Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 16 R 239/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 494/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1960 geborene Klägerin durchlief eine zehnjährige Schulbildung, ohne die Abschussprüfung der zehnten Klasse der Polytechnischen Oberschule (POS) bestanden zu haben (vgl. Abgangszeugnis der Rschule B für das Schuljahr 1976/ 1977), und war ab dem 25. Oktober 1977 als Maschinennäherin beschäftigt. Sie verfügt über ein Zeugnis vom 27. März 1981 als Facharbeiter für Näherzeugnisse mit der Spezialisierungsrichtung Kleidungsherstellung. Eigenem Vorbringen zufolge war sie am 25. Oktober 1977 zunächst ungelernt als Spezialmaschinennäherin angestellt worden, bevor sie von 1978 bis 1981 eine Ausbildung zur Facharbeiterin für Näherzeugnisse durchlief, und zwar parallel in der Berufsschule und im Betrieb. Ab Januar 1989 war sie bis zu ihrer Kündigung bzw. bis zur Betriebsauflösung in der technischen Kontrolle beschäftigt. Ab Januar 1991 ist sie arbeitslos. Ein erster Antrag auf Erwerbsminderungsrente wurde mit Bescheid vom 09. Dezember 2008 damals mangels Vorliegens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt und der hiergegen gerichtete Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2009 bestandskräftig zurückgewiesen.
Am 13. Juli 2010 stellte die Klägerin einen weiteren Rentenantrag. Zur Begründung verwies sie auf Gelenkbeschwerden in Hüfte, Knie, Halswirbelsäule (HWS) und Steißbein, Konzentrationsprobleme wegen Tinnitus, Erschöpfungszustand, Schlafprobleme. Sie sei auf die Hilfe des Ehemanns angewiesen. Sie legte u.a. ein psychologisches Gutachten vom 11. März 1999 und ein im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit erstelltes, auf ambulanter Untersuchung beruhendes Gutachten vom 20. Mai 2010 vor. Die Beklagte holte u.a. einen Befundbericht der psychologischen Psychotherapeutin A vom 11. November 2010 ein und zog ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK Berlin-Brandenburg vom 10. November 2010 bei. Auf Veranlassung der Beklagten erstellte die Nervenärztin Dr. G aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 10. Februar 2011 das schriftliche Gutachten vom 28. Februar 2011 mit den Diagnosen Dysthymia mit Somatisierungsstörungen, Agoraphobie mit Panikattacken, Wundheilungsstörungen nach Zystenoperation im Steißbein, vertebragene und arthrogene Schmerzzustände bei degenerativen Wirbelsäulen-Gelenkveränderungen, chronischer Tinnitus aurium und bescheinigte der Klägerin bei näher bezeichneten qualitativen Leistungseinschränkungen ein vollschichtiges Leistungsvermögen am allgemeinen Arbeitsmarkt und ein aufgehobenes Leistungsvermögen als Näherin. Die Beklagte holte ferner einen Befundbericht beim Orthopäden Avom 12. Mai 2011 ein und lehnte mit Bescheid vom 07. Juni 2011 den Rentenantrag unter Hinweis auf das Fehlen der medizinischen Voraussetzungen ab. Dabei sei die Klägerin als gelernte Maschinennäherin auf eine Tätigkeit als Warenaufmacher bzw. Versandfertigmacher zu verweisen, so dass insbesondere auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2012 als unbegründet zurück.
Zwischenzeitlich durchlief die Klägerin vom 18. Januar 2012 bis zum 14. Februar 2012 an der Klinik N eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme, aus welcher sie als vollschichtig belastbar bei näher bezeichneten qualitativen Einschränkungen am allgemeinen Arbeitsmarkt und als unter drei Stunden belastbar in der von ihr zuletzt ausgeübten technischen Kontrolle entlassen wurde, vgl. Reha-Entlassungsbericht vom 16. Februar 2012.
Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 30. April 2012 zum Sozialgericht Potsdam (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie hat sich aus gesundheitlichen Gründen außerstande gesehen, sowohl gemessen an den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarkts als auch an denjenigen einer Warenaufmacherin bzw. Versandfertigmacherin Arbeiten von wirtschaftlichem Wert zu erbringen. Schon bei den alltäglichen Dingen wie Anziehen, Bücken, Setzen, Stehen oder Gehen müsse sie sich quälen. Sie leide aufgrund der massiven Schmerzbelastung unter einer extremen Schlaflosigkeit und Erschöpfung. Hinzuträten erhebliche Angstzustände, die eine normale Arbeitstätigkeit ausschlössen. Zudem treffe ihre Einstufung als angelernte Arbeiterin im oberen Bereich nicht zu. Sie sei vielmehr als Facharbeiterin geschützt, wie sich aus dem Facharbeiterbrief vom 27. März 1981 ergebe. Die Klägerin hat in einem vom SG zur Verfügung gestellten Fragebogen zur Person zunächt angegeben, eine zweijährige Ausbildung durchlaufen zu haben. Die Beklagte ist der Klage mit berufskundlichen Stellungnahmen von ML vom 23. September 2002, vom 27. Oktober 2001, 20. Januar 2002 entgegengetreten. Das SG hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte beigezogen und das schriftliche Sachverständigengutachten von Dr. L vom 23. Januar 2014 eingeholt. Dieser hat bei der Klägerin aufgrund der ambulanten Untersuchung vom 30. Oktober 2013 folgende Erkrankungen festgestellt: - Funktionsstörungen im Bewegungsapparat - chronische Bronchitis bzw. Asthma bronchiale - anhaltende somatoforme Schmerzstörung - depressive Störung, gegenwärtig mittelgradig ausgeprägt - Agoraphobie - Persönlichkeitsstörung, kombiniert (dependent, ängstlich meidend, histrionisch) Der Sachverständigehat ihr unter näher bezeichneten qualitativen Leistungseinschränkungen ein vollschichtiges Leistungsvermögen am allgemeinen Arbeitsmarkt bei erhaltener Wegefähigkeit und ohne das Erfordernis zusätzlicher, betriebsunüblicher Pausen sowie als Versandfertigmacher bescheinigt. Die Klägerin könne in Hauptverkehrszeiten unter Vermeidung stärkerer Menschenansammlungen in Fortbewegungsmitteln öffentliche Verkehrsmittel nutzen; die von ihr behauptete eingeschränkte Fähigkeit, sich in solche Situationen zu begeben, könne nicht überprüft werden. Eine solche Einschränkung sei in einer tagesklinischen Behandlung ggf. auch in einer verhaltenstherapeutisch ausgerichteten Einzelpsychotherapie in übenden Verfahren zu beseitigen, zumindest zu mindern. Die Klägerin ist dem Gutachten mit Schriftsatz vom 30. April 2014 und einer ausführlichen, persönlichen Stellungnahme und einem weiteren Schriftsatz vom 12. Mai 2014 entgegengetreten, in welchem u.a. das Fehlen einer fachorthopädischen Begutachtung gerügt worden ist.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12. Mai 2014 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass nach dem Gesamtergebnis der durchgeführten medizinischen Ermittlungen, insbesondere nach den gutachterlichen Äußerungen von Dr. Ldie medizinischen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht gegeben seien. Insbesondere komme auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in Betracht. Die Klägerin sei ausgehend von ihrer letzten Beschäftigung als Maschinennäherin nach zweijähriger Ausbildung als angelernte Arbeiterin im oberen Bereich einzuordnen und nach den berufskundlichen Ermittlungen in Gestalt der beigezogenen Stellungnahmen von M Lauf die Tätigkeit eines Warenaufmachers bzw. Versandfertigmachers zu verweisen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 23. Mai 2014 zugestellte Urteil am 23. Juni 2014 Berufung eingelegt. Sie behauptet nunmehr, eine zweieinhalbjährige Berufsausbildung durchlaufen zu haben, hält im Übrigen an ihrem bisherigen Vorbringen fest und führt u.a. aus, Dr. L gehe in seinem Gutachten von einem unzutreffenden Alltagsgeschehen der Klägerin aus, wofür der Ehemann der Klägerin als Zeuge vernommen werden könne. Es fehle zumindest an einer ergänzenden Stellungnahme von Dr. L. Ohne Begleitperson könne sie aufgrund ihrer Agoraphobie öffentliche Verkehrsmittel nicht nutzen. Sie habe sich gegenüber Dr. L aufgrund tiefgreifender Ängste nicht richtig öffnen können. So sei eben ein traumatisches Erlebnis, bei welchem sie 1987 Opfer einer Vergewaltigung mit anschließender Abtreibung geworden sei, nicht zur Sprache gekommen und habe von Dr. Lnicht in seine Erwägungen mit einbezogen werden können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 13. Mai 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 07. Juni 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin genieße als Maschinennäherin nicht den Berufsschutz einer Facharbeiterin. Die Beklagte legt hierzu einen Auszug aus "Bildung und Beruf – DDR-Ausbildungsberufe 4 – Vergleichbare und verwandte Berufe in der Bundesrepublik Deutschland", 1990 und einen Ausdruck aus dem Berufsinformationsarchiv "BERUFENET" der Bundesagentur für Arbeit zum Stichwort Modenäherin vor. Zudem habe sich die Klägerin mit ihrer letzten Tätigkeit in der technischen Kontrolle von ihrem Ausbildungsberuf gelöst.
Auf Veranlassung des Senats hat der Sachverständige Prof. Dr. Sauf orthopädisch-rheumatologischem Fachgebiet das auf ambulanter Untersuchung der Klägerin beruhende schriftliche Sachverständigengutachten vom 08. Dezember 2014 erstellt, bei der Klägerin eine geringe Fehlform des Achsorgans mit geringgradigen Nervenwurzelreizerscheinungen, eine leichte X-Beinstellung und ein Senk-Spreiz-Knickfuß-Leiden diagnostiziert und ihr bei näher bezeichneten qualitativen Einschränkungen ein vollschichtiges Leistungsvermögen am allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Einschränkungen der Wegefähigkeit und ohne das Erfordernis einer besonderen Pausenregelung bescheinigt. Die Klägerin hat sich kritisch mit dem Gutachten von Prof. Dr. S auseinandergesetzt, vgl. Schriftsatz vom 04. August 2015. Der Senat hat sodann die ergänzende Stellungnahme von Dr. L vom 27. September 2015 eingeholt, in welchem er bei seiner bisherigen Leistungsbeurteilung geblieben ist.
Der Berichterstatter hat der Klägerin zuletzt mit Schreiben vom 14. Juni 2016 die Vorlage sämtlicher ausbildungsrelevanter Unterlagen und präzisere Angaben zum Ausbildungsverlauf aufgegeben, woraufhin die Klägerin ihren Sozialversicherungsausweis in Kopie vorgelegt hat, in welchem Berufsausbildungszeiten nicht eingetragen sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 07. Juni 2011 ist in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2012 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Voraussetzungen des zunächst als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 43 Abs. 1 und Abs. 2 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) sind nicht erfüllt. Nach § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch behinderte Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist dagegen nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage insoweit nicht zu berücksichtigen ist.
