Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 511/16 KL ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine Änderung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG kommt regelmäßig nur dann in Betracht kommt, wenn nach der früheren Beschlussfassung neue Tatsachen eingetreten sind, neuer Vortrag aus nicht vom Antragsteller zu vertretenden Gründen bislang nicht vorgebracht werden konnte oder das zugrunde liegende Recht geändert wurde.
Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I. Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Schiedsspruch der Antragsgegnerin, der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V).
Die Antragstellerin brachte als pharmazeutische Unternehmerin erstmalig am 1. Juni 2014 das Arzneimittel Betmiga (Wirkstoff: Mirabegron, Wirkstärke 50 mg) in Deutschland in den Verkehr. Betmiga verfügt seit Dezember 2012 über eine europaweite arzneimittelrechtliche Zulassung der European Medicines Agency (EMA) für die Anwendungsgebiete "symptomatische Therapie von imperativem Harndrang, erhöhte Miktionsfrequenz und/oder Dranginkontinenz, die bei Erwachsenen mit überaktiver Blase (OAB, overactive bladder) auftreten können."
Durch Beschluss vom 20. November 2014 hat der Beigeladene zu 2., der Gemeinsame Bundesausschuss, auf der Grundlage von § 35a SGB V den Nutzen des Wirkstoffs Mirabegron bewertet und entschieden, dass ein Zusatznutzen im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie nicht belegt sei. Hierauf haben die Antragstellerin und der Beigeladene zu 1., der GKV-Spitzenverband, ergebnislos Verhandlungen nach § 130b Abs. 1 SGB V über den von den Krankenkassen für das Arzneimittel zu übernehmenden Erstattungsbetrag geführt. Mit Schiedsspruch vom 3. November 2015 hat die Antragsgegnerin u.a. den Erstattungsbetrag für das o.g. Arzneimittel ab dem 1. Juni 2015 auf 0,5510 Euro je Bezugsgröße festgesetzt. Am 30. November 2015 hat die Antragstellerin Klage gegen den Schiedsspruch erhoben (L 9 KR 514/15 KL) und zugleich ein Eilverfahren mit dem Ziel angestrengt, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu erreichen.
Bereits zum 1. Juni 2015 hatte die Antragstellerin, weil sie ihre Preisvorstellungen für Betmiga bis dahin nicht durchsetzen konnte, den Vertrieb des Arzneimittels in Deutschland eingestellt, um zu verhindern, dass in der Lauer-Taxe als öffentlich zugänglicher Referenzquelle ein aus ihrer Sicht zu niedriger Abgabepreis gelistet werde, der europaweit eine Preisspirale nach unten in Gang hätte setzen können.
Mit Beschluss vom 10. Mai 2016 – L 9 KR 513/15 KL ER – hat der Senat die aufschiebende Wirkung der o.g. Klage gegen den o.g. Schiedsspruch der Antragsgegnerin angeordnet, soweit diese darin einen Erstattungsbetrag von weniger als 0,7256 Euro je Bezugsgröße festgesetzt hat; im Übrigen hat er den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurückgewiesen.
Am 19. Oktober 2016 hat die Antragstellerin die Änderung dieses Beschlusses beantragt. Zur Begründung trägt sie vor: Entgegen ihrer seinerzeitigen Annahme habe ihre globale Konzernzentrale es abgelehnt, Betmiga zu einem Preis unterhalb von 0,7256 Euro einzuführen. Die Wiederaufnahme des Vertriebs in Deutschland setze die uneingeschränkte Anordnung der aufschiebenden Wirkung voraus. Deren Begrenzung sei ohne inhaltliche Überprüfung des Beschlusses des Beigeladenen zu 2. erfolgt. Dieser sei jedoch aus mehreren Gründen offensichtlich rechtswidrig.
II. Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin, den Beschluss des Senats vom 10. Mai Juni 2016 zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage (L 9 KR 514/15 KL) gegen den Schiedsspruch der Antragsgegnerin vom 3. November 2015 insgesamt anzuordnen, hat keinen Erfolg.
