L 16 R 855/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 30 R 2753/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 855/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. September 2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung von Beiträgen, die er für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. Mai 2014 aufgrund freiwilliger Versicherung an die Beklagte entrichtet hat.

Der 1956 geborene Kläger war zunächst von September 1972 bis Juli 1974 wegen seiner Berufsausbildung und hiernach bis Juni 1992 in der Arbeiterrentenversicherung und von November 1992 – mit Ausnahme der Zeit vom 7. August 1993 bis 9. August 1993 - bis Dezember 1996 in der Angestelltenrentenversicherung rentenversicherungspflichtig beschäftigt. Zum 30. Dezember 1996 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Kreishauptsekretär ernannt. Zum 1. Januar 2000 wurde ihm dem Kläger die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. Seit November 2005 ist der Kläger als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Nach Versetzung in den Ruhestand bezieht er seit 1. März 2008 ein Ruhegehalt (Ruhegehaltssatz: 35,83 %) vom Kommunalen Versorgungsverband Brandenburg – Versorgungskasse – (Zahlbetrag lt. Festsetzungsbescheid vom 4. April 2008: 1.309,87 Euro).

Der Kläger stellte im März 2007 einen Antrag auf Beitragszahlung für eine freiwillige Versicherung. Er begründete den Antrag nachträglich damit, dass er freiwillig Beiträge in die "Rentenkasse" einzahlen wolle, "um 35 Jahre voll zu bekommen". Er habe die Absicht, mit ca. 60 Jahren mit Abschlägen als Schwerbehinderter "in Rente zu gehen". Er wolle daher rückwirkend ab 2006 freiwillige Beiträge zahlen.

