L 14 AL 243/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 57 AL 101/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AL 243/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der tatsächliche Bezug von Arbeitslosengeld für 90 Tage (Restanspruch) schließt regelmäßig einen Gründungszuschuss aus.
2. Zur hauptberuflichen, selbstständigen Tätigkeit.
3. Der Nachweis zur Tragfähigkeit durch eine Stellungnahme der fachkundigen Stelle ist zeitnah zur Aufnahme der hauptberuflich, selbstständigen Tätigkeit durch die Antragsteller zu erbringen, so dass die Agenturen für Arbeit in die Lage versetzt werden, über einen entscheidungsreifen Antrag zu entscheiden.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Juni 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung eines Gründungszuschusses (Gz) für die Zeit ab dem 30. August 2008.

Die 1977 geborene Klägerin ist seit dem 28. Mai 2008 zur Rechtsanwaltschaft in B zugelassen. Nach Beendigung der Referendarzeit beim Kammergericht hatte sie sich bei der Beklagten am 16. November 2007 mit Wirkung vom 21. November 2007 arbeitslos gemeldet (Arbeitsuchendmeldung am 11. Oktober 2007) und die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) beantragt, das ihr für 360 Kalendertage, aber erst ab 1. Dezember 2007 gewährt wurde, da ihr noch Arbeitsentgelt bzw. Bezüge bis 30. November 2007 als Rechtsreferendarin zustand/-en (Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2007). Nachdem der Beklagten bekannt geworden war, dass die Klägerin als Kellnerin seit April 2008 geringfügig beschäftigt war und sie im November 2008 für juristische Recherchearbeiten und ein Gutachten/Konzept zu einem Handbuch der Kunstwirtschaft Einkommen i.H.v. 1.000 Euro erzielt hatte, hob die Beklagte mit bestandskräftigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. August 2009 wegen Anrechnung von Nebeneinkommen die Bewilligung von Alg für den Monat November 2008 ganz auf, so dass die Klägerin noch einen Restanspruch auf Alg von 30 Tagen bis zum 30. Dezember 2008 hatte. Statt einer Erstattung für den Monat November 2008 wurde der Erstattungsbetrag in voller Höhe auf den Anspruch der Klägerin auf Alg für den Monat Dezember 2008 aufgerechnet. Durch Änderungsbescheid vom 11. August 2009 gewährte die Beklagte der Klägerin noch Alg vom 1. bis 31. Dezember 2008, das die Klägerin bezog.

Ausweislich des sich in den Leistungsakten befindlichen Antragsformulars stellte die Klägerin am 28. August 2008 einen Antrag auf Gewährung eines Gz (Vermerk der Agentur für Arbeit mit Handzeichen einer Mitarbeiterin/eines Mitarbeiters) und gab an, ab dem 30. August 2008 eine selbstständige hauptberufliche Tätigkeit als Rechtsanwältin aufzunehmen.

In einem Vermerk zu einem Telefonat einer Mitarbeiterin der Beklagten mit der Klägerin vom 28. August 2008, 17:36, wurde u.a. festgehalten: "Anruf RS, ID geprüft, Kunde möchte Antrag auf Gründungszuschuss stellen. Wurde beim Gespräch mit SC am 260808 missverstanden. RS strebt Selbstständigkeit ab 010908 an, da sie auch nur noch 90 Tage Alg hat. ".

Ein Vermerk vom 11. März 2009 enthält u.a. folgende Angaben eines Telefonats zwischen der Klägerin und einer/einem Mitarbeiter/-in der Beklagten: Betreff, "Kd ist selbst. als Rechtsanwältin s 010209, über Abm. aus AV informiert"; Text, "arbeitet freiberuflich in einer Anwaltssozietät. Will noch rückwirkend VÄM einreichen, empfohlen direkt über Eingangszone die Unterlagen einzureichen. Kd. fragt nach Förderung, Antrag dazu hätte vor Eintritt erfolgen müssen. Kd. ist bereits selbstständig tätig."

Am 17. August 2009 reichte die Klägerin das mit Datum 10. April 2009 ausgefüllte Antragsformular für die Gewährung eines Gz zusammen mit einem Begleitschreiben vom 23. Juni 2009 bei der Beklagten ein. Im Begleitschreiben vom 23. Juni 2009 sowie in einem weiteren Schreiben vom 23. September 2010 gab sie an, sie habe am 28. August 2008 einen Antrag auf Gewährung von Gz gestellt und zu diesem Zeitpunkt auch ihre selbstständige Tätigkeit aufgenommen. Die vollständige Begründung des Antrags habe sie über einen längeren Zeitraum nicht einreichen können, da sie zuvor nicht in der Lage gewesen sei, eine realistische und den tatsächlichen Umständen entsprechende Umsatzprognose zu erstellen. Dies habe vor allem daran gelegen, dass sich die Verhandlungen mit ihrem Kooperationspartner bis Ende Oktober 2008 hingezogen hätten, so dass sie bis dahin keine ordnungsgemäße und den tatsächlichen Umständen entsprechende Schätzung der zu erwartenden Einnahmen, wie sie für die Stellungnahme der fachkundigen Stelle erforderlich gewesen sei, habe erstellen können. Im November 2008 sei die Zusammenarbeit mit dem Kooperationspartner dann begonnen worden, zu diesem Zeitpunkt habe jedoch keine hinreichende Sicherheit hinsichtlich der dauerhaften Fortführung der Kooperation bestanden. Im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Umsatz- und Rentabilitätsvorschau für die fachkundige Stelle habe sie die endgültige Entscheidung abwarten wollen, um verlässlichere Angaben zu ihrem erwarteten Einkommen machen zu können. In der Folgezeit sei die Einreichung wegen der zunehmenden Geschäftstätigkeit zunächst unterblieben.