1. Auch rechtskräftige Beschlüsse, die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangen sind, nehmen an der Bindungswirkung nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG für die Beteiligten eines solchen Verfahrens teil (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Mai 2016 – L 9 KR 513/15 KL ER –; Landessozialgericht Berlin, Beschluss vom 26. Oktober 2004 – L 15 B 88/04 KR ER –; Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 27. Februar 2012 – L 3 R 12/12 B ER –; alle juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. A., § 141 Rd. 5). Denn nicht nur im Hauptsache-, sondern auch im Anordnungsverfahren besteht ein Bedürfnis, durch das Institut der materiellen Rechtskraft einem fortgesetzten Streit unter den Beteiligten über denselben Streitgegenstand entgegenzuwirken, die Überlastung der Gerichte zu vermeiden sowie der Gefahr widersprechender Entscheidungen zu begegnen (BFH, DStR 1992, 1685). Beschlüsse im gerichtlichen Eilverfahren beinhalten nicht die vorläufige Regelung eines endgültigen Zustands, sondern die abschließende – endgültige – Regelung eines vorläufigen Zustands. Dies gilt auch, soweit sie Eilanträge zurückweisen. Die Wirkung der Rechtskraft ist von Amts wegen zu beachten; eine neue Entscheidung über denselben Gegenstand zwischen denselben Beteiligten ist nicht möglich (Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 30. Januar 2004 – L 6 RJ 914/03 ER –, Rn. 34, juris).
a. Diese Bindungswirkung schließt eine von der vorangehenden Entscheidung abweichende Sachentscheidung grundsätzlich aus. Eine solche ist nur ausnahmsweise im Rahmen eines Abänderungsantrages in Anwendung von § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG oder auf einen neuen Eilantrag hin möglich, wenn sich die für die vorangegangene gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Umstände geändert haben. Anderenfalls ist ein erneuter, im Wesentlichen inhaltsgleicher Antrag unzulässig. Das ist insbesondere der Fall, wenn der ursprüngliche Antrag wiederholt und der gesamte Streitstoff des vorangegangenen Verfahrens, wenn auch unter Vertiefung und Erweiterung, zur Überprüfung gestellt wird. Selbst wenn sich in einzelnen Punkten neue Erkenntnisse ergeben haben sollten, so führte ihre Einbettung in den bereits im vorangegangenen Verfahren behandelten Streitstoff nur dazu, dass erneut über denselben Streitgegenstand entschieden würde. Dies würde die Bindungswirkung des rechtskräftigen früheren Beschlusses unter Verstoß gegen § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG durchbrechen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, a.a.O.).
b. Allerdings geht die Gesetzesbegründung davon aus, dass die für das Gericht der Hauptsache bestehende Abänderungsbefugnis nicht beschränkt ist, insbesondere eine Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vorausgesetzt werde (Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes - 6.SGGÄndG -, BR-Drs. 132/02, S. 52). Hierfür könnte auch sprechen, dass nach § 80 Abs. 7 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung und § 69 Abs. 6 Satz 2 Finanzgerichtsordnung die Änderung eines Beschlusses über die (Ablehnung der) Anordnung der aufschiebenden Wirkungen bzw. Aussetzung der Vollziehung (nur) "wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände" beantragt werden kann. Gleichwohl kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber eine Änderung nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG – ohne Beachtung der o.g. allgemeinen Grundsätze zur materiellen Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen – von keinerlei Voraussetzungen abhängig machen wollte. Er hätte andernfalls in Kauf genommen, dass Sachverhalte, über die materiell rechtskräftig entschieden wurde, beliebig oft einer erneuten gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen wären. Antragsteller hätten es dann in der Hand, durch eine "Dosierung" ihrer Argumente fast unbegrenzt eine wiederholte Sachbefassung durch das Gericht erzwingen zu können. Dies würde nicht nur bereits ergangene materiell rechtskräftige gerichtlichen Entscheidungen vollständig entwerten, sondern es würde auch das zentrale Anliegen des 6.SGGÄndG, die "Straffung und Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens" (BR-Drs. 132/01, S. 38), in sein Gegenteil verkehren, zumal der Gesetzgeber davon ausging, dass mit der umfassenden Kodifizierung des einstweiligen Rechtsschutzes im sozialgerichtlichen Verfahren keine Mehrbelastung der Gerichte eintritt (a.a.O., S. 39).
