L 1 KR 142/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 166 KR 993/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 142/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Bezahlung einer Krankenhausrechnung.

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus in B. In der Zeit vom 9. Januar 2011 bis zum 18. Januar 2011 wurde dort die bei der Beklagten krankenversicherte Frau E L (Versicherte) behandelt. Diese wurde am 10. Januar 2011 aufgrund eines Nierentumors operiert. Es erfolgte eine Nierenteilresektion. Dabei kam es beim Einsatz eines Rippensperrers zur Fraktur einer Rippe. Im Verlauf der Operation wurde diese gebrochene Rippe entfernt ("reseziert") und stumpf geschliffen.

Die Beklagte bezahlte zunächst den von der Klägerin unter dem 8. Februar 2011 in Rechnung gestellten Betrag. Am 3. März 2011 erfolgte eine Prüfanzeige des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg (MDK) nach § 275 Abs. 1c SGB V an die Klägerin. Mit weiterem Schreiben vom 4. März 2011 teilte der MDK weitergehend mit, beauftragt zu sein, eine gutachterliche Stellungnahme zu "Kodierprüfung: Nebendiagnose Schweregrad-Änderung" abzugeben. Gebeten wurde um Übersendung aller zur Beantwortung der Krankenkassenfrage notwendigen Krankenhausunterlagen, insbesondere um den Arztbrief und den OP-Bericht vom 10. Januar 2011. Ohne dass die Klägerin Unterlagen einreichte, erstellte der MDK unter dem 3. Dezember 2011 ein Gutachten nach Aktenlage. Er gelangte zu dem Ergebnis, die abgerechnete DRG L03Z sei medizinisch nicht sachgerecht. Insbesondere sei die Nebendiagnose T81.8 (sonstige Komplikationen bei Eingriffen, andernorts nicht klassifiziert) medizinisch nicht plausibel. Die frakturierte Rippe sei vielmehr mit der Nebendiagnose S22.32 (Rippenfraktur einer sonstigen Rippe) zu kodieren. Die von der Klägerin verschlüsselten Prozeduren -insbesondere die Prozedur 5-343.2:R (partielle Resektion einer Rippe)- wurden hingegen bestätigt. Im Ergebnis gelangte der MDK zur DRG L13 A. Die Beklagte machte sich diese Stellungnahme zu Eigen und forderte die Klägerin auf, eine korrigierte Rechnung einzureichen. Am 6. August 2012 verrechnete sie den gesamten Rechnungsbetrag mit anderen fälligen unstreitigen Forderungen der Klägerin und überwies am 13. August 2012 den geminderten Restbetrag in Höhe von 6.351,60 EUR.

Die Klägerin hat am 31. Mai 2013 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben mit dem Antrag auf Zahlung des Differenzbetrages in Höhe von 4.034,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. August 2012. Zur Beschreibung der Rippenfraktur sei die erfolgte T-Diagnose die spezifischere Diagnose. Es habe sich um eine Komplikation bei einem chirurgischen Eingriff gehandelt. Betrachte man die Systematik des ICD-10-Kataloges, stünden sowohl die S-Codes als auch die T-Codes im Kapitel 19 (Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen). S 22.32 falle unter das Unterkapitel "Verletzungen des Thorax", während die T81 im Kapitel "Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, andernorts nicht klassifiziert" stehe. Schon vom Wortlaut her sei der T-Code das Spezifischere, da der Zusammenhang der Verletzung, nämlich die Komplikation bei einem chirurgischen Eingriff, gesondert in der Kapitelüberschrift bezeichnet werde. Eine Rippenfraktur könne durch jede äußere Ursache hervorgerufen werden. In den Deutschen Kodierrichtlinien, Version 2011 (DKR) heiße es unter d002f für "Erkrankungen bzw. Störungen nach medizinischen Maßnahmen", dass die in der Tabelle 1 aufgeführten DRGs nur dann als Hauptdiagnose zu verschlüsseln seien, wenn kein spezifischer Code in Bezug auf die Erkrankung bzw. Störung existiere oder die Verschlüsselung durch ein Exklusivem ausgeschlossen sei. Gleiches gelte für die Kategorien T80-T88. Die Codes dieser Tabelle 1 seien den Codes T80 bis T88 vorzuziehen, soweit letztere die Erkrankung bzw. Störung nicht spezifischer beschrieben. Für die Rippenfraktur gebe es keinen spezifischen Code für eine intraoperative Fraktur, welche in der Tabelle 1 aufgeführt sei. Deshalb sei hier ein Code aus dem Kapitel T heranzuziehen. Die Rippenfraktur im Code S22.32 sei nur die Bezeichnung für die Lokalisation eines Knochenbruches. Eine Komplikation sei insoweit das Speziellere.