Dies zugrunde gelegt steht das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen der teilweisen oder vollen Erwerbsminderung nicht gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Überzeugung des Senats fest und ist so nicht bewiesen. Denn die Klägerin ist auch angesichts der bei ihr festgestellten Leiden und unter Beachtung der daraus folgenden qualitativen Leistungseinschränkungen vielmehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird hier zunächst abgesehen, weil die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückzuweisen ist, § 153 Abs. 2 SGG. Ergänzend wird in diesem Zusammenhang zunächst nur darauf hingewiesen, dass auch die im Berufungsverfahren vorgenommenen medizinischen Ermittlungen durch Einholung des schriftlichen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. S vom 08. Dezember 2014 mit dem Ergebnis eines auf orthopädisch-rheumatologisch milden Befunds und der ergänzenden Stellungnahme von Dr. L vom 27. September 2015 kein auch nur teilweise aufgehobenes Leistungsvermögen ergeben haben. Wenn nun nach alldem das Restleistungsvermögen der Klägerin leichte Verrichtungen oder Tätigkeiten erlaubt (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen etc.)die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, und sich solche abstrakten Handlungsfelder im Fall der Klägerin hinreichend beschreiben lassen und deshalb ernste Zweifel an ihrer tatsächlichen Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen nicht aufkommen, stellt sich hier auch nicht die Frage, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R -, zitiert nach juris Rn. 26). Erst wenn es auf eine "schwere spezifische Leistungsbehinderung" oder "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" ankommt und eine solche vorläge, wäre der Klägerin schon hier mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (kein konkreter Arbeitsplatz) zu benennen gewesen, um ihren Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung auszuschließen. Erst hierbei wären dann nicht nur das körperliche, geistige und kognitive Leistungsvermögen einerseits und das berufliche Anforderungsprofil andererseits miteinander zu vergleichen und in Deckung zu bringen gewesen, sondern es hätte auch individuell geprüft werden müssen, ob die Klägerin die notwendigen fachlichen Qualifikationen und überfachlichen Schlüsselkompetenzen besäße oder zumindest innerhalb von drei Monaten erlernen könnte (BSG, a.a.O., Rn. 27).
Ferner reichen auch im Fall der Klägerin die üblichen Pausen aus. Schließlich fehlt es ihr auch nicht an der erforderlichen Wegefähigkeit. In der Regel ist auch derjenige erwerbsgemindert, welcher selbst unter Verwendung von Hilfsmitteln, zum Beispiel von Gehstützen, nicht in der Lage ist, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als fünfhundert Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991, - 13/5 RJ 73/90 -, zitiert nach juris Rn. 19). An einer Wegefähigkeit dieses Umfangs bestehen hier nach der überzeugenden Einschätzung sämtlicher Sachverständiger keine vernünftigen Zweifel. Insbesondere hat Dr. L eingedenk der bei der Klägerin bestehenden Agoraphobie und unter Einbeziehung des von ihm eingehend erhobenen psychopathologischen Befunds eine Wegeunfähigkeit medizinisch nicht verbobjektivieren können, zumal der Sachverständige – die Richtigkeit der Angaben der Klägerin unterstellt, keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen zu können - hierbei noch Behandlungsspielraum etwa im Wege einer tagesklinischen Behandlung sieht. Aktuelle, die Einschränkung der Wegefähigkeit belegende Befunde hat die Klägerin nicht beigebracht.
Es liegt auch kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI vor. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.
Zwar ist die Klägerin, weil sie vor dem 02. Januar 1961 geboren wurde, grundsätzlich zum anspruchsberechtigten Personenkreis zu zählen, ein Anspruch scheitert bei ihr jedoch daran, dass sie entgegen § 240 Abs. 1 SGB VI nicht berufsunfähig ist. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 S. 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst nach § 240 Abs. 2 S. 2 SGB VI alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist gemäß § 240 Abs. 2 S. 3 SGB VI stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist gemäß § 240 Abs. 2 S. 4 SGB VI nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit ist vom bisherigen Beruf des Versicherten auszugehen. Es ist dann zu prüfen, ob er diesen Beruf ohne wesentliche Einschränkungen weiterhin ausüben kann. Ist er hierzu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs dafür maßgebend, auf welche Tätigkeiten der Versicherte verwiesen werden kann (BSG, Urteile vom 25. Januar 1994 - 4 RA 35/93 -, vom 16. November 2000 - B 13 RJ 79/99 R -, jeweils zitiert nach juris). Bisheriger Beruf ist in der Regel eine der Versicherungspflicht unterliegende Berufstätigkeit, welche der Versicherte zuletzt auf Dauer verrichtete, und zwar mit dem Ziel, sie bis zum Erreichen der Altersgrenze oder bis zum Eintritt der auf Krankheit oder Behinderung beruhenden Unfähigkeit auszuüben. Wurde zuvor im Laufe des Erwerbslebens eine höherqualifizierte Tätigkeit im Wesentlichen krankheits- oder gebrechensbedingt aufgegeben, so ist zu prüfen, ob diese Tätigkeit maßgeblicher Hauptberuf geblieben ist oder ob der Versicherte ihn dennoch freiwillig aufgegeben oder sich mit seinem Verlust dauerhaft abgefunden hat (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R -, zitiert nach juris). Zur Erleichterung der Beurteilung, ob ein Verweisungsberuf benannt werden muss und welcher Verweisungsberuf gegebenenfalls sozial zumutbar ist, hat das Bundessozialgericht ein aus mehreren Stufen bestehendes Schema entwickelt. Die Stufen sind von unten nach oben nach Bedeutung, welche Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet. Danach ergeben sich für die Arbeiterberufe folgende Stufen: - Stufe 1: ungelernte Arbeiter oder Angestellte - Stufe 2: angelernte Arbeiter oder Angestellte mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren - Stufe 3: Facharbeiter mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren oder Angestellte mit längerer Ausbildung, regelmäßig von drei Jahren - Stufe 4: hoch qualifizierte Facharbeiter, zu denen Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern, Spezialfacharbeiter, Meister, Berufe mit Fachschulqualifikation als Eingangsvoraussetzung gehören, oder Angestellte mit hoher beruflicher Qualität
(BSG, Urteile vom 13. Dezember 1984 – 11 RA 72/83 - und vom 22. Oktober 1996 - 13 RJ 25/96 -, jeweils zitiert nach juris). Eine Verweisung, die grundsätzlich durch die konkrete Benennung eines Berufs geschehen muss, der an mindestens dreihundert Arbeitsplätzen im Bundesgebiet ausgeübt wird, kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächstniedrigeren erfolgen. Hierbei ist das Überforderungsverbot (Einarbeitung innerhalb von drei Monaten) zu beachten. Eine konkrete Benennung ist grundsätzlich nur dann nicht erforderlich, wenn der bisherige Beruf der ersten Stufe angehört oder wenn ein so genannter einfacher Angelernter (Stufe 2, aber mit einer Ausbildungsdauer von nur bis zu einem Jahr) auf ungelernte Berufe verwiesen wird (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R -, a.a.O.).
