Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 89 KR 1734/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 120/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Krankengeld über den 10. Dezember 2014 hinaus.
Er ist 1979 geboren und war aufgrund abhängiger Beschäftigung bis zum 30. September 2014 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.
Nachdem er ab dem 10. Dezember 2013 arbeitsunfähig erkrankt war, bewilligte ihm diese nach Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach seinen Angaben ab dem 24. Februar 2014 Krankengeld, zuletzt nachweislich bis zum 10. Dezember 2014. Die behandelnde Fachärztin für Allgemeinmedizin K bescheinigte auf einem Auszahlschein der Beklagten am 26. November 2014 weiterhin Arbeitsunfähigkeit ("Ja, voraussichtlich bis 10.12.2014"). Sie bestätigte ihm mit Schreiben vom 17. Dezember 2014 unter anderem den Erhalt des Auszahlungsscheines und fügte einen neuen Auszahlungsschein bei, den der Kläger bis zum 24. Dezember 2014 vom behandelnden Arzt bestätigen und ans sie senden solle. Die nächste Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung der Ärztin K datierte allerdings (erst) vom 20. Januar 2015 und bescheinigte Arbeitsunfähigkeit (AU) voraussichtlich bis 10. Februar 2015.
Mit Bescheid vom 22. Januar 2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Krankengeldzahlung zum 10. Dezember 2014 einzustellen und die beitragsfreie Mitgliedschaft bei ihr zu beenden. Die Bescheinigung sei zu spät ausgestellt.
Der Kläger erhob Widerspruch: Seine behandelnde Ärztin habe alle erforderlichen Unterlagen zur Beklagten geschickt. Die Ärztin Kselbst teilte der Beklagten telefonisch mit, sie habe den Kläger bis Januar 2015 arbeitsunfähig geschrieben. Es gebe wohl einen Schreibfehler. Sie reichte per Fax einen Auszug aus der Krankenakte des Klägers ein. Dort ist unter dem 26. November 2014 vermerkt: "Auszahlungsschein ausgestellt bis 20.01.2015", unter dem 9. Dezember 2014: " AD Faszikulation R 25.3 G".
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2015 zurück. Eine weitere Krankengeldzahlung sei nicht möglich, weil die weitere AU nicht nahtlos, sondern erst ab 20. Januar 2015 ärztlich festgestellt worden sei. Es bestehe seit dem 11. Dezember 2014 eine Mitgliedschaft als freiwillig Versicherter, die keinen Krankengeldanspruch mehr umfasse. Die Tatsache, dass die Behandlerin davon ausgegangen sei, eine durchgehende AU bis zum 20. Januar 2015 festgestellt zu haben, ändere nichts.
Die Mitgliedschaft des Klägers endete am 28. Mai 2015.
Der Kläger hat am 10. Juni 2015 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, er sei am 9. Dezember 2014 in der Praxis der behandelnden Ärztin erschienen, um sich seine AU über den 10. Dezember 2014 hinaus bescheinigen zu lassen. Dies ergebe sich aus dem Auszug der Krankenakte der Ärztin. Aus der Krankenakte ergebe sich weiter, dass dort vermerkt sei, dass der Auszahlschein bis zum 20. Januar 2015 ausgestellt worden sei. Es sei durch die behandelnde Ärztin daher unterlassen worden, den begehrten Auszahlschein dem Kläger auszuhändigen. Die Ärztin habe ihm mitgeteilt, dass der Auszahlschein bis zum 20. Januar 2015 erteilt worden sei, so dass er erst zu diesem Termin wieder erscheinen müsse.