Mit dem Antragsvordruck überreichte die Klägerin die Stellungnahme der fachkundigen Stelle, der Rechtsanwaltskammer B, vom 18. Januar 2009 zur Tragfähigkeit der Existenzgründung, ferner einen Lebenslauf nebst Ablichtungen diverser Zeugnisse aus den Referendarstationen, Universitätszertifikate über fremdsprachliche Ausbildungen für Juristen, einen mit dem Datum 11. September 2008 ausgefüllten Fragebogen zur steuerlichen Erfassung, in dem als Beginn ihrer selbstständigen Rechtsanwaltstätigkeit der 30. August 2008 angegeben war.

Nach einem weiteren Vermerk der Beklagten vom 17. September 2010 habe die Klägerin bereits am 23. Juni 2009 "Gz Antrag mit Unterlagen" eingereicht. Entsprechende Unterlagen mit einem Eingangsvermerk zu diesem Tag finden sich in den Verwaltungsakten der Beklagten nicht.

Mit Bescheid vom 22. Oktober 2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung des Gz ab. Aus dem von der Klägerin überreichten Konzept gehe hervor, dass sie nicht seit dem 30. August 2008 hauptberuflich selbstständig tätig gewesen sei. Vielmehr habe sie ihr Konzept erst im Januar 2009 von der Rechtsanwaltskammer B prüfen lassen. Sinn der Förderung sei es nicht, dass der Antragsteller monatelang mit der Erstellung des Businessplans beschäftigt sei, vielmehr solle dieser vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einer fachkundigen Stelle zur Prüfung der Tragfähigkeit vorgelegt werden. Die Klägerin habe sich jedoch seit August 2008 noch in der Vorbereitungsphase befunden, die nicht mit dem Gz gefördert werde.

Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch trug die Klägerin vor, sie habe im Zusammenhang mit der Anhörung zur Überzahlung von Alg im Hinblick auf die im November 2008 erzielten Einkünfte eine Verrechnung der zu erstattenden Leistungen mit ihren Ansprüchen (auch Gz) beantragt. Diese Verrechnung habe die Beklagte mit dem (Aufhebungs- und Erstattungs-)Bescheid vom 11. August 2009 durchgeführt. Sie gehe daher davon aus, dass über die Gewährung des Gz konkludent in ihrem Sinne entschieden worden sei. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Gz lägen auch seit dem 30. August 2008 vor, da sie seit Anfang September 2008 hauptberuflich selbstständig tätig gewesen sei. Typischerweise handele es sich zu Beginn der Anwaltstätigkeit noch nicht um die Ausübung der eigentlichen (Beratungs-)Tätigkeit oder gar um die Erzielung erster Einnahmen, sondern die Arbeit habe sich auf die öffentlichkeitswirksame Bekanntmachung der Gründung und den Aufbau eines Kundenstamms konzentriert.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die - lediglich formal mit Antrag vom 28. August 2008 begehrte - Gewährung des Gz nach § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III - alte Fassung (a.F.)) seien nicht gegeben. Die Klägerin trage selbst vor (Schreiben vom 23. Juni 2009), dass sie zur Begründung ihres Antrags vorher nicht in der Lage gewesen sei, eine realistische und den tatsächlichen Umständen entsprechende Umsatzprognose zu erstellen, da sich die Verhandlungen mit ihrem Kooperationspartner bis Ende Oktober 2008 hingezogen hätten. Eine fehlende Grundlage für die Erstellung einer Umsatzprognose schließe aber die Möglichkeit der Förderung einer selbstständigen Tätigkeit aus, weil in einem solchen Fall eine grundsätzliche Beurteilung der Schlüssigkeit und Tragfähigkeit der zu fördernden Tätigkeit nicht möglich sei. Auch die Stellungnahme der fachkundigen Stelle sei erst am 18. Januar 2009 erfolgt. Ein Gz habe daher schon mangels der notwendigen Unterlagen sowie der fehlenden Nachweise für das Konzept und die Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit, bezogen auf den angegebenen Beginn 30. August 2008, nicht erfolgen können. Ab dem 31. August 2008 habe kein Restanspruch von 90 Tagen Alg mehr bestanden, mithin habe ab dem 31. August 2008 ein gesetzlicher Ausschlussgrund für die Bewilligung des Gz vorgelegen. Die Beklagte habe auch nicht konkludent den Gz dadurch bewilligt, dass sie unter dem 11. August 2009 einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid erlassen habe. Vielmehr sei die Aufrechnung des Alg-Erstattungsbetrags von 425,10 Euro für das im November 2008 erzielte Nebeneinkommen auf das für Dezember 2008 - wegen des erzielten Nebeneinkommens möglicherweise zu Unrecht - bewilligten Alg erfolgt. Eine Bewilligung eines Gz sei jedenfalls in der Bewilligung von Alg und der Aufrechnung nicht zu sehen.

