L 10 AS 334/16 B

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 33 AS 1982/14 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 334/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde von Rechtsanwalt L wird die im Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 23. Juli 2015 enthaltene Kostenentscheidung, mit der dem am Verfahren nicht Beteiligten Rechtsanwalt L die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, aufgehoben. Die außergerichtlichen Kosten von Rechtsanwalt L trägt die Staatskasse. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 105,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die von Rechtsanwalt L im eigenen Namen gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) Cottbus vom 23. Juli 2015 (ihm zugestellt am 29. Dezember 2015) erhobene Beschwerde gegen die Kostenentscheidung in dem bezeichneten Urteil, mit der ihm - und nicht den Klägern – die Kosten des Gerichtsverfahrens als vollmachtloser Vertreter auferlegt wurden, ist zulässig.

Eine Berufung von Rechtsanwalt L gegen seine Belastung mit den Kosten ist nicht statthaft. Da er weder Kläger, noch Beklagter oder Beigeladener, dh nicht Beteiligter iSd § 69 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Vorinstanz war, ist er nicht rechtsmittelberechtigt (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014 Vor § 143 RdNr 4).

Für die Anfechtung von Kostenentscheidung durch den belasteten Dritten kommt allein das Rechtsmittel der Beschwerde in Betracht, die einen Gegner nicht notwendig voraussetzt, die sich vielmehr gegen das Gericht selbst richten kann (zur sofortigen Beschwerde als statthaftes Rechtsmittel eines Dritten gegen seine Kostenbelastung: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Juni 1987 – IVb ZR 5/86, juris RdNr 14ff).

Die Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs 3 Nr 3 SGG ausgeschlossen. Danach ist die Beschwerde nicht statthaft gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193 SGG. Diese Bestimmung ist hier nicht einschlägig, da die Kostenentscheidung in einem Urteil getroffen wurde und § 172 Abs 3 Nr 3 SGG nach der Begründung des Gesetzesentwurfs (BT-Drs 16/7716 S 22) Beschwerden gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193 Abs 1 Satz 3 SGG ausschließen soll, dh Fallgestaltungen in den Blick nimmt, in denen das Verfahren - anders als im vorliegenden Fall - durch Urteil beendet wurde.

Die Beschwerde ist auch nicht im Hinblick auf die Regelung des § 144 Abs 4 SGG ausgeschlossen, wonach die Berufung ausgeschlossen ist, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt. Zwar schließt § 144 Abs 4 SGG eine auf die Kostenentscheidung beschränkte Überprüfung aus, so dass nahe liegt, die Vorschrift regelmäßig auch auf ein Beschwerdeverfahren anzuwenden (zur analogen Anwendung bei einer Beschwerde im einstweiligen Rechtschutzverfahren: Beschluss des Senats vom 14. Mai 2007 – L 10 B 545/07 AS ER, juris RdNr 7f). Indes folgt aus Sinn und Zweck der Vorschrift, ein von den Beteiligten nur mit Blick auf die Kostenregelung eingelegtes Rechtsmittel auszuschließen, nicht, dass die Bestimmung auch angewandt werden soll bei einer Beschwerde bezüglich einer Kostenentscheidung gegenüber einem Dritten, der nicht Prozessbeteiligter ist. Dem Dritten steht – wie bereits ausgeführt - eine weitergehende Rechtsmittelbefugnis gerade nicht zu, da er nicht Beteiligter des Verfahrens ist (zu der insoweit vergleichbaren Regelung in § 99 Abs 1 der Zivilprozessordnung (ZPO): Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl 2016 § 99 RdNr 23; Herget in Zöller, ZPO, 30. Aufl 2014, § 99 Rdnr 4).

Die Beschwerde ist auch begründet. Die auf § 202 SGG iVm § 89 ZPO gestützte Auferlegung der Kosten auf den vollmachtlosen Vertreter hätte vorliegend nicht erfolgen dürfen, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen nicht vor. Ein Bevollmächtigter kann Kostenschuldner nur für den Fall sein, dass er ohne Vollmacht tätig geworden ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014 § 193 RdNr 11). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Der als alleiniger gesetzlicher Vertreter der beiden Kläger – der am 28. Juni 19 geborenen J K und des am 10. März 19 geborenen K K - auftretende Vater - G K – hat Rechtsanwalt L am 05. Oktober 2012 für jeden der beiden Kläger gesondert (Verwaltungsvorgang Bl M 93 und M 94) bevollmächtigt, die Kläger "wegen sämtlicher in Betracht kommender Ansprüche" gegen den Beklagten zu vertreten. Diese Vollmachten erstrecken sich sowohl auf das Verwaltungs-, Widerspruchs- als auch das gerichtliche Verfahren und auf alle Verfahren und alle Instanzen. Diese Erklärungen lassen iS der an eine ordnungsgemäße Vollmacht nach § 73 Abs 6 Satz 1 SGG zu stellenden Anforderungen keinen Zweifel daran, wer bevollmächtigt ist, wer bevollmächtigt hat und wozu bevollmächtigt worden ist, nämlich Rechtsanwalt Ldurch den Vertreter der Kläger ua zur Erhebung der Klage (vgl Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 188/15 B, juris RdNr 6).

