Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 R 353/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 590/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 159/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte - nach vorangegangener Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit - verpflichtet ist, die dem Kläger weitergewährte Rente neu zu berechnen unter Zugrundelegung von Zurechnungszeiten bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres gemäß § 59 Abs. 2 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab dem 01. Juli 2014 geltenden Gesetzesfassung.
Die Beklagte gewährte dem 1953 geborenen Kläger mit Bescheid vom 01. April 2014 eine ab dem 17. September 2013 beginnende und bis zum 31. März 2015 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Auf den Fortzahlungsantrag des Klägers gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 12. Februar 2015 die bisher befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung nun als Dauerrente weiter, längstens bis zum 28. Februar 2019 (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze).
Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch. Er begehrte die Verlängerung der Zurechnungszeiten gemäß § 59 Abs. 1 und 2 SGB VI in der ab dem 01. Juli 2014 geltenden Fassung. Sein Versicherungsverlauf sei aufgrund der eingetretenen Gesetzesänderung bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres zu ergänzen. Denn mit der Weitergewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung als Dauerrente sei ein neuer Leistungsfall im Sinne des § 300 Abs. 1 SGB VI eingetreten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Gesetzesneufassung stelle eine Änderung im Sinne des § 306 Abs. 1 SGB VI dar. Deshalb sei keine Neuberechnung der Rente aus Anlass der Rechtsänderung vorzunehmen. § 59 SGB VI in der ab dem 01. Juli 2014 geltenden Fassung sei grundsätzlich nur für Neurenten mit einem Rentenbeginn ab dem 01. Juli 2014 anzuwenden. Rentner mit einem Rentenbeginn vor dem 01. Juli 2014 könnten von den Rechtsänderungen nur im Rahmen einer Nachfolgerente oder nach gänzlichem Wegfall einer vorherigen Rente und anschließendem neuen Rentenbezug profitieren. Allein die Neufeststellung einer bereits bewilligten Rente genüge nicht, um die Rechtsänderungen zu berücksichtigen. § 300 SGB VI sei für versicherungs- und beitragsrechtliche Regelungen nicht anzuwenden. Es gelte das sogenannte Rentenbeginnprinzip. Für die durch den Bescheid vom 12. Februar 2015 als Dauerrente weiter gewährte Rente, welche mit Bescheid vom 01. April 2014 gewährt worden sei, ergebe sich kein neuer Leistungsfall. Es verbleibe daher bei der Anwendbarkeit der zurzeit des Rentenbeginns maßgeblichen Gesetzesfassung.
Mit seiner hiergegen am 07. August 2015 vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren – seiner Rentenbewilligung ab dem 01. April 2015 Zurechnungszeiten bis zum 62. Lebensjahr zugrunde zu legen - weiterverfolgt.
Nachdem die Beteiligten sich mit einer Entscheidung des SG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hatten, hat das SG die Klage mit Urteil vom 15. Juni 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: "Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht nach der von der Kammer gewonnen Überzeugung kein Anspruch darauf zu, dass die Beklagte die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. April 2015 unter Zugrundelegung von Zurechnungszeiten bis zum 62. Lebensjahres des Klägers neu berechnet. Zur Begründung verweist die Kammer auf die Ausführungen der Beklagten im streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid, welchen die Kammer folgt, § 136 Abs. 3 SGG. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass das BSG und das LSG Berlin-Brandenburg zur Frage der Anwendbarkeit eingetretener Gesetzesänderungen für den Fall der Weitergewährung einer Zeitrente wegen Erwerbsminderung bisher eine andere Auffassung vertreten haben, vgl. BSG, Urteil vom 24.10.1996, 4 RA 31/96 und LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.02.2007, L 12 RJ 13/04. Jedoch hat der Gesetzgeber inzwischen mit der zum 01.05.2007 in Kraft getretenen Neufassung des § 102 Abs. 2 SGB VI klargestellt, dass es im Fall der Weitergewährung einer befristeten Rente bei dem ursprünglichen Rentenbeginn verbleibt, vgl. Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, § 300 Rn. 43 Mitte. Für die hier vertretene Auffassung spricht auch § 306 Abs. 1 SGB VI. Danach werden aus Anlass eine Rechtsänderung die einer Rente zugrunde gelegten persönlichen Entgeltpunkte nicht neu bestimmt, wenn Anspruch auf Leistung einer Rente vor dem Zeitpunkt einer Änderung rentenrechtlicher Vorschriften bestand. Eine Ausnahmeregelung von diesem Grundsatz bezüglich der Weitergewährung einer ursprünglich auf Zeit gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung als Dauerrente ist im Gesetz nicht vorgesehen. Der Rentenbeginn ändert sich - wie nunmehr gesetzlich angeordnet - bei der Weitergewährung einer Zeitrente nicht. Sachverhalte im Sinne von § 300 Abs. 1 SGB VI sind dagegen nur die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen, die sich noch nicht zu einem Anspruch verdichtet haben. Für die Bestimmung der Höhe des Anspruchs, der - wie der Anspruch auf Weitergewährung einer Zeitrente gemäß § 102 Abs. 2 SGB IV - aufgrund eines bereits eingetretenen Versicherungsfalls entstanden ist, ist (weiter) das zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls geltende Recht anzuwenden, vgl. BSG SozR3-2600 § 300 Nr. 3."
Gegen das ihm am 22. Juni 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Juli 2016 Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 15. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 12. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2015 zu verurteilen, seiner Rentenbewilligung ab dem 01. April 2015 Zurechnungszeiten bis zum 62. Lebensjahr zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf den Inhalt ihrer Bescheide und die erstinstanzliche Entscheidung.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 09. bzw. 19. Dezember 2016 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten, die bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Soweit der Kläger geltend macht, die zum 01. Juli 2014 in Kraft getretene Gesetzesänderung in § 59 SGB VI sei nicht umgesetzt worden, was die Anrechnung von Zurechnungszeiten angehe, ergibt sich daraus keine Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 12. Februar 2015.
Nach § 59 Abs. 1 SGB VI (in der Fassung ab dem 01. Januar 2002 - a.F. -) ist eine Zurechnungszeit diejenige Zeit, die bei einer Rente wegen Erwerbsminderung oder einer Rente wegen Todes hinzugerechnet wird, wenn der Versicherte das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23. Juni 2014 (BGBl. I S. 787) wurde die Norm mit Wirkung ab dem 01. Juli 2014 (Art. 4 des Leistungsverbesserungsgesetzes) dahingehend geändert, dass eine Anhebung des Zurechnungszeitraumes auf das 62. Lebensjahr erfolgte (§ 59 Abs. 1 SGB VI in der Fassung ab dem 01. Juli 2014 –n.F. -).
Dennoch hat die Beklagte die Weitergewährung der nunmehr unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung zutreffend auf die bereits dem Bescheid vom 01. April 2014 zu Grunde gelegte Regelung des § 59 Abs. 1 SGB VI in der Fassung bis zum 30. Juni 2014 (a.F.) gestützt. Hierzu hat das SG zutreffend darauf verwiesen, dass der Berechnung der dem Kläger ab dem 01. April 2015 nunmehr als unbefristete Rente weiter gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung nach §§ 300 Abs. 1 i. V. m. 306 Abs. 1 SGB VI zu Recht die alte Regelung des § 59 SGB VI zu Grunde gelegt wurde.
In welcher Fassung die rentenrechtlichen Normen jeweils der Rentenberechnung und -gewährung zugrunde zu legen sind, also die Frage des anzuwendenden Rechts, regelt § 300 SGB VI. Dessen Abs. 1 schreibt vor, dass stets nach In-Kraft-Treten des SGB VI bei allen künftigen Rechtsänderungen das Recht im Zeitpunkt des Rentenbeginns anzuwenden ist (Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 08. November 1995 - 13 RJ 5/95 -, SozR 3-2600 § 300 Nr. 5.). Diese Norm ist daher Ausdruck des der Rentenberechnung zu Grunde liegenden Rentenbeginnprinzips (Dankelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 300 SGB VI). Die Absätze 2 bis 4 bestimmen die Ausnahmen vom Grundsatz des Absatzes 1. § 300 Abs. 5 SGB VI schließt die Anwendung der Absätze 1 bis 4 aus, wenn in den nachfolgenden weiteren Rechtsnormen Ausnahmen von § 300 SGB VI vorgesehen sind.
