Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 163 U 756/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 6/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte erstattet der Klägerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Weitergewährung einer Halbwaisenrente.
Die 1988 geborene Klägerin ist die Tochter des infolge des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 02. Dezember 1992 verstorbenen Versicherten A D. Die Klägerin durchlief ab dem Wintersemester 2008/ 2009 an der Hochschule für Wirtschaft und Recht den Studiengang Betriebswirtschaftslehre (BWL) in der Fachrichtung Tourismus des Fachbereichs Duales Studium, welchen sie am 08. September 2011 als Bachelor of Arts (B.A.) abschloss. Kooperierender Ausbildungsbetrieb war das Seehotel F. Die Beklagte gewährte der Klägerin bis einschließlich September 2011 eine Halbwaisenrente aus der Versicherung ihres Vaters (Bescheid vom 23. Oktober 2008).
Mit e-mail vom 20. Juni 2011 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass ihr Studium am 30. September 2011 enden werde und sie für einige Monate "work & travel" in Australien plane. Mit e-mail vom 04. Januar 2013 schrieb die Klägerin die Beklagte erneut an und teilte ihr mit, dass sie in Australien eine Zeit mit "work & travel" verbracht habe und nun überlege, ein Masterstudium aufzunehmen. Sie bitte um Mitteilung, inwiefern sie von der Beklagten hierbei finanziell unterstützt werden könne. Mit e-mail vom 14. Februar 2013 gab sie der Beklagten gegenüber an, dass zwei Masterstudiengänge in Betracht kämen, nämlich "Nachhaltiges Tourismusmanagement" und "Kulturmanagement und Kulturtourismus". Die Klägerin entschied sich dann für den erstgenannten Studiengang an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung E (HNE), laut deren Auskunft vom 27. Februar 2013 der Studiengang am 01. September 2013 beginnen und bis zum 28. Februar 2014 dauern sollte und die Klägerin zur Überbrückung der Zeit bis zum eventuellen Studienbeginn ein Praktikum beim Deutschen Tourisumusverband plane, welches im Studienprogramm als Pflichtpraktikum anerkannt werden könne und die Chance zur Zulassung zum Studiengang erhöhe. Die Klägerin durchlief dann vom 18. März bis zum 02. August 2013 das Praktikum bei einer monatlichen Vergütung von 300,00 EUR.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21. Juni 2013 für die Zeit ab dem 18. März 2013 die Gewährung einer Waisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Beim Praktikum bzw. beim Masterstudiengang handele es sich um eine zweite Berufsausbildung, welche in Anlehnung an die familienrechtliche Unterhaltspflicht nur dann als waisenrentenberechtigende Berufsausbildung anzuerkennen sei, wenn sie von vornherein angestrebt gewesen sei oder eine besondere Begabung des Kindes erst während der Ausbildung zutage getreten sei, die eine Weiterbildung erfordere, oder der schon erreichte Abschluss ohne die Weiterbildung aus unvorhergesehenen Gründen keine ausreichende Lebensgrundlage biete. Dies setze u.a. die Fähigkeit und Neigung als Grunderfordernis, einen engen sachlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ausbildungen, einen zeitlichen Zusammenhang zur Grundausbildung, die Gleichbehandlung der Ausbildungslehrgänge und eine wirtschaftliche Zumutbarkeit für die Eltern voraus. Im Fall der Klägerin sei nicht tatsächlich nachgewiesen, dass sie bereits während ihres ersten Studiums zum B.A. angestrebt habe, anschließend einen Masterstudiengang im Bereich "Nachhaltiges Tourismusmanagement" zu absolvieren. Vielmehr habe sie im Gegenteil zwischenzeitlich einige Monate in Australien beim "work & travel" verbracht. Auch sei während des B.A.-Studiums keine besondere Begabung zutage getreten. Es lägen auch keine Anhaltspunkte vor, warum der B.A.-Abschluss keine ausreichende Lebensgrundlage biete.
Die Klägerin erhob am 15. Juli 2013 Widerspruch. Zunächst sei die Rechtsansicht der Beklagten unzutreffend, wonach es sich beim Masterstudium um eine Zweitausbildung handele. Vielmehr handele es sich hierbei um eine Fortführung der bereits begonnenen, zielstrebig verfolgten und weitergeführten Ausbildung mit dem Ziel einer Karriere bei der Deutschen Zentrale für Tourismus. Der von der Rechtsprechung für eine Erstreckung des Unterhaltsanspruchs auf ein Masterstudium geforderte sachliche und zeitliche Zusammenhang liege vor. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01. Oktober 2013 als unbegründet zurück.
Zwischenzeitlich wurde die Klägerin mit Zulassungsbescheid der HNE vom 13. August 2013 zum Masterstudium "Nachhaltiges Tourismusmanagement" zum Wintersemester 2013/ 2014 unter der auflösenden Bedingung zugelassen, dass sie nicht spätestens bis zum 28. Februar 2014 den Nachweis über die bestandene Prüfung TOEFL mit 87 Punkten im Fach Englisch erbringe.
Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 07. November 2013 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie hat u.a. vorgetragen, mit dem B.A.-Abschluss ein Englischlevel im unteren Niveau B 1 CEF erlangt zu haben. Dass sie nach dem Auslandsaufenthalt weiter im Masterstudium habe studieren wollen, habe sie bereits davor geplant, wie sich aus einer an ihre Krankenkasse gerichteten e-mail aus dem Jahr 2011 ergebe, in welcher sie bereits angekündigt habe, nach der Rückkehr aus Australien 2012 ein Masterstudium beginnen zu wollen. Der Auslandsaufenthalt habe auf ihrer Überlegung beruht, sich für die geplante Aufnahme ins Traineeprogramm der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) mit dem Ausbau der Englischkenntnisse und einem Masterstudium zu qualifizieren. Für das Masterstudium werde mit CEF B 2 ein höherer als im B.A.-Studium erworbener Englischlevel erwartet. Die Klägerin hat eine Job-Übersicht für ihren Australienaufenthalt vorgelegt und ausgeführt, in Australien keinen weiteren Sprachkurs absolviert zu haben, was nicht nötig gewesen sei, weil sie sich an der dort notwendigen fortwährenden Verständigung habe üben können. Sie strebe eine Tätigkeit als Tourismusmanager bzw. Destinationsmanager bei einem Tourismusverband wie der DZT an.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 02. Dezember 2014 unter Aufhebung des Bescheids vom 21. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. Oktober 2013 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 18. März 2013 fortlaufend, längstens bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze bzw. zur Beendigung des Masterstudiengangs "Nachhaltiges Tourismusmanagement" an der HNE Halbwaisenrente zu leisten. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weitergewährung der Hinterbliebenenrente seien sowohl mit dem am 18. März 2013 begonnenen Praktikum als auch mit dem ab September 2013 durchlaufenen Masterstudium an der HNE erfüllt, weil dies eine Ausbildung im Sinne des Gesetzes darstelle. Dabei handele es sich insbesondere nicht um eine Zweitausbildung in dem Sinne, dass nach Abschluss oder Abbruch einer begonnenen Ausbildung eine andere Ausbildung (für einen anderen Beruf) aufgenommen worden sei. Vielmehr bilde ein abgeschlossenes B.A.-Studium eine der gesetzlichen Voraussetzungen des Masterstudiums der Klägerin. Dabei könne dahinstehen, ob es sich hierbei um eine Erstausbildung oder um eine Weiterbildung handele. Teilweise werde vertreten, dass § 67 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) als der hier einschlägigen Anspruchsnorm keine Beschränkung zu entnehmen sei, dass Rentenleistungen nur so lange zu gewähren seien, als die Waise noch keine abgeschlossene Berufsausbildung habe, so dass sich hieraus zwanglos der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ergebe. Demgegenüber werde vertreten, dass für die Frage des Waisenrentenanspruchs auf zivilgerichtliche Unterhaltsrechtsprechung zurückzugreifen sei, deren Voraussetzungen vorliegend ebenfalls erfüllt seien; insbesondere habe die Klägerin den Entschluss zum Masterstudium bereits während ihres B.A.-Studiums gefasst, wie sich aus der an ihre Krankenkasse gerichteten e-mail ergebe, und lägen auch die (von der Beklagten in ihrem Ausgangsbescheid angeführten) weiteren Voraussetzungen für das Fortbestehen des Unterhalts- bzw. Waisenrentenanspruchs (Fähigkeit und Neigung als Grunderfordernis, enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zur Grundausbildung) vor.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 15. Dezember 2014 zugestellte Urteil am 09. Januar 2015 Berufung eingelegt. Grundsätzlich bestehe der Anspruch auf Waisenrente nur bis zum 18. Lebensjahr. Sie werde bis zum 27. Lebensjahr weitergezahlt, wenn sich die Waise in Schul- oder Berufsausbildung befinde. Grundsätzlich bestehe der Anspruch nur für eine Ausbildung. Nur ausnahmsweise erstrecke sich der Anspruch bei Vorliegen der bereits im Ausgangsbescheid genannten, hier tatsächlich nicht vorliegenden Voraussetzungen nach der zivilrechtlichen und auch hier rechtsgedanklich maßgeblichen Unterhaltsrechtsprechung auf eine Weiterbildung. Insbesondere reiche der B.A.-Abschluss grundsätzlich auch für die Aufnahme des von der Klägerin angestrebten Traineeprogramms bei der DZT aus. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der B.A.-Abschluss der Klägerin keine hinreichende Lebensgrundlage vermittele, zumal sich aus der Broschüre der Hochschule für Wirtschaft und Recht bzgl. des Dualen Studiums Bachelor BWL/ Tourismus ergebe, dass die meisten Absolvent/innen die Hochschule mit einem Jobangebot verließen.
Die Klägerin bestand am 17. Dezember 2015 die Masterprüfung im Studiengang "Nachhaltiges Tourismusmanagement" an der HNE mit der Gesamtnote 1,4.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. Dezember 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und untermauert ihr bisheriges Vorbringen.
Der Berichterstatter hat am 12. Mai 2016 mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt, in welchem sie ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, des Vorbringens der Beteiligten und der Beweisaufnahme wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann in Ausübung des insofern eröffneten richterlichen Ermessens im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, vgl. §§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Juni 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 01. Oktober 2013 ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin. Sie hat einen Anspruch auf Halbwaisenrente für die Zeit ab dem 18. März 2013 bis zur Vollendung des 27. Lebensjahrs, d.h. bis einschließlich zum 26. Juni 2015.
Nach §§ 63 Abs. 1, 65 und 67 SGB VII haben Hinterbliebene u.a. Anspruch auf Hinterbliebenenrenten in Form von Witwen- und Halbwaisenrenten, wenn der Tod infolge des Versicherungsfalls eingetreten ist, was hier unstreitig der Fall ist. Die Kinder von verstorbenen Versicherten erhalten eine Halbwaisenrente, wenn sie noch einen Elternteil haben. Die Rente wird gezahlt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (§ 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII) oder bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waise sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet. Eine Schulausbildung oder Berufsausbildung liegt nur vor, wenn die Ausbildung einen tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als 20 Stunden erfordert (§ 67 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB VII).
Hiervon ausgehend erstreckt sich der – zunächst und dem Grunde nach von der Beklagten nicht in Abrede gestellte – Halbwaisenrentenanspruch der Klägerin auch auf die – hier allein verfahrensgegenständliche – Zeit ab dem 18. März 2013 bis zum Abschluss des Masterstudiengangs, längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahrs der Klägerin am 26. Juni 2015.
