L 18 AL 49/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 15 AL 73/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 49/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 25. Februar 2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit welchem die Beklagte die Bewilligung eines Eingliederungszuschusses (EGZ) aufgehoben und die Erstattung der gewährten Leistungen gefordert hat.

Der Kläger ist Inhaber eines Zimmerei-Betriebes, welcher laut Gewerbe-Ummeldung vom 2. Dezember 2005 Trockenbauarbeiten, Holz- und Bautenschutz und den Einbau von genormten Baufertigteilen ausführt. Der Kläger ist der Sohn des Arbeitnehmers (AN) G N.

Der 1954 geborene AN N war bis zur Kündigung durch seinen Arbeitgeber am 27. April 2010 bis zum 30. Juni 2010 sozialversicherungspflichtig als Bauarbeiter beschäftigt. Aufgrund eines mit seinem Arbeitgeber geschlossenen Vergleichs erhielt der AN N eine Abfindung iHv 4.000,- EUR. Er meldete sich am 29. April 2010 mit Wirkung zum 1. Juli 2010 bei der Beklagen arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Im August 2010 war der AN N zunächst im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bei dem Kläger als Maurer beschäftigt. Am 15. September 2010 teilte der AN N der Beklagten die Aufnahme eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses bei dem Kläger mit.

Bereits am 6. September 2010 hatte sich der Kläger telefonisch bei der Beklagten nach Möglichkeiten der Förderung bei versicherungspflichtiger Einstellung des AN N erkundigt. Am 9. September 2010 hatte der Kläger eine "Anfrage zu Förderungen/Zuschüssen "EGZ/EZN" an die Beklagte übersandt und darin unter anderem angegeben, ab sofort ("ab 9.9.10" wurde auf dem Antragsvordruck handschriftlich ergänzt) für Zimmerei, Holzbau, Innenausbau, Dachbau einen Arbeitnehmer in Vollzeit zu suchen. Als Defizite im Hinblick auf den zu besetzenden Arbeitsplatz gab der Kläger den Umgang mit Dachbaustellen, Verarbeitung, Holzzuschnitt (Umgang mit Maschine) an. Er nannte den AN N als zukünftigen AN. Die genannten Defizite sollten durch interne Schulungen, Seminare, Weiterbildungen und Lehrgänge ausgeglichen werden.

Mit Antragsvordruck der Beklagten beantragte der Kläger sodann am 17. September 2010 einen EGZ für nichtbehinderte Menschen mit Vermittlungshemmnissen für den AN N für die Dauer von zwölf Monaten in Höhe von 30 vH des für die Bemessung berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts einschließlich des pauschalierten Anteils des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Dabei gab er an, die Arbeitsaufnahme sei am 9. September 2010 erfolgt, der Arbeitsvertrag vom 20. September 2010 werde nachgereicht. Die Frage auf dem Antragsvordruck, ob er als Arbeitgeber oder Gesellschafter mit dem zukünftigen AN verheiratet, verwandt oder verschwägert sei, beantwortete der Kläger mit "nein". Der AN sei auch nicht bereits früher in seinem Betrieb beschäftigt gewesen. Durch seine Unterschrift bestätigte der Kläger die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben sowie den Erhalt und die Kenntnisnahme des Merkblatts "Hinweise zu Eingliederungszuschüssen".

Durch Arbeitsvertrag vom 9./19. Oktober 2010 stellte der Kläger den AN N ab dem 9. September 2010 als Maurer/Dachdeckergehilfe mit 40 Wochenstunden ein.

Durch Bescheid vom 3. November 2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Dauer vom 9. September 2010 bis 8. September 2011 einen EGZ für den AN N iHv monatlich 654,17 EUR. Auf die "Nebenbestimmungen" zum Bewilligungsbescheid wird Bezug genommen. Der EGZ wurde in der Folgezeit iHv insgesamt 7.021,42 EUR für den Zeitraum vom 9. September 2010 bis 31. Juli 2011 ausbezahlt. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem AN N wurde durch Kündigung des Klägers am 15. Januar 2012 beendet.

