Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 161 V 312/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 VE 39/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Mai 2014 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Schädigungsfolgen (GdS – der bis 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE] bezeichnet wurde) unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der Kläger befand sich vom 2. September 1963 bis zum 23. Januar 1967 in der Strafvollzugsanstalt U und vom 14. Juli 1967 bis zum 13. Juni 1968 im Haftarbeitslager R. Mit Beschluss vom 20. Mai 1994 stellte das Landgericht Halle/Saale fest, dass er die Haft zu Unrecht erlitten hatte.
Auf den Antrag des Klägers erkannte der Beklagte 1996 als Schädigungsfolgen
1. belastende Träume nach Haft,
2. depressive Unruhezustände mit Schlafstörungen,
und zwar zu 1) hervorgerufen, zu 2) verschlimmert durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 21 StrRehaG, bei einer MdE von weniger als 25 v.H. an. Im anschließenden Rechtsstreit gab der Beklagte vor dem Landessozialgericht Berlin zum Aktenzeichen L 13 V 1/99 ein Anerkenntnis ab, das der Kläger annahm. In dessen Ausführung gewährte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 9. Mai 2000 eine Versorgungsrente nach einer MdE von 40 v.H. mit Wirkung ab 1. Januar 1998. Als Schädigungsfolgen stellte er
1. posttraumatische Belastungsstörung mit Wiedererinnerungen und belastenden Träumen nach Haft,
2. depressive und Unruhezustände mit Schlafstörungen
fest. Eine Höherbewertung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG lehnte der Beklagte ab.
Auf den Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 10. September 2004 holte der Beklagte das Kausalitätsgutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H vom 5. März 2007 ein, die eine MdE von 40 v.H. bestätigte. Auf der Grundlage dieses Gutachtens lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 18. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2007 ab.
Mit seiner Klage bei dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger begehrt, bei ihm einen GdS von 70 unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit anzuerkennen. Nach Einholung von Befundberichten hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 22. Mai 2014 die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er bringt hierzu insbesondere vor, dass der GdS höher zu bewerten sei. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie / Neurologie Prof. Dr. P vom 4. Juni 2016, der nach Untersuchung des Klägers den GdS auf 40 eingeschätzt hat.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Mai 2014 aufzuheben sowie den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2007 zu verpflichten, ihm mit Wirkung ab 10. September 2004 eine höhere Versorgungsrente nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 60 auf der Grundlage der festgestellten Schädigungsfolgen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Versorgungsamtes Berlin verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Denn der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch, dass dieser ihm auf der Grundlage der festgestellten Schädigungsfolgen eine Versorgungsrente nach dem StrRehaG in Verbindung mit dem BVG nach einem höheren GdS als 40 gewährt.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG erhält ein Betroffener, der infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG. Beschädigte erhalten nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG eine monatliche Grundrente, deren Höhe nach dem Grad der Schädigungsfolgen gestaffelt ist. Dieser GdS ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 BVG). Hierbei sind die in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) festgelegten "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" heranzuziehen, die zuletzt durch Gesetz vom 23. Dezember 2016 geändert wurden.
Im Funktionssystem der Psyche (vgl. Teil A Nr. 2 lit. e Satz 2 der Anlage zu § 2 VersMedV) beträgt für die Folgen psychischer Traumen bei dem Kläger der Einzel-GdS 40.
Die von dem Beklagten als Schädigungsfolge anerkannte posttraumatische Belastungsstörung bedingt einen GdS von 30. Der Sachverständige Prof. Dr. P hat – in Übereinstimmung mit den Vorgaben in Teil B Nr. 3.7 der Anlage zu § 2 VersMedV – nachvollziehbar dargelegt, dass der Schweregrad der Kernsymptome Alpträume, Schlafstörungen und soziales Vermeidungsverhalten als mittelgradig einzuschätzen ist. Die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit des Klägers ist durch das Leiden unter den Alpträumen und durch die Folgen des sozialen Rückzugsverhaltens wesentlich beeinträchtigt. Die unter der Bezeichnung "depressive und Unruhezustände mit Schlafstörungen" als Schädigungsfolge anerkannte depressive Störung ist mit einem GdS von 20 zu bewerten. Der Sachverständige hat herausgearbeitet, dass ein nur leichtgradiges Störungsbild vorliegt. Die Erlebnisfähigkeit des Klägers wird durch die Störung zwar beeinträchtigt, angesichts der Seltenheit der depressiven Einbrüche können diese jedoch nicht als wesentlich qualifiziert werden.
