L 9 KR 112/16 NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 1751/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 112/16 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Das Verfahre der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, eine nachlässige Prozessführung vor dem Sozialgericht durch nachträgliche Tatsachenbehauptungen zu heilen.
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Januar 2016 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Das ist hier der Fall, weil die Klage auf die Übernahme von Kosten in Höhe von insgesamt 644,40 Euro gerichtet ist.

II. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Die beiden von der Beklagten vorgetragenen Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung und Verfahrensmangel) sind nicht gegeben.

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG, wenn von ihrer Entscheidung erwartet werden kann, dass sie zur Erhaltung und Sicherung der Rechtseinheit und zur Fortbildung des Rechts beitragen wird. Das ist der Fall, wenn sich eine Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung auch durch das Berufungsgericht zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit). Vor dem Hintergrund, dass die Berufungszulassung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG der Wahrung der Rechtseinheit bzw. der Rechtsfortbildung nur im Rahmen eines konkret zur Entscheidung anstehenden Falles dient, setzt der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung voraus, dass die klärungsbedürftige Rechtsfrage für den zu entscheidenden Fall klärungsfähig, d.h. entscheidungserheblich, ist (Meyer-Ladewig/Keller/Lei¬therer, Sozialgerichtsgesetz, 11. A., § 144 Rd. 28 m.w.N.).

Die Beklagte sieht die Rechtsfrage als grundsätzlich an, ob die Mehrkostenregelung nach § 28 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) auch anwendbar sei, wenn aus zahnmedizinischen Gründen eine Kronenversorgung indiziert sei, der Zahnarzt aber aus allgemeinmedizinischen Gründen eine Füllungstherapie durchführt und hierfür medizinisch teurere/aufwändigere Füllungsmaterialien einsetzt. Damit hat die Beklagte bereits keine klärungsfähige Rechtsfrage formuliert, auf die das Sozialgericht seine Entscheidung gestützt hat. Die Beklagte verkennt, dass nach der Auffassung des Sozialgerichts die Mehrkostenregelung nach § 28 Abs. 2 Satz 2 SGB V allein deshalb keine Anwendung fand, weil nur eine Versorgung in der durchgeführten Art ausreichend und zweckmäßig war. Auf die Frage, ob die Mehrkostenregelung auch aus anderen Gründen nicht anwendbar ist, kommt es daher nicht mehr an.

2. Ein Verfahrensmangel liegt nur vor bei einem Verstoß des erstinstanzlichen Gerichts gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils. Es geht insoweit nicht um die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11.A., § 144 Rd. 31ff, m.w.N.; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2005 - L 6 AL 63/05 NZB -,juris, m.w.N.).

Das Vorliegen eines solchen Verfahrensmangels macht die Beklagte geltend, indem sie meint, das Sozialgericht habe den Amtsermittlungsgrundsatz aus § 103 SGG verletzt; es hätte sich nämlich zu weiteren Ermittlungen gedrängt sehen müssen. Allerdings ist die Beklagte im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde mit neuem Tatsachenvorbringen, das sie bereits im sozialgerichtlichen Verfahren hätte geltend machen können, ausgeschlossen. Sie kann daher nicht gehört werden, soweit sie Ermittlungen des Sozialgerichts zu den Fragen vermisst, ob die Mehrkostenvereinbarung wirksam zustande gekommen ist, ob günstigere Füllungsmaterialien zur Verfügung gestanden hätten, warum bei der Behandlung der Klägerin überdurchschnittlich hohe Steigerungsfaktoren nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vereinbart und abgerechnet worden seien. Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, eine nachlässige Prozessführung vor dem Sozialgericht durch nachträgliche Tatsachenbehauptungen zu heilen.

3. Im Übrigen ist dem Vorbringen der Beklagten zu entnehmen, dass sie sich letztlich gegen die sachliche Richtigkeit des Urteils wendet. Die sachliche Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens jedoch nicht zu überprüfen. Vielmehr soll es gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bei Verfahren mit geringem Streitwert – wie hier – grundsätzlich mit einer gerichtlichen sachlichen Überprüfung des Klagebegehrens sein Bewenden haben.

4. Diese Entscheidung kann gem. § 177 SGG nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden. Nach § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG wird das Urteil des Sozialgerichts mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.
Rechtskraft
Aus
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