Hiervon ausgehend ist der für den Berufsschutz maßgebliche Beruf hier derjenige einer Maschinennäherin, von welchem sich die Klägerin entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht durch ihre betriebliche Umsetzung in den Bereich der technischen Kontrolle löste, weil sie ebendort ihre als Näherin erworbenen Kenntnisse weiterhin einbringen und umsetzen konnte. Bei Anwendung der o.g. Kriterien ist die Klägerin indessen trotz ihres Abschlusses als Facharbeiter für Näherzeugnisse, Spezialisierung Kleidungsherstellung, nicht in die Stufe der Facharbeiter bzw. der Angestellten mit einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren einzuordnen, und dies selbst dann nicht, wenn sie ihrer nicht bewiesenen Behauptung gemäß in der Tat eine zweieinhalbjährige Ausbildung durchlaufen haben sollte; obwohl der Berichterstatter zuletzt mit Schreiben vom 14. Juni 2016 um Vorlage sämtlicher ausbildungsrelevanter Unterlagen gebeten hatte, hat die Klägerin keine weiteren Unterlagen einreichen bzw. präzisere Angaben zur Ausbildung machen können, sondern nur den Sozialversicherungsausweis in Kopie vorgelegt, ohne dass in ihm Berufsausbildungszeiten eingetragen sind. Der bisherige Beruf der Klägerin ist vielmehr allenfalls der Stufe der angelernten Tätigkeiten zuzuordnen. Sollte die Klägerin in der Tat eine mehr als zwei Jahre dauernde Ausbildung zur Facharbeiterin für Näherzeugnisse durchlaufen haben, kann jedoch allein die Dauer der durchlaufenen Berufsausbildung vorliegend zur Bestimmung der Wertigkeit des Hauptberufes nicht herangezogen werden. Die Facharbeiterausbildungen in der ehemaligen DDR dauerten in der Regel zwei Jahre und wurden lediglich für Abgänger der achten Klasse auf zweieinhalb Jahre verlängert. Dies ergibt sich für das Berufsbild der Klägerin aus den von der Beklagten überreichten Kopien zum Berufsbild Facharbeiter(in) für Näherzeugnisse. Vgl. hierzu auch "Grundwerk ausbildungs- und berufskundlicher Informationen (gabi)" der Bundesanstalt für Arbeit, Band SR6 (Sonderreihe Berufe der ehemaligen DDR), 1994, wonach dem Facharbeiter für Näherzeugnisse für Abgänger(innen) der achten Klasse der POS eine zweieinhalbjährige, bei Erwachsenenbildung eine einjährige Ausbildungsdauer zugrunde liegt. Die Dauer der Ausbildung (allein) kann daher in diesen Fällen nicht für die Bestimmung der Wertigkeit des Berufes herangezogen werden. Entscheidend ist vielmehr, welcher Ausbildung nach bundesdeutschem Recht die in der ehemaligen DDR absolvierte Ausbildung vergleichbar ist. Abzustellen ist dann auf die Dauer dieser bundesdeutschen Ausbildung (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. September 2004 – L 1 RA 111/02). Der von der Klägerin erlernte Beruf einer Facharbeiterin Näherzeugnisse, m.a.W. einer Maschinennäherin entspricht der Tätigkeit einer Modenäherin oder Bekleidungsfertigerin. Die Tätigkeit einer Modenäherin kann nach bundesdeutschem Ausbildungsrecht in einer zweijährigen Ausbildung erreicht werden, die auf die insgesamt dreijährige Ausbildung einer Textil- und Modeschneiderin angerechnet werden kann. Die von der Klägerin durchlaufende Ausbildung erreicht die Stufe der Schneiderin dabei noch nicht. Anhaltspunkte dafür, dass Ausbildungs- oder Arbeitsinhalt bereits dieses Qualifikationsniveau erreichen, bestehen angesichts des vorliegenden Berufsausbildungszeugnisses und der Angaben der Klägerin, die sich immer nur als (Spezial-) Maschinennäherin bezeichnet hat, nicht.