Zusammengenommen stellen die Störungsbilder der posttraumatischen Belastungsstörung und der depressiven Störung nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen eine mittelgradige bis schwere, jedoch noch keine eindeutig schwere Gesundheitsstörung dar. Zwar ist die soziale Anpassungsfähigkeit des Klägers im Bereich der sozialen Beziehungen bereits mittelgradig beeinträchtigt, nicht jedoch im beruflichen Bereich. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Einzel-GdS von 50 sind damit nicht erfüllt. Vielmehr ist der Einzel-GdS im Funktionssystem Psyche mit 40 zu bewerten.
Da weitere Schädigungsfolgen bei dem Kläger nicht durch Bescheid festgestellt wurden, bildet dieser Einzel-GdS auch den Gesamt-GdS.
Die Höhe des GdS ist auch unter Ansehung des § 30 Abs. 2 BVG nicht wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit des Klägers anzuheben. Nach Satz 1 dieser Vorschrift in der seit dem 21. Dezember 2007 geltenden Fassung (die sich inhaltlich nicht von der Fassung vom 29. Juli 1994 unterscheidet) ist der GdS höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist nach Satz 2 insbesondere der Fall, wenn 1. auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, 2. zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder 3. die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.
Die Tatbestände des § 30 Abs. 2 Satz 2 BVG sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19. Februar 1969 – 10 RV 561/66 –, BSGE 29, 139 = SozR Nr. 37 zu § 30 BVG) nur beispielhaft aufgeführt und stellen Erläuterungen für den in § 30 Abs. 2 Satz 1 BVG allgemein zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers dar, eine Höherbewertung des GdS vorzunehmen, wenn der Beschädigte in seinem Beruf besonders betroffen ist. Hierbei bezieht sich das "Besondere" der beruflichen Betroffenheit nicht auf einen bestimmten Beruf (weshalb der Anspruch auf Höherbewertung des GdS nicht ausgeschlossen ist, wenn der Betroffene in jedem Beruf gleichermaßen betroffen ist), sondern auf das Ausmaß der individuellen Auswirkungen bei dem Geschädigten in seinem Berufsleben. Demgegenüber ist der "medizinische" GdS gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Er hängt damit nicht von der konkreten Beeinträchtigung in einem von dem Geschädigten ausgeübten oder angestrebten Beruf ab (vgl. zur MdE: BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995 – 9 RV 9/95 –, BSGE 77, 147 = SozR 3-3100 § 30 Nr. 15). Die besonderen Auswirkungen im konkreten Beruf des Geschädigten, die sich in der Höhe des medizinischen GdS im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG nicht widerspiegeln, sollten durch § 30 Abs. 2 Satz 1 BVG Berücksichtigung finden. So ist auch derjenige, der seinen Beruf nach der Schädigung weiter ausübt, dann besonders betroffen, wenn er eine außergewöhnliche Tatkraft aufwenden und außergewöhnliche Anstrengungen machen muss, um einen wirtschaftlichen Schaden und ein Abgleiten in seinem Beruf zu verhindern (BSG, Urteil vom 24. August 1960 – 10 RV 333/56 –, BSGE 13, 20 = SozR Nr, 8 zu § 30 BVG; vgl. auch Dau, in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, Rn. 19 zu § 30 BVG).
An diesem Maßstab gemessen liegt bei dem Kläger keine besondere berufliche Betroffenheit vor. In Übereinstimmung mit dem im vorausgegangenen sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G vom 5. Februar 1998 hat der Sachverständige Prof. Dr. P eine besondere berufliche Betroffenheit des Klägers nicht feststellen können. Dieser überzeugenden Einschätzung schließt der Senat sich an.