Entscheidend ist dies im Zusammenhang mit § 306 SGB VI. Danach ist das In-Kraft-Treten neuer Rechtsvorschriften allein kein Grund für die Neufeststellung einer bereits laufenden Leistung. Die dem Kläger gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist gemäß § 102 Abs. 2 Satz 6 SGB VI eine seit dem 17. September 2013 laufende Leistung im Sinne von § 306 SGB VI. Nach § 102 Abs. 2 Satz 6 SGB VI verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn, wenn unmittelbar im Anschluss an eine auf Zeit geleistete Rente diese Rente unbefristet geleistet wird. Insoweit bezieht sich der Senat nach eigener Prüfung auf die Ausführungen der angegriffenen Entscheidung des SG (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die verfassungsrechtlichen Bedenken, wie sie der Kläger mit der Berufung vorträgt, vermag der Senat im Hinblick auf § 102 Abs. 2 Satz 6 SGB VI nicht zu teilen. Vielmehr verweist er auf die Begründung des zur Einfügung des § 102 Abs. 2 Satz 6 SGB VI zum 01. Mai 2007 führenden Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz), BT- Drucksache 16/3794, in der ausgeführt wird:
"Mit der Gesetzesänderung wird auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (Urteil des BSG vom 24. Oktober 1996, Az.: 4 RA 31/96; Beschluss des BSG vom 2. Mai 2005, Az.: B 4 RA 212/04 B) reagiert. Nach dieser Rechtsprechung stellt die Weitergewährung einer Rente im Anschluss an eine zunächst bewilligte befristete Erwerbsminderungsrente einen neuen Leistungsfall mit neuem Rentenbeginn dar. Neben der Prüfung der versicherungsrechtlichen und persönlichen Vor- aussetzungen wäre damit eine Neuberechnung auf der Grundlage des zum Weitergewährungszeitpunkt maßgeblichen Rechts erforderlich. Mit der neuen Formulierung wird bestimmt, dass lediglich eine Verlängerung der anfänglichen Befristung erfolgt und es beim ursprünglichen Rentenbeginn verbleibt. Eine Folgerente ist also ohne Neuberechnung im Umfang der bisherigen Rente weiterzuzahlen. Entsprechendes gilt, wenn die Rente im Anschluss an die Befristung als unbefristete Rente zu leisten ist. Auch hier ist eine Neuberechnung nicht vorzunehmen. Die Neuregelung dient der Gleichbehandlung von Beziehern befristeter und unbefristeter Renten. Zudem verhindert sie einen unangemessenen Verwaltungsaufwand für die Rentenversicherungsträger, da Neuberechnungen in den meisten Fällen nicht zur Änderung des Rentenzahlbetrages führen und Rentenminderungen aufgrund des durch § 88 SGB VI vermittelten Besitzschutzes ausgeschlossen sind."
Diese Neuregelung trat zum 01. Mai 2007 in Kraft (Art. 27 Abs. 7 des Altersgrenzenanpassungsgesetzes).
Dass der Kläger aufgrund der zum 01. Juli 2014 in Kraft getretenen Änderung in § 59 Abs. 1 SGB VI auch von einer möglichen (nachträglichen) Vergünstigung ausgeschlossen wird, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, obwohl dies unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (vgl. zur Stichtagsregelung Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, BVerfGE 87, 1, 43; 117, 272, 301). Die Bestimmung des Gesetzgebers zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung ist, ebenso wie die Einsetzung von Stichtagsregelungen, Teil seines –verfassungsrechtlich gewährten – Gestaltungsspielraums, der hier nicht überschritten wird (zB. BVerfGE 75, 78, 106; 101, 239, 270; 117, 227, 301; BSG, Beschluss vom 30. Dezember 2015 – B 13 R 345/15 B –, juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Revisionszulassungsgrundes nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht zuzulassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte - nach vorangegangener Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit - verpflichtet ist, die dem Kläger weitergewährte Rente neu zu berechnen unter Zugrundelegung von Zurechnungszeiten bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres gemäß § 59 Abs. 2 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab dem 01. Juli 2014 geltenden Gesetzesfassung.