Ende Mai 2014 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er die freiwillige Versicherung beenden wolle. Bis dahin hatte er hierfür Beiträge in Höhe von 9.550,65 Euro (monatlich 79,60 Euro) entrichtet. Im September 2014 beantragte der Kläger die Rückzahlung der freiwillig eingezahlten Beiträge im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches. Es habe ein Beratungsfehler vorgelegen. Die Beklagte bat zunächst um Auskunft, für welchen Zeitraum Beiträge erstattet werden sollen und aus welchem Grunde. Sie bat um Mitteilung, welcher Beratungsfehler aus Sicht des Klägers gemacht worden sei. Der Kläger führte hierzu aus, ihm sei gesagt worden, dass er freiwillige Beiträge zahlen solle, um später eine "gute Versorgung" und eine höhere Rente zu haben. Tatsächlich führten die freiwilligen Beiträge nach Auskunft seiner Dienststelle nur zu einer Rentenerhöhung von 4,- Euro pro Monat. Dies sei unverhältnismäßig. Er sei erst bei der letzten Rentenberatung über das Zusammentreffen einer gesetzlichen Rente und der Versorgungsbezüge aufgeklärt worden. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Rückzahlung der freiwilligen Beiträge mit Bescheid vom 6. November 2014 ab und führte aus, der Kläger habe keine Fehlberatung vorgetragen, geschweige denn einen Nachweis dafür erbracht. Die Enttäuschung der erhofften Steigerung der Rentenanwartschaft sei kein Beratungsfehler. Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor: Er sei falsch beraten worden. Bei jeder Beratung sei ihm gesagt worden, dass er 35 Jahre inklusive freiwillige Beiträge haben müsse, um eine Rente für Schwerbehinderte zusätzlich zu seinem Ruhegehalt zu bekommen. Die Beklagte wies darauf hin, dass die Voraussetzungen für eine Altersrente wegen Schwerbehinderung nach Vollendung des 63. Lebensjahres, zuzüglich zehn Monate, ab 1. Dezember 2019 erfüllt seien, wenn eine Schwerbehinderung von mindestens 50 % vorliege und die erforderliche Wartezeit von 35 Jahren erfüllt sei. Es könne daher nicht nachvollzogen werden, aus welchen Gründen ein Beratungsfehler vorliegen solle, da mit der Zahlung freiwilliger Beiträge ein Rentenanspruch erfüllt würde. Mit den bis 31. Mai 2014 geleisteten freiwilligen Beiträgen seien 384 Monate auf die erforderlichen 35 Jahre anzurechnen. Ohne weitere Zahlung freiwilliger Beiträge ergäbe sich ein Anspruch auf Regelaltersrente mit 65 Jahren zuzüglich zehn Monaten. Eine Erstattung freiwilliger Beiträge sei nicht möglich. Der Kläger teilte hierzu telefonisch mit, dass aus seiner Sicht der Beratungsfehler darin liege, dass ihm gesagt worden sei, die Altersrente würde zusätzlich zur Pension aus der Beamtenversorgung bezahlt. Dies sei nach Auskunft der Versorgungsstelle nicht der Fall. Die Altersrente wäre vielmehr auf die Versorgung anzurechnen. Im Februar 2015 reichte der Kläger eine Auskunft des Kommunalen Versorgungsverbandes Brandenburg – Versorgungskasse - vom 22. Mai 2014 ein, wonach die freiwilligen Beitragszeiten bei der Ruhensberechnung unberücksichtigt blieben, was für die freiwilligen Beitragszeiten vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2013 derzeit einen Rentenbetrag von 35,- Euro ergebe. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2015 zurück und führte aus: Es sei kein Beratungsmangel, dass die Zahlung der freiwilligen Beiträge zu einer niedrigen Rentensteigerung führe. Der Kommunale Versorgungsverband habe bestätigt, dass die gezahlten freiwilligen Beiträge bei der "Ruhensberechnung" unberücksichtigt blieben.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage mit Urteil vom 14. September 2016 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) zulässige Klage sei unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 6. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2015 sei rechtmäßig und beschwere den Kläger daher nicht. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückzahlung der von ihm aufgrund einer freiwilligen Versicherung für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. Mai 2014 entrichteten Beiträge gegen die Beklagte. Eine Beitragserstattungspflicht der Beklagten lasse sich nicht auf § 210 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) stützen. Der Kläger sei zwar nicht versicherungspflichtig gewesen, habe jedoch nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB VI das Recht zur freiwilligen Versicherung gehabt. Ein Rückzahlungsanspruch könne auch nicht aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch abgeleitet werden. Es könne dahingestellt bleiben, ob ein Beratungsmangel vorgelegen habe, der kausal zur Entrichtung der Beiträge durch den Kläger aufgrund freiwilliger Versicherung geführt habe. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch greife nicht ein, denn ein früheres Fehlverhalten eines Versicherungsträgers ändere an der Rechtmäßigkeit der erfolgten Beitragsentrichtung nichts. Eine teilweise Erstattung rechtmäßig entrichteter Beiträge der Art nach sei im Gesetz nicht vorgesehen (§ 210 Abs. 6 Satz 1 SGB VI) und eine vollständige nur dann, wenn eine Wartezeit nicht erfüllt und die Erfüllung typischerweise nicht mehr erreichbar sei (§ 210 Abs. 1 SGB VI). Die für Fälle des Herstellungsanspruchs postulierte Ausnahme bei Beiträgen, die aufgrund besonderer Vorschriften für längere Zeiträume rückwirkend vor Rentengewährung nachentrichtet worden seien (BSG, Urteil vom 19. Februar 1987 = SozR 1200 § 11 Nr. 24), greife im Falle des Klägers nicht ein. Durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könnten selbst im Falle einer falschen Beratung nicht Ansprüche entstehen, für die es – wie hier - im materiellen Recht keine gesetzliche Grundlage gäbe (Bayerisches LSG, Urteil vom 25. Februar 2010 – L 14 R 837/09 -, LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. April 2007 – L 8 R 15/07).

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und trägt vor: Bei der bei ihm bestehenden Konstellation in Form einer bestehenden Rentenanwartschaft in der gesetzlichen Versicherung und dem hinzutretenden Versorgungsanspruch als Beamter hätte es sich für die Beklagtenseite geradezu aufdrängen müssen, zu einer Anrechnung der gesetzlichen Rentenansprüche auf die Beamtenversorgung zu beraten. Noch dazu habe er sich ganz offensichtlich in einem Irrtum befunden, da es für den Erhalt einer Schwerbehindertenrente nicht erforderlich sei, Beiträge einzuzahlen, da eine Mindestbelegung mit Beiträgen wie bei der Erwerbsminderungsrente nicht geregelt sei. In dem vom SG angeführten Urteil de Bundessozialgerichts vom 19. Februar 1987 werde eine Beitragsrückerstattung gerade bejaht, wenn bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruches noch keine Leistung aufgrund der entrichteten freiwilligen Beiträge bewirkt worden sei. Das BSG führe ausdrücklich aus, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch eine Beitragserstattung nicht deswegen ausschließe, da die Beitragserstattung nicht ausdrücklich gesetzlich zugelassen sei. Was für die Nachentrichtung von Beiträgen gelte, könne für die Zahlung von freiwilligen Beiträgen nicht anders entschieden werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. September 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2015 zu verpflichten, an den Kläger im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches alle Beiträge, die auf die freiwillige Versicherung bei der Beklagten bezahlt worden sind, zurückzuerstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsake sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung waren.