Die nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Schädigungsfolgen (GdS – der bis 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE] bezeichnet wurde) unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der Kläger befand sich vom 2. September 1963 bis zum 23. Januar 1967 in der Strafvollzugsanstalt U und vom 14. Juli 1967 bis zum 13. Juni 1968 im Haftarbeitslager R. Mit Beschluss vom 20. Mai 1994 stellte das Landgericht Halle/Saale fest, dass er die Haft zu Unrecht erlitten hatte.
Auf den Antrag des Klägers erkannte der Beklagte 1996 als Schädigungsfolgen
1. belastende Träume nach Haft,
2. depressive Unruhezustände mit Schlafstörungen,
und zwar zu 1) hervorgerufen, zu 2) verschlimmert durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 21 StrRehaG, bei einer MdE von weniger als 25 v.H. an. Im anschließenden Rechtsstreit gab der Beklagte vor dem Landessozialgericht Berlin zum Aktenzeichen L 13 V 1/99 ein Anerkenntnis ab, das der Kläger annahm. In dessen Ausführung gewährte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 9. Mai 2000 eine Versorgungsrente nach einer MdE von 40 v.H. mit Wirkung ab 1. Januar 1998. Als Schädigungsfolgen stellte er
1. posttraumatische Belastungsstörung mit Wiedererinnerungen und belastenden Träumen nach Haft,
2. depressive und Unruhezustände mit Schlafstörungen
fest. Eine Höherbewertung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG lehnte der Beklagte ab.
Auf den Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 10. September 2004 holte der Beklagte das Kausalitätsgutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H vom 5. März 2007 ein, die eine MdE von 40 v.H. bestätigte. Auf der Grundlage dieses Gutachtens lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 18. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2007 ab.
Mit seiner Klage bei dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger begehrt, bei ihm einen GdS von 70 unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit anzuerkennen. Nach Einholung von Befundberichten hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 22. Mai 2014 die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er bringt hierzu insbesondere vor, dass der GdS höher zu bewerten sei. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie / Neurologie Prof. Dr. P vom 4. Juni 2016, der nach Untersuchung des Klägers den GdS auf 40 eingeschätzt hat.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Mai 2014 aufzuheben sowie den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2007 zu verpflichten, ihm mit Wirkung ab 10. September 2004 eine höhere Versorgungsrente nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 60 auf der Grundlage der festgestellten Schädigungsfolgen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Versorgungsamtes Berlin verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Denn der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch, dass dieser ihm auf der Grundlage der festgestellten Schädigungsfolgen eine Versorgungsrente nach dem StrRehaG in Verbindung mit dem BVG nach einem höheren GdS als 40 gewährt.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG erhält ein Betroffener, der infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG. Beschädigte erhalten nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG eine monatliche Grundrente, deren Höhe nach dem Grad der Schädigungsfolgen gestaffelt ist. Dieser GdS ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 BVG). Hierbei sind die in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) festgelegten "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" heranzuziehen, die zuletzt durch Gesetz vom 23. Dezember 2016 geändert wurden.
Im Funktionssystem der Psyche (vgl. Teil A Nr. 2 lit. e Satz 2 der Anlage zu § 2 VersMedV) beträgt für die Folgen psychischer Traumen bei dem Kläger der Einzel-GdS 40.
Die von dem Beklagten als Schädigungsfolge anerkannte posttraumatische Belastungsstörung bedingt einen GdS von 30. Der Sachverständige Prof. Dr. P hat – in Übereinstimmung mit den Vorgaben in Teil B Nr. 3.7 der Anlage zu § 2 VersMedV – nachvollziehbar dargelegt, dass der Schweregrad der Kernsymptome Alpträume, Schlafstörungen und soziales Vermeidungsverhalten als mittelgradig einzuschätzen ist. Die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit des Klägers ist durch das Leiden unter den Alpträumen und durch die Folgen des sozialen Rückzugsverhaltens wesentlich beeinträchtigt. Die unter der Bezeichnung "depressive und Unruhezustände mit Schlafstörungen" als Schädigungsfolge anerkannte depressive Störung ist mit einem GdS von 20 zu bewerten. Der Sachverständige hat herausgearbeitet, dass ein nur leichtgradiges Störungsbild vorliegt. Die Erlebnisfähigkeit des Klägers wird durch die Störung zwar beeinträchtigt, angesichts der Seltenheit der depressiven Einbrüche können diese jedoch nicht als wesentlich qualifiziert werden.