Mit ihrer hiergegen am 12. Januar 2011 beim Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und vorgetragen, sie habe bereits am 11. September 2008 ihre Selbstständigkeit beim Finanzamt angezeigt und damit ihre selbstständige hauptberufliche Tätigkeit begonnen. Im Rahmen dieser Tätigkeit als Rechtsanwältin sei sie als freie Mitarbeiterin für die Kanzlei tätig gewesen und habe in den Monaten November und Dezember 2008 hierfür erste Einnahmen erzielt. Daneben habe sie einen Nebenverdienst aus einer geringfügigen Tätigkeit (als Kellnerin) gehabt. Bei dem Ablehnungsbescheid vom 22. Oktober 2010 habe es sich nicht um eine Entscheidung über ihren Antrag auf Gz gehandelt, sondern um den - unzulässigen - Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 47 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bzw. die - unzulässige - Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 45 SGB X. Nach dem objektiven Empfängerhorizont sei die Durchführung der Aufrechnung im Schreiben der Beklagten vom 11. August 2009 nur so zu verstehen gewesen, dass sie ihr konkludent bzw. "in anderer Weise" im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB X die Bewilligung ihres Gz bekannt gegeben habe, spätestens sei jedoch in der Aufrechnung die wirksame Zusicherung der Antragsbewilligung zu sehen. Sie bestreite, dass sich die von der Beklagten vollzogene Aufrechnung auf ihren Restanspruch auf das für Dezember 2008 bewilligte Alg bezogen habe, denn ihr Anspruch habe zum 30. November 2008 geendet. Die Vorlage der fachkundigen Stellungnahme vom 18. Januar 2009 sei trotz der von der Beklagten gerügten verspäteten Abgabe ausreichend gewesen. Es komme nicht entscheidend darauf an, ob sie bis zur Anmeldung ihrer Tätigkeit beim Finanzamt selbstständig tätig gewesen sei, da sie nachweislich innerhalb eines Monats nach der Antragstellung ihre selbstständige Tätigkeit aufgenommen habe. Eine Nahtlosigkeit zwischen Existenzgründung und vorausgehendem Alg-Anspruch sei nicht erforderlich, vielmehr sei ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Bestehen des Anspruchs auf die Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit ausreichend (vgl. Bundessozialgericht, (BSG), Urteile vom 5. Mai 2010, B 11 AL 28/09R, und B 11 AL 11/09 R, juris).

Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe zu keinem Zeitpunkt eine schriftliche verbindliche Zusicherung im Sinne von § 34 SGB X hinsichtlich der Bewilligung von Gz für eine Tätigkeitsaufnahme ab 30. August 2008 gemacht. Bei der Verrechnung im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. August 2009 handele es sich um an die Klägerin für die Zeit vom 1. bis 30. November 2008 gezahltes Alg wegen bis dahin nicht erfolgter Anrechnung von Nebeneinkommen aus diversen, als Nebenbeschäftigungen gewerteten Tätigkeiten wegen Überschreitung der Einkommenshöhe über dem Leistungssatz. Da sich dadurch das Ende des Alg-Anspruchs vom 30. November 2008 auf den 30. Dezember 2008 verschoben habe, sei das zu Unrecht gezahlte Alg für November 2008 mit dem Anspruch für Dezember 2008 verrechnet worden. Eine Absicht, der Klägerin einen Gz zu bewilligen, sei hierin nicht zu erkennen. Ein Anspruch auf Gz habe auch nicht bestanden, eine hauptberufliche Tätigkeitsaufnahme mit entsprechender Außenwirkung ab 30. August 2008 sei nicht nachgewiesen. Zum einen habe die Klägerin über den 30. August 2008 hinaus Alg bezogen, des Weiteren selbst angegeben, dass noch wesentliche Unklarheiten im Bezug auf den Geschäftspartner bestanden hätten, drittens sei in der Erklärung zu einer selbstständigen Tätigkeit gegenüber dem Finanzamt erst der 1. November 2008 als relevante Tätigkeitsaufnahme angegeben worden. Auch fehle es an einer vor Tätigkeitsaufnahme erstellten fachkundigen Stellungnahme, eine nachträglich erstellte Stellungnahme könne nicht berücksichtigt werden. Würde man im Übrigen den 1. November 2008 als Tätigkeitsbeginn annehmen, hätte zu diesem Zeitpunkt kein Anspruch auf Alg von mindestens 90 Tagen mehr bestanden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 18. Juni 2012 hat die Klägerin einen Produktionsvertrag "Eckdatenvereinbarung" über die Erstellung eines Musikprojekts vorgelegt.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18. Juni 2012 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung des Gz nach § 57 SGB III a.F. gegen die Beklagte. Es sei zwar unstreitig, dass die Klägerin einen Anspruch auf Alg für mindestens 90 Tage noch bis zum 30. August 2008 gegenüber der Beklagten gehabt habe. Auch habe sie die Tragfähigkeit ihrer Existenzgründung durch eine fachkundige Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer B Anfang 2009 belegt und könne auf eine Zulassung als Rechtsanwältin verweisen. Der Anspruch auf einen Gz scheitere jedoch daran, dass die Klägerin einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Bestehen des Alg-Anspruchs für mindestens 90 Tage Ende August 2008 und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit nicht habe nachweisen können. Es sei nicht Nahtlosigkeit zwischen der Existenzgründung und dem vorausgehenden Alg-Anspruch zu verlangen, ausreichend, aber auch erforderlich sei jedoch ein enger zeitlicher Zusammenhang von nicht mehr als etwa einem Monat (BSG, Urteile vom 5. Mai 2010, B 11 AL 28/09R, und B 11 AL 11/09 R, juris). Zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gehörten zwar auch Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung. Nach dem konkreten Vorgehen der Klägerin und ihren Angaben sei jedoch nicht davon auszugehen, dass sie bereits in einem etwa einmonatigen Zeitraum nach dem 30. August 2008 ihre selbstständige hauptberufliche Tätigkeit als Rechtsanwältin begonnen habe. Soweit sie ausweislich ihrer Schilderung im mündlichen Verhandlungstermin im September 2008 zwei Mandantinnen (unter anderem einer TV-Produzentin) in einem Café über juristische Fragestellungen beraten und Akquise betrieben habe, handele es sich um nicht näher konkretisierte Vorbereitungshandlungen außerhalb eines Büros, denn die Klägerin habe zu diesem Zeitpunkt in ihrer 1-Zimmer-Wohnung nur über einen Schreibtisch verfügt. Allein der Antrag auf Erteilung einer Betriebsnummer beim Finanzamt reiche für eine maßgebende Vorbereitungshandlung mit Außenwirkung ebenfalls nicht aus. Noch im November 2008 habe die Klägerin nebenberuflich als Kellnerin gearbeitet. Sie habe auch angegeben, dass sie über einen längeren Zeitraum die Tragfähigkeit ihres Konzepts nicht habe einschätzen können, sondern bestrebt gewesen sei, zunächst verlässlichere Angaben hierzu zu ermöglichen. Daher sei die fachkundige Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer B erst Anfang 2009 erfolgt. Dass die Klägerin erst Ende 2008 oder Anfang 2009 eine Klärung insoweit habe erreichen können, zeige auch der Umstand, dass sie ihren konkretisierten Antrag auf Gz erst im Sommer 2009 bei der Beklagten eingereicht habe. Wollte man ihre freie Mitarbeit in einem Rechtsanwaltsbüro ab November 2008 als maßgeblichen Beginn ihrer Anwaltstätigkeit zu Grunde legen, hätte sie zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf Alg von mindestens 90 Kalendertagen mehr gehabt. Zudem würde ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem vorgesehenen Beginn ihrer Selbstständigkeit ab 30. August 2008 und ihrer Tätigkeit als freie Mitarbeiterin ebenfalls fehlen, da sich hier ein Zwischenzeitraum von mehr als einem Monat ergeben habe. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin sich auch im Dezember 2008 weiterhin arbeitslos gemeldet und Alg bezogen habe. Im Zeitraum bis Ende 2008 sei daher die zeitnahe Umsetzung eines Gesamtkonzepts noch nicht gegeben gewesen. Die geäußerte Annahme, der Gz sei konkludent durch Aufrechnung bewilligt worden, sei abwegig. Die Aufrechnung habe nicht den Zuschuss, sondern den Anspruch auf Alg betroffen. Mit ihrer am 20. August 2012 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) eingelegten Berufung gegen das ihr am 20. Juli 2012 zugestellte Urteil wiederholt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Sie trägt ergänzend vor, das SG habe lediglich zwei Rechtsberatungen im September 2008 und den Umstand, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch eine "Wohnzimmerkanzlei" betrieben und nebenberuflich fachfremd als Kellnerin gearbeitet habe, gewürdigt. Zum Zeitpunkt der Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit habe sie bereits über sämtliche notwendigen Gegenstände wie Schreibtisch, Laptop, Aktenschrank, Telefon, Multifunktionsgerät mit Druck-, Fax und Kopierfunktion verfügt. Nicht oder nicht zutreffend gewürdigt worden seien auch ihre steuerliche Anmeldung beim Finanzamt, ihre Vorbereitungshandlungen im Vorfeld der Selbstständigkeit von Juni bis August 2008, insbesondere die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung und diverser Mitgliedschaften im Juni/Juli 2008, ihre Recherchen zum Beratungsbedarf der Kreativbranche, die Anbahnung der freien Mitarbeit in der Kanzlei im Juli 2008, die Mandantengespräche und Akquisetätigkeiten im September 2008 sowie die Tätigkeiten im weiteren Verlauf der Kanzleigründung, insbesondere die Mandantenberatungen im Oktober 2008, ihre freie Mitarbeit im Anwaltsbüro, weitere Akquisemaßnahmen und die Erzielung erster Einnahmen ab November 2008. Zusammengefasst habe sie folgende Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung bzw. bereits originäre selbstständige anwaltliche Tätigkeiten vorgenommen: 28. Mai bis 19. Juni 2008: Zulassung zur Rechtsanwaltschaft/Verteidigung; Juni 2008: Erfolgreicher Abschluss des Fachanwalts Lehrgangs im Urheber-und Medienrecht; 17. Juli 2008: Jura Praxistag an der H-Universität zu B; 18. Juli 2008: Mitgliedschaft bei der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht; 31. Juli 2008: Anbahnung Kooperation mit Kanzlei , erstes Gespräch zum Auftrag zur Erstellung des Konzepts für ein Handbuch Kunstwirtschaft; August 2008: Anfragen und Erstberatungen diverser potentieller Mandanten aus dem Kulturbereich (Musikgruppe I, Sänger J K, Betreiber von online-spielen B l, Autor J W); September 2008: Kontakt und Erstberatung A F, Casting-Direktor, Drehbuchautor und Filmproduzent; September 2008: Beratung des Autors J W; seit September 2008: Verstärkte Akquisetätigkeit und Fortbildungsaktivitäten (Deutsche Gesellschaft für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht/Arbeitskreis Kunst und Recht); September 2008: Organisation der kanzleiinternen Infrastruktur und des Kanzleiauftritts nach außen; seit Anfang September 2008: Erste Zuarbeiten für die zukünftigen Kooperationspartner.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Juni 2012 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 22. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2010 die Beklagte zu verurteilen, an sie für die Zeit ab 30. August 2008 einen Gründungszuschuss zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. In Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens weist sie darauf hin, dass auch kein Anspruch der Klägerin auf Gz habe entstehen können, wenn man den Beginn der selbstständigen Tätigkeit ab dem 1. Juli 2008 (Zulassung zur Rechtsanwältin) annähme, da der Antrag telefonisch erst am 26. August 2008 mit dem Hinweis, sie strebe eine Selbstständigkeit ab dem 1. September 2008 an, gestellt worden und damit verspätet i.S. des § 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III sei. Die Klägerin habe konkret auch weder eine Arbeitsaufnahme zum 30. August noch zum 1. September 2008 angegeben, sondern lediglich mitgeteilt, dass sie eine solche beabsichtige. Daher seien ihr am 2. September 2008 die Antragsunterlagen zugesandt worden. Es sei unverständlich, dass der Antrag und die Unterlagen erst ein Jahr später eingereicht worden seien. Die Angaben zur Tätigkeitsaufnahme seien insoweit rückwirkend gemacht worden. Nähme man hingegen den von der Klägerin in der steuerlichen Erklärung zur selbstständigen Tätigkeit vom 27. August 2009 angegebenen 1. November 2008 als Tätigkeitsbeginn an, hätte zu diesem Zeitpunkt kein Anspruch auf Alg von mindestens 90 Tage mehr bestanden. Auf das Problem der Nahtlosigkeit komme es nicht mehr an.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die Leistungsakten der Beklagten verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht i.S. von § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beschwert, denn die Bescheide sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Gz gemäß § 57 SGB III a.F.

