfsweisen Ausnahmewert, der immer (nur) dann eintritt, soweit und solange eine individuelle Bemessung (noch) nicht möglich ist, weil hinreichende Anhaltspunkte fehlen (Hartmann, a.a.O., § 52 Rn. 21, m.w.N.); er stellt eine starre Größe dar (Hartmann, a.a.O., § 52 Rn. 22, m.w.N.).

Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht, dass gemäß § 39 Abs. 1 GKG in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug mehrere Streitgegenstände zusammengerechnet werden, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Danach sind zwar in einem gerichtlichen Verfahren mehrere gleichzeitig geltend gemachte Streitgegenstände, also mehrere prozessuale Ansprüche (vergleiche zum Streitgegenstandsbegriff Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 95 Rn. 4ff., m.w.N.), zusammenzurechnen. Demgegenüber ist es unerheblich, ob mit der Klage nur ein einziger Bescheid angegriffen wird, da dieser Bescheid zwar den Klagegegenstand im Sinne des § 95 SGG darstellt (vergleiche auch hierzu Leitherer, a.a.O., § 95 Rn. 4, mit weiteren Nachweisen; anderer Ansicht wohl van der Ploeg in NZS 2011, 212 unter Zugrundelegung eines anderen Streitgegenstandbegriffs), aber mehrere Regelungen und damit angreifbare Streitgegenstände enthalten kann. Selbst wenn aber in dem gerichtlichen Verfahren mehrere prozessuale Ansprüche angegriffen werden, so führt dies grundsätzlich zu der Notwendigkeit einer Wertermittlung nach § 52 Abs. 1 GKG und nur wenn dies nicht möglich ist zu einem Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG (Hartmann, a.a.O., § 52 Rn. 22, mit weiteren Nachweisen). Die Verbindung von beidem (individuelle Wertermittlung nach Absatz 1 unter Anwendung des Auffangwertes nach Absatz 2) ist hingegen auch bei mehreren gleichzeitig erhobenen Ansprüchen systematisch nicht vorgesehen.

In diesem Zusammenhang ist schließlich auch auf den Gesetzeszweck hinzuweisen, der ebenfalls gegen eine Multiplikation oder Addition des Auffangwertes von § 52 Abs. 2 GKG spricht.

Erkennbares Ziel der Regelungen ist eine Wertermittlung für die gerichtlichen Verfahren nach der Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger. Bietet hierfür der Sach- und Streitstand keine ausreichenden Anhaltspunkte, darf und muss das Gericht den Auffangwert nach § 52 Abs. 1 GKG heranziehen; eine Beweiserhebung zur Ermittlung der nach § 52 Abs. 1 GKG maßgebenden Merkmale ist dann weder geboten noch zulässig (Hartmann, a.a.O., § 52 Rn. 20, m.w.N.). Danach ist das Gericht zwar im Grundsatz gehalten, vorrangig unter Berücksichtigung des Antrages des Klägers (siehe Wortlaut § 52 Abs. 1 GKG) die Bedeutung der Sache und damit den Wert zu ermitteln. Ist aber ein Wert danach nicht zu beziffern, so hat das Gericht ohne weitere Ermittlungen und damit auch ohne weiteren Arbeitsaufwand den Auffangwert von § 52 Abs. 2 GKG anzunehmen. Insbesondere dieses Ziel der Arbeitsentlastung der Gerichte würde konterkariert, wenn diese auch bei ungenügenden Anhaltspunkten gehalten wären, den Wert eines Verfahrens beispielsweise unter mehrfacher Berücksichtigung des Auffangwertes zu ermitteln.

Schließlich ist weder die Ermittlung und Berücksichtigung von "Maßnahmen mit Regelungscharakter" (vergleiche 27. Senat Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, a.a.O.) noch von "Maßnahmekomplexen" (vergleiche 10. Senat Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O.) objektiv, transparent und zweifelsfrei nachvollziehbar.