Zusammengenommen stellen die Störungsbilder der posttraumatischen Belastungsstörung und der depressiven Störung nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen eine mittelgradige bis schwere, jedoch noch keine eindeutig schwere Gesundheitsstörung dar. Zwar ist die soziale Anpassungsfähigkeit des Klägers im Bereich der sozialen Beziehungen bereits mittelgradig beeinträchtigt, nicht jedoch im beruflichen Bereich. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Einzel-GdS von 50 sind damit nicht erfüllt. Vielmehr ist der Einzel-GdS im Funktionssystem Psyche mit 40 zu bewerten.
Da weitere Schädigungsfolgen bei dem Kläger nicht durch Bescheid festgestellt wurden, bildet dieser Einzel-GdS auch den Gesamt-GdS.
Die Höhe des GdS ist auch unter Ansehung des § 30 Abs. 2 BVG nicht wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit des Klägers anzuheben. Nach Satz 1 dieser Vorschrift in der seit dem 21. Dezember 2007 geltenden Fassung (die sich inhaltlich nicht von der Fassung vom 29. Juli 1994 unterscheidet) ist der GdS höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist nach Satz 2 insbesondere der Fall, wenn 1. auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, 2. zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder 3. die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.
Die Tatbestände des § 30 Abs. 2 Satz 2 BVG sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19. Februar 1969 – 10 RV 561/66 –, BSGE 29, 139 = SozR Nr. 37 zu § 30 BVG) nur beispielhaft aufgeführt und stellen Erläuterungen für den in § 30 Abs. 2 Satz 1 BVG allgemein zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers dar, eine Höherbewertung des GdS vorzunehmen, wenn der Beschädigte in seinem Beruf besonders betroffen ist. Hierbei bezieht sich das "Besondere" der beruflichen Betroffenheit nicht auf einen bestimmten Beruf (weshalb der Anspruch auf Höherbewertung des GdS nicht ausgeschlossen ist, wenn der Betroffene in jedem Beruf gleichermaßen betroffen ist), sondern auf das Ausmaß der individuellen Auswirkungen bei dem Geschädigten in seinem Berufsleben. Demgegenüber ist der "medizinische" GdS gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Er hängt damit nicht von der konkreten Beeinträchtigung in einem von dem Geschädigten ausgeübten oder angestrebten Beruf ab (vgl. zur MdE: BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995 – 9 RV 9/95 –, BSGE 77, 147 = SozR 3-3100 § 30 Nr. 15). Die besonderen Auswirkungen im konkreten Beruf des Geschädigten, die sich in der Höhe des medizinischen GdS im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG nicht widerspiegeln, sollten durch § 30 Abs. 2 Satz 1 BVG Berücksichtigung finden. So ist auch derjenige, der seinen Beruf nach der Schädigung weiter ausübt, dann besonders betroffen, wenn er eine außergewöhnliche Tatkraft aufwenden und außergewöhnliche Anstrengungen machen muss, um einen wirtschaftlichen Schaden und ein Abgleiten in seinem Beruf zu verhindern (BSG, Urteil vom 24. August 1960 – 10 RV 333/56 –, BSGE 13, 20 = SozR Nr, 8 zu § 30 BVG; vgl. auch Dau, in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, Rn. 19 zu § 30 BVG).
An diesem Maßstab gemessen liegt bei dem Kläger keine besondere berufliche Betroffenheit vor. In Übereinstimmung mit dem im vorausgegangenen sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G vom 5. Februar 1998 hat der Sachverständige Prof. Dr. P eine besondere berufliche Betroffenheit des Klägers nicht feststellen können. Dieser überzeugenden Einschätzung schließt der Senat sich an.
Die nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
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