Nach § 57 Abs. 1 SGB III in der hier anwendbaren Fassung vom 1. Januar 2008 des SGB III (a.F.) haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. Der Gründungszuschuss wird nach § 57 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. geleistet, wenn der Arbeitnehmer 1. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat oder b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buch gefördert worden ist, 2. bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, dessen Dauer nicht allein auf § 127 Abs. 3 beruht, von mindestens 90 Tagen verfügt, 3. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 4. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.

Diese Voraussetzungen liegen im Fall der Klägerin nicht allesamt vor.

Ausgehend vom am 30. August 2008, den die Klägerin im Antragsformular als Tag der Aufnahme der hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit angegeben hatte, hatte sie noch von diesem Zeitpunkt an einen Alg-Restanspruch von 90 Tagen (§ 57 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 a) und 2 SGB III). Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und ist für den Senat auch nachvollziehbar, denn sie verfügte am 1. November 2008 noch über einen Alg-Anspruch von 30 Tagen, der aber erst im Dezember 2008 zur Gänze ausgezahlt wurde (Änderungsbescheid der Beklagten vom 11. August 2009). Insoweit kann nicht zweifelhaft sein, dass am 30. August 2008 noch der Restanspruch bestand. Allerdings ist schon hier festzustellen, dass die Klägerin auch in der Zeit vom 1. September bis 31. Oktober 2008 und für den Dezember 2008 Alg bezog, so dass der Anspruch am 30. Dezember 2008 erschöpft war, wie sich aus dem der Klägerin übermittelten Leistungsnachweis/Entgeltbescheinigung der Beklagten zum Nachweis beim Finanzamt und den Rentenversicherungsträgern (ohne Datum; Bl. 396 R der Leistungsakten) ergibt. Allein dieser Umstand zeigt hier schon auf, dass die Klägerin im Ergebnis nicht sowohl eine Entgeltersatzleistung (Alg) und eine Eingliederungsleistung für Arbeitnehmer (Gz) beanspruchen kann, denn durch den ab 30. August 2008 beanspruchten Gz wurde augenscheinlich die Arbeitslosigkeit nicht beendet.

Die Beklagte hat noch aus weiteren Gründen zu Recht die Bewilligung des Gz abgelehnt.

Die Bewilligung eines Gz setzt neben weiteren Voraussetzungen die Aufnahme einer selbstständigen hauptberuflichen Tätigkeit voraus. Wann eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen worden ist, ist nach ihrer jeweiligen Eigenart und anhand der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Ausschließlich der Vorbereitung dienende Tätigkeiten ohne Außenwirkung stellen noch keine Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit dar (vgl. BSG, Urteile vom 1. Juni 2006, B 7a AL 34/05, und vom 5. Mai 2010, B 11 AL 28/09R, beide juris). Demgegenüber kann die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit auch durch vorbereitende Maßnahmen geschehen, die vor der eigentlichen Geschäftseröffnung liegen, dies allerdings nur, wenn sie auch Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalten und ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2010, a.a.O.). Hiernach können etwa die Aufnahme der Warenproduktion vor Eröffnung eines Restaurants oder - wie hier - die Zulassung für den Beruf des Rechtsanwalts mit Urkunde vom 28. Mai 2008 bereits als Aufnahmehandlungen gewertet werden, ebenso die Absolvierung des Fachanwaltslehrgangs im Urheber- und Medienrecht, Abschluss von einer Berufshaftpflichtversicherung im Juni/Juli 2008 sowie die Anbahnung der Kooperation mit der Kanzlei im Juli 2008,die zu dem später realisierten Auftrag zur Erstellung des Konzepts für ein Handbuch "Kunstwirtschaft" geführt hat sowie erste Beratungen potentieller Kunden.

Der Senat ist gleichwohl nicht davon überzeugt, dass die Klägerin bereits ab Ende Mai bis Juli 2008 schon eine hauptberufliche selbstständige Tätigkeit ausgeübt hat. Das wäre nur der Fall, wenn von ihr diese Tätigkeit von 15 Stunden und mehr in der Woche ausgeübt worden wäre (zur Hauptberuflichkeit, siehe Kuhnke, jurisPK-SGB III, 1. Aufl., zu § 93 Rn. 15). Obwohl die Klägerin schon als zugelassene Rechtsanwältin unter anderem erste Beratungen potentieller Kunden und andere Aktivitäten entfaltet hatte, liegen keine Tatsachen vor, die den eindeutigen Schluss zuließen, sie hätte bereits als selbstständige Rechtsanwältin mehr als 15 Stunden in der Woche gearbeitet. Vielmehr stand die Klägerin noch im Alg-Leistungsbezug und musste offenbar 4-5 Stunden in der Woche einer Nebentätigkeit als Kellnerin in einem Café nachgehen. Dies lässt den Schluss schon vor dem Hintergrund des Alg- Bezuges zu, dass sie auch dem Arbeitsmarkt noch zur Vermittlung zur Verfügung stand (§§ 117, 118 SGB III a. F.). Damit ist aber davon auszugehen, dass sie als Rechtsanwältin (und auch zusammen mit ihrer Tätigkeit als Kellnerin) nicht mehr als 15 Stunden in der Woche gearbeitet hat.

Ausgehend von einer Antragstellung am 28. August 2008, wie handschriftlich auf dem Gz-Antragsformular vermerkt, und vom Vortrag der Klägerin, sie habe am 30. August 2008 ihre selbstständige hauptberufliche Tätigkeit als Rechtsanwältin aufgenommen, stehen dem erhebliche Bedenken gegenüber. Zum einen bezog sie auch weiterhin Alg über den 30. August 2008 hinaus, sogar bis 30. Dezember 2008 (ohne den Monat November 2008). Damit war sie aber weiterhin verfügbar i.S.d. §§ 117, 118 SGB III a. F., was dann eben auch für diese Zeit den Schluss zulässt, sie hat die Tätigkeit als Rechtsanwältin gerade nicht hauptberuflich ausgeübt. Zum anderen ging sie jedenfalls in den Monaten November und Dezember 2008 noch einer Nebentätigkeit als Kellnerin in einem Café nach, wie sich aus den entsprechenden Bescheinigungen über dem Erwerbseinkommen für diese Monate ergibt. Auch der Umstand, dass sie um eine Förderung vor dem Hintergrund einer Selbstständigkeit ab 1. Februar 2009 ersuchte (Vermerk vom 11. März 2009), spricht nicht dafür, dass sie bereits zum 30. August 2008 ihre selbstständige, hauptberufliche Tätigkeit aufgenommen hat.

Jedenfalls aber scheitert die Bewilligung eines Gz daran, dass zum Zeitpunkt der von der Klägerin behaupteten Aufnahme der selbstständigen hauptberuflichen Tätigkeit kein bewilligungsreifer Antrag der Beklagten vorlag.

Die Annahme eines wirksam gestellten Antrags auf Gewährung eines Gz i.S. des § 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III scheitert daran, dass es zu dem aus dem Stempelvermerk der Beklagten ersichtlichen Datum 28. August 2008 an einer aussagekräftigen - durch die Beklagte prüfungsfähigen - Beschreibung der Tragfähigkeit des Existenzgründungsvorhabens fehlte (§ 57 Abs. 2 Nr. 3 SGB III a.F.). Die vorgelegte Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer B über die fachlichen und materiellen Voraussetzungen der Klägerin für die erfolgreiche Ausübung der selbstständigen Tätigkeit stammt vom 18. Januar 2009 und wurde zudem erst zusammen mit ihren vollständigen Antragsunterlagen, also am 17. August 2009, aktenkundig vorgelegt. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Klägerin, dass das Gesetz nicht vorschreibe, ob und wann ein derartiger Nachweis zu erbringen sei. Zwar formuliert das Gesetz nicht ausdrücklich einen Zeitpunkt, zu dem der Tragfähigkeitsnachweis vorliegen müsse. Jedoch ergibt sich aus der Systematik des § 57 Abs. 2 SGB III a.F. der unmittelbare Zusammenhang zwischen dem in Satz 2 postulierten Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung durch Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle und dem vorangehenden Satz 1, der die grundlegenden gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gz formuliert.