Auf Bitten der Beklagten hat die Klägerin die Patientenakte zur Einsichtnahme durch die Beklagte eingereicht. Die Beklagte hat ausgeführt, es sei für die Diagnose unerheblich, weshalb die Rippe gebrochen sei. Die Genese der Fraktur sei für die weitere Behandlung unerheblich gewesen. Dem operativen Aufwand sei im Rahmen der Nebendiagnosekriterien und der Prozeduren Rechnung getragen worden. Der MDK hat unter dem 18. Oktober 2013 eine neue Begutachtung abgegeben.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 20. Februar 2015 abgewiesen. Es sei vorliegend die Nebendiagnose S22.32 zu codieren gewesen, weil diese die spezifischere Diagnose sei. Auf die Genese der Diagnose komme es zur Erfassung der Nebendiagnose nicht an.

Gegen das ihr am 11. März 2015 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin von Montag, den 13. April 2015. Zu deren Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Da mit Verwendung des Codes T81.8 eine Beziehung zur Ursache der Fraktur hergestellt werde, sei dieser der Speziellere. Sie grenze die Ursache der Rippenfraktur ein. Da es dabei nur um eine Nebendiagnose gehe, könne und müsse sowohl die S22.32 als auch die T81.8 nebeneinander kodiert werden. Rippenfraktionen würden nach ihrer Ätiologie durch ihre Ursachen unterschieden, etwa durch stumpfe Traumata, Schussverletzungen oder durch einen Rippensperrer bei Operationen im Thoraxbereich. Die Therapie bestimme sich nach ihrem Ausmaß und ihrer Ursache. Auch insoweit sei der von der Klägerin gewählte Code spezifischer, er habe zusätzlich kodiert werden müssen, um die Ursache der Fraktur korrekt abzubilden.

Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Februar 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.034,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % über dem Basiszinssatz seit dem 7. August 2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Der Klägerin steht kein Zahlungsanspruch der geforderten Höhe zu. Die zutreffend als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz -SGG) erhobene Klage ist nicht begründet. Dem von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch steht die Aufrechnung der Beklagten entgegen. Der Beklagten stand in Höhe der Klageforderung ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, denn in dieser Höhe hatte sie die stationäre Behandlung der Versicherten ohne Rechtsgrund vergütet. Die Klägerin hatte insoweit keinen Entgeltanspruch.

Rechtsgrundlage des von der Klägerin für die Behandlung der Versicherten geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V, § 17b Abs. 1 Satz 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und § 7 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Verbindung mit dem hier insoweit maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser (FPV) für das Jahr 2011. Der in Ausführung dieser gesetzlichen Verpflichtung vereinbarte Fallpauschalenkatalog sieht für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG zwei Schritte vor: Zunächst ist die durchgeführte Behandlung nach Gegenstand und prägenden Merkmalen nach einem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information herausgegebenen Code zu verschlüsseln. Dazu haben die Vertragspartner Kodierrichtlinien beschlossen, die ebenfalls jährlich überprüft und angepasst werden. Der sich ergebende Code ist in zu diesen Zwecken entwickelte Computerprogramme (sog. Grouper) einzugeben, die dann nach bestimmten vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Kriterien die Zuordnung zu einer bestimmten DRG vornehmen. Aus dieser wird dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von dem Krankenhaus zu zahlende Vergütung berechnet (vgl. BSG Urt. v. 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rdnr. 17-21, Urt. v. 18. September 2008 – B 3 KR 15/07 R – juris Rdnr. 16).

Hier ist zwischen den Beteiligten einzig streitig, wie die Nebendiagnose der Rippenfraktur zu codieren ist.

Der Senat ist mit dem Sozialgericht und der Beklagten der Auffassung, dass hierfür die DRG S22.32 (Rippenfraktur einer sonstigen Rippe) die Spezifische ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), welcher der hiesige Senat folgt, sind die Vergütungsregelungen stets nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen. Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zu Tage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 25/13 R- Rdnr. 13 mit weiteren Nachweisen).

Da nach dem Wortlaut die T-Kodierung subsidiär ist ("andernorts nicht klassifiziert") scheidet eine Kodierung nach ihr aus.

Soweit sich die Klägerin auf die Kodierrichtlinie d002 beruft, blendet sie aus, dass die unter der Überschrift "Erkrankungen bzw. Störungen nach medizinischen Maßnahmen" in der dortigen Tabelle 1 aufgeführten Codes ausdrücklich nur dann als Hauptdiagnose zu verschlüsseln sind, wenn kein spezifischerer Code in Bezug auf die Erkrankung bzw. die Störung existiert. Die Codes in der Tabelle 1 sind also subsidiär. Die Codes der Kategorien T80-T88 sind dann sogar noch zu den Codes der Tabelle 1 subsidiär.

Dass bei der T81.2 "versehentliche Stich- oder Risswunde" bei Operationen extra erwähnt ist, zeigt in systematischer Hinsicht ebenfalls, dass die DRG in der Regel die T-Codes nicht vorsehen, sondern nur in dieser explizit im T-Bereich aufgeführten Ausnahme. Sonst ergäbe nämlich diese gesonderte Erwähnung keinen Sinn.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Sozialgerichtsgesetz i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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