Unter entsprechender Anwendung des § 5 ZPO sah der bisher zuständige 27. Senat des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hierzu eine Notwendigkeit, da nach seiner Ansicht in einem Klageverfahren gegen einen angegriffenen Maßnahmenbescheid mit einer Vielzahl geforderter Maßnahmen mehrerer Ansprüche geltend gemacht worden. Letztlich hat damit auch der 27. Senat auf den bereits oben genannten Streitgegenstandsbegriff im Sinne von § 39 GKG abgestellt. Hierbei hat er allerdings nicht berücksichtigt, dass ein Maßnahmenbescheid zwar gegebenenfalls mehrere angemahnte Maßnahmen/Regelungen enthalten kann, er jedoch insgesamt mit einer Anfechtungsklage anzugreifen ist und dort allein Streitgegenstand die Behauptung des Klägers ist, der Verwaltungsakt sei rechtswidrig und enthalte einen Eingriff in seine Rechtssphäre (siehe Leitherer, a.a.O., § 95 Rn. 6, m.w.N.). Denn Ziel einer Anfechtungsklage ist allein die Aufhebung des angegriffenen Verwaltungsakts (§ 54 SGG). Etwas anderes kann aber gelten, wenn der Kläger weitere prozessuale Ansprüche in demselben Gerichtsverfahren im Wege der Klagehäufung geltend macht, bspw. auch einen Feststellungs- oder einen Leistungsantrag in demselben Verfahren stellt (vgl. auch zur objektiven Klagehäufung Leitherer, a.a.O., § 56 Rn. 1ff., m.w.N.).

Außerdem erscheint es für den erkennenden Senat in dem hier streitgegenständlichen Maßnahmenbescheid und in der Vielzahl der Maßnahmenbescheide generell als äußerst schwierig, verschiedene Maßnahmen mit Regelungscharakter zu erkennen. Der hier angegriffene Maßnahmenbescheid vom 29. Dezember 2011 erfolgte ausdrücklich unter Bezugnahme auf die Regelung des § 115 Abs. 2 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) und auf den Prüfbericht des MDK. Nach dieser gesetzlichen Regelung entscheiden die Landesverbände der Pflegekassen nach Anhörung des Trägers der Pflegereinrichtung und der beteiligten Trägervereinigung unter Beteiligung des zuständigen Trägers der Sozialhilfe, welche Maßnahmen zu treffen sind und erteilen dem Träger der Einrichtung hierüber einen Bescheid, wenn im Rahmen einer zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität (vergleiche § 112 SGB XI) durchgeführten Qualitätsprüfung (vergleiche § 114 SGB XI) Mängel festgestellt werden (vergleiche § 115 Abs. 1 SGB XI). Der Regelungsgehalt des Maßnahmenbescheides vom 29. Dezember 2011 im Sinne von § 31 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) erschöpft sich damit letztlich in der Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität durch Benennung und Aufforderung zum Abstellen der festgestellten Mängel. Dies zugrunde gelegt wäre wohl nur von einer einzigen Regelung auszugehen, nämlich der Verpflichtung zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität durch Abstellen der festgestellten Mängel. Dies zeigt sich nach Ansicht des Senats auch in der Konsequenz einer Verletzung der geforderten Maßnahmen. Denn nach § 115 Abs. 2 ff. SGB XI kann eine Verletzung der auferlegten Maßnahmen nur dazu führen, dass die Pflegevergütungen für die Dauer der Pflichtverletzung entsprechend gekürzt werden können (§ 115 Abs. 3 SGB XI), eine Ersatzpflege kurzfristig vermittelt wird (§ 115 Abs. 4 SGB XI) oder der Versorgungsvertrag in schwerwiegenden Fällen sogar gekündigt wird (§ 115 Abs. 2 S. 2 SGB XI). Regelungsziel ist damit insgesamt immer eine Qualitätssicherung der Pflege.

Dieselben Erwägungen sprechen nach Ansicht des erkennenden Senats auch gegen die Bildung von Maßnahmekomplexen im Sinne der Rechtsprechung des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen.

Der 10. Senat des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen hat in seinem Beschluss vom 26. Mai 2010 (L 10 B 41/09 P, zitiert nach juris) hierzu ausgeführt, der dort von der Klägerin selbst geltend gemachte finanzielle Mehraufwand für die Maßnahmen zur Behebung der festgestellten Mängel sei nicht fassbar und hätte auch keine realistische Grundlage. Andererseits sei der einmalige Auffangwert von 5.000 EUR nicht ausreichend, denn der damalige Maßnahmenbescheid habe immerhin 15 Verpflichtungen (Maßnahmen) enthalten, die sich unter anderem auf den personellen Bereich und die Dokumentation bezogen hätten. Deswegen sei der Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG als Ausgangswert einer Wertfestsetzung nach § 52 Abs. 1 GKG heranzuziehen und angemessen zu erhöhen. Hierzu seien Maßnahmekomplexe zu bilden und der Auffangwert entsprechend zu multiplizieren.