Am 29. Februar 2012 erhielt die Beklagte Kenntnis von dem Verwandtschaftsverhältnis des Klägers zum AN N. Nach Anhörung des Klägers, bei welcher dieser mitteilte, den Antrag nicht selbst ausgefüllt und vor seiner Unterschrift nicht gelesen zu haben, nahm die Beklagte durch Rücknahmebescheid vom 23. März 2012 die Bewilligung des EGZ unter Bezugnahme auf § 45 Abs. 2 und 4 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) zurück und forderte die Erstattung von 7.021,42 EUR. Die Fördervoraussetzungen hätten von Beginn an nicht vorgelegen, da im Falle der Einstellung des AN N weder die Initiative zur Einstellung von der Beklagten ausgegangen sei, noch ein Stellenangebot ohne Beschränkung auf eine bestimmte Person vom Kläger vorgelegen habe. Eine Prüfung des Arbeitsmarktes, ob ggf auch andere geeignete Bewerber zur Verfügung gestanden hätten, sei somit nicht möglich gewesen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2012 als unbegründet zurück. Das Vertrauen des Klägers in den Bestand des Bewilligungsbescheides sei nicht schutzwürdig, weil der Kläger die unrichtigen Angaben im Antragsformular hinsichtlich des Verwandtschaftsverhältnisses zum Kläger zumindest grob fahrlässig gemacht habe. Zudem sei auf den EGZ die Regelung des § 217 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) anzuwenden, wonach die Förderung eines Arbeitsverhältnisses bei Ehegatten, Eltern und sonstigen Verwandten/Verschwägerten nicht möglich sei, wenn das arbeitsmarktpolitische Interesse gegenüber dem Arbeitgeberinteresse an einer Einstellung überwiege. Eine dahingehende Prüfung sei aufgrund der falschen Angaben des Klägers von vornherein nicht möglich gewesen.

Die daraufhin erhobene und auf Aufhebung des Bescheides vom 23. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2012 gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Neuruppin abgewiesen (Urteil vom 25. Februar 2016). Das SG hat zur Begründung ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig, weil die Voraussetzungen für die Bewilligung des EGZ im Falle des AN N nicht vorgelegen hätten. Der AN N sei bei Arbeitsaufnahme am 9. September 2010 nicht bereits seit sechs Monaten arbeitslos gewesen. Es habe sich um eine Ermessensleistung gehandelt, bei welcher Mitnahmeeffekte vermieden werden sollten. Die Beklagte sei deshalb zutreffend davon ausgegangen, dass die Förderung eines Arbeitsverhältnisses nur möglich sei, wenn das arbeitsmarktpolitische Interesse gegenüber den Arbeitgeberinteressen an einer Einstellung überwiege. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, weil der AN N erst seit kurzer Zeit arbeitslos gewesen sei. Der Kläger habe seinen Vater einstellen wollen, um ihm zu helfen. Diese Gründe reichten nicht aus, um ein überwiegendes arbeitsmarktpolitisches Interesse an der Einstellung des AN N zu begründen. Der Kläger habe zudem bei Antragstellung wissentlich falsche Angaben gemacht. Die Voraussetzungen für die Rücknahme des rechtswidrigen Bewilligungsbescheides nach § 45 Abs. 2 SGB X lägen deshalb vor, der Kläger könne sich insbesondere nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt ergänzend vor: Die Beklagte sei bei Ausübung ihres nach § 45 SGB X eröffneten Ermessens von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Wegen dieses Ermessenfehlers sei der angegriffene Bescheid rechtswidrig. Er – der Kläger - habe bei Beantragung des EGZ auch nicht grob fahrlässig gehandelt, da er das Antragsformular nicht selbst ausgefüllt habe. Er habe die Frage zum Verwandtschaftsverhältnis, die aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes bereits unzulässig sei, übersehen. Es habe zudem kein familiäres Verhältnis zum AN N bestanden, weil sich seine Eltern bereits zu Kindheitstagen getrennt hätten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 25. Februar 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 23. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Auch habe die Beklagte wegen der Regelung des § 330 Abs. 2 SGB III kein Ermessen ausüben müssen. Der Kläger habe zudem bei Beantragung des EGZ zumindest grob fahrlässig gehandelt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagen "AG-Leistungen" und "Kug", die den AN N betreffende Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit zuvor einverstanden erklärt hatten (vgl §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen nach den §§ 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, Abs. 4 SGB X iVm § 330 Abs. 2 SGB III für die – verpflichtende - Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 3. November 2010 liegen vor. Daher sind die geleisteten EGZ-Beträge iHv 7.021,42 EUR gemäß § 50 Abs. 1 SGB X vom Kläger zu erstatten.