Ausgehend davon, dass die Klägerin der Gruppe der Angelernten und innerhalb dieser aufgrund der absolvierten Ausbildung dem oberen Bereich derselben zugehört, kann sie auf Tätigkeiten des unteren Bereichs sowie auch auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden, die durch Qualitätsmerkmale, z.B. das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse, herausgehoben sind. Hierzu zählen die von der Beklagten angeführten Tätigkeiten einer Versandfertigmacherin bzw. Warenaufmacherin, auf welche sie mithin verwiesen werden kann. Auch hier wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, weil die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Zulassungsgrundes gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1960 geborene Klägerin durchlief eine zehnjährige Schulbildung, ohne die Abschussprüfung der zehnten Klasse der Polytechnischen Oberschule (POS) bestanden zu haben (vgl. Abgangszeugnis der Rschule B für das Schuljahr 1976/ 1977), und war ab dem 25. Oktober 1977 als Maschinennäherin beschäftigt. Sie verfügt über ein Zeugnis vom 27. März 1981 als Facharbeiter für Näherzeugnisse mit der Spezialisierungsrichtung Kleidungsherstellung. Eigenem Vorbringen zufolge war sie am 25. Oktober 1977 zunächst ungelernt als Spezialmaschinennäherin angestellt worden, bevor sie von 1978 bis 1981 eine Ausbildung zur Facharbeiterin für Näherzeugnisse durchlief, und zwar parallel in der Berufsschule und im Betrieb. Ab Januar 1989 war sie bis zu ihrer Kündigung bzw. bis zur Betriebsauflösung in der technischen Kontrolle beschäftigt. Ab Januar 1991 ist sie arbeitslos. Ein erster Antrag auf Erwerbsminderungsrente wurde mit Bescheid vom 09. Dezember 2008 damals mangels Vorliegens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt und der hiergegen gerichtete Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2009 bestandskräftig zurückgewiesen.
Am 13. Juli 2010 stellte die Klägerin einen weiteren Rentenantrag. Zur Begründung verwies sie auf Gelenkbeschwerden in Hüfte, Knie, Halswirbelsäule (HWS) und Steißbein, Konzentrationsprobleme wegen Tinnitus, Erschöpfungszustand, Schlafprobleme. Sie sei auf die Hilfe des Ehemanns angewiesen. Sie legte u.a. ein psychologisches Gutachten vom 11. März 1999 und ein im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit erstelltes, auf ambulanter Untersuchung beruhendes Gutachten vom 20. Mai 2010 vor. Die Beklagte holte u.a. einen Befundbericht der psychologischen Psychotherapeutin A vom 11. November 2010 ein und zog ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK Berlin-Brandenburg vom 10. November 2010 bei. Auf Veranlassung der Beklagten erstellte die Nervenärztin Dr. G aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 10. Februar 2011 das schriftliche Gutachten vom 28. Februar 2011 mit den Diagnosen Dysthymia mit Somatisierungsstörungen, Agoraphobie mit Panikattacken, Wundheilungsstörungen nach Zystenoperation im Steißbein, vertebragene und arthrogene Schmerzzustände bei degenerativen Wirbelsäulen-Gelenkveränderungen, chronischer Tinnitus aurium und bescheinigte der Klägerin bei näher bezeichneten qualitativen Leistungseinschränkungen ein vollschichtiges Leistungsvermögen am allgemeinen Arbeitsmarkt und ein aufgehobenes Leistungsvermögen als Näherin. Die Beklagte holte ferner einen Befundbericht beim Orthopäden Avom 12. Mai 2011 ein und lehnte mit Bescheid vom 07. Juni 2011 den Rentenantrag unter Hinweis auf das Fehlen der medizinischen Voraussetzungen ab. Dabei sei die Klägerin als gelernte Maschinennäherin auf eine Tätigkeit als Warenaufmacher bzw. Versandfertigmacher zu verweisen, so dass insbesondere auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2012 als unbegründet zurück.
Zwischenzeitlich durchlief die Klägerin vom 18. Januar 2012 bis zum 14. Februar 2012 an der Klinik N eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme, aus welcher sie als vollschichtig belastbar bei näher bezeichneten qualitativen Einschränkungen am allgemeinen Arbeitsmarkt und als unter drei Stunden belastbar in der von ihr zuletzt ausgeübten technischen Kontrolle entlassen wurde, vgl. Reha-Entlassungsbericht vom 16. Februar 2012.
Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 30. April 2012 zum Sozialgericht Potsdam (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie hat sich aus gesundheitlichen Gründen außerstande gesehen, sowohl gemessen an den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarkts als auch an denjenigen einer Warenaufmacherin bzw. Versandfertigmacherin Arbeiten von wirtschaftlichem Wert zu erbringen. Schon bei den alltäglichen Dingen wie Anziehen, Bücken, Setzen, Stehen oder Gehen müsse sie sich quälen. Sie leide aufgrund der massiven Schmerzbelastung unter einer extremen Schlaflosigkeit und Erschöpfung. Hinzuträten erhebliche Angstzustände, die eine normale Arbeitstätigkeit ausschlössen. Zudem treffe ihre Einstufung als angelernte Arbeiterin im oberen Bereich nicht zu. Sie sei vielmehr als Facharbeiterin geschützt, wie sich aus dem Facharbeiterbrief vom 27. März 1981 ergebe. Die Klägerin hat in einem vom SG zur Verfügung gestellten Fragebogen zur Person zunächt angegeben, eine zweijährige Ausbildung durchlaufen zu haben. Die Beklagte ist der Klage mit berufskundlichen Stellungnahmen von ML vom 23. September 2002, vom 27. Oktober 2001, 20. Januar 2002 entgegengetreten. Das SG hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte beigezogen und das schriftliche Sachverständigengutachten von Dr. L vom 23. Januar 2014 eingeholt. Dieser hat bei der Klägerin aufgrund der ambulanten Untersuchung vom 30. Oktober 