c. Der Senat übt daher das ihm durch § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG eingeräumte Ermessen ("kann") regelhaft dahin aus, dass eine Änderung nur dann in Betracht kommt, wenn nach der früheren Beschlussfassung neue Tatsachen eingetreten sind, neuer Vortrag aus nicht vom Antragsteller zu vertretenden Gründen bislang nicht vorgebracht werden konnte oder das zugrunde liegende Recht geändert wurde (vgl. BFH, a.a.O.; Thüringer Landessozialgericht, a.a.O.; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Dezember 2009 – L 7 SO 5021/09 ER –, juris, m.w.N.; Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht / Krodel, Stand: 1. Dez. 2016, § 86b SGG, Rn. 151; Hintz/Lowe, Sozialgerichtsgesetz, § 86b Rd. 152; Roos/Wahrendorf, Sozialgerichtsgesetz, § 86b Rn. 140; ähnlich Meßling, in: Hennig, SGG, Stand: Dez. 2014, § 86b, Rd. 215; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, a.a.O., § 86b Rd. 20; Wehrhahn in: Breitkreuz/Fichte, SGG - Kommentar, § 86b Rd. 54; Doppler, in: Plagemann, Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, 4. A., Rd. 113; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 09. Juli 2012 – L 11 AS 333/12 ER –, juris).
Bloße Meinungsänderungen des Gerichts, z.B. nach einem Richterwechsel, genügen demgegenüber nicht (Landessozialgericht Baden-Württemberg, a.a.O., m.w.N.; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O.), zumal die Beteiligten von einer solchen Meinungsänderung typischerweise nichts erfahren, sie wegen des Antragserfordernisses daher vom Gericht darauf hingewiesen werden müssten, was das Gericht dem Vorwurf, es bestehe die Besorgnis der Befangenheit, aussetzen könnte. Ob eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung für einen Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG ausreichen würde, muss der Senat im vorliegenden Verfahren nicht entscheiden.
2. Diesen Anforderungen des Senats genügt das Vorbringen der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren nicht.
a. Dies gilt zunächst, soweit sie im hiesigen Rechtsstreit erstmalig die Rechtmäßigkeit des Nutzenbewertungsbeschlusses des Beigeladenen zu 2. anzweifelt. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Einwände nicht bereits im Verfahren L 9 KR 513/15 KL ER hätten geltend gemacht werden können.
b. Soweit sich die Antragstellerin auf Entscheidungen ihrer Konzernleitung beruft, zwingt dies den Senat nicht zu einer erneuten Befassung mit ihrem Anliegen. Denn insofern wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Verfahren L 9 KR 513/15 KL ER, wonach ohne Anordnung der aufschiebenden Wirkung ein wirtschaftlicher Vertrieb von Betmiga nicht möglich sei.
Unabhängig hiervon weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Angaben der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht sind. Die sinngemäße Behauptung, auch bei einem Erstattungsbetrag von 0,7256 Euro je Bezugsgröße sei ein "wirtschaftlicher Vertrieb von Mirabegron insgesamt unmöglich", ist in keiner Weise substantiiert; hierfür hätte es einer umfangreichen Darlegung der konkret zu erwartenden Nachteile bedurft. Im Hinblick auf die behaupteten Absatznachteile in Europa aufgrund des internationalen Preisreferenzsystems bleibt auch offen, ob die Antragstellerin selbst das Arzneimittel in den anderen europäischen Staaten verkauft oder die finanziellen Nachteile nicht letztlich andere Konzernunternehmen träfe, was im vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung wäre. Im Übrigen könnte der Senat auch zugunsten der Antragstellerin unterstellen, ohne einen Erfolg im Eilverfahren sei die Vermarktung von Betmiga unwirtschaftlich. Denn im Hinblick auf die insoweit maßgebliche rechtliche Voraussetzung für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung, eine "unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte" (Rechtsgedanke des § 86a Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. SGG; vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11.A., § 86b Rd. 12b m.w.N.), wäre mit dieser Annahme nichts gewonnen. Entscheidend ist nicht, ob ein einzelnes Arzneimittel der Antragstellerin gewinnbringend vermarktet werden kann, sondern ob die sofortige Vollziehung der Schiedsamtsentscheidung eine unbillige Härte für die Antragstellerin selbst bedeutet. Zu ihrer finanziellen Gesamtsituation hat die Antragstellerin, die nicht nur Betmiga, sondern eine Vielzahl weiterer Arzneimittel vertreibt – dies entnimmt der Senat ihrer Website (www ...de) sowie der sog. Gelben Liste (www.gelbe-liste.de) –, indes nichts vorgetragen.