Nach den genannten Vorschriften muss ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Bewilligung des EGZ an den Kläger war rechtswidrig, denn der Kläger hatte keinen Anspruch auf die Förderung der Beschäftigung des AN N nach § 421f SGB III in der hier anzuwendenden, bis zum 31. Dezember 2010 gültigen Fassung (aF). Diese Vorschrift eröffnete einen eigenen, neben § 217 SGB III aF stehenden EGZ für ältere Arbeitnehmer, um deren Eingliederungschancen zu verbessern. Arbeitgeber konnten danach Zuschüsse unabhängig davon erhalten, ob sie Arbeitnehmer mit Vermittlungshemmnissen einstellten.

Der Kläger hatte zunächst den EGZ rechtzeitig im Sinne des § 324 Abs. 1 SGB III beantragt. Danach werden Leistungen der Arbeitsförderung – wie der EGZ – nur erbracht, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden sind. Durch diese Regelung soll insbesondere der Arbeitsverwaltung Gelegenheit zur Beratung der Betroffenen und zur Prüfung gegeben werden. Als leistungsbegründendes Ereignis ist das Ereignis anzusehen, das den unmittelbaren Leistungsbedarf auslöst und den Anfall von Kosten bewirkt, welche die Beklagte übernehmen soll. Maßgebend ist nicht der Abschluss des Arbeitsvertrages, sondern erst die Aufnahme der Beschäftigung bzw Beginn des Arbeitsverhältnisses. Vorliegend begann das Arbeitsverhältnis am 9. September 2010 (vgl. § 1 des Arbeitsvertrages), das Antragsformular "Anfrage zu Förderungen/Zuschüssen EGZ" ging bei der Beklagten am 9. September 2010 per Fax um 5.38 Uhr und damit wohl noch rechtzeitig vor Beschäftigungsbeginn ein. Der Kläger hatte sich zudem bereits am 7. September 2010 telefonisch bei der Beklagten nach Fördermöglichkeiten erkundigt. Da der Antrag nach § 324 Abs. 1 SGB III keiner Form bedarf und damit auch mündlich gestellt werden kann, liegt jedenfalls bereits in diesem Telefonat der notwendige und rechtzeitige Antrag.

Die Bewilligung des EGZ war jedoch anfänglich objektiv rechtswidrig. Nach § 421 f Abs. 1 Nr. 2 SGB III aF konnten Arbeitgeber ua zur Eingliederung von Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet hatten, Zuschüsse zu den Arbeitsentgelten erhalten, wenn deren Vermittlung wegen in ihrer Person liegender Umstände erschwert war und das aufgenommene Beschäftigungsverhältnis für mindestens ein Jahr begründet wurde. Die Gewährung eines EGZ setzte danach tatbestandlich zunächst voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf Grund eines Arbeitsverhältnisses beschäftigte oder beschäftigten wollte, und in seiner Person Vermittlungshemmnisse vorlagen, die einer erfolgreichen Wiedereingliederung ins Erwerbsleben entgegen gestanden haben. Der Kläger hatte den AN Nagel im Zeitraum vom 9. September 2010 bis zum 15. Januar 2012 und damit länger als ein Jahr sozialversicherungspflichtig beschäftigt; der am 14. Februar 1954 geborene AN N hatte zu Beginn dieser Beschäftigung das 50. Lebensjahr auch bereits vollendet.