2013 folgende Erkrankungen festgestellt: - Funktionsstörungen im Bewegungsapparat - chronische Bronchitis bzw. Asthma bronchiale - anhaltende somatoforme Schmerzstörung - depressive Störung, gegenwärtig mittelgradig ausgeprägt - Agoraphobie - Persönlichkeitsstörung, kombiniert (dependent, ängstlich meidend, histrionisch) Der Sachverständigehat ihr unter näher bezeichneten qualitativen Leistungseinschränkungen ein vollschichtiges Leistungsvermögen am allgemeinen Arbeitsmarkt bei erhaltener Wegefähigkeit und ohne das Erfordernis zusätzlicher, betriebsunüblicher Pausen sowie als Versandfertigmacher bescheinigt. Die Klägerin könne in Hauptverkehrszeiten unter Vermeidung stärkerer Menschenansammlungen in Fortbewegungsmitteln öffentliche Verkehrsmittel nutzen; die von ihr behauptete eingeschränkte Fähigkeit, sich in solche Situationen zu begeben, könne nicht überprüft werden. Eine solche Einschränkung sei in einer tagesklinischen Behandlung ggf. auch in einer verhaltenstherapeutisch ausgerichteten Einzelpsychotherapie in übenden Verfahren zu beseitigen, zumindest zu mindern. Die Klägerin ist dem Gutachten mit Schriftsatz vom 30. April 2014 und einer ausführlichen, persönlichen Stellungnahme und einem weiteren Schriftsatz vom 12. Mai 2014 entgegengetreten, in welchem u.a. das Fehlen einer fachorthopädischen Begutachtung gerügt worden ist.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12. Mai 2014 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass nach dem Gesamtergebnis der durchgeführten medizinischen Ermittlungen, insbesondere nach den gutachterlichen Äußerungen von Dr. Ldie medizinischen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht gegeben seien. Insbesondere komme auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in Betracht. Die Klägerin sei ausgehend von ihrer letzten Beschäftigung als Maschinennäherin nach zweijähriger Ausbildung als angelernte Arbeiterin im oberen Bereich einzuordnen und nach den berufskundlichen Ermittlungen in Gestalt der beigezogenen Stellungnahmen von M Lauf die Tätigkeit eines Warenaufmachers bzw. Versandfertigmachers zu verweisen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 23. Mai 2014 zugestellte Urteil am 23. Juni 2014 Berufung eingelegt. Sie behauptet nunmehr, eine zweieinhalbjährige Berufsausbildung durchlaufen zu haben, hält im Übrigen an ihrem bisherigen Vorbringen fest und führt u.a. aus, Dr. L gehe in seinem Gutachten von einem unzutreffenden Alltagsgeschehen der Klägerin aus, wofür der Ehemann der Klägerin als Zeuge vernommen werden könne. Es fehle zumindest an einer ergänzenden Stellungnahme von Dr. L. Ohne Begleitperson könne sie aufgrund ihrer Agoraphobie öffentliche Verkehrsmittel nicht nutzen. Sie habe sich gegenüber Dr. L aufgrund tiefgreifender Ängste nicht richtig öffnen können. So sei eben ein traumatisches Erlebnis, bei welchem sie 1987 Opfer einer Vergewaltigung mit anschließender Abtreibung geworden sei, nicht zur Sprache gekommen und habe von Dr. Lnicht in seine Erwägungen mit einbezogen werden können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 13. Mai 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 07. Juni 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin genieße als Maschinennäherin nicht den Berufsschutz einer Facharbeiterin. Die Beklagte legt hierzu einen Auszug aus "Bildung und Beruf – DDR-Ausbildungsberufe 4 – Vergleichbare und verwandte Berufe in der Bundesrepublik Deutschland", 1990 und einen Ausdruck aus dem Berufsinformationsarchiv "BERUFENET" der Bundesagentur für Arbeit zum Stichwort Modenäherin vor. Zudem habe sich die Klägerin mit ihrer letzten Tätigkeit in der technischen Kontrolle von ihrem Ausbildungsberuf gelöst.
Auf Veranlassung des Senats hat der Sachverständige Prof. Dr. Sauf orthopädisch-rheumatologischem Fachgebiet das auf ambulanter Untersuchung der Klägerin beruhende schriftliche Sachverständigengutachten vom 08. Dezember 2014 erstellt, bei der Klägerin eine geringe Fehlform des Achsorgans mit geringgradigen Nervenwurzelreizerscheinungen, eine leichte X-Beinstellung und ein Senk-Spreiz-Knickfuß-Leiden diagnostiziert und ihr bei näher bezeichneten qualitativen Einschränkungen ein vollschichtiges Leistungsvermögen am allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Einschränkungen der Wegefähigkeit und ohne das Erfordernis einer besonderen Pausenregelung bescheinigt. Die Klägerin hat sich kritisch mit dem Gutachten von Prof. Dr. S auseinandergesetzt, vgl. Schriftsatz vom 04. August 2015. Der Senat hat sodann die ergänzende Stellungnahme von Dr. L vom 27. September 2015 eingeholt, in welchem er bei seiner bisherigen Leistungsbeurteilung geblieben ist.
Der Berichterstatter hat der Klägerin zuletzt mit Schreiben vom 14. Juni 2016 die Vorlage sämtlicher ausbildungsrelevanter Unterlagen und präzisere Angaben zum Ausbildungsverlauf aufgegeben, woraufhin die Klägerin ihren Sozialversicherungsausweis in Kopie vorgelegt hat, in welchem Berufsausbildungszeiten nicht eingetragen sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 07. Juni 2011 ist in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2012 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Voraussetzungen des zunächst als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 43 Abs. 1 und Abs. 2 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) sind nicht erfüllt. Nach § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch behinderte Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist dagegen nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage insoweit nicht zu berücksichtigen ist.