Diese Entscheidung kann gem. § 177 SGG nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe:
I. Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Schiedsspruch der Antragsgegnerin, der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V).
Die Antragstellerin brachte als pharmazeutische Unternehmerin erstmalig am 1. Juni 2014 das Arzneimittel Betmiga (Wirkstoff: Mirabegron, Wirkstärke 50 mg) in Deutschland in den Verkehr. Betmiga verfügt seit Dezember 2012 über eine europaweite arzneimittelrechtliche Zulassung der European Medicines Agency (EMA) für die Anwendungsgebiete "symptomatische Therapie von imperativem Harndrang, erhöhte Miktionsfrequenz und/oder Dranginkontinenz, die bei Erwachsenen mit überaktiver Blase (OAB, overactive bladder) auftreten können."
Durch Beschluss vom 20. November 2014 hat der Beigeladene zu 2., der Gemeinsame Bundesausschuss, auf der Grundlage von § 35a SGB V den Nutzen des Wirkstoffs Mirabegron bewertet und entschieden, dass ein Zusatznutzen im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie nicht belegt sei. Hierauf haben die Antragstellerin und der Beigeladene zu 1., der GKV-Spitzenverband, ergebnislos Verhandlungen nach § 130b Abs. 1 SGB V über den von den Krankenkassen für das Arzneimittel zu übernehmenden Erstattungsbetrag geführt. Mit Schiedsspruch vom 3. November 2015 hat die Antragsgegnerin u.a. den Erstattungsbetrag für das o.g. Arzneimittel ab dem 1. Juni 2015 auf 0,5510 Euro je Bezugsgröße festgesetzt. Am 30. November 2015 hat die Antragstellerin Klage gegen den Schiedsspruch erhoben (L 9 KR 514/15 KL) und zugleich ein Eilverfahren mit dem Ziel angestrengt, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu erreichen.
Bereits zum 1. Juni 2015 hatte die Antragstellerin, weil sie ihre Preisvorstellungen für Betmiga bis dahin nicht durchsetzen konnte, den Vertrieb des Arzneimittels in Deutschland eingestellt, um zu verhindern, dass in der Lauer-Taxe als öffentlich zugänglicher Referenzquelle ein aus ihrer Sicht zu niedriger Abgabepreis gelistet werde, der europaweit eine Preisspirale nach unten in Gang hätte setzen können.
Mit Beschluss vom 10. Mai 2016 – L 9 KR 513/15 KL ER – hat der Senat die aufschiebende Wirkung der o.g. Klage gegen den o.g. Schiedsspruch der Antragsgegnerin angeordnet, soweit diese darin einen Erstattungsbetrag von weniger als 0,7256 Euro je Bezugsgröße festgesetzt hat; im Übrigen hat er den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurückgewiesen.
Am 19. Oktober 2016 hat die Antragstellerin die Änderung dieses Beschlusses beantragt. Zur Begründung trägt sie vor: Entgegen ihrer seinerzeitigen Annahme habe ihre globale Konzernzentrale es abgelehnt, Betmiga zu einem Preis unterhalb von 0,7256 Euro einzuführen. Die Wiederaufnahme des Vertriebs in Deutschland setze die uneingeschränkte Anordnung der aufschiebenden Wirkung voraus. Deren Begrenzung sei ohne inhaltliche Überprüfung des Beschlusses des Beigeladenen zu 2. erfolgt. Dieser sei jedoch aus mehreren Gründen offensichtlich rechtswidrig.
II. Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin, den Beschluss des Senats vom 10. Mai Juni 2016 zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage (L 9 KR 514/15 KL) gegen den Schiedsspruch der Antragsgegnerin vom 3. November 2015 insgesamt anzuordnen, hat keinen Erfolg.