Es kann offen bleiben, ob bei ihm ein über sein Alter hinausgehendes Vermittlungshemmnis vorlag. Denn die Zahlung des EGZ nach § 421 f SGB III aF war in das Ermessen der Beklagten gestellt, und zwar sowohl, soweit es das "Ob" der Leistung (Entschließungsermessen) als auch das "Wie", dh Dauer und Höhe der Leistung, betraf (Auswahlermessen). Der Arbeitgeber hatte grundsätzlich keinen Anspruch auf die Leistung, sondern nur auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung (§ 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – SGB I). Zu den Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung kann auf § 217 SGB III als Normierung des allgemeinen EGZ zurückgegriffen werden. Das Bundessozialgericht (BSG) hat insoweit (vgl Urteil vom 6. Mai 2008 - B 7/a AL 16/07 R = SozR 4-4300 § 217 Nr 2 Rn 14ff) ausgeführt: Soweit § 421f Abs. 2 SGB III bestimme, dass sich die Förderhöhe und die Förderdauer nach dem Umfang der Minderleistung des Arbeitnehmers richteten, sei diese Minderleistung keine Anspruchsvoraussetzung, sondern Maßstab für die Ausübung des Auswahlermessens der Beklagten. Denn mit dem in § 421 f Abs. 1 SGB III aF enthaltenen Terminus "zur Eingliederung" werde keine Tatbestandsvoraussetzung iS eines kausalen Zusammenhangs zwischen Förderung und Eingliederung normiert. Es sei auf der Ebene der Anspruchsvoraussetzungen keine Kausalitätsprüfung und prognostische Bewertung vorzunehmen. Die Eingliederungserforderlichkeit sei vielmehr integraler Bestandteil der Ermessenserwägungen: richte sich die Förderhöhe und –dauer nach der konkreten Eingliederungserforderlichkeit, reduzierten sich beide, je geringer die Eingliederungserforderlichkeit sei; fehle sie völlig, dürfe dementsprechend ein EGZ überhaupt nicht gewährt werden. Denn sei eine Eingliederung nicht erforderlich, schrumpfe nicht nur das Auswahlermessen, sondern auch das Entschließungsermessen der Beklagten auf Null zu Lasten des Arbeitgebers. Dabei unterteilte das BSG das Eingliederungserfordernis in Eingliederungsbedürftigkeit und -fähigkeit.

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung des BSG war trotz etwaiger Minderleistungen des AN N dessen Eingliederungsbedürftigkeit vorliegend bereits deshalb zu verneinen, weil der Kläger den AN N bereits ohne die Bewilligung des EGZ am 9. September 2010 eingestellt hatte und bereits hierdurch seine Eingliederung sichergestellt war. Der AN N wurde auch durchgehend bis zum 15. Januar 2012 vom Kläger beschäftigt, die Kündigung erfolgte, weil es persönliche Differenzen gab und zu einem Zeitpunkt, zu welchem der Kläger bereits seit dem 1. August 2011 für den AN N und damit für mehr als fünf Monate keinen EGZ mehr erhielt. Es spricht deshalb alles dafür, dass der Kläger den AN N in jedem Fall einstellen wollte. Damit übereinstimmend hat der Prozessbevollmächtigte für den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG erklärt, der Kläger sei im Jahr 2010 in Not gewesen und habe Arbeitnehmer gesucht, deshalb habe es sich angeboten, den AN N einzustellen, weil kein anderer Arbeitnehmer zur Verfügung gestanden habe. Er habe kein besonderes Interesse an der Einstellung des AN N gehabt, sich jedoch aus seiner damaligen Zwangslage heraus für die Einstellung des AN entschieden, weil der Arbeitsmarkt seit geraumer Zeit kaum noch Möglichkeiten zur Einstellung halbwegs qualifizierten Personals hergegeben habe.

Die Beklagte wusste, dass der Kläger den AN N bereits am 9. September 2010 und damit vor Bewilligung des EGZ eingestellt hatte, denn diesen Umstand hatte der Kläger bei Antragstellung mitgeteilt. Indem die Beklagte den EGZ gleichwohl bewilligte hat sie ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Ein Ermessensfehler iSd Ermessensfehlgebrauchs liegt ua dann vor, wenn sachfremde Erwägungen angestellt werden (BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R – juris – Rn 36, 37; BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 2 U 1/07 R – juris – Rn 17 bis 19; BSG, Urteil vom 22. Februar 1995 – 4 RA 44/94 – juris – Rn 32 bis 35; BSG, Urteil vom 14. Dezember 1994 – 4 RA 42/94 – juris - Rn 20). Sachfremde Erwägungen sind ua dann gegeben, wenn Gesichtspunkte berücksichtigt werden, die den Zweck der Norm nicht beachten. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt auch vor, wenn nicht alle Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen sind, in die Entscheidungsfindung einbezogen worden sind, so dass ein Abwägungsdefizit gegeben ist. Die Beklagte berücksichtigte danach insbesondere nicht den Zweck der hier maßgebenden Vorschrift des § 421f SGB III. Denn – wie bereits dargelegt – sollten durch die darin normierte Fördermöglichkeit AN in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden, die eingliederungsbedürftig waren. Der Kläger hatte den AN N vor Bewilligung des EGZ bereits eingestellt und er hätte den AN N zudem in jedem Falle eingestellt. Unabhängig von etwaigen in der Person des AN N liegenden Vermittlungserschwernissen war seine Eingliederungsbedürftigkeit deshalb zu verneinen, der mit der Förderung durch EGZ erstrebte Erfolg konnte nicht eintreten bzw war bereits unabhängig hiervon eingetreten. Es kann jedoch nicht Sinn und Zweck der durch Versichertenbeiträge finanzierten Förderinstrumente des SGB III sein, Mitnahmeeffekte zu ermöglichen. In jenem Fall würde nicht das Arbeitsmarktinteresse, sondern allein das Arbeitgeberinteresse im Vordergrund stehen, was dem Sinn und Zweck der Vorschrift widerspräche. Die Beklagte hat damit das in § 421f Abs. 1 SGB III mit den Worten "zur Eingliederung" im Rahmen der Ermessensausübung statuierte Ziel nicht beachtet. Ihr Entschließungsermessen war wegen der fehlenden Förderbedürftigkeit des AN N auf Null geschrumpft. Die Ermessensausübung der Beklagten war vorliegend deshalb rechtswidrig, denn der EGZ hätte nicht bewilligt werden dürfen.