Dies zugrunde gelegt steht das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen der teilweisen oder vollen Erwerbsminderung nicht gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Überzeugung des Senats fest und ist so nicht bewiesen. Denn die Klägerin ist auch angesichts der bei ihr festgestellten Leiden und unter Beachtung der daraus folgenden qualitativen Leistungseinschränkungen vielmehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird hier zunächst abgesehen, weil die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückzuweisen ist, § 153 Abs. 2 SGG. Ergänzend wird in diesem Zusammenhang zunächst nur darauf hingewiesen, dass auch die im Berufungsverfahren vorgenommenen medizinischen Ermittlungen durch Einholung des schriftlichen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. S vom 08. Dezember 2014 mit dem Ergebnis eines auf orthopädisch-rheumatologisch milden Befunds und der ergänzenden Stellungnahme von Dr. L vom 27. September 2015 kein auch nur teilweise aufgehobenes Leistungsvermögen ergeben haben. Wenn nun nach alldem das Restleistungsvermögen der Klägerin leichte Verrichtungen oder Tätigkeiten erlaubt (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen etc.)die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, und sich solche abstrakten Handlungsfelder im Fall der Klägerin hinreichend beschreiben lassen und deshalb ernste Zweifel an ihrer tatsächlichen Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen nicht aufkommen, stellt sich hier auch nicht die Frage, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R -, zitiert nach juris Rn. 26). Erst wenn es auf eine "schwere spezifische Leistungsbehinderung" oder "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" ankommt und eine solche vorläge, wäre der Klägerin schon hier mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (kein konkreter Arbeitsplatz) zu benennen gewesen, um ihren Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung auszuschließen. Erst hierbei wären dann nicht nur das körperliche, geistige und kognitive Leistungsvermögen einerseits und das berufliche Anforderungsprofil andererseits miteinander zu vergleichen und in Deckung zu bringen gewesen, sondern es hätte auch individuell geprüft werden müssen, ob die Klägerin die notwendigen fachlichen Qualifikationen und überfachlichen Schlüsselkompetenzen besäße oder zumindest innerhalb von drei Monaten erlernen könnte (BSG, a.a.O., Rn. 27).
Ferner reichen auch im Fall der Klägerin die üblichen Pausen aus. Schließlich fehlt es ihr auch nicht an der erforderlichen Wegefähigkeit. In der Regel ist auch derjenige erwerbsgemindert, welcher selbst unter Verwendung von Hilfsmitteln, zum Beispiel von Gehstützen, nicht in der Lage ist, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als fünfhundert Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991, - 13/5 RJ 73/90 -, zitiert nach juris Rn. 19). An einer Wegefähigkeit dieses Umfangs bestehen hier nach der überzeugenden Einschätzung sämtlicher Sachverständiger keine vernünftigen Zweifel. Insbesondere hat Dr. L eingedenk der bei der Klägerin bestehenden Agoraphobie und unter Einbeziehung des von ihm eingehend erhobenen psychopathologischen Befunds eine Wegeunfähigkeit medizinisch nicht verbobjektivieren können, zumal der Sachverständige – die Richtigkeit der Angaben der Klägerin unterstellt, keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen zu können - hierbei noch Behandlungsspielraum etwa im Wege einer tagesklinischen Behandlung sieht. Aktuelle, die Einschränkung der Wegefähigkeit belegende Befunde hat die Klägerin nicht beigebracht.
Es liegt auch kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI vor. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.
Zwar ist die Klägerin, weil sie vor dem 02. Januar 1961 geboren wurde, grundsätzlich zum anspruchsberechtigten Personenkreis zu zählen, ein Anspruch scheitert bei ihr jedoch daran, dass sie entgegen § 240 Abs. 1 SGB VI nicht berufsunfähig ist. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 S. 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst nach § 240 Abs. 2 S. 2 SGB VI alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist gemäß § 240 Abs. 2 S. 3 SGB VI stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist gemäß § 240 Abs. 2 S. 4 SGB VI nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit ist vom bisherigen Beruf des Versicherten auszugehen. Es ist dann zu prüfen, ob er diesen Beruf ohne wesentliche Einschränkungen weiterhin ausüben kann. Ist er hierzu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs dafür maßgebend, auf welche Tätigkeiten der Versicherte verwiesen werden kann (BSG, Urteile vom 25. Januar 1994 - 4 RA 35/93 -, vom 16. November 2000 - B 13 RJ 79/99 R -, jeweils zitiert nach juris). Bisheriger Beruf ist in der Regel eine der Versicherungspflicht unterliegende Berufstätigkeit, welche der Versicherte zuletzt auf Dauer verrichtete, und zwar mit dem Ziel, sie bis zum Erreichen der Altersgrenze oder bis zum Eintritt der auf Krankheit oder Behinderung beruhenden Unfähigkeit auszuüben. Wurde zuvor im Laufe des Erwerbslebens eine höherqualifizierte Tätigkeit im Wesentlichen krankheits- oder gebrechensbedingt aufgegeben, so ist zu prüfen, ob diese Tätigkeit maßgeblicher Hauptberuf geblieben ist oder ob der Versicherte ihn dennoch freiwillig aufgegeben oder sich mit seinem Verlust dauerhaft abgefunden hat (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R -, zitiert nach juris). Zur Erleichterung der Beurteilung, ob ein Verweisungsberuf benannt werden muss und welcher Verweisungsberuf gegebenenfalls sozial zumutbar ist, hat das Bundessozialgericht ein aus mehreren Stufen bestehendes Schema entwickelt. Die Stufen sind von unten nach oben nach Bedeutung, welche Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet. Danach ergeben sich für die Arbeiterberufe folgende Stufen: - Stufe 1: ungelernte Arbeiter oder Angestellte - Stufe 2: angelernte Arbeiter oder Angestellte mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren - Stufe 3: Facharbeiter mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren oder Angestellte mit längerer Ausbildung, regelmäßig von drei Jahren - Stufe 4: hoch qualifizierte Facharbeiter, zu denen Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern, Spezialfacharbeiter, Meister, Berufe mit Fachschulqualifikation als Eingangsvoraussetzung gehören, oder Angestellte mit hoher beruflicher Qualität
(BSG, Urteile vom 13. Dezember 1984 – 11 RA 72/83 - und vom 22. Oktober 1996 - 13 RJ 25/96 -, jeweils zitiert nach juris). Eine Verweisung, die grundsätzlich durch die konkrete Benennung eines Berufs geschehen muss, der an mindestens dreihundert Arbeitsplätzen im Bundesgebiet ausgeübt wird, kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächstniedrigeren erfolgen. Hierbei ist das Überforderungsverbot (Einarbeitung innerhalb von drei Monaten) zu beachten. Eine konkrete Benennung ist grundsätzlich nur dann nicht erforderlich, wenn der bisherige Beruf der ersten Stufe angehört oder wenn ein so genannter einfacher Angelernter (Stufe 2, aber mit einer Ausbildungsdauer von nur bis zu einem Jahr) auf ungelernte Berufe verwiesen wird (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R -, a.a.O.).