Die Beteiligten haben sich mit einer schriftlichen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu schriftlich ihr Einverständnis erklärt hatten (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der von ihm aufgrund einer freiwilligen Versicherung für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. Mai 2014 entrichteten Beiträge gegen die Beklagte. Der angefochtene Bescheid der Beklagte ist deshalb rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zur näheren Begründung wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, denen sich der Senat in vollem Umfang anschließt. Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen lediglich auszuführen: Zu Recht ist das SG auch davon ausgegangen, dass eine Betragsrückerstattung auf der hier allein in Betracht kommenden Grundlage des Herstellungsanspruches allenfalls im Bereich besonderer Nachentrichtungsvorschriften in Betracht kommt, wenn eine Beitragsentrichtung für lange Zeiträume zugelassen ist, bei denen meist hohe Beträge auf dem Spiel stehen, die zudem wegen einer Antragsfrist oft unter Zeitdruck und bei weitgehender Unsicherheit über ihre Auswirkungen entrichtet werden. Eine derartige Konstellation liegt hier ersichtlich nicht vor. Selbst wenn ein fehlerhaftes Verhalten des Beklagten vorgelegen hätte, ändert dies an der Rechtmäßigkeit der erfolgten Beitragsentrichtung nichts und kann der Versicherte im Grundsatz keine Erstattung der rechtmäßig entrichteten Beiträge verlangen (vgl BSG, Urteil vom 27. August 2009 – B 13 R 14/09 R = SozR 4-2600 § 93 Nr. 1; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17. April 2013 – L 2 R 796/11 -, juris).

Abgesehen davon kann der Senat auch keinen Beratungsfehler positiv feststellen. Der Kläger hat sein pauschales Vorbringen, ihm sei "bei jeder Beratung" (vgl. sein Schreiben vom 27. November 2014) von der Beklagten gesagt worden, nach 35 eingezahlten Jahren bekomme er "die Rente zu der Pension hinzu", weder substantiiert noch gar belegt. Er hat weder Einzelheiten zu einer allfälligen Beratung anlässlich seines Antrags auf Beitragszahlung für eine freiwillige Versicherung im März 2007 mitgeteilt noch ergeben sich aus seinen Ausführungen bzw. dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge Anhaltspunkte dafür, dass er in der Folgezeit dahingehend falsch beraten worden wäre, dass eine Rentenanrechnung auf seine Versorgungsbezüge nicht in Betracht komme. Nachdem er mit Schreiben vom 3. Februar 2009 die Beklagte um Auskunft zu seinen Rentenansprüchen gebeten hatte, meldete er sich unter dem 27. Februar 2009 erneut schriftlich bei der Beklagten und bezog sich auf eine Beratung vom selben Tag in Zossen. Gegenstand dieser Beratung sei die Frage gewesen, wann er als Schwerbehinderter mit Abschlägen in Rente gehen könne. Ein Hinweis auf eine durchgeführte Beratung zur Rentenanrechnung auf die Pension lässt sich diesem Schreiben des Klägers gerade nicht entnehmen. Auch das Schreiben vom 14. Oktober 2014, mit dem der Kläger seinen Antrag auf Beitragsrückzahlung begründete, belegt nicht seine danach im Widerspruchsverfahren erhobene Behauptung, dass ihm - von Anfang an - von Seiten der Beklagten die Zahlung der Altersrente zusätzlich zur Pension bestätigt worden sei. Denn der Kläger führt in diesem Schreiben aus, er sei erst bei der letzten Beratung über das Verhältnis zwischen gesetzlicher Rente und Versorgungsbezügen aufgeklärt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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