1. Auch rechtskräftige Beschlüsse, die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangen sind, nehmen an der Bindungswirkung nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG für die Beteiligten eines solchen Verfahrens teil (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Mai 2016 – L 9 KR 513/15 KL ER –; Landessozialgericht Berlin, Beschluss vom 26. Oktober 2004 – L 15 B 88/04 KR ER –; Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 27. Februar 2012 – L 3 R 12/12 B ER –; alle juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. A., § 141 Rd. 5). Denn nicht nur im Hauptsache-, sondern auch im Anordnungsverfahren besteht ein Bedürfnis, durch das Institut der materiellen Rechtskraft einem fortgesetzten Streit unter den Beteiligten über denselben Streitgegenstand entgegenzuwirken, die Überlastung der Gerichte zu vermeiden sowie der Gefahr widersprechender Entscheidungen zu begegnen (BFH, DStR 1992, 1685). Beschlüsse im gerichtlichen Eilverfahren beinhalten nicht die vorläufige Regelung eines endgültigen Zustands, sondern die abschließende – endgültige – Regelung eines vorläufigen Zustands. Dies gilt auch, soweit sie Eilanträge zurückweisen. Die Wirkung der Rechtskraft ist von Amts wegen zu beachten; eine neue Entscheidung über denselben Gegenstand zwischen denselben Beteiligten ist nicht möglich (Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 30. Januar 2004 – L 6 RJ 914/03 ER –, Rn. 34, juris).
a. Diese Bindungswirkung schließt eine von der vorangehenden Entscheidung abweichende Sachentscheidung grundsätzlich aus. Eine solche ist nur ausnahmsweise im Rahmen eines Abänderungsantrages in Anwendung von § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG oder auf einen neuen Eilantrag hin möglich, wenn sich die für die vorangegangene gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Umstände geändert haben. Anderenfalls ist ein erneuter, im Wesentlichen inhaltsgleicher Antrag unzulässig. Das ist insbesondere der Fall, wenn der ursprüngliche Antrag wiederholt und der gesamte Streitstoff des vorangegangenen Verfahrens, wenn auch unter Vertiefung und Erweiterung, zur Überprüfung gestellt wird. Selbst wenn sich in einzelnen Punkten neue Erkenntnisse ergeben haben sollten, so führte ihre Einbettung in den bereits im vorangegangenen Verfahren behandelten Streitstoff nur dazu, dass erneut über denselben Streitgegenstand entschieden würde. Dies würde die Bindungswirkung des rechtskräftigen früheren Beschlusses unter Verstoß gegen § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG durchbrechen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, a.a.O.).
b. Allerdings geht die Gesetzesbegründung davon aus, dass die für das Gericht der Hauptsache bestehende Abänderungsbefugnis nicht beschränkt ist, insbesondere eine Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vorausgesetzt werde (Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes - 6.SGGÄndG -, BR-Drs. 132/02, S. 52). Hierfür könnte auch sprechen, dass nach § 80 Abs. 7 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung und § 69 Abs. 6 Satz 2 Finanzgerichtsordnung die Änderung eines Beschlusses über die (Ablehnung der) Anordnung der aufschiebenden Wirkungen bzw. Aussetzung der Vollziehung (nur) "wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände" beantragt werden kann. Gleichwohl kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber eine Änderung nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG – ohne Beachtung der o.g. allgemeinen Grundsätze zur materiellen Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen – von keinerlei Voraussetzungen abhängig machen wollte. Er hätte andernfalls in Kauf genommen, dass Sachverhalte, über die materiell rechtskräftig entschieden wurde, beliebig oft einer erneuten gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen wären. Antragsteller hätten es dann in der Hand, durch eine "Dosierung" ihrer Argumente fast unbegrenzt eine wiederholte Sachbefassung durch das Gericht erzwingen zu können. Dies würde nicht nur bereits ergangene materiell rechtskräftige gerichtlichen Entscheidungen vollständig entwerten, sondern es würde auch das zentrale Anliegen des 6.SGGÄndG, die "Straffung und Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens" (BR-Drs. 132/01, S. 38), in sein Gegenteil verkehren, zumal der Gesetzgeber davon ausging, dass mit der umfassenden Kodifizierung des einstweiligen Rechtsschutzes im sozialgerichtlichen Verfahren keine Mehrbelastung der Gerichte eintritt (a.a.O., S. 39).