Einleitend wird bereits bei den Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 SGB III a.F. auf "bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit" und in Nr. 2 der Vorschrift auf "bei Aufnahme " abgestellt und zeigt damit das Zeitmoment auf, dass jedenfalls für diese beiden (weiteren) gesetzlichen Tatbestandsmerkmale auf den Zeitpunkt vor bzw. bei der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit abgestellt wird. Nichts anderes kann für die übrigen in Nr. 3 und Nr. 4 der Vorschrift genannten Tatbestandsmerkmale gelten, wie sich aus dem Zusammenhang der Norm ergibt. So stellt sich Satz 2 als eine Konkretisierung von Satz 1 Nr. 3 und 4 (Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung, Darlegung der Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit) dar. Auch Sinn und Zweck der Regelung über den Gz lässt nur den Schluss zu, dass der Tragfähigkeitsnachweis durch Stellungnahme der fachkundigen Stelle vor der Entscheidung der Beklagten über die Gewährung des GZ vorliegen muss. Eine derartige Entscheidung ist eine Prognoseentscheidung, denn sie muss nach Sinn und Zweck des Zuschusses die Sicherung des Lebensunterhalts des Existenzgründers sowie die soziale Sicherung in der Anfangszeit der Unternehmensgründung ermöglichen. Die Stellungnahme der fachkundigen Stelle stellt die Grundlage für die Prüfung der Beklagten dar, ob einem Antragsteller der Nachweis seiner Eignung zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit sowie der Tragfähigkeit der Existenzgründung gelingen wird, ob also zu erwarten ist, dass die selbstständige Tätigkeit voraussichtlich nicht wegen Geldmangels oder Ungeeignetheit des Antragstellers abgebrochen werden muss. Denn in einem solchen Fall wäre die selbstständige Tätigkeit nicht realisierbar und solle nicht durch einen Gz gefördert werden (vgl. Bt-Drs. 13/4941, S. 163, LSG Schleswig Holstein, Urteil vom 11. Dezember 2009, L 3 AL 28/08, juris). Für den Antragsteller bedeutet dies, dass er in der Pflicht ist, die Stellungnahme beizubringen; der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 20 SGB X) ist insoweit eingeschränkt. Kommt der Antragsteller der Nachweispflicht nicht rechtzeitig nach, ist die Leistung – so wie hier – abzulehnen. Jedenfalls eine aktenkundige Vervollständigung der Antragsunterlagen im August 2009 ist weit zu spät und lässt auch eine rückwirkende Betrachtungsweise nicht mehr zu. Nach § 58 Abs. 1 SGB III a.F. wurde der Gz. für die Dauer von neun Monaten bewilligt. Diese wären für die Klägerin Ende Mai 2009 ausgelaufen, wenn ihr der Gz ab Ende August 2008 bewilligt worden wäre. Die Klägerin hat den Nachweis der Tragfähigkeit ihrer Selbstständigkeit erbracht, als ein möglicher Bewilligungsabschnitt bereits zeitlich abgelaufen wäre.

Nach Vorliegen dieser mithin notwendigen Antragsunterlagen hatte die Klägerin jedoch die Anspruchsvoraussetzungen des § 57 Abs. 2 SGB III a.F. nicht mehr erfüllt, denn ihr Stammrecht auf Alg war bereits durch die vollständige Erfüllung des Leistungsanspruchs erloschen. Zudem wäre der geforderte enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Bezug von Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III und der zuschussfinanzierten selbstständigen Tätigkeit dann nicht mehr gegeben.

Auf die Frage, ob die Klägerin tatsächlich einen Antrag am 28. August 2008 gestellt hatte, wie sich aus dem handschriftlichen Vermerk auf dem Gz-Antragsformular und einem Anruf der Klägerin bei der Beklagten am 18. September 2009, worin sie sich wohl nach der Bewilligung eines Gz vom 30. August 2008 bis 29. Mai 2009 erkundigt hat, ergibt, kommt es nicht entscheidend an. Nach dem telefonischen Kontakt scheint nicht ausgeschlossen zu sein, dass sie einen Antrag wohl nur ankündigte, einen Antrag auf einen Gz stellen und die Selbstständigkeit ab dem 1. September 2008 anstreben zu wollen. Zudem deutet der Kontakt am 11. März 2009 darauf hin, dass sie erneut um eine Förderung vor dem Hintergrund einer Selbstständigkeit ab 1. Februar 2009 ersuchte. Auch der Umstand, dass sie den ausgefüllten Antrag nebst Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer B vom 18. Januar 2009 zur Tragfähigkeit der Existenzgründung sowie weitere Unterlagen die Klägerin erst am 17. August 2009 einreichte, also nahezu ein Jahr später als der von ihr im Antragsformular angegebene Beginn der selbstständigen hauptberuflichen Tätigkeit am 30. August 2008 lässt weitere Zweifel zu, ob als Tag der Stellung eines Antrags auf GZ der 28. August 2008 entsprechend dem Vermerk der Beklagten im Antragsformular gewesen ist. Letztlich bedarf es hierzu keiner abschließenden Entscheidung des Senats, weil die Ablehnung des Gz aus den zuvor wiedergegebenen Gründen gerechtfertigt ist.