Die SG hat die auf Krankengeldzahlung über den 10. Dezember 2014 hinaus gerichtete Klage mit Urteil vom 10. Februar 2016 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 22. Januar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Er habe keinen Anspruch auf die weitere Gewährung von Krankengeld über den 10. Dezember 2014 hinaus. Der Anspruch auf Krankengeld gemäß § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) entstehe gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V (in der bis zum 22. Juli 2015 geltenden Fassung vom 17. Juli 2009) von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge. Ob und in welchem Umfang ein Versicherter Krankengeld beanspruchen könne, bestimme sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für Krankengeld vorliege. An die Stelle des Versicherungsverhältnisses trete bei einem nachgehenden Anspruch die hieraus erwachsende Berechtigung (Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG –, zuletzt Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 R – Rdnr. 8 mit weiteren Nachweisen). Eine ärztliche Feststellung in diesem Sinne sei dem Kläger von der Ärztin K am 26. Januar 2014 befristet bis zum 10. Dezember 2014 attestiert worden. Die Voraussetzungen des Krankengeldanspruches bei zeitlich befristeter Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und entsprechender Krankengeldgewährung müssten für jeden Bewilligungsabschnitt erneut festgestellt werden. Es sei für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruches deshalb erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnittes erneut ärztlich festgestellt werde (Bezugnahme auf BSG, a. a. O. Rdnr. 12). Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Durch die nachfolgende Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit am 20. Januar 2015 habe kein neuer Krankengeldanspruch entstehen können, weil der Kläger an diesem Tag nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen sei. Sein Beschäftigungsverhältnis als Grundlage eines Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krankengeld nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V habe bereits zum 30. September 2014 geendet, § 190 Abs. 2 SGB V. Eine Fortsetzung habe nur unter den Voraussetzungen des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bestanden, soweit der Kläger Krankengeld erhalten habe. Es lägen auch nicht die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise rückwirkende Nachholung der Arbeitsunfähigkeits-Feststellung für den weiteren Bewilligungsabschnitt vor. In der Rechtsprechung des BSG sei anerkannt, dass in engen Grenzen Ausnahmen von den genannten Grundsätzen zuzulassen seien, wenn die ärztliche Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert worden sei, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse und nicht dem des Versicherten zuzurechnen sei. So könne sich beispielsweise die Krankenkasse nicht auf den verspäteten Zugang der ärztlichen Meldung berufen, wenn dies auf von ihr zu vertretende Organisationsmängel beruhe. Für den Fall, dass der Versicherte von seinem behandelnden Arzt aufgrund einer Fehldiagnose irrtümlich "gesundgeschrieben" worden sei, habe das BSG ausgeführt, der Versicherte müsse eine die Arbeitsunfähigkeit ablehnende ärztliche Feststellung nicht stets hinnehmen, sondern könne ihre Unrichtigkeit ggf. auch im Nachhinein durch ein ärztliches Gutachten nachweisen. Er erfülle die ihm vom Gesetz übertragene Obliegenheit, für eine zeitgerechte ärztliche Feststellung der geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit zu sorgen, wenn er alles in seiner Macht stehende unternehme, um die ärztliche Feststellung zu erhalten (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 R -, und weitere Nachweise). Übertragen auf den vorliegenden Fall könne offen bleiben, ob die behandelnde Ärztin K entweder in ihrer Bescheinigung vom 26. November 2014 einen Schreibfehler begangen habe, weil sie nicht den 10. Dezember 2014, sondern den 20. Januar 2015 habe eintragen wollen, oder ob die am 26. November 2014 bewusst ausgestellte Bescheinigung lediglich inhaltlich unrichtig in ihrer Patientendokumentation eingetragen worden sei und sie sich bei der erneuten Vorsprache des Klägers am 9. Dezember 2014 auf diese verlassen habe. Das SG halte die zweite Alternative für überwiegend wahrscheinlich, denn die AU-Bescheinigungen zuvor hätten keinen entsprechend langen Zeitraum umfasst und darüber hinaus sei der Kläger nach der Patientendokumentation am 9. Dezember 2014 vorstellig geworden. Das Datum passe auch zum Auslaufen der damals noch laufenden und ausgestellten Bescheinigung. Selbst wenn das im einen wie im anderen Falle vorliegende ärztliche Versehen und Organisationsmangel demjenigen gleichgestellt werde, in dem der Vertragsarzt sich bewusst weigere, eine weitere AU-Bescheinigung auszustellen, obwohl der Versicherte tatsächlich arbeitsunfähig sei, fehle es an den beiden weiteren Voraussetzungen einer rückwirkenden AU-Feststellung. Der Kläger habe weder alles in seiner Macht stehende und ihm zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, noch habe er seine Rechte nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler unverzüglich geltend gemacht. Zum einen habe er selbst Kenntnis davon haben können, dass die AU-Bescheinigung vom 26. November 2014 nur bis zum 10. Dezember 2014 und nicht bis zum 20. Januar 2015 ausgestellt worden sei. Sie sei ihm am 26. November 2014 ausgehändigt worden, um sie der Beklagten zu übersenden. Es könne davon ausgegangen werden, dass er zumindest Gelegenheit gehabt habe, sich das dort vermerkte Datum des letzten Tages der ärztlichen Feststellung anzusehen, ggf. zu notieren. Es sei dann seine Obliegenheit gewesen, entweder mittels einer weiteren Vorstellung bei der Ärztin vor Ablauf der tatsächlich bescheinigten Frist und ihrer Verlängerung nachzusuchen oder aber die Ärztin bei seinem Besuch vom 9. Dezember 2014 darauf hinzuweisen, dass die zuletzt ausgestellte Bescheinigung nicht bis zum 20. Januar 2015 ausgestellt sei. Eine entsprechende Obliegenheit, sich die ihm ausgehändigte AU-Bescheinigung anzusehen und sich das Datum zu merken, erscheine zumutbar. Darüber hinaus habe sich der Kläger durch das Schreiben der Beklagten vom 17. Dezember 2014 veranlasst sehen müssen, sich erneut bei der Ärztin um eine Bescheinigung bzw. Bestätigung zu bemühen. Zum anderen habe der Kläger nach Kenntnis des Fehlers in der Bescheinigung nicht unverzüglich seine Rechte bei der Beklagten geltend gemacht. Nach den Maßstäben des BSG müsse hierfür innerhalb der Frist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V vorgegangen werden, das heißt innerhalb einer Woche nach Kenntnis von der fehlenden AU-Bescheinigung (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 30/04 R – juris-Randnummer 28). Ausgehend vom Bescheid vom 22. Januar 2015, in welchem der Fehler benannt sei und unter Zugrundelegung einer Zustellfrist von drei Tagen gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ab Absendedatum (identisch mit dem Bescheiddatum) falle das Bekanntgabedatum auf den 25. Januar 2015 (Sonntag). Fristende sei danach Montag der 2. Februar 2015 gewesen. Der Kläger habe aber erst am 3. Februar 2015 reagiert, indem er Widerspruch erhoben habe. Selbst wenn aber zugrunde gelegt werde, dass ihm der Bescheid tatsächlich erst später zugegangen sei, habe alleine die Erhebung des Widerspruches nicht ausreichen können. Weitere Bemühungen, einen Nachweis zu erbringen, habe der Kläger jedenfalls nach dem Widerspruch nicht erkennbar unternommen. Rein tatsächlich habe die Beklagte nach Eingang des Widerspruches nach Akten mehrfach versucht, den Kläger telefonisch zu kontaktieren. Dieser habe sich erst am 13. Februar 2015 gemeldet, gleichzeitig auch seine behandelnde Ärztin. Zuletzt sei ein Anspruch auch nicht im Sinne des § 19 Abs. 2 SGB V nachgelagert entstanden. Der Schutz nach dieser Vorschrift sei nämlich subsidiär zu den aktuellen Versicherungsverhältnissen, auch wenn dies in der Norm selbst nicht unmittelbar zum Ausdruck komme (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 4. März 2014 – B 1 KR 17/13 R und andere). Dies gelte auch, wenn – wie hier – im vorrangigen Versicherungsverhältnis der freiwilligen Versicherung Ansprüche auf Krankengeld nicht enthalten seien, die aber von den nachgehenden Leistungsansprüchen umfasst werden (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 26. Juli 2017 – B 1 KR 2/07 R – juris-Randnummer 21). Es scheitere auch ein Anspruch aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.
Gegen dieses am 18. Februar 2016 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 10. März 2016. Zur Berufungsbegründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen. Ihm sei im Dezember 2014 kein Schreiben der Beklagten zugegangen. Erst als Anfang des Jahres zu wenig Geld gezahlt worden sei, habe er sich gewundert. Es werde auch bestritten, dass die Beklagte den Bescheid vom 22. Januar 2015 unverzüglich zur Post gegeben habe. Der Kläger habe unverzüglich reagiert und alles ihm zumutbare unternommen. Er habe sich mit seiner Ärztin in Verbindung gesetzt, einen Auszug aus der Patientendatei und deren Stellungnahme beschafft.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 10. Februar 2016 und des Bescheides der Beklagten vom 22. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2015 verurteilt, dem Kläger über den 10. Dezember 2014 hinaus Krankengeld nach gesetzlicher Maßgabe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt ergänzend vor, der Vortrag, das Schreiben vom 17. Dezember 2014 nicht erhalten zu haben, hätte früher erfolgen können und sei deshalb zu bezweifeln.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter alleine entschieden werden, §§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Beide Beteiligten haben sich mit dieser Vorgehensweise im Erörterungstermin am 19. Dezember 2016 einverstanden erklärt.
Der Berufung muss Erfolg versagt bleiben. Das SG hat die Klage zu Recht und mit ausführlicher Begründung abgewiesen, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist nur noch zu ergänzen: Für sich alleine tragend ist bereits, dass der Kläger die Obliegenheit verletzt hat, angesichts einer ihm ausgehändigten Bescheinigung, welche AU bis lediglich bis 9. Dezember 2014 bescheinigte, sich rechtzeitig um eine Verlängerung bzw. Erneuerung zu bemühen. Er hat nicht alles ihm mögliche und zumutbare unternommen, seiner Ärztin gegenüber darauf zu beharren, an diesem Tag entweder erneut AU zu bescheinigen oder eine klarstellende Verlängerung der bisherigen zu erwirken.
Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2015 den Kläger erst nach dem vom SG errechneten Datum erreicht haben könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Krankengeld über den 10. Dezember 2014 hinaus.
Er ist 1979 geboren und war aufgrund abhängiger Beschäftigung bis zum 30. September 2014 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.
Nachdem er ab dem 10. Dezember 2013 arbeitsunfähig erkrankt war, bewilligte ihm diese nach Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach seinen Angaben ab dem 24. Februar 2014 Krankengeld, zuletzt nachweislich bis zum 10. Dezember 2014. Die behandelnde Fachärztin für Allgemeinmedizin K bescheinigte auf einem Auszahlschein der Beklagten am 26. November 2014 weiterhin Arbeitsunfähigkeit ("Ja, voraussichtlich bis 10.12.2014"). Sie bestätigte ihm mit Schreiben vom 17. Dezember 2014 unter anderem den Erhalt des Auszahlungsscheines und fügte einen neuen Auszahlungsschein bei, den der Kläger bis zum 24. Dezember 2014 vom behandelnden Arzt bestätigen und ans sie senden solle. Die nächste Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung der Ärztin K datierte allerdings (erst) vom 20. Januar 2015 und bescheinigte Arbeitsunfähigkeit (AU) voraussichtlich bis 10. Februar 2015.
Mit Bescheid vom 22. Januar 2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Krankengeldzahlung zum 10. Dezember 2014 einzustellen und die beitragsfreie Mitgliedschaft bei ihr zu beenden. Die Bescheinigung sei zu spät ausgestellt.
Der Kläger erhob Widerspruch: Seine behandelnde Ärztin habe alle erforderlichen Unterlagen zur Beklagten geschickt. Die Ärztin Kselbst teilte der Beklagten telefonisch mit, sie habe den Kläger bis Januar 2015 arbeitsunfähig geschrieben. Es gebe wohl einen Schreibfehler. Sie reichte per Fax einen Auszug aus der Krankenakte des Klägers ein. Dort ist unter dem 26. November 2014 vermerkt: "Auszahlungsschein ausgestellt bis 20.01.2015", unter dem 9. Dezember 2014: " AD Faszikulation R 25.3 G".
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2015 zurück. Eine weitere Krankengeldzahlung sei nicht möglich, weil die weitere AU nicht nahtlos, sondern erst ab 20. Januar 2015 ärztlich festgestellt worden sei. Es bestehe seit dem 11. Dezember 2014 eine Mitgliedschaft als freiwillig Versicherter, die keinen Krankengeldanspruch mehr umfasse. Die Tatsache, dass die Behandlerin davon ausgegangen sei, eine durchgehende AU bis zum 20. Januar 2015 festgestellt zu haben, ändere nichts.
Die Mitgliedschaft des Klägers endete am 28. Mai 2015.
Der Kläger hat am 10. Juni 2015 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, er sei am 9. Dezember 2014 in der Praxis der behandelnden Ärztin erschienen, um sich seine AU über den 10. Dezember 2014 hinaus bescheinigen zu lassen. Dies ergebe sich aus dem Auszug der Krankenakte der Ärztin. Aus der Krankenakte ergebe sich weiter, dass dort vermerkt sei, dass der Auszahlschein bis zum 20. Januar 2015 ausgestellt worden sei. Es sei durch die behandelnde Ärztin daher unterlassen worden, den begehrten Auszahlschein dem Kläger auszuhändigen. Die Ärztin habe ihm mitgeteilt, dass der Auszahlschein bis zum 20. Januar 2015 erteilt worden sei, so dass er erst zu diesem Termin wieder erscheinen müsse.
Die SG hat die auf Krankengeldzahlung über den 10. Dezember 2014 hinaus gerichtete Klage mit Urteil vom 10. Februar 2016 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 22. Januar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Er habe keinen Anspruch auf die weitere Gewährung von Krankengeld über den 10. Dezember 2014 hinaus. Der Anspruch auf Krankengeld gemäß § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) entstehe gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V (in der bis zum 22. Juli 2015 geltenden Fassung vom 17. Juli 2009) von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge. Ob und in welchem Umfang ein Versicherter Krankengeld beanspruchen könne, bestimme sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für Krankengeld vorliege. An die Stelle des Versicherungsverhältnisses trete bei einem nachgehenden Anspruch die hieraus erwachsende Berechtigung (Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG –, zuletzt Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 R – Rdnr. 8 mit weiteren Nachweisen). Eine ärztliche Feststellung in diesem Sinne sei dem Kläger von der Ärztin K am 26. Januar 2014 befristet bis zum 10. Dezember 2014 attestiert worden. Die Voraussetzungen des Krankengeldanspruches bei zeitlich befristeter Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und entsprechender Krankengeldgewährung müssten für jeden Bewilligungsabschnitt erneut festgestellt werden. Es sei für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruches deshalb erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnittes erneut ärztlich festgestellt werde (Bezugnahme auf BSG, a. a. O. Rdnr. 12). Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Durch die nachfolgende Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit am 20. Januar 2015 habe kein neuer Krankengeldanspruch entstehen können, weil der Kläger an diesem Tag nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen sei. Sein Beschäftigungsverhältnis als Grundlage eines Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krankengeld nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V habe bereits zum 30. September 2014 geendet, § 190 Abs. 2 SGB V. Eine Fortsetzung habe nur unter den Voraussetzungen des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bestanden, soweit der Kläger Krankengeld erhalten habe. Es lägen auch nicht die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise rückwirkende Nachholung der Arbeitsunfähigkeits-Feststellung für den weiteren Bewilligungsabschnitt vor. In der Rechtsprechung des BSG sei anerkannt, dass in engen Grenzen Ausnahmen von den genannten Grundsätzen zuzulassen seien, wenn die ärztliche Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert worden sei, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse und nicht dem des Versicherten zuzurechnen sei. So könne sich beispielsweise die Krankenkasse nicht auf den verspäteten Zugang der ärztlichen Meldung berufen, wenn dies auf von ihr zu vertretende Organisationsmängel beruhe. Für den Fall, dass der Versicherte von seinem behandelnden Arzt aufgrund einer Fehldiagnose irrtümlich "gesundgeschrieben" worden sei, habe das BSG ausgeführt, der Versicherte müsse eine die Arbeitsunfähigkeit ablehnende ärztliche Feststellung nicht stets hinnehmen, sondern könne ihre Unrichtigkeit ggf. auch im Nachhinein durch ein ärztliches Gutachten nachweisen. Er erfülle die ihm vom Gesetz übertragene Obliegenheit, für eine zeitgerechte ärztliche Feststellung der geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit zu sorgen, wenn er alles in seiner Macht stehende unternehme, um die ärztliche Feststellung zu erhalten (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 R -, und weitere Nachweise). Übertragen auf den vorliegenden Fall könne offen bleiben, ob die behandelnde Ärztin K entweder in ihrer Bescheinigung vom 26. November 2014 einen Schreibfehler begangen habe, weil sie nicht den 10. Dezember 2014, sondern den 20. Januar 2015 habe eintragen wollen, oder ob die am 26. November 2014 bewusst ausgestellte Bescheinigung lediglich inhaltlich unrichtig in ihrer Patientendokumentation eingetragen worden sei und sie sich bei der erneuten Vorsprache des Klägers am 9. Dezember 2014 auf diese verlassen habe. Das SG halte die zweite Alternative für überwiegend wahrscheinlich, denn die AU-Bescheinigungen zuvor hätten keinen entsprechend langen Zeitraum umfasst und darüber hinaus sei der Kläger nach der Patientendokumentation am 9. Dezember 2014 vorstellig geworden. Das Datum passe auch zum Auslaufen der damals noch laufenden und ausgestellten Bescheinigung. Selbst wenn das im einen wie im anderen Falle vorliegende ärztliche Versehen und Organisationsmangel demjenigen gleichgestellt werde, in dem der Vertragsarzt sich bewusst weigere, eine weitere AU-Bescheinigung auszustellen, obwohl der Versicherte tatsächlich arbeitsunfähig sei, fehle es an den beiden weiteren Voraussetzungen einer rückwirkenden AU-Feststellung. Der Kläger habe weder alles in seiner Macht stehende und ihm zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, noch habe er seine Rechte nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler unverzüglich geltend gemacht. Zum einen habe er selbst Kenntnis davon haben können, dass die AU-Bescheinigung vom 26. November 2014 nur bis zum 10. Dezember 2014 und nicht bis zum 20. Januar 2015 ausgestellt worden sei. Sie sei ihm am 26. November 2014 ausgehändigt worden, um sie der Beklagten zu übersenden. Es könne davon ausgegangen werden, dass er zumindest Gelegenheit gehabt habe, sich das dort vermerkte Datum des letzten Tages der ärztlichen Feststellung anzusehen, ggf. zu notieren. Es sei dann seine Obliegenheit gewesen, entweder mittels einer weiteren Vorstellung bei der Ärztin vor Ablauf der tatsächlich bescheinigten Frist und ihrer Verlängerung nachzusuchen oder aber die Ärztin bei seinem Besuch vom 9. Dezember 2014 darauf hinzuweisen, dass die zuletzt ausgestellte Bescheinigung nicht bis zum 20. Januar 2015 ausgestellt sei. Eine entsprechende Obliegenheit, sich die ihm ausgehändigte AU-Bescheinigung anzusehen und sich das Datum zu merken, erscheine zumutbar. Darüber hinaus habe sich der Kläger durch das Schreiben der Beklagten vom 17. Dezember 2014 veranlasst sehen müssen, sich erneut bei der Ärztin um eine Bescheinigung bzw. Bestätigung zu bemühen. Zum anderen habe der Kläger nach Kenntnis des Fehlers in der Bescheinigung nicht unverzüglich seine Rechte bei der Beklagten geltend gemacht. Nach den Maßstäben des BSG müsse hierfür innerhalb der Frist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V vorgegangen werden, das heißt innerhalb einer Woche nach Kenntnis von der fehlenden AU-Bescheinigung (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 30/04 R – juris-Randnummer 28). Ausgehend vom Bescheid vom 22. Januar 2015, in welchem der Fehler benannt sei und unter Zugrundelegung einer Zustellfrist von drei Tagen gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ab Absendedatum (identisch mit dem Bescheiddatum) falle das Bekanntgabedatum auf den 25. Januar 2015 (Sonntag). Fristende sei danach Montag der 2. Februar 2015 gewesen. Der Kläger habe aber erst am 3. Februar 2015 reagiert, indem er Widerspruch erhoben habe. Selbst wenn aber zugrunde gelegt werde, dass ihm der Bescheid tatsächlich erst später zugegangen sei, habe alleine die Erhebung des Widerspruches nicht ausreichen können. Weitere Bemühungen, einen Nachweis zu erbringen, habe der Kläger jedenfalls nach dem Widerspruch nicht erkennbar unternommen. Rein tatsächlich habe die Beklagte nach Eingang des Widerspruches nach Akten mehrfach versucht, den Kläger telefonisch zu kontaktieren. Dieser habe sich erst am 13. Februar 2015 gemeldet, gleichzeitig auch seine behandelnde Ärztin. Zuletzt sei ein Anspruch auch nicht im Sinne des § 19 Abs. 2 SGB V nachgelagert entstanden. Der Schutz nach dieser Vorschrift sei nämlich subsidiär zu den aktuellen Versicherungsverhältnissen, auch wenn dies in der Norm selbst nicht unmittelbar zum Ausdruck komme (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 4. März 2014 – B 1 KR 17/13 R und andere). Dies gelte auch, wenn – wie hier – im vorrangigen Versicherungsverhältnis der freiwilligen Versicherung Ansprüche auf Krankengeld nicht enthalten seien, die aber von den nachgehenden Leistungsansprüchen umfasst werden (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 26. Juli 2017 – B 1 KR 2/07 R – juris-Randnummer 21). Es scheitere auch ein Anspruch aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.
Gegen dieses am 18. Februar 2016 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 10. März 2016. Zur Berufungsbegründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen. Ihm sei im Dezember 2014 kein Schreiben der Beklagten zugegangen. Erst als Anfang des Jahres zu wenig Geld gezahlt worden sei, habe er sich gewundert. Es werde auch bestritten, dass die Beklagte den Bescheid vom 22. Januar 2015 unverzüglich zur Post gegeben habe. Der Kläger habe unverzüglich reagiert und alles ihm zumutbare unternommen. Er habe sich mit seiner Ärztin in Verbindung gesetzt, einen Auszug aus der Patientendatei und deren Stellungnahme beschafft.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 10. Februar 2016 und des Bescheides der Beklagten vom 22. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2015 verurteilt, dem Kläger über den 10. Dezember 2014 hinaus Krankengeld nach gesetzlicher Maßgabe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt ergänzend vor, der Vortrag, das Schreiben vom 17. Dezember 2014 nicht erhalten zu haben, hätte früher erfolgen können und sei deshalb zu bezweifeln.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter alleine entschieden werden, §§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Beide Beteiligten haben sich mit dieser Vorgehensweise im Erörterungstermin am 19. Dezember 2016 einverstanden erklärt.
Der Berufung muss Erfolg versagt bleiben. Das SG hat die Klage zu Recht und mit ausführlicher Begründung abgewiesen, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist nur noch zu ergänzen: Für sich alleine tragend ist bereits, dass der Kläger die Obliegenheit verletzt hat, angesichts einer ihm ausgehändigten Bescheinigung, welche AU bis lediglich bis 9. Dezember 2014 bescheinigte, sich rechtzeitig um eine Verlängerung bzw. Erneuerung zu bemühen. Er hat nicht alles ihm mögliche und zumutbare unternommen, seiner Ärztin gegenüber darauf zu beharren, an diesem Tag entweder erneut AU zu bescheinigen oder eine klarstellende Verlängerung der bisherigen zu erwirken.
Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2015 den Kläger erst nach dem vom SG errechneten Datum erreicht haben könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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