c. Der Senat übt daher das ihm durch § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG eingeräumte Ermessen ("kann") regelhaft dahin aus, dass eine Änderung nur dann in Betracht kommt, wenn nach der früheren Beschlussfassung neue Tatsachen eingetreten sind, neuer Vortrag aus nicht vom Antragsteller zu vertretenden Gründen bislang nicht vorgebracht werden konnte oder das zugrunde liegende Recht geändert wurde (vgl. BFH, a.a.O.; Thüringer Landessozialgericht, a.a.O.; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Dezember 2009 – L 7 SO 5021/09 ER –, juris, m.w.N.; Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht / Krodel, Stand: 1. Dez. 2016, § 86b SGG, Rn. 151; Hintz/Lowe, Sozialgerichtsgesetz, § 86b Rd. 152; Roos/Wahrendorf, Sozialgerichtsgesetz, § 86b Rn. 140; ähnlich Meßling, in: Hennig, SGG, Stand: Dez. 2014, § 86b, Rd. 215; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, a.a.O., § 86b Rd. 20; Wehrhahn in: Breitkreuz/Fichte, SGG - Kommentar, § 86b Rd. 54; Doppler, in: Plagemann, Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, 4. A., Rd. 113; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 09. Juli 2012 – L 11 AS 333/12 ER –, juris).
Bloße Meinungsänderungen des Gerichts, z.B. nach einem Richterwechsel, genügen demgegenüber nicht (Landessozialgericht Baden-Württemberg, a.a.O., m.w.N.; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O.), zumal die Beteiligten von einer solchen Meinungsänderung typischerweise nichts erfahren, sie wegen des Antragserfordernisses daher vom Gericht darauf hingewiesen werden müssten, was das Gericht dem Vorwurf, es bestehe die Besorgnis der Befangenheit, aussetzen könnte. Ob eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung für einen Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG ausreichen würde, muss der Senat im vorliegenden Verfahren nicht entscheiden.
2. Diesen Anforderungen des Senats genügt das Vorbringen der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren nicht.
a. Dies gilt zunächst, soweit sie im hiesigen Rechtsstreit erstmalig die Rechtmäßigkeit des Nutzenbewertungsbeschlusses des Beigeladenen zu 2. anzweifelt. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Einwände nicht bereits im Verfahren L 9 KR 513/15 KL ER hätten geltend gemacht werden können.
b. Soweit sich die Antragstellerin auf Entscheidungen ihrer Konzernleitung beruft, zwingt dies den Senat nicht zu einer erneuten Befassung mit ihrem Anliegen. Denn insofern wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Verfahren L 9 KR 513/15 KL ER, wonach ohne Anordnung der aufschiebenden Wirkung ein wirtschaftlicher Vertrieb von Betmiga nicht möglich sei.
Unabhängig hiervon weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Angaben der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht sind. Die sinngemäße Behauptung, auch bei einem Erstattungsbetrag von 0,7256 Euro je Bezugsgröße sei ein "wirtschaftlicher Vertrieb von Mirabegron insgesamt unmöglich", ist in keiner Weise substantiiert; hierfür hätte es einer umfangreichen Darlegung der konkret zu erwartenden Nachteile bedurft. Im Hinblick auf die behaupteten Absatznachteile in Europa aufgrund des internationalen Preisreferenzsystems bleibt auch offen, ob die Antragstellerin selbst das Arzneimittel in den anderen europäischen Staaten verkauft oder die finanziellen Nachteile nicht letztlich andere Konzernunternehmen träfe, was im vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung wäre. Im Übrigen könnte der Senat auch zugunsten der Antragstellerin unterstellen, ohne einen Erfolg im Eilverfahren sei die Vermarktung von Betmiga unwirtschaftlich. Denn im Hinblick auf die insoweit maßgebliche rechtliche Voraussetzung für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung, eine "unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte" (Rechtsgedanke des § 86a Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. SGG; vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11.A., § 86b Rd. 12b m.w.N.), wäre mit dieser Annahme nichts gewonnen. Entscheidend ist nicht, ob ein einzelnes Arzneimittel der Antragstellerin gewinnbringend vermarktet werden kann, sondern ob die sofortige Vollziehung der Schiedsamtsentscheidung eine unbillige Härte für die Antragstellerin selbst bedeutet. Zu ihrer finanziellen Gesamtsituation hat die Antragstellerin, die nicht nur Betmiga, sondern eine Vielzahl weiterer Arzneimittel vertreibt – dies entnimmt der Senat ihrer Website (www ...de) sowie der sog. Gelben Liste (www.gelbe-liste.de) –, indes nichts vorgetragen.
Diese Entscheidung kann gem. § 177 SGG nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden.
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