Im Fall der Klägerin griffe auch nicht die anstelle der Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB X) ins SGB III eingeführte Spezialvorschrift des § 324 Abs. 1 Satz 2 ein. Hiernach kann zur Vermeidung unbilliger Härten eine verspätete Antragstellung zugelassen werden, wenn sich die Berufung auf die verspätete Antragstellung als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen würde, etwa wenn den Antragsteller kein Verschulden an der verspäteten Antragstellung trifft, weil etwa die Versäumung der Antragsfrist ursächlich auf eine Verletzung der Informationspflicht der Arbeitsverwaltung zurückzuführen ist (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, B 7a AL 22/06 R, juris). Voraussetzung für die nachträgliche Zulassung der Antragstellung ist immer, dass der Antragsteller die verspätete Antragstellung nicht zu vertreten hat. Der Antragsteller muss die nach den Umständen erforderliche und nach seiner Persönlichkeit zumutbare Sorgfalt anwenden (§ 276 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)). Von fehlendem Vertretenmüssen kann im Fall der Klägerin nicht ausgegangen werden. Anders als in dem vom BSG entschiedenen Fall (Urteil vom 8. Februar 2007, a.a.O.), in welchem die Arbeitsverwaltung einen Arbeitslosen nicht über die Existenz einer neuen Förderungsleistung unterrichtet hatte, war sich die Klägerin, zumal ausgebildete Volljuristin, über die Fördermöglichkeiten für die Aufnahme einer selbstständigen hauptberuflichen Tätigkeit bewusst, denn sie bat die Beklagte ausweislich der Vermerke vom 26. August 2008 telefonisch wenige Tage vor dem letztmöglichen Zeitpunkt der Beantragung (30. August 2008) um Beratung zum Gz und kündigte mindestens einen derartigen Antrag an. Dass die Klägerin über das Fördererinstrument des Gz und dessen Voraussetzungen durchaus Bescheid wusste, ergibt sich aus einem weiteren Vermerk der Beklagten vom 28. August 2008; hiernach gab die Klägerin an, Selbstständigkeit ab dem 1. September 2008 anzustreben, da sie nur noch einen Anspruch auf Alg von 90 Tagen habe, und dass eine Besprechung der Selbstständigkeit mit dem Betreuer des Jobcenters bereits erfolgt sei. Da die Klägerin nur wenige Tage vor Wegfall der Fördervoraussetzungen (letztmaliger Alg-Anspruch von 90 Tagen am 30. August 2008) telefonisch einen Antrag angekündigt hatte, der vollständig und insbesondere mit dem Eignungs- und Tragfähigkeitsnachweis durch die fachkundige Stelle versehen zeitlich gar nicht mehr rechtzeitig bei der Behörde hätte angebracht werden können, hat sie die verspätete Antragstellung nach § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III ) auch zu vertreten.

Die Klägerin kann schließlich ihr Begehren auch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass die Beklagte ihr die Gewährung eines Gz zugesichert hätte. An den Voraussetzungen einer wirksamen Zusicherung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X fehlt es bereits deshalb, weil die Beklagte gegenüber der Klägerin niemals in der erforderlichen Schriftform erklärt hat, sie werde ihr einen Gz gewähren. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. August 2009 und im Änderungsbescheid vom 11. August 2009 keine konkludente Gewährung des Gz zu sehen. Die Bewilligung des der Klägerin mit Wirkung vom 21. November 2007 für 360 Kalendertage bewilligten Alg wurde vielmehr für den Monat November 2008 deshalb aufgehoben, weil die Klägerin als Kellnerin 306,75 Euro und für juristische Recherchearbeiten und ein Gutachten/Konzept zu einem Handbuch der Kunstwirtschaft ein anzurechnendes Nebeneinkommen (§ 141 SGB III, § 51 SGB I) i.H.v. 1.000 Euro im November 2008 erzielt hatte. Infolge der Aufhebung des Alg für November 2008 gewährte die Beklagte der Klägerin noch einen Restanspruch auf Alg von 30 Tagen vom 1. bis zum 30. Dezember 2008. Dies bedeutet aber nicht, dass sich der Zeitpunkt des Auslaufens des Alg-Restanspruchs dadurch ebenfalls verschoben hätte und der Stichtag für den notwendigen Restanspruch von mindestens 90 Tagen nunmehr mit dem 30. September 2008 anzunehmen wäre – im Übrigen hätte auch zu diesem Zeitpunkt kein bewilligungsreifer Gz-Antrag vorgelegen. Regelungsgegenstand der Bescheide vom 11. August 2009 war - wie sich aus der Begründung eindeutig ergibt - allein die Berücksichtigung des von der Klägerin im November 2008 erzielten Nebeneinkommens. Unerheblich für die Anrechnung des Nebeneinkommens ist im Übrigen auch, ob die tatsächliche Zahlung erst im Dezember 2008 erfolgt sei, wie die Klägerin behauptet. Für die Anrechnung von Einkommen nach § 141 SGB a.F. wird nicht darauf abgestellt, wann es zugeflossen ist, sondern für welchen Monat es erzielt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juni 2004 – B 7 AL 58/03 R – juris). Eine konkludente Gewährung des Gz jedenfalls ist ausweislich des eindeutigen Tenors und der Begründung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides und Änderungsbescheides vom 11. August 2009 in diesen nicht zu sehen. Da der GZ - wie bereits dargelegt - nur auf ausdrücklichen förmlichen Antrag nach Durchführung einer Prognoseentscheidung der Beklagten gewährt werden kann, ist mithin eine konkludente Gewährung überhaupt nicht denkbar.

Die Beklagte hat daher die Gewährung des Gz zu Recht abgelehnt. Die Berufung der Klägerin bleibt mithin ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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