Hiervon ausgehend ist der für den Berufsschutz maßgebliche Beruf hier derjenige einer Maschinennäherin, von welchem sich die Klägerin entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht durch ihre betriebliche Umsetzung in den Bereich der technischen Kontrolle löste, weil sie ebendort ihre als Näherin erworbenen Kenntnisse weiterhin einbringen und umsetzen konnte. Bei Anwendung der o.g. Kriterien ist die Klägerin indessen trotz ihres Abschlusses als Facharbeiter für Näherzeugnisse, Spezialisierung Kleidungsherstellung, nicht in die Stufe der Facharbeiter bzw. der Angestellten mit einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren einzuordnen, und dies selbst dann nicht, wenn sie ihrer nicht bewiesenen Behauptung gemäß in der Tat eine zweieinhalbjährige Ausbildung durchlaufen haben sollte; obwohl der Berichterstatter zuletzt mit Schreiben vom 14. Juni 2016 um Vorlage sämtlicher ausbildungsrelevanter Unterlagen gebeten hatte, hat die Klägerin keine weiteren Unterlagen einreichen bzw. präzisere Angaben zur Ausbildung machen können, sondern nur den Sozialversicherungsausweis in Kopie vorgelegt, ohne dass in ihm Berufsausbildungszeiten eingetragen sind. Der bisherige Beruf der Klägerin ist vielmehr allenfalls der Stufe der angelernten Tätigkeiten zuzuordnen. Sollte die Klägerin in der Tat eine mehr als zwei Jahre dauernde Ausbildung zur Facharbeiterin für Näherzeugnisse durchlaufen haben, kann jedoch allein die Dauer der durchlaufenen Berufsausbildung vorliegend zur Bestimmung der Wertigkeit des Hauptberufes nicht herangezogen werden. Die Facharbeiterausbildungen in der ehemaligen DDR dauerten in der Regel zwei Jahre und wurden lediglich für Abgänger der achten Klasse auf zweieinhalb Jahre verlängert. Dies ergibt sich für das Berufsbild der Klägerin aus den von der Beklagten überreichten Kopien zum Berufsbild Facharbeiter(in) für Näherzeugnisse. Vgl. hierzu auch "Grundwerk ausbildungs- und berufskundlicher Informationen (gabi)" der Bundesanstalt für Arbeit, Band SR6 (Sonderreihe Berufe der ehemaligen DDR), 1994, wonach dem Facharbeiter für Näherzeugnisse für Abgänger(innen) der achten Klasse der POS eine zweieinhalbjährige, bei Erwachsenenbildung eine einjährige Ausbildungsdauer zugrunde liegt. Die Dauer der Ausbildung (allein) kann daher in diesen Fällen nicht für die Bestimmung der Wertigkeit des Berufes herangezogen werden. Entscheidend ist vielmehr, welcher Ausbildung nach bundesdeutschem Recht die in der ehemaligen DDR absolvierte Ausbildung vergleichbar ist. Abzustellen ist dann auf die Dauer dieser bundesdeutschen Ausbildung (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. September 2004 – L 1 RA 111/02). Der von der Klägerin erlernte Beruf einer Facharbeiterin Näherzeugnisse, m.a.W. einer Maschinennäherin entspricht der Tätigkeit einer Modenäherin oder Bekleidungsfertigerin. Die Tätigkeit einer Modenäherin kann nach bundesdeutschem Ausbildungsrecht in einer zweijährigen Ausbildung erreicht werden, die auf die insgesamt dreijährige Ausbildung einer Textil- und Modeschneiderin angerechnet werden kann. Die von der Klägerin durchlaufende Ausbildung erreicht die Stufe der Schneiderin dabei noch nicht. Anhaltspunkte dafür, dass Ausbildungs- oder Arbeitsinhalt bereits dieses Qualifikationsniveau erreichen, bestehen angesichts des vorliegenden Berufsausbildungszeugnisses und der Angaben der Klägerin, die sich immer nur als (Spezial-) Maschinennäherin bezeichnet hat, nicht.
Ausgehend davon, dass die Klägerin der Gruppe der Angelernten und innerhalb dieser aufgrund der absolvierten Ausbildung dem oberen Bereich derselben zugehört, kann sie auf Tätigkeiten des unteren Bereichs sowie auch auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden, die durch Qualitätsmerkmale, z.B. das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse, herausgehoben sind. Hierzu zählen die von der Beklagten angeführten Tätigkeiten einer Versandfertigmacherin bzw. Warenaufmacherin, auf welche sie mithin verwiesen werden kann. Auch hier wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, weil die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Zulassungsgrundes gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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