Der Kläger kann sich im Hinblick auf die objektiv rechtswidrige EGZ-Bewilligung auch nicht auf Vertrauensschutz im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X berufen. Danach darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X kann sich ein Begünstigter nicht auf Vertrauen berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Nr 1), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr 2), oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (Nr 3).

Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauen berufen, weil er die für die Leistungsprüfung wesentliche Frage auf dem Antragsformular im Hinblick auf das Verwandtschaftsverhältnis zum AN N verneint und damit falsch beantwortet hat. Seine gegenteiligen Einlassungen sind als bloße Schutzbehauptungen ohne Substanz zu werten. Die EGZ-Bewilligung beruhte im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X auch auf dieser unrichtigen Angabe. Die damit erforderliche Kausalität setzt voraus, dass es bei richtigen Angaben nicht zu den anfänglich rechtswidrigen Leistungen gekommen wäre (vgl bei einem Anspruch auf SGB II-Leistungen BSG, Urteil vom 28. März 2013 – B 4 AS 59/12 R = SozR 4-1300 § 45 Nr 13 Rn 23 mwN), maW die unrichtige Angabe für die Bewilligung der Leistung (rechtlich) erheblich war. Dies wäre bei der hier in Rede stehenden, im Ermessen der Beklagten stehenden EGZ-Gewährung indes nur dann nicht der Fall gewesen, wenn bei zutreffenden Angaben des Klägers zum Verwandtschaftsverhältnis zu dem AN N jede andere Entscheidung als die (letztlich im Wege einer Ermessensreduzierung auf Null erfolgende) Bewilligung des EGZ ermessensfehlerhaft gewesen wäre und es daher ohnehin zur Leistungsgewährung gekommen wäre. Gerade dies ist aber aus den bereits dargelegten Erwägungen nicht der Fall, zumal hier hinzukommt, dass der Kläger im Antragsformular auch die Vorbeschäftigung des AN in seinem Betrieb verneint hatte. Wesentlich sind danach bei Ermessensentscheidungen immer Angaben, die für die gesetzlich gebotenen Ermessenserwägungen von Bedeutung sind (vgl Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl 2014 § 48 Rn 154). Dem Kläger ist nach seiner Urteils- und Kritikfähigkeit nach dem insoweit maßgebenden subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff (vgl bereits BSG, Urteil vom 20. September 1977 - 8/12 RKg 8/76 – juris Rn 25, Urteil vom 8. Februar 2001 - B 11 AL 21/00 R – juris -Rn 23) auch zumindest eine grob fahrlässige Falschangabe anzulasten. Sein Vorbringen, der Antrag sei ihm bereits ausgefüllt vorgelegt worden, ist weder nachvollziehbar noch substanziiert. Ein "Übersehen" scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger die entsprechenden Fragen nach Verwandtschaftsverhältnis und Vorbeschäftigung – wenngleich falsch – tatsächlich beantwortet hat.

Infolge der rechtmäßigen Rücknahme hat der Kläger die geleisteten EGZ-Zahlungen iHv 7.021,42 EUR zu erstatten (vgl § 50 Abs. 1 SGB X).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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