Zunächst hat der Senat keine Zweifel am Vorliegen einer Berufsausbildung. Daran dass es sich beim Masterstudiengang um ein Vollzeitstudium und damit um eine wöchentlich mindestens 20 Stunden umfassende Berufsausbildung handelt, bestehen keine vernünftigen Zweifel; solche hat auch die Beklagte nicht geäußert. Aber auch das vorgeschaltete Praktikum erfüllt – unstreitig als späterhin im Masterstudium als Pflichtpraktikum anerkannte, vorgeschaltete Ausbildungsphase - fraglos den Berufsausbildungsbegriff, weil in § 4 des Praktikantenvertrags zuvörderst unter Nr. 1 die Pflicht der Praktikantenstelle zur Ausbildung geregelt ist und keine Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme zulassen, dass das Praktikum nicht zu Ausbildungszwecken durchlaufen werden sollte. Zudem betrug die wöchentliche Arbeitszeit im Praktikum nach § 3 des Praktikantenvertrags 39 Stunden, so dass auch keine Zweifel bzgl. des zeitlichen Umfangs des Ausbildungsbegriffs bestehen.
Es bestehen vorliegend auch keine Gründe, den Begriff der Berufsausbildung – unter Zugrundelegung der unterhaltsrechtlichen Zivilrechtsprechung - dahin gehend (teleologisch, d.h. nach dem Zweck der Vorschrift) einzuengen, dass das an das B.A.-Studium anschließende Masterstudium einschließlich des vorgeschalteten Praktikums nicht darunter fällt. Die Waisenrente erfüllt den Zweck, nach dem Tod des Ernährers den Unterhalt für die infolge des Versicherungsfalls unversorgt hinterbliebenen Kinder sicherzustellen. Sie soll den Ausfall eines in pauschalierter Höhe unterstellten gesetzlichen Unterhaltsanspruchs gegen den Versicherten (§§ 1601 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)) ausgleichen. Hiervon ist stets bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres auszugehen, danach nur noch in den Monaten, in denen das Kind aus Ausbildungsgründen oder im öffentlichen Interesse gehindert ist, sich seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf eine Waisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung stimmen weitgehend mit denjenigen der Waisenrente in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 48 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI)) überein, so dass die Rechtsprechung hierzu im Rahmen des § 67 SGB VII berücksichtigt werden kann (vgl. der erkennende Senat, Urteil vom 11. März 2010 – L 3 U 208/08 –, zitiert nach juris Rn. 34). Grundsätzlich haben Kinder den Anspruch nach Vollendung des 18. Lebensjahrs nur für eine Ausbildung, nicht dagegen für eine Zweitausbildung. Eine Zweitausbildung ist durch einen Berufswechsel gekennzeichnet. In diesem Fall sind die Eltern nicht mehr unterhaltspflichtig, wenn sie dem Kind mit der Erstausbildung eine optimale begabungsbezogene Berufsausbildung haben zuteil werden lassen, da das Kind dann nicht mehr außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Unter bestimmten Voraussetzungen ist nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte ausnahmsweise die Weiterbildung unterhaltspflichtig, wenn sie jedenfalls von vorneherein angestrebt war oder wenn eine besondere Begabung des Kindes erst während der ersten Ausbildung zutage getreten ist und eine Weiterbildung erfordert oder der schon erreichte Abschluss ohne die Weiterbildung aus unvorhergesehenen Gründen keine hinreichende Lebensgrundlage bildet (zusammenfassend Born, in: Münchener Kommentar, 6. Aufl. 2012, § 1610 Rn. 252). Auch wenn grundsätzlich auf den Beginn der Ausbildung abzustellen ist, was eine Entscheidung der Finanzierungspflicht angeht, so ist bei einem Studienentschluss – entgegen der Ansicht der Beklagten - erst auf einen Zeitpunkt nach Beendigung der vorangegangenen Ausbildungsphase abzustellen; denn im Regelfall wird das Kind bei Beginn etwa einer praktischen Ausbildung noch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür haben, ob sich später einmal ein Studium anschließen soll (so für den Fall einer dem Hochschulstudium vorausgegangenen Lehre Born, a.a.O., § 1610 Rn. 256 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 07. Juni 1989 – IVb ZR 51/88 -, zitiert nach juris Rn. 14).
Hiervon ausgehend scheitert der geltend gemachte Anspruch entgegen der Auffassung der Beklagten jedenfalls nicht bereits daran, dass der Entschluss der Klägerin für die Durchführung eines Masterstudiengangs erst nach Abschluss des B.A.-Studiums reifte. Hierbei sieht der Senat im Entschluss, einen Masterstudiengang einem B.A.-Studium folgen zu lassen, einen der vorgenannten Rechtsprechung zu einem der Lehre folgenden Hochschulstudium entsprechenden Fall, zumal hier der B.A. aufgrund eines – wie in der klassischen Berufsausbildung im Wege einer Lehre – dualen Ausbildungsgangs erworben wurde. Dahinstehen kann mithin, ob ein ggf. bereits früher gefasster Entschluss in einer an die Krankenkasse der Klägerin gerichteten e-mail hinreichend dokumentiert wird.
Der Unterhaltsanspruch setzt ferner 1. die Fähigkeit und Neigung als Grunderfordernis, 2. einen engen sachlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ausbildungen, 3. einen zeitlichen Zusammenhang zur Grundausbildung, 4. die wirtschaftliche Zumutbarkeit für die Eltern voraus, wozu sich 5. Fallgruppen bzgl. der Gleichbehandlung der Ausbildungsgänge Abitur-Studium und Abitur-Lehre-Studium herausgebildet haben (vgl. Born, a.a.O., § 1610 Rn. 254 ff. und der erkennende Senat, a.a.O. Rn. 38 ff.). Zu beachten ist, dass im Allgemeinen nicht darauf abgestellt werden kann, ob die weitere Ausbildung als Weiterbildung oder Zweitausbildung zu qualifizieren ist, zumal insoweit nicht selten erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten bestehen. Es genügt auch nicht, dass mit der Erstausbildung die formelle Berechtigung zum Studium erlangt wurde. Mit dieser Begründung würde sonst bereits jede im ersten oder zweiten Bildungsweg erlangte förmliche Studienberechtigung die Verpflichtung der Eltern zur Finanzierung des Studiums nach sich ziehen. Die Entscheidung, ob eine zu finanzierende Weiterbildung vorliegt, ist im Rahmen einer Zumutbarkeitsabwägung in tatrichterlicher Verantwortung auf Grund der Sachlage des konkreten Einzelfalls zu treffen (Born, a.a.O. § 1610 Rn. 253).
Auch diese Voraussetzungen liegen vor. Zunächst bestehen angesichts des offenbar zielstrebig und erfolgreich verfolgten beruflichen Werdegangs der Klägerin keinerlei Zweifel an Fähigkeit und Neigung als Grunderfordernis. Auch besteht zwischen dem BWL-Studium im Fachgebiet Tourismus und dem Masterstudiengang "Nachhaltiges Tourismusmanagement" zweifellos ein enger sachlicher Zusammenhang, welcher sich auch auf das zwischengeschaltete Praktikum beim Deutschen Tourismusverband zum Ausbau der praktischen Kenntnisse und der Qualifizierung für den Masterstudiengang bezieht.
Auch sieht der Senat hier das Erfordernis des zeitlichen Zusammenhangs als erfüllt an, welcher wertend im Zusammenhang mit der – hier nur hypothetischen - Zumutbarkeit für den Unterhaltsverpflichteten zu bestimmen ist. Hierhinter steht der Gedanke, dass die Reichweite der Unterhaltspflicht der Eltern von der Frage mitbestimmt wird, inwieweit sie damit rechnen müssen, dass ihr Kind nach Schulabschluss und etwa nach einer Lehre noch weitere Ausbildungsstufen anstrebt. Da es zu den schützenswerten Belangen des Unterhaltspflichtigen gehört, sich in der eigenen Lebensplanung darauf einstellen zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern wird, wird eine Unterhaltspflicht um so weniger in Betracht kommen, je älter der Auszubildende bei Abschluss seiner praktischen Berufsausbildung ist. Denn umso weniger müssen die Eltern damit rechnen, dass er daran noch den Besuch einer weiterführenden Schule und ein Studium anschließen wird. Diese aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis folgenden Gesichtspunkte wirken sich nicht erst bei der Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit für die Eltern aus, sondern beeinflussen bereits die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der eingeschlagene Ausbildungsweg noch Bestandteil der geschuldeten einheitlichen Vorbildung zu einem Beruf ist. Je älter er indessen bei Schulabgang ist und je eigenständiger er seine Lebensverhältnisse gestaltet, desto mehr tritt an die Stelle der Elternverantwortung die Eigenverantwortung für seinen Berufs- und Lebensweg. Selbst wenn er bisher noch keine Berufsausbildung erfahren hat, kann eine zu lange Verzögerung dazu führen, dass sein Ausbildungsanspruch entfällt und er sich daher seinen Lebensunterhalt mit ungelernten Tätigkeiten oder aufgrund sonstiger Begabungen und Fertigkeiten verdienen muss. § 1610 Abs. 2 BGB mutet den Eltern nicht zu, sich gegebenenfalls nach Ablauf mehrerer Jahre, in denen sie nach den schulischen Ergebnissen und dem bisherigen Werdegang des Kindes nicht mehr etwa mit der Aufnahme eines Studiums rechnen mussten, einem Ausbildungsanspruch des Kindes ausgesetzt zu sehen. Dabei fällt auch ins Gewicht, dass es sich dabei um Zeiträume handelt, in denen steuerliche Erleichterungen, Kindergeld oder kindbezogene Gehaltsbestandteile aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Kindes unabhängig von seinem Ausbildungsstand wegfallen (BGH, Urteil vom 04. März 1998 – XII ZR 173/96 –, zitiert nach juris Rn. 12 f.).
Bei der nach dem Vorstehenden gebotenen wertenden Betrachtung liegt hier ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang vor. Zwar liegen zwischen dem Ende des B.A.-Studiengangs und dem Beginn des Praktikums knapp anderthalb Jahre. Diese Zeit hat die Klägerin jedoch in ausbildungsdienlicher Weise mit einer Zeit des "work & travel" gefüllt, um ihre Sprachkenntnisse und praktischen Erfahrungen in der Tourismusbranche zu verbessern, die Zugangschancen fürs Masterstudium zu erhöhen bzw. mit dem Erreichen eines höheren Englischniveaus zu erfüllen. Im Rahmen des von der Klägerin vom Beginn des B.A.-Studiums bis zum Ende des Masterstudiengangs verfolgten Berufsziels im Bereich des Tourismus erscheint dem Senat die zwischengeschaltete Zeit des "work & travel" vielmehr überaus nützlich und nachvollziehbar, mithin - hypothetisch betrachtet – dem Unterhaltspflichtigen auch zumutbar, zumal Zeiten des "work & travel" nach außen hin und i.Ü. auch für die darüber durch die Klägerin vorab informierte Beklagte von vornherein nicht dazu angetan waren, die bis dahin erworbenen beruflichen Qualifikationen beruflich, d.h. wie ein Beruf zur dauernden Begründung und Erhaltung der Lebensgrundlage zu nutzen, sondern sich zu orientieren und ggf. einer weiteren Qualifikation voranzugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Weitergewährung einer Halbwaisenrente.
Die 1988 geborene Klägerin ist die Tochter des infolge des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 02. Dezember 1992 verstorbenen Versicherten A D. Die Klägerin durchlief ab dem Wintersemester 2008/ 2009 an der Hochschule für Wirtschaft und Recht den Studiengang Betriebswirtschaftslehre (BWL) in der Fachrichtung Tourismus des Fachbereichs Duales Studium, welchen sie am 08. September 2011 als Bachelor of Arts (B.A.) abschloss. Kooperierender Ausbildungsbetrieb war das Seehotel F. Die Beklagte gewährte der Klägerin bis einschließlich September 2011 eine Halbwaisenrente aus der Versicherung ihres Vaters (Bescheid vom 23. Oktober 2008).
Mit e-mail vom 20. Juni 2011 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass ihr Studium am 30. September 2011 enden werde und sie für einige Monate "work & travel" in Australien plane. Mit e-mail vom 04. Januar 2013 schrieb die Klägerin die Beklagte erneut an und teilte ihr mit, dass sie in Australien eine Zeit mit "work & travel" verbracht habe und nun überlege, ein Masterstudium aufzunehmen. Sie bitte um Mitteilung, inwiefern sie von der Beklagten hierbei finanziell unterstützt werden könne. Mit e-mail vom 14. Februar 2013 gab sie der Beklagten gegenüber an, dass zwei Masterstudiengänge in Betracht kämen, nämlich "Nachhaltiges Tourismusmanagement" und "Kulturmanagement und Kulturtourismus". Die Klägerin entschied sich dann für den erstgenannten Studiengang an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung E (HNE), laut deren Auskunft vom 27. Februar 2013 der Studiengang am 01. September 2013 beginnen und bis zum 28. Februar 2014 dauern sollte und die Klägerin zur Überbrückung der Zeit bis zum eventuellen Studienbeginn ein Praktikum beim Deutschen Tourisumusverband plane, welches im Studienprogramm als Pflichtpraktikum anerkannt werden könne und die Chance zur Zulassung zum Studiengang erhöhe. Die Klägerin durchlief dann vom 18. März bis zum 02. August 2013 das Praktikum bei einer monatlichen Vergütung von 300,00 EUR.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21. Juni 2013 für die Zeit ab dem 18. März 2013 die Gewährung einer Waisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Beim Praktikum bzw. beim Masterstudiengang handele es sich um eine zweite Berufsausbildung, welche in Anlehnung an die familienrechtliche Unterhaltspflicht nur dann als waisenrentenberechtigende Berufsausbildung anzuerkennen sei, wenn sie von vornherein angestrebt gewesen sei oder eine besondere Begabung des Kindes erst während der Ausbildung zutage getreten sei, die eine Weiterbildung erfordere, oder der schon erreichte Abschluss ohne die Weiterbildung aus unvorhergesehenen Gründen keine ausreichende Lebensgrundlage biete. Dies setze u.a. die Fähigkeit und Neigung als Grunderfordernis, einen engen sachlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ausbildungen, einen zeitlichen Zusammenhang zur Grundausbildung, die Gleichbehandlung der Ausbildungslehrgänge und eine wirtschaftliche Zumutbarkeit für die Eltern voraus. Im Fall der Klägerin sei nicht tatsächlich nachgewiesen, dass sie bereits während ihres ersten Studiums zum B.A. angestrebt habe, anschließend einen Masterstudiengang im Bereich "Nachhaltiges Tourismusmanagement" zu absolvieren. Vielmehr habe sie im Gegenteil zwischenzeitlich einige Monate in Australien beim "work & travel" verbracht. Auch sei während des B.A.-Studiums keine besondere Begabung zutage getreten. Es lägen auch keine Anhaltspunkte vor, warum der B.A.-Abschluss keine ausreichende Lebensgrundlage biete.
Die Klägerin erhob am 15. Juli 2013 Widerspruch. Zunächst sei die Rechtsansicht der Beklagten unzutreffend, wonach es sich beim Masterstudium um eine Zweitausbildung handele. Vielmehr handele es sich hierbei um eine Fortführung der bereits begonnenen, zielstrebig verfolgten und weitergeführten Ausbildung mit dem Ziel einer Karriere bei der Deutschen Zentrale für Tourismus. Der von der Rechtsprechung für eine Erstreckung des Unterhaltsanspruchs auf ein Masterstudium geforderte sachliche und zeitliche Zusammenhang liege vor. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01. Oktober 2013 als unbegründet zurück.
Zwischenzeitlich wurde die Klägerin mit Zulassungsbescheid der HNE vom 13. August 2013 zum Masterstudium "Nachhaltiges Tourismusmanagement" zum Wintersemester 2013/ 2014 unter der auflösenden Bedingung zugelassen, dass sie nicht spätestens bis zum 28. Februar 2014 den Nachweis über die bestandene Prüfung TOEFL mit 87 Punkten im Fach Englisch erbringe.
Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 07. November 2013 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie hat u.a. vorgetragen, mit dem B.A.-Abschluss ein Englischlevel im unteren Niveau B 1 CEF erlangt zu haben. Dass sie nach dem Auslandsaufenthalt weiter im Masterstudium habe studieren wollen, habe sie bereits davor geplant, wie sich aus einer an ihre Krankenkasse gerichteten e-mail aus dem Jahr 2011 ergebe, in welcher sie bereits angekündigt habe, nach der Rückkehr aus Australien 2012 ein Masterstudium beginnen zu wollen. Der Auslandsaufenthalt habe auf ihrer Überlegung beruht, sich für die geplante Aufnahme ins Traineeprogramm der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) mit dem Ausbau der Englischkenntnisse und einem Masterstudium zu qualifizieren. Für das Masterstudium werde mit CEF B 2 ein höherer als im B.A.-Studium erworbener Englischlevel erwartet. Die Klägerin hat eine Job-Übersicht für ihren Australienaufenthalt vorgelegt und ausgeführt, in Australien keinen weiteren Sprachkurs absolviert zu haben, was nicht nötig gewesen sei, weil sie sich an der dort notwendigen fortwährenden Verständigung habe üben können. Sie strebe eine Tätigkeit als Tourismusmanager bzw. Destinationsmanager bei einem Tourismusverband wie der DZT an.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 02. Dezember 2014 unter Aufhebung des Bescheids vom 21. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. Oktober 2013 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 18. März 2013 fortlaufend, längstens bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze bzw. zur Beendigung des Masterstudiengangs "Nachhaltiges Tourismusmanagement" an der HNE Halbwaisenrente zu leisten. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weitergewährung der Hinterbliebenenrente seien sowohl mit dem am 18. März 2013 begonnenen Praktikum als auch mit dem ab September 2013 durchlaufenen Masterstudium an der HNE erfüllt, weil dies eine Ausbildung im Sinne des Gesetzes darstelle. Dabei handele es sich insbesondere nicht um eine Zweitausbildung in dem Sinne, dass nach Abschluss oder Abbruch einer begonnenen Ausbildung eine andere Ausbildung (für einen anderen Beruf) aufgenommen worden sei. Vielmehr bilde ein abgeschlossenes B.A.-Studium eine der gesetzlichen Voraussetzungen des Masterstudiums der Klägerin. Dabei könne dahinstehen, ob es sich hierbei um eine Erstausbildung oder um eine Weiterbildung handele. Teilweise werde vertreten, dass § 67 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) als der hier einschlägigen Anspruchsnorm keine Beschränkung zu entnehmen sei, dass Rentenleistungen nur so lange zu gewähren seien, als die Waise noch keine abgeschlossene Berufsausbildung habe, so dass sich hieraus zwanglos der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ergebe. Demgegenüber werde vertreten, dass für die Frage des Waisenrentenanspruchs auf zivilgerichtliche Unterhaltsrechtsprechung zurückzugreifen sei, deren Voraussetzungen vorliegend ebenfalls erfüllt seien; insbesondere habe die Klägerin den Entschluss zum Masterstudium bereits während ihres B.A.-Studiums gefasst, wie sich aus der an ihre Krankenkasse gerichteten e-mail ergebe, und lägen auch die (von der Beklagten in ihrem Ausgangsbescheid angeführten) weiteren Voraussetzungen für das Fortbestehen des Unterhalts- bzw. Waisenrentenanspruchs (Fähigkeit und Neigung als Grunderfordernis, enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zur Grundausbildung) vor.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 15. Dezember 2014 zugestellte Urteil am 09. Januar 2015 Berufung eingelegt. Grundsätzlich bestehe der Anspruch auf Waisenrente nur bis zum 18. Lebensjahr. Sie werde bis zum 27. Lebensjahr weitergezahlt, wenn sich die Waise in Schul- oder Berufsausbildung befinde. Grundsätzlich bestehe der Anspruch nur für eine Ausbildung. Nur ausnahmsweise erstrecke sich der Anspruch bei Vorliegen der bereits im Ausgangsbescheid genannten, hier tatsächlich nicht vorliegenden Voraussetzungen nach der zivilrechtlichen und auch hier rechtsgedanklich maßgeblichen Unterhaltsrechtsprechung auf eine Weiterbildung. Insbesondere reiche der B.A.-Abschluss grundsätzlich auch für die Aufnahme des von der Klägerin angestrebten Traineeprogramms bei der DZT aus. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der B.A.-Abschluss der Klägerin keine hinreichende Lebensgrundlage vermittele, zumal sich aus der Broschüre der Hochschule für Wirtschaft und Recht bzgl. des Dualen Studiums Bachelor BWL/ Tourismus ergebe, dass die meisten Absolvent/innen die Hochschule mit einem Jobangebot verließen.
Die Klägerin bestand am 17. Dezember 2015 die Masterprüfung im Studiengang "Nachhaltiges Tourismusmanagement" an der HNE mit der Gesamtnote 1,4.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. Dezember 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und untermauert ihr bisheriges Vorbringen.
Der Berichterstatter hat am 12. Mai 2016 mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt, in welchem sie ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, des Vorbringens der Beteiligten und der Beweisaufnahme wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann in Ausübung des insofern eröffneten richterlichen Ermessens im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, vgl. §§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Juni 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 01. Oktober 2013 ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin. Sie hat einen Anspruch auf Halbwaisenrente für die Zeit ab dem 18. März 2013 bis zur Vollendung des 27. Lebensjahrs, d.h. bis einschließlich zum 26. Juni 2015.
Nach §§ 63 Abs. 1, 65 und 67 SGB VII haben Hinterbliebene u.a. Anspruch auf Hinterbliebenenrenten in Form von Witwen- und Halbwaisenrenten, wenn der Tod infolge des Versicherungsfalls eingetreten ist, was hier unstreitig der Fall ist. Die Kinder von verstorbenen Versicherten erhalten eine Halbwaisenrente, wenn sie noch einen Elternteil haben. Die Rente wird gezahlt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (§ 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII) oder bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waise sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet. Eine Schulausbildung oder Berufsausbildung liegt nur vor, wenn die Ausbildung einen tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als 20 Stunden erfordert (§ 67 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB VII).
Hiervon ausgehend erstreckt sich der – zunächst und dem Grunde nach von der Beklagten nicht in Abrede gestellte – Halbwaisenrentenanspruch der Klägerin auch auf die – hier allein verfahrensgegenständliche – Zeit ab dem 18. März 2013 bis zum Abschluss des Masterstudiengangs, längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahrs der Klägerin am 26. Juni 2015.
Zunächst hat der Senat keine Zweifel am Vorliegen einer Berufsausbildung. Daran dass es sich beim Masterstudiengang um ein Vollzeitstudium und damit um eine wöchentlich mindestens 20 Stunden umfassende Berufsausbildung handelt, bestehen keine vernünftigen Zweifel; solche hat auch die Beklagte nicht geäußert. Aber auch das vorgeschaltete Praktikum erfüllt – unstreitig als späterhin im Masterstudium als Pflichtpraktikum anerkannte, vorgeschaltete Ausbildungsphase - fraglos den Berufsausbildungsbegriff, weil in § 4 des Praktikantenvertrags zuvörderst unter Nr. 1 die Pflicht der Praktikantenstelle zur Ausbildung geregelt ist und keine Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme zulassen, dass das Praktikum nicht zu Ausbildungszwecken durchlaufen werden sollte. Zudem betrug die wöchentliche Arbeitszeit im Praktikum nach § 3 des Praktikantenvertrags 39 Stunden, so dass auch keine Zweifel bzgl. des zeitlichen Umfangs des Ausbildungsbegriffs bestehen.
Es bestehen vorliegend auch keine Gründe, den Begriff der Berufsausbildung – unter Zugrundelegung der unterhaltsrechtlichen Zivilrechtsprechung - dahin gehend (teleologisch, d.h. nach dem Zweck der Vorschrift) einzuengen, dass das an das B.A.-Studium anschließende Masterstudium einschließlich des vorgeschalteten Praktikums nicht darunter fällt. Die Waisenrente erfüllt den Zweck, nach dem Tod des Ernährers den Unterhalt für die infolge des Versicherungsfalls unversorgt hinterbliebenen Kinder sicherzustellen. Sie soll den Ausfall eines in pauschalierter Höhe unterstellten gesetzlichen Unterhaltsanspruchs gegen den Versicherten (§§ 1601 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)) ausgleichen. Hiervon ist stets bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres auszugehen, danach nur noch in den Monaten, in denen das Kind aus Ausbildungsgründen oder im öffentlichen Interesse gehindert ist, sich seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf eine Waisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung stimmen weitgehend mit denjenigen der Waisenrente in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 48 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI)) überein, so dass die Rechtsprechung hierzu im Rahmen des § 67 SGB VII berücksichtigt werden kann (vgl. der erkennende Senat, Urteil vom 11. März 2010 – L 3 U 208/08 –, zitiert nach juris Rn. 34). Grundsätzlich haben Kinder den Anspruch nach Vollendung des 18. Lebensjahrs nur für eine Ausbildung, nicht dagegen für eine Zweitausbildung. Eine Zweitausbildung ist durch einen Berufswechsel gekennzeichnet. In diesem Fall sind die Eltern nicht mehr unterhaltspflichtig, wenn sie dem Kind mit der Erstausbildung eine optimale begabungsbezogene Berufsausbildung haben zuteil werden lassen, da das Kind dann nicht mehr außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Unter bestimmten Voraussetzungen ist nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte ausnahmsweise die Weiterbildung unterhaltspflichtig, wenn sie jedenfalls von vorneherein angestrebt war oder wenn eine besondere Begabung des Kindes erst während der ersten Ausbildung zutage getreten ist und eine Weiterbildung erfordert oder der schon erreichte Abschluss ohne die Weiterbildung aus unvorhergesehenen Gründen keine hinreichende Lebensgrundlage bildet (zusammenfassend Born, in: Münchener Kommentar, 6. Aufl. 2012, § 1610 Rn. 252). Auch wenn grundsätzlich auf den Beginn der Ausbildung abzustellen ist, was eine Entscheidung der Finanzierungspflicht angeht, so ist bei einem Studienentschluss – entgegen der Ansicht der Beklagten - erst auf einen Zeitpunkt nach Beendigung der vorangegangenen Ausbildungsphase abzustellen; denn im Regelfall wird das Kind bei Beginn etwa einer praktischen Ausbildung noch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür haben, ob sich später einmal ein Studium anschließen soll (so für den Fall einer dem Hochschulstudium vorausgegangenen Lehre Born, a.a.O., § 1610 Rn. 256 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 07. Juni 1989 – IVb ZR 51/88 -, zitiert nach juris Rn. 14).
Hiervon ausgehend scheitert der geltend gemachte Anspruch entgegen der Auffassung der Beklagten jedenfalls nicht bereits daran, dass der Entschluss der Klägerin für die Durchführung eines Masterstudiengangs erst nach Abschluss des B.A.-Studiums reifte. Hierbei sieht der Senat im Entschluss, einen Masterstudiengang einem B.A.-Studium folgen zu lassen, einen der vorgenannten Rechtsprechung zu einem der Lehre folgenden Hochschulstudium entsprechenden Fall, zumal hier der B.A. aufgrund eines – wie in der klassischen Berufsausbildung im Wege einer Lehre – dualen Ausbildungsgangs erworben wurde. Dahinstehen kann mithin, ob ein ggf. bereits früher gefasster Entschluss in einer an die Krankenkasse der Klägerin gerichteten e-mail hinreichend dokumentiert wird.
Der Unterhaltsanspruch setzt ferner 1. die Fähigkeit und Neigung als Grunderfordernis, 2. einen engen sachlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ausbildungen, 3. einen zeitlichen Zusammenhang zur Grundausbildung, 4. die wirtschaftliche Zumutbarkeit für die Eltern voraus, wozu sich 5. Fallgruppen bzgl. der Gleichbehandlung der Ausbildungsgänge Abitur-Studium und Abitur-Lehre-Studium herausgebildet haben (vgl. Born, a.a.O., § 1610 Rn. 254 ff. und der erkennende Senat, a.a.O. Rn. 38 ff.). Zu beachten ist, dass im Allgemeinen nicht darauf abgestellt werden kann, ob die weitere Ausbildung als Weiterbildung oder Zweitausbildung zu qualifizieren ist, zumal insoweit nicht selten erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten bestehen. Es genügt auch nicht, dass mit der Erstausbildung die formelle Berechtigung zum Studium erlangt wurde. Mit dieser Begründung würde sonst bereits jede im ersten oder zweiten Bildungsweg erlangte förmliche Studienberechtigung die Verpflichtung der Eltern zur Finanzierung des Studiums nach sich ziehen. Die Entscheidung, ob eine zu finanzierende Weiterbildung vorliegt, ist im Rahmen einer Zumutbarkeitsabwägung in tatrichterlicher Verantwortung auf Grund der Sachlage des konkreten Einzelfalls zu treffen (Born, a.a.O. § 1610 Rn. 253).
Auch diese Voraussetzungen liegen vor. Zunächst bestehen angesichts des offenbar zielstrebig und erfolgreich verfolgten beruflichen Werdegangs der Klägerin keinerlei Zweifel an Fähigkeit und Neigung als Grunderfordernis. Auch besteht zwischen dem BWL-Studium im Fachgebiet Tourismus und dem Masterstudiengang "Nachhaltiges Tourismusmanagement" zweifellos ein enger sachlicher Zusammenhang, welcher sich auch auf das zwischengeschaltete Praktikum beim Deutschen Tourismusverband zum Ausbau der praktischen Kenntnisse und der Qualifizierung für den Masterstudiengang bezieht.
Auch sieht der Senat hier das Erfordernis des zeitlichen Zusammenhangs als erfüllt an, welcher wertend im Zusammenhang mit der – hier nur hypothetischen - Zumutbarkeit für den Unterhaltsverpflichteten zu bestimmen ist. Hierhinter steht der Gedanke, dass die Reichweite der Unterhaltspflicht der Eltern von der Frage mitbestimmt wird, inwieweit sie damit rechnen müssen, dass ihr Kind nach Schulabschluss und etwa nach einer Lehre noch weitere Ausbildungsstufen anstrebt. Da es zu den schützenswerten Belangen des Unterhaltspflichtigen gehört, sich in der eigenen Lebensplanung darauf einstellen zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern wird, wird eine Unterhaltspflicht um so weniger in Betracht kommen, je älter der Auszubildende bei Abschluss seiner praktischen Berufsausbildung ist. Denn umso weniger müssen die Eltern damit rechnen, dass er daran noch den Besuch einer weiterführenden Schule und ein Studium anschließen wird. Diese aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis folgenden Gesichtspunkte wirken sich nicht erst bei der Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit für die Eltern aus, sondern beeinflussen bereits die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der eingeschlagene Ausbildungsweg noch Bestandteil der geschuldeten einheitlichen Vorbildung zu einem Beruf ist. Je älter er indessen bei Schulabgang ist und je eigenständiger er seine Lebensverhältnisse gestaltet, desto mehr tritt an die Stelle der Elternverantwortung die Eigenverantwortung für seinen Berufs- und Lebensweg. Selbst wenn er bisher noch keine Berufsausbildung erfahren hat, kann eine zu lange Verzögerung dazu führen, dass sein Ausbildungsanspruch entfällt und er sich daher seinen Lebensunterhalt mit ungelernten Tätigkeiten oder aufgrund sonstiger Begabungen und Fertigkeiten verdienen muss. § 1610 Abs. 2 BGB mutet den Eltern nicht zu, sich gegebenenfalls nach Ablauf mehrerer Jahre, in denen sie nach den schulischen Ergebnissen und dem bisherigen Werdegang des Kindes nicht mehr etwa mit der Aufnahme eines Studiums rechnen mussten, einem Ausbildungsanspruch des Kindes ausgesetzt zu sehen. Dabei fällt auch ins Gewicht, dass es sich dabei um Zeiträume handelt, in denen steuerliche Erleichterungen, Kindergeld oder kindbezogene Gehaltsbestandteile aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Kindes unabhängig von seinem Ausbildungsstand wegfallen (BGH, Urteil vom 04. März 1998 – XII ZR 173/96 –, zitiert nach juris Rn. 12 f.).
Bei der nach dem Vorstehenden gebotenen wertenden Betrachtung liegt hier ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang vor. Zwar liegen zwischen dem Ende des B.A.-Studiengangs und dem Beginn des Praktikums knapp anderthalb Jahre. Diese Zeit hat die Klägerin jedoch in ausbildungsdienlicher Weise mit einer Zeit des "work & travel" gefüllt, um ihre Sprachkenntnisse und praktischen Erfahrungen in der Tourismusbranche zu verbessern, die Zugangschancen fürs Masterstudium zu erhöhen bzw. mit dem Erreichen eines höheren Englischniveaus zu erfüllen. Im Rahmen des von der Klägerin vom Beginn des B.A.-Studiums bis zum Ende des Masterstudiengangs verfolgten Berufsziels im Bereich des Tourismus erscheint dem Senat die zwischengeschaltete Zeit des "work & travel" vielmehr überaus nützlich und nachvollziehbar, mithin - hypothetisch betrachtet – dem Unterhaltspflichtigen auch zumutbar, zumal Zeiten des "work & travel" nach außen hin und i.Ü. auch für die darüber durch die Klägerin vorab informierte Beklagte von vornherein nicht dazu angetan waren, die bis dahin erworbenen beruflichen Qualifikationen beruflich, d.h. wie ein Beruf zur dauernden Begründung und Erhaltung der Lebensgrundlage zu nutzen, sondern sich zu orientieren und ggf. einer weiteren Qualifikation voranzugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegt.
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