Anlass dafür, diese Vollmachten entgegen der ständigen Rechtsprechungspraxis aller obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Wirksamkeit von Generalvollmachten als Prozessvollmacht ausnahmsweise nicht als beachtlich anzusehen und von Rechtsanwalt Ldaher zusätzlich die Vorlage weiterer, auf das Klageverfahren konkret bezogener Vollmachten zu verlangen, bestanden nicht. Zwar mögen Fälle denkbar sein, in denen Zweifel am ordnungsgemäßen Nachweis einer Prozessvollmacht durch Generalvollmacht angebracht sein können. Unter Berücksichtigung ihrer weitreichenden Auswirkungen für den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelinstanzen wird die Annahme, dass eine als Prozesshandlung erteilte Prozessvollmacht entgegen ihres äußeren Anscheins überhaupt nicht oder nicht mehr gelten soll, unter Beachtung des Gebots effektiven Rechtsschutzes gemäß Art 19 Abs 4 Grundgesetz und des Rechtsstaatsprinzips allerdings nur unter außerordentlich gelagerten Umständen angenommen werden können (BSG, aaO, RdNr 7).

Raum für Zweifel an einer erteilten Prozessvollmacht für einen Rechtsanwalt besteht seit der Neufassung des § 73 SGG durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl I 2840) prozessual nur noch, wenn entsprechende Umstände von dem anderen Beteiligten gestützt auf § 73 Abs 6 Satz 4 SGG substantiiert in das Verfahren eingeführt worden sind oder Anlass für Zweifel von Amts wegen nach § 73 Abs 6 Satz 5 SGG besteht (BSG, aaO, RdNr 8), woran es hier fehlt.

Ob der als alleiniger Vertreter der Kläger auftretende geschiedene Vater tatsächlich das alleinige Sorgerecht hatte, ist eine Frage der wirksamen Vertretung der Kläger im Prozess (vgl zum notwendigen Einvernehmen bei gemeinsamen Sorgerecht: BSG, Urteil vom 02. Juli 2009 – B 14 AS 54/08 R, juris) und berührt nicht die hier allein maßgebliche Frage, ob ein Bevollmächtigter über eine wirksame Vollmacht verfügt. Schließlich führt auch nicht der Umstand, dass die beiden Kläger nach Klageerhebung und vor Entscheidung des Gerichts volljährig geworden sind und damit die gesetzliche Vertretung geendet hat, zu einem anderen Ergebnis, da die von einem gesetzlichen Vertreter einem Dritten erteilte Vollmacht nicht mit der Beendigung der gesetzlichen Vertretungsmacht endet (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Entscheidung vom 28. August 1959, B Reg 2 Z 114/59, BReg 2/ 115/59, juris).

Eine Kostenentscheidung hat hier zu ergehen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Beschwerdeverfahren um ein selbstständiges, nicht kontradiktorisches und mit einer eigenen Kostenentscheidung zu versehendes Verfahren im Rahmen des von den Beteiligten betriebenen Hauptsacheverfahrens handelt (vgl zur Beschwerde gegen eine Entscheidung nach § 192 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. Januar 2016 – L 1 AS 4045/15 B, juris RdNr 30 unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. März 2011 – L 9 U 1083/10 B, juris RdNr 23). Nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 01. April 2009 – B 14 SF 1/08 R – jurisPR-SozR 11/2010, Anm 5, Münker) ist grundsätzlich in jedem Beschwerdeverfahren, das zu einem gesonderten Gebührenanfall nach dem Rechtsanwaltsvergütungs-gesetz (RVG) führt, eine Kostenentscheidung zu treffen (vgl dazu auch Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 22. Auflage 2015, § 18 RdNr 10, 11, 17). Der Umstand, dass Rechtsanwalt L als Beschwerdeführer keinen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung betraut hat, lässt die Notwendigkeit einer Kostenentscheidung nicht entfallen, denn ein Rechtsanwalt, der in eigener Sache auftritt, kann Erstattung von Gebühren und Auslagen verlangen, als hätte er einen Rechtsanwalt beauftragt (§ 91 Abs 2 Satz 3 ZPO, der über § 202 Satz 1 SGG heranzuziehen ist). Auch unter Berücksichtigung des in § 21 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG) zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens, dass Kosten, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts verursacht werden, den Parteien nicht zur Last fallen dürfen, sind die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers hier der Staatskasse aufzuerlegen. Insoweit liegt eine den Beschwerden gegen die Auferlegung von Ordnungsgeld gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 141 ZPO vergleichbare Sachlage vor (vgl Sächsisches LSG, Beschluss vom 21. Januar 2013 - L 7 AS 413/12 B , juris RdNr 13 mwN). Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Frage nach dem Kostenschuldner im Falle des Obsiegens des Beschwerdeführers auf einer entsprechenden Anwendung des § 46 Abs 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten iVm § 467 Abs 1 der Strafprozessordnung (vgl auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. Januar 2012 – L 5 AS 228/11 B, juris, RdNr 12, dort in einem Verfahren nach § 197a SGG). Aus dem gleichen Rechtsgedanken scheidet auch die Erhebung von Gerichtskosten aus.

Vorliegend bedarf es weiter einer Streitwertfestsetzung nach § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 53 Abs 2 Nr 4 und § 52 Abs 2 GKG, da der Beschwerdeführer nicht zu dem Kreis der in § 183 SGG angeführten Personen gehört, so dass die Gebühren eines Rechtsanwalts nach § 3 Abs 1 Satz 2 RVG nach dem Gegenstandswert zu berechnen sind. Ausgehend von Gerichtskosten, die bei einem Streitwert von 500,00 EUR zu erwarten sind (§ 3 Abs 2 Gerichtskostengesetz iVm Anlage 1 KV 7110: 3,0 x 35,00 EUR Gebühr nach § 34 GKG), wird der Streitwert für das Beschwerdeverfahren auf 105,00 EUR festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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