Wie derselbe Senat in seinem Beschluss vom 7. März 2012 (L 10 P 133/11 B, zitiert nach juris) aber ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, ist die Bewertung des wirtschaftlichen Interesses von Maßnahmebescheiden mit verschiedenen zu gewichtenden Anforderungen schon dem Grunde nach mit Unsicherheiten verbunden und entzieht sich insoweit einer mathematischen Berechnung. Genau für eine solche Situation wurde mit der Regelung des § 52 Abs. 2 GKG von dem Gesetzgeber jedoch eine Handhabe mit dem Auffangstreitwert von 5.000 EUR gegeben.

Außerdem ist auch bei einer Vielzahl von Maßnahmen (im damals zur Entscheidung anstehenden Fall von 15 Maßnahmen, vorliegend von acht Maßnahmen) denkbar, dass die Addition der wirtschaftlichen Bedeutung der einzelnen Maßnahmen für den Kläger zusammen eine Summe von nicht mehr als 5.000 EUR ergibt. Mit anderen Worten kann allein aus einer Vielzahl von Maßnahmen nicht automatisch auf eine größere Bedeutung und damit einen höheren (Gesamt-) Streitwert geschlossen werden. Liegen für die einzelnen Maßnahmen keinerlei Anhaltspunkte für eine Wertberechnung vor, so besteht deshalb nach Ansicht des Senats auch bei einer Vielzahl von Maßnahmen weder eine Notwendigkeit noch eine Berechtigung von dem pauschalen Auffangstreitwert in Höhe von 5000 EUR nach der Regelung des § 52 Abs. 2 GKG abzuweichen.

Schließlich zeigt auch das vorliegende Verfahren sehr deutlich die tatsächlichen und rechtlichen Grenzen einer Wertermittlung in Fällen der vorliegenden Art. Eine Bildung von verschiedenen "Maßnahmen mit Regelungscharakter" oder "Maßnahmekomplexen" ist kaum objektiv nachvollziehbar möglich und damit auch eine Streitwertfestsetzung in solchen Fällen äußerst angreifbar.

In dem ursprünglich angegriffenen Bescheid vom 29. Dezember 2011 wurden insgesamt acht Maßnahmen angemahnt. Die Klägerin hat auf Nachfrage den Streitwert selbst mit 5.000 EUR beziffert. Das Sozialgericht Berlin hat dann mit Beschluss vom 11. April 2012 den Streitwert vorläufig auf 40.000 EUR festgesetzt (wohl unter Berücksichtigung der acht Maßnahmen mit je 5.000 EUR). In dem angegriffenen Beschluss vom 8. Oktober 2015 hat es dann den Streitwert auf (nur noch) 25.000 EUR festgesetzt und hierbei nur noch fünf verschiedene Regelungen (mit je 5.000 EUR) berücksichtigt. Ohne dass sich rechtlich oder tatsächlich während des laufenden Verfahrens eine Änderung beim Streitgegenstand ergeben hätte, divergiert damit der Streitwert zwischen 5.000 EUR und 40.000 EUR. Selbst der gerichtlich festgesetzte Streitwert beträgt ohne eine rechtliche oder tatsächliche Änderung im Verfahren einmal 40.000 EUR und zuletzt nur noch 25.000 EUR.

Außerdem hat das Sozialgericht Berlin in der angegriffenen Entscheidung zwar ausgeführt, es folge der bisherigen Rechtsprechung des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zur Wertfestsetzung und hat auch die Kriterien (Maßnahmen mit Regelungscharakter) zutreffend angegeben. Weshalb das Gericht aber zuletzt nur fünf der acht Maßnahmen Regelungscharakter beigemessen hat, hat es jedoch offen gelassen, obwohl es in der vorläufigen Festsetzung offenbar zunächst jeder der eingeforderten Maßnahmen einen solchen Regelungscharakter beigemessen hat.

Abschließend ist daher insgesamt festzustellen, dass grundsätzlich eine Streitwertfestsetzung nach § 52 Abs. 1 GKG unter Zugrundelegung der bezifferbaren Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger zu erfolgen hat. Liegen im gerichtlichen Verfahren mehrere Streitgegenstände (mehrere prozessuale Ansprüche) vor, so sind deren Werte zusammenzurechnen (§ 39 Abs. 1 GKG). Kann jedoch eine konkrete Bezifferung nicht erfolgen, so ist der Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG festzusetzen. Dieser Auffangwert von derzeit einmalig 5.000 EUR ist für den Rechtsstreit selbst bei Vorliegen mehrerer Streitgegenstände im Sinne von § 56 SGG zu Grunde zu legen, wenn der Wert der einzelnen Streitgegenstände nicht beziffert werden kann.

Die Entscheidung über Gebühren und Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG, 68 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved