Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 167 AS 13495/13 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1813/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird festgestellt, dass die Klage als zurückgenommen gilt und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. Juni 2015 nichtig ist. Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1983 in Ha Tinh (Vietnam) geborene Kläger ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 (Merkzeichen. G, Bl, H, RF) anerkannt. Für ihn war ab April 2004 eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, Behördenangelegenheiten, Entgegennahme, Anhalten und Öffnen der Post, Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten angeordnet worden.
Auf den von seiner damaligen Betreuerin M R (R) gestellten Antrag bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 25. März 2011 Regelleistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit vom 24. Februar 2011 bis 28. Februar 2011 in Höhe von (iHv) 59,83 EUR sowie für die Zeit vom 1. März 2011 bis 31. Juli 2011 iHv 359,- EUR monatlich. Mit Bescheid vom 26. März 2011 erfolgte eine Anpassung an den ab 1. Januar 2011 maßgeblichen Regelbedarf von 364,- EUR monatlich. In der Zeit vom 6. April 2011 bis 8. August 2011 befand sich der Kläger in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt M in B. Mit einem auf den 14. April 2011 datierten Schreiben informierte R den Beklagten über die Verhaftung des Klägers und teilte mit, sie könne nicht sagen, wann eine Entlassung erfolge. Mit Schreiben vom 21. Juni 2011 forderte der Beklagte R auf, den Beginn der Untersuchungshaft anzugeben.
Mit Beschluss vom 27. Juni 2011 hob das Amtsgericht P – Betreuungsgericht – die Betreuung des Klägers mit der Begründung auf, eine zielgerichtete Betreuungsarbeit sei seit Herbst 2010 nicht mehr möglich gewesen, weil der Kläger keinen Kontakt mit der Betreuerin gehalten habe und offenbar auch ohne Hilfe in der Lage gewesen sei, sein Leben zu bewältigen.
Mit Schreiben vom 17. August 2011 hörte der Beklagte unter Bezugnahme auf § 24 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) den Kläger an und teilte ihm mit, er habe in der Zeit vom 1. April 2011 bis 30. Juni 2011 zu Unrecht Leistungen iHv 1.031,33 EUR bezogen, die gemäß § 50 SGB X zu erstatten seien. Der Kläger nahm die ihm bis zum 3. September 2011 eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme nicht wahr. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13. September 2011 hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 6. April 2011 bis 30. Juni 2011 auf und forderte den Kläger zur Erstattung des überzahlten Betrags iHv 1.031,33 EUR auf. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit dem am 12. Januar 2012 zugegangenen Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2012 zurück.
Mit der am Montag, den 13. Februar 2012 anwaltlich erhobenen Klage hat der Kläger sich "sich zunächst rein fristwahrend" gegen den Bescheid vom 13. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012 gewandt und eine "antragsgemäße" Bescheidung begehrt sowie angekündigt, die Klage "zu einem zeitnahen anderen Zeitpunkt" zu begründen. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat den Kläger mit der Eingangsverfügung vom 16. Februar 2012 zur Begründung der Klage binnen 3 Wochen aufgefordert. Nachdem es den Kläger zweimal erfolglos unter Fristsetzung an die Vorlage der Begründung erinnert hatte, hat es mit der am 29. Juni 2012 zugestellten Betreibensaufforderung vom 27. Juni 2012, auf die Bezug genommen wird, den Kläger erneut binnen drei Monaten zur Übersendung der angekündigten Klagebegründung aufgefordert. Nachdem das SG dem Kläger mit Schreiben vom 16. Oktober 2012 mitgeteilt hatte, dass die Klage nach § 102 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als zurückgenommen gelte, hat der Kläger am 31. Oktober 2012 beantragt, das Verfahren wieder aufzunehmen. Der Kläger hat vorgetragen: Aufgrund der Haftverhältnisse sowie seiner Behinderung sei es ihm unmöglich gewesen, den Beklagten zu informieren. Einen Betreuer habe er für die Zeit seiner Haft nicht gehabt. Das SG hat mit Urteil vom 2. Juni 2015 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Januar 2012 aufgehoben. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung -, 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 SGB X für eine Aufhebung der Bewilligungsentscheidungen seien nicht erfüllt. Zwar sei durch die Inhaftierung des Klägers eine Änderung in den Verhältnissen eingetreten. Nach § 7 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB II erhalte keine Leistungen nach dem SGB II, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht sei. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung sei der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt, wozu auch die Untersuchungshaft gehöre. Zwar habe der Kläger seine Inhaftierung erst nach seiner Entlassung am 15. August 2011 mitgeteilt. Diese Mitteilung sei aber nicht verspätet, denn der Kläger sei aufgrund seiner Behinderung und fehlender deutscher Sprachkenntnisse nicht in der Lage, Behördenangelegenheiten zu erfassen und zu regeln. Für den Kläger habe zwar zu Haftbeginn eine rechtliche Betreuung bestanden und er müsse sich auch das Handeln des Betreuers zurechnen lassen. Indes müsse berücksichtigt werden, dass die Betreuung während der Untersuchungshaft geendet habe und dass der Kläger aus der Untersuchungshaft heraus schlechterdings nicht in der Lage gewesen sei, den Beklagten zu informieren. Der Kläger habe auch keine Kenntnis bzw. grob fährlässige Unkenntnis vom Wegfall des Leistungsanspruchs gehabt. Die Kenntnis seiner Betreuerin sei nicht erheblich, da die Betreuung nicht bis zum Ende der Untersuchungshaft angedauert habe.
Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte gegen dieses Urteil und trägt vor: Da R gewusst habe, dass der Leistungsanspruch weggefallen sei, sei die Bewilligung für die Zeit vom 6. April 2011 bis 30. Juni 2011 aufzuheben. Die Aufhebung der Betreuung sei frühestens am 29. Juni 2011 wirksam geworden. Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Wegfall der Bezugsberechtigung müsse in dem Zeitpunkt bestehen, in dem der Empfänger Kenntnis von der Auszahlung oder Weiterleitung erhalten habe. Die Leistungen für Juni 2011 seien bereits Ende Mai 2011 ausgezahlt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe die Betreuung noch bestanden und somit sei für die Kenntnis des Wegfalls des Anspruchs auf die Betreuerin abzustellen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. Juni 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zu verwerfen.
Er trägt vor: R habe die wesentlichen Änderungen mitgeteilt. Der Beklagte müsse es sich anrechnen lassen, dass er über die wesentlichen Änderungen informiert gewesen sei und trotzdem gezahlt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, weil der Kläger ordnungsgemäß geladen und bei der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war.
Die Berufung des Beklagten ist nach Maßgabe des Tenors begründet.
Die statthafte Anfechtungsklage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012 ist unzulässig, weil sie bereits gemäß § 102 Abs. 2 SGG als zurückgenommen gilt und daher der angefochtene Bescheid bestandskräftig geworden ist.
Mit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) wurde mWv 1. April 2008 in Abs. 2 des § 102 SGG eine Fiktion der Klagerücknahme bei Nichtbetreiben eingefügt. Die Norm lautet: "Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 (SGG) in Verbindung mit § 155 Abs. 2 VwGO ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen."
Bei der fingierten Klagerücknahme handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Fall des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG, BT-Drucks. 16/7716 S. 19 zu Nummer 17 (§ 102); BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 74/09 R = SozR 4-1500 § 153 Nr. 9).; sie erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache (§ 102 Abs. 2 Satz 2 iVm Abs. 1 Satz 2 SGG).
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat bereits mehrfach entschieden, dass Vorschriften mit der Rechtsfolge einer Verfahrensbeendigung mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz vereinbar sind; es hat aber zugleich betont, dass Regelungen dieser Art Ausnahmecharakter haben, der bei ihrer Auslegung und Anwendung besonders zu beachten ist (BVerfG (Kammer), Beschluss vom 27. Oktober 1998 - 2 BvR 2662/95 - DVBl. 1999, 166, 167 zu § 81 AsylVfG und § 92 Abs. 2. VwGO; vgl. bereits BVerfG (Vorprüfungsausschuss), Beschluss vom 7. August 1984 - 2 BvR 187/84 = NVwZ 1985, 33; BVerfG (Vorprüfungsausschuss), Beschluss vom 15. August 1984 - 2 BvR 357/84 = DVBl. 1984, 1005; BVerfG (Kammer), Beschluss vom 19. Mai 1993 - 2 BvR 1972/92 = NVwZ 1994, 62f, alle zu § 33 AsylVfG 1982). Dass sich auch der Gesetzgeber des SGGArbGGÄndG bei der Einfügung der Klagerücknahmefiktion in § 102 Abs. 2 SGG der vom BVerfG aufgezeigten engen verfassungsrechtlichen Grenzen unter Beachtung ihres Ausnahmecharakters bewusst war, kommt in den Materialien deutlich zum Ausdruck. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG heißt es zum dortigen Entwurf des § 102 Abs. 2 SGG unter Bezugnahme auf die vorgenannte Rechtsprechung des BVerfG und des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG - (Beschluss vom 12. April 2001 - 8 B 2/01 = NVwZ 2001, 918) ausdrücklich, dass "die Auslegung und Anwendung der Norm nur vor dem Hintergrund ihres strengen Ausnahmecharakters erfolgen" darf (BT-Drucks. 16/7716 S 19 zu Nummer 17 (§ 102)). Ungeschriebene Voraussetzung der Rücknahmefiktion nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 58/09 R = BSGE 106, 254 ff) ist, dass der Kläger sein Verfahren unzureichend betrieben und damit dem Gericht Anlass für eine Betreibensaufforderung gegeben hat. Das vorherige Prozessverhalten des Klägers muss mithin die Grundlage für die Vermutung bieten, dass sein Rechtsschutzinteresse entfallen ist. Dafür müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die in der Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten liegen können. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann sich dies auch aus einer unterbliebenen Klagebegründung ergeben (ebenso BSGE 106, 244 ff. sowie OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Dezember 2015 OVG 2 M 18.15 -, juris; a.A. wohl LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. September 2011 – L 13 SG 126711 B -, juris Rn. 9). Zwar schreibt das SGG eine Klagebegründung nur als Soll-Bestimmung vor (§ 92 Abs. 1 Satz 3 SGG), weshalb der vermutete Wegfall des Rechtsschutzinteresses nicht schon daraus hergeleitet werden kann, dass der Kläger die Klage nicht von sich aus begründet hat. Die Verletzung einer prozessualen Mitwirkungspflicht kann sich aber aus einer richterlichen Anordnung der Vorlage einer Klagebegründung ergeben, zumal wenn der Kläger selbst eine Klagebegründung angekündigt hat (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 25. Oktober 1999 – 6 S 1870.99 –, juris Rn. 4). Um daraus die Vermutung des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses abzuleiten, muss das Gericht allerdings den gesamten ihm bekannten Verfahrensablauf in den Blick nehmen, wobei von Bedeutung sein kann, ob der Kläger unter Fristsetzung bzw. gar mehrfach erfolglos zur Mitwirkung aufgefordert wurde oder der Zeitraum seiner Untätigkeit beträchtlich ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. Juli 2001 – 8 B 119.00 –, juris Rn. 4 f., und vom 12. April 2001 – 8 B 2.01 –, juris Rn. 6).
Hieran gemessen hatte der Kläger berechtigten Anlass zum Erlass der Betreibensaufforderung gegeben. Die Klage war zunächst nur "rein fristwahrend" eingelegt worden und es war eine Begründung zu einem zeitnahen anderen Zeitpunkt angekündigt worden. Damit hatte der Kläger unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass zum einen die Fortführung des Verfahrens keineswegs sicher war und zum anderen im Falle einer Fortführung des Verfahrens kurzfristig weitere Tatsachen- und Rechtsausführungen zur Begründung der Klage erfolgen sollten. Auf die damit korrespondierende Aufforderung des SG zur Begründung binnen eines Monats reagierte der Kläger ebenso wenig wie auf zwei Erinnerungen des SG. Eine Begründung der Klage war indes nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des SG (vgl. BSG SozR 1500 § 153 Nr. 9) erforderlich und auch nach der in der Ankündigung zum Ausdruck kommenden Auffassung des Klägers geboten. Ihre Notwendigkeit drängte sich schon deshalb auf, weil der angekündigte Klageantrag, mit dem außer der Kassation des angegriffenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheides auch beantragt werden sollte, "den Kläger antragsgemäß zu bescheiden" nicht nachvollziehbar war. Nachdem sich der Kläger trotz mehrfacher, in der Sache jedenfalls vertretbarer Aufforderung zur Klagebegründung in Widerspruch zur Klageschrift mehr als fünf Monate nicht "gerührt" hatte, bestand im Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung ein hinreichender Anlass für die Vermutung, dass der Kläger das Interesse am Verfahren verloren hatte.
Eine Rücknahmefiktion setzt ferner den Ablauf einer zuvor vom Gericht gesetzten Frist zum Betreiben des Verfahrens voraus (vgl. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG). Eine in diesem Sinne wirksame Fristsetzung ist vorliegend erfolgt, und zwar durch die von der zuständigen Kammervorsitzenden mit vollem Namen unterzeichnete Betreibensaufforderung vom 27. Juni 2012. Auch die gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 SGG zuzustellende Ausfertigung/beglaubigte Abschrift (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG, BT-Drucks 16/7716 S 19 zu Nummer 17 (§ 102)) lässt diesen Umstand erkennen, dh sie hat durch Wiedergabe des vollen Namens der Kammervorsitzenden des SG ausgewiesen, dass die Betreibensaufforderung von ihr stammt. Die Betreibensaufforderung enthielt auch einen ordnungsmäßen Hinweis nach § 102 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Rechtsfolgen der Klagerücknahmefiktion. Sie wurde dem Kläger laut Empfangsbekenntnis seiner Prozessbevollmächtigten am 29. Juni 2012 zugestellt. Ausgehend von dieser wirksamen Zustellung hat der Kläger das Verfahren auch länger als drei Monate nicht betrieben. Die Betreibensfrist begann am 30. Juni 2012 und lief am Montag, den 1. Oktober 2012 ab (vgl. § 64 SGG). Der Kläger hat sich erst am 31. Oktober 2012 wieder bei dem SG gemeldet.
Nach alledem gilt die Klage gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG als zurückgenommen. Im Hinblick auf die damit eingetretene Bestandskraft (vgl. § 77 SGG) des angegriffenen Verwaltungsakts erwies sich die Klage als unzulässig und das SG war an einer Sachentscheidung gehindert. Dementsprechend war festzustellen, dass die Klage als zurückgenommen gilt und das angegriffene Urteil nichtig ist (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 125 Rn. 5b).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Nr. 2 und 3 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der 1983 in Ha Tinh (Vietnam) geborene Kläger ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 (Merkzeichen. G, Bl, H, RF) anerkannt. Für ihn war ab April 2004 eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, Behördenangelegenheiten, Entgegennahme, Anhalten und Öffnen der Post, Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten angeordnet worden.
Auf den von seiner damaligen Betreuerin M R (R) gestellten Antrag bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 25. März 2011 Regelleistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit vom 24. Februar 2011 bis 28. Februar 2011 in Höhe von (iHv) 59,83 EUR sowie für die Zeit vom 1. März 2011 bis 31. Juli 2011 iHv 359,- EUR monatlich. Mit Bescheid vom 26. März 2011 erfolgte eine Anpassung an den ab 1. Januar 2011 maßgeblichen Regelbedarf von 364,- EUR monatlich. In der Zeit vom 6. April 2011 bis 8. August 2011 befand sich der Kläger in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt M in B. Mit einem auf den 14. April 2011 datierten Schreiben informierte R den Beklagten über die Verhaftung des Klägers und teilte mit, sie könne nicht sagen, wann eine Entlassung erfolge. Mit Schreiben vom 21. Juni 2011 forderte der Beklagte R auf, den Beginn der Untersuchungshaft anzugeben.
Mit Beschluss vom 27. Juni 2011 hob das Amtsgericht P – Betreuungsgericht – die Betreuung des Klägers mit der Begründung auf, eine zielgerichtete Betreuungsarbeit sei seit Herbst 2010 nicht mehr möglich gewesen, weil der Kläger keinen Kontakt mit der Betreuerin gehalten habe und offenbar auch ohne Hilfe in der Lage gewesen sei, sein Leben zu bewältigen.
Mit Schreiben vom 17. August 2011 hörte der Beklagte unter Bezugnahme auf § 24 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) den Kläger an und teilte ihm mit, er habe in der Zeit vom 1. April 2011 bis 30. Juni 2011 zu Unrecht Leistungen iHv 1.031,33 EUR bezogen, die gemäß § 50 SGB X zu erstatten seien. Der Kläger nahm die ihm bis zum 3. September 2011 eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme nicht wahr. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13. September 2011 hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 6. April 2011 bis 30. Juni 2011 auf und forderte den Kläger zur Erstattung des überzahlten Betrags iHv 1.031,33 EUR auf. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit dem am 12. Januar 2012 zugegangenen Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2012 zurück.
Mit der am Montag, den 13. Februar 2012 anwaltlich erhobenen Klage hat der Kläger sich "sich zunächst rein fristwahrend" gegen den Bescheid vom 13. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012 gewandt und eine "antragsgemäße" Bescheidung begehrt sowie angekündigt, die Klage "zu einem zeitnahen anderen Zeitpunkt" zu begründen. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat den Kläger mit der Eingangsverfügung vom 16. Februar 2012 zur Begründung der Klage binnen 3 Wochen aufgefordert. Nachdem es den Kläger zweimal erfolglos unter Fristsetzung an die Vorlage der Begründung erinnert hatte, hat es mit der am 29. Juni 2012 zugestellten Betreibensaufforderung vom 27. Juni 2012, auf die Bezug genommen wird, den Kläger erneut binnen drei Monaten zur Übersendung der angekündigten Klagebegründung aufgefordert. Nachdem das SG dem Kläger mit Schreiben vom 16. Oktober 2012 mitgeteilt hatte, dass die Klage nach § 102 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als zurückgenommen gelte, hat der Kläger am 31. Oktober 2012 beantragt, das Verfahren wieder aufzunehmen. Der Kläger hat vorgetragen: Aufgrund der Haftverhältnisse sowie seiner Behinderung sei es ihm unmöglich gewesen, den Beklagten zu informieren. Einen Betreuer habe er für die Zeit seiner Haft nicht gehabt. Das SG hat mit Urteil vom 2. Juni 2015 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Januar 2012 aufgehoben. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung -, 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 SGB X für eine Aufhebung der Bewilligungsentscheidungen seien nicht erfüllt. Zwar sei durch die Inhaftierung des Klägers eine Änderung in den Verhältnissen eingetreten. Nach § 7 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB II erhalte keine Leistungen nach dem SGB II, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht sei. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung sei der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt, wozu auch die Untersuchungshaft gehöre. Zwar habe der Kläger seine Inhaftierung erst nach seiner Entlassung am 15. August 2011 mitgeteilt. Diese Mitteilung sei aber nicht verspätet, denn der Kläger sei aufgrund seiner Behinderung und fehlender deutscher Sprachkenntnisse nicht in der Lage, Behördenangelegenheiten zu erfassen und zu regeln. Für den Kläger habe zwar zu Haftbeginn eine rechtliche Betreuung bestanden und er müsse sich auch das Handeln des Betreuers zurechnen lassen. Indes müsse berücksichtigt werden, dass die Betreuung während der Untersuchungshaft geendet habe und dass der Kläger aus der Untersuchungshaft heraus schlechterdings nicht in der Lage gewesen sei, den Beklagten zu informieren. Der Kläger habe auch keine Kenntnis bzw. grob fährlässige Unkenntnis vom Wegfall des Leistungsanspruchs gehabt. Die Kenntnis seiner Betreuerin sei nicht erheblich, da die Betreuung nicht bis zum Ende der Untersuchungshaft angedauert habe.
Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte gegen dieses Urteil und trägt vor: Da R gewusst habe, dass der Leistungsanspruch weggefallen sei, sei die Bewilligung für die Zeit vom 6. April 2011 bis 30. Juni 2011 aufzuheben. Die Aufhebung der Betreuung sei frühestens am 29. Juni 2011 wirksam geworden. Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Wegfall der Bezugsberechtigung müsse in dem Zeitpunkt bestehen, in dem der Empfänger Kenntnis von der Auszahlung oder Weiterleitung erhalten habe. Die Leistungen für Juni 2011 seien bereits Ende Mai 2011 ausgezahlt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe die Betreuung noch bestanden und somit sei für die Kenntnis des Wegfalls des Anspruchs auf die Betreuerin abzustellen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. Juni 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zu verwerfen.
Er trägt vor: R habe die wesentlichen Änderungen mitgeteilt. Der Beklagte müsse es sich anrechnen lassen, dass er über die wesentlichen Änderungen informiert gewesen sei und trotzdem gezahlt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, weil der Kläger ordnungsgemäß geladen und bei der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war.
Die Berufung des Beklagten ist nach Maßgabe des Tenors begründet.
Die statthafte Anfechtungsklage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012 ist unzulässig, weil sie bereits gemäß § 102 Abs. 2 SGG als zurückgenommen gilt und daher der angefochtene Bescheid bestandskräftig geworden ist.
Mit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) wurde mWv 1. April 2008 in Abs. 2 des § 102 SGG eine Fiktion der Klagerücknahme bei Nichtbetreiben eingefügt. Die Norm lautet: "Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 (SGG) in Verbindung mit § 155 Abs. 2 VwGO ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen."
Bei der fingierten Klagerücknahme handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Fall des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG, BT-Drucks. 16/7716 S. 19 zu Nummer 17 (§ 102); BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 74/09 R = SozR 4-1500 § 153 Nr. 9).; sie erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache (§ 102 Abs. 2 Satz 2 iVm Abs. 1 Satz 2 SGG).
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat bereits mehrfach entschieden, dass Vorschriften mit der Rechtsfolge einer Verfahrensbeendigung mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz vereinbar sind; es hat aber zugleich betont, dass Regelungen dieser Art Ausnahmecharakter haben, der bei ihrer Auslegung und Anwendung besonders zu beachten ist (BVerfG (Kammer), Beschluss vom 27. Oktober 1998 - 2 BvR 2662/95 - DVBl. 1999, 166, 167 zu § 81 AsylVfG und § 92 Abs. 2. VwGO; vgl. bereits BVerfG (Vorprüfungsausschuss), Beschluss vom 7. August 1984 - 2 BvR 187/84 = NVwZ 1985, 33; BVerfG (Vorprüfungsausschuss), Beschluss vom 15. August 1984 - 2 BvR 357/84 = DVBl. 1984, 1005; BVerfG (Kammer), Beschluss vom 19. Mai 1993 - 2 BvR 1972/92 = NVwZ 1994, 62f, alle zu § 33 AsylVfG 1982). Dass sich auch der Gesetzgeber des SGGArbGGÄndG bei der Einfügung der Klagerücknahmefiktion in § 102 Abs. 2 SGG der vom BVerfG aufgezeigten engen verfassungsrechtlichen Grenzen unter Beachtung ihres Ausnahmecharakters bewusst war, kommt in den Materialien deutlich zum Ausdruck. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG heißt es zum dortigen Entwurf des § 102 Abs. 2 SGG unter Bezugnahme auf die vorgenannte Rechtsprechung des BVerfG und des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG - (Beschluss vom 12. April 2001 - 8 B 2/01 = NVwZ 2001, 918) ausdrücklich, dass "die Auslegung und Anwendung der Norm nur vor dem Hintergrund ihres strengen Ausnahmecharakters erfolgen" darf (BT-Drucks. 16/7716 S 19 zu Nummer 17 (§ 102)). Ungeschriebene Voraussetzung der Rücknahmefiktion nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 58/09 R = BSGE 106, 254 ff) ist, dass der Kläger sein Verfahren unzureichend betrieben und damit dem Gericht Anlass für eine Betreibensaufforderung gegeben hat. Das vorherige Prozessverhalten des Klägers muss mithin die Grundlage für die Vermutung bieten, dass sein Rechtsschutzinteresse entfallen ist. Dafür müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die in der Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten liegen können. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann sich dies auch aus einer unterbliebenen Klagebegründung ergeben (ebenso BSGE 106, 244 ff. sowie OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Dezember 2015 OVG 2 M 18.15 -, juris; a.A. wohl LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. September 2011 – L 13 SG 126711 B -, juris Rn. 9). Zwar schreibt das SGG eine Klagebegründung nur als Soll-Bestimmung vor (§ 92 Abs. 1 Satz 3 SGG), weshalb der vermutete Wegfall des Rechtsschutzinteresses nicht schon daraus hergeleitet werden kann, dass der Kläger die Klage nicht von sich aus begründet hat. Die Verletzung einer prozessualen Mitwirkungspflicht kann sich aber aus einer richterlichen Anordnung der Vorlage einer Klagebegründung ergeben, zumal wenn der Kläger selbst eine Klagebegründung angekündigt hat (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 25. Oktober 1999 – 6 S 1870.99 –, juris Rn. 4). Um daraus die Vermutung des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses abzuleiten, muss das Gericht allerdings den gesamten ihm bekannten Verfahrensablauf in den Blick nehmen, wobei von Bedeutung sein kann, ob der Kläger unter Fristsetzung bzw. gar mehrfach erfolglos zur Mitwirkung aufgefordert wurde oder der Zeitraum seiner Untätigkeit beträchtlich ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. Juli 2001 – 8 B 119.00 –, juris Rn. 4 f., und vom 12. April 2001 – 8 B 2.01 –, juris Rn. 6).
Hieran gemessen hatte der Kläger berechtigten Anlass zum Erlass der Betreibensaufforderung gegeben. Die Klage war zunächst nur "rein fristwahrend" eingelegt worden und es war eine Begründung zu einem zeitnahen anderen Zeitpunkt angekündigt worden. Damit hatte der Kläger unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass zum einen die Fortführung des Verfahrens keineswegs sicher war und zum anderen im Falle einer Fortführung des Verfahrens kurzfristig weitere Tatsachen- und Rechtsausführungen zur Begründung der Klage erfolgen sollten. Auf die damit korrespondierende Aufforderung des SG zur Begründung binnen eines Monats reagierte der Kläger ebenso wenig wie auf zwei Erinnerungen des SG. Eine Begründung der Klage war indes nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des SG (vgl. BSG SozR 1500 § 153 Nr. 9) erforderlich und auch nach der in der Ankündigung zum Ausdruck kommenden Auffassung des Klägers geboten. Ihre Notwendigkeit drängte sich schon deshalb auf, weil der angekündigte Klageantrag, mit dem außer der Kassation des angegriffenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheides auch beantragt werden sollte, "den Kläger antragsgemäß zu bescheiden" nicht nachvollziehbar war. Nachdem sich der Kläger trotz mehrfacher, in der Sache jedenfalls vertretbarer Aufforderung zur Klagebegründung in Widerspruch zur Klageschrift mehr als fünf Monate nicht "gerührt" hatte, bestand im Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung ein hinreichender Anlass für die Vermutung, dass der Kläger das Interesse am Verfahren verloren hatte.
Eine Rücknahmefiktion setzt ferner den Ablauf einer zuvor vom Gericht gesetzten Frist zum Betreiben des Verfahrens voraus (vgl. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG). Eine in diesem Sinne wirksame Fristsetzung ist vorliegend erfolgt, und zwar durch die von der zuständigen Kammervorsitzenden mit vollem Namen unterzeichnete Betreibensaufforderung vom 27. Juni 2012. Auch die gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 SGG zuzustellende Ausfertigung/beglaubigte Abschrift (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG, BT-Drucks 16/7716 S 19 zu Nummer 17 (§ 102)) lässt diesen Umstand erkennen, dh sie hat durch Wiedergabe des vollen Namens der Kammervorsitzenden des SG ausgewiesen, dass die Betreibensaufforderung von ihr stammt. Die Betreibensaufforderung enthielt auch einen ordnungsmäßen Hinweis nach § 102 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Rechtsfolgen der Klagerücknahmefiktion. Sie wurde dem Kläger laut Empfangsbekenntnis seiner Prozessbevollmächtigten am 29. Juni 2012 zugestellt. Ausgehend von dieser wirksamen Zustellung hat der Kläger das Verfahren auch länger als drei Monate nicht betrieben. Die Betreibensfrist begann am 30. Juni 2012 und lief am Montag, den 1. Oktober 2012 ab (vgl. § 64 SGG). Der Kläger hat sich erst am 31. Oktober 2012 wieder bei dem SG gemeldet.
Nach alledem gilt die Klage gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG als zurückgenommen. Im Hinblick auf die damit eingetretene Bestandskraft (vgl. § 77 SGG) des angegriffenen Verwaltungsakts erwies sich die Klage als unzulässig und das SG war an einer Sachentscheidung gehindert. Dementsprechend war festzustellen, dass die Klage als zurückgenommen gilt und das angegriffene Urteil nichtig ist (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 125 Rn. 5b).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Nr. 2 und 3 SGG liegen nicht vor.
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