Die Beklagte gewährte dem 1953 geborenen Kläger mit Bescheid vom 01. April 2014 eine ab dem 17. September 2013 beginnende und bis zum 31. März 2015 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Auf den Fortzahlungsantrag des Klägers gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 12. Februar 2015 die bisher befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung nun als Dauerrente weiter, längstens bis zum 28. Februar 2019 (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze).
Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch. Er begehrte die Verlängerung der Zurechnungszeiten gemäß § 59 Abs. 1 und 2 SGB VI in der ab dem 01. Juli 2014 geltenden Fassung. Sein Versicherungsverlauf sei aufgrund der eingetretenen Gesetzesänderung bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres zu ergänzen. Denn mit der Weitergewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung als Dauerrente sei ein neuer Leistungsfall im Sinne des § 300 Abs. 1 SGB VI eingetreten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Gesetzesneufassung stelle eine Änderung im Sinne des § 306 Abs. 1 SGB VI dar. Deshalb sei keine Neuberechnung der Rente aus Anlass der Rechtsänderung vorzunehmen. § 59 SGB VI in der ab dem 01. Juli 2014 geltenden Fassung sei grundsätzlich nur für Neurenten mit einem Rentenbeginn ab dem 01. Juli 2014 anzuwenden. Rentner mit einem Rentenbeginn vor dem 01. Juli 2014 könnten von den Rechtsänderungen nur im Rahmen einer Nachfolgerente oder nach gänzlichem Wegfall einer vorherigen Rente und anschließendem neuen Rentenbezug profitieren. Allein die Neufeststellung einer bereits bewilligten Rente genüge nicht, um die Rechtsänderungen zu berücksichtigen. § 300 SGB VI sei für versicherungs- und beitragsrechtliche Regelungen nicht anzuwenden. Es gelte das sogenannte Rentenbeginnprinzip. Für die durch den Bescheid vom 12. Februar 2015 als Dauerrente weiter gewährte Rente, welche mit Bescheid vom 01. April 2014 gewährt worden sei, ergebe sich kein neuer Leistungsfall. Es verbleibe daher bei der Anwendbarkeit der zurzeit des Rentenbeginns maßgeblichen Gesetzesfassung.
Mit seiner hiergegen am 07. August 2015 vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren – seiner Rentenbewilligung ab dem 01. April 2015 Zurechnungszeiten bis zum 62. Lebensjahr zugrunde zu legen - weiterverfolgt.
Nachdem die Beteiligten sich mit einer Entscheidung des SG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hatten, hat das SG die Klage mit Urteil vom 15. Juni 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: "Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht nach der von der Kammer gewonnen Überzeugung kein Anspruch darauf zu, dass die Beklagte die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. April 2015 unter Zugrundelegung von Zurechnungszeiten bis zum 62. Lebensjahres des Klägers neu berechnet. Zur Begründung verweist die Kammer auf die Ausführungen der Beklagten im streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid, welchen die Kammer folgt, § 136 Abs. 3 SGG. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass das BSG und das LSG Berlin-Brandenburg zur Frage der Anwendbarkeit eingetretener Gesetzesänderungen für den Fall der Weitergewährung einer Zeitrente wegen Erwerbsminderung bisher eine andere Auffassung vertreten haben, vgl. BSG, Urteil vom 24.10.1996, 4 RA 31/96 und LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.02.2007, L 12 RJ 13/04. Jedoch hat der Gesetzgeber inzwischen mit der zum 01.05.2007 in Kraft getretenen Neufassung des § 102 Abs. 2 SGB VI klargestellt, dass es im Fall der Weitergewährung einer befristeten Rente bei dem ursprünglichen Rentenbeginn verbleibt, vgl. Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, § 300 Rn. 43 Mitte. Für die hier vertretene Auffassung spricht auch § 306 Abs. 1 SGB VI. Danach werden aus Anlass eine Rechtsänderung die einer Rente zugrunde gelegten persönlichen Entgeltpunkte nicht neu bestimmt, wenn Anspruch auf Leistung einer Rente vor dem Zeitpunkt einer Änderung rentenrechtlicher Vorschriften bestand. Eine Ausnahmeregelung von diesem Grundsatz bezüglich der Weitergewährung einer ursprünglich auf Zeit gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung als Dauerrente ist im Gesetz nicht vorgesehen. Der Rentenbeginn ändert sich - wie nunmehr gesetzlich angeordnet - bei der Weitergewährung einer Zeitrente nicht. Sachverhalte im Sinne von § 300 Abs. 1 SGB VI sind dagegen nur die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen, die sich noch nicht zu einem Anspruch verdichtet haben. Für die Bestimmung der Höhe des Anspruchs, der - wie der Anspruch auf Weitergewährung einer Zeitrente gemäß § 102 Abs. 2 SGB IV - aufgrund eines bereits eingetretenen Versicherungsfalls entstanden ist, ist (weiter) das zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls geltende Recht anzuwenden, vgl. BSG SozR3-2600 § 300 Nr. 3."
Gegen das ihm am 22. Juni 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Juli 2016 Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 15. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 12. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2015 zu verurteilen, seiner Rentenbewilligung ab dem 01. April 2015 Zurechnungszeiten bis zum 62. Lebensjahr zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf den Inhalt ihrer Bescheide und die erstinstanzliche Entscheidung.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 09. bzw. 19. Dezember 2016 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten, die bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Soweit der Kläger geltend macht, die zum 01. Juli 2014 in Kraft getretene Gesetzesänderung in § 59 SGB VI sei nicht umgesetzt worden, was die Anrechnung von Zurechnungszeiten angehe, ergibt sich daraus keine Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 12. Februar 2015.
Nach § 59 Abs. 1 SGB VI (in der Fassung ab dem 01. Januar 2002 - a.F. -) ist eine Zurechnungszeit diejenige Zeit, die bei einer Rente wegen Erwerbsminderung oder einer Rente wegen Todes hinzugerechnet wird, wenn der Versicherte das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23. Juni 2014 (BGBl. I S. 787) wurde die Norm mit Wirkung ab dem 01. Juli 2014 (Art. 4 des Leistungsverbesserungsgesetzes) dahingehend geändert, dass eine Anhebung des Zurechnungszeitraumes auf das 62. Lebensjahr erfolgte (§ 59 Abs. 1 SGB VI in der Fassung ab dem 01. Juli 2014 –n.F. -).
Dennoch hat die Beklagte die Weitergewährung der nunmehr unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung zutreffend auf die bereits dem Bescheid vom 01. April 2014 zu Grunde gelegte Regelung des § 59 Abs. 1 SGB VI in der Fassung bis zum 30. Juni 2014 (a.F.) gestützt. Hierzu hat das SG zutreffend darauf verwiesen, dass der Berechnung der dem Kläger ab dem 01. April 2015 nunmehr als unbefristete Rente weiter gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung nach §§ 300 Abs. 1 i. V. m. 306 Abs. 1 SGB VI zu Recht die alte Regelung des § 59 SGB VI zu Grunde gelegt wurde.
In welcher Fassung die rentenrechtlichen Normen jeweils der Rentenberechnung und -gewährung zugrunde zu legen sind, also die Frage des anzuwendenden Rechts, regelt § 300 SGB VI. Dessen Abs. 1 schreibt vor, dass stets nach In-Kraft-Treten des SGB VI bei allen künftigen Rechtsänderungen das Recht im Zeitpunkt des Rentenbeginns anzuwenden ist (Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 08. November 1995 - 13 RJ 5/95 -, SozR 3-2600 § 300 Nr. 5.). Diese Norm ist daher Ausdruck des der Rentenberechnung zu Grunde liegenden Rentenbeginnprinzips (Dankelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 300 SGB VI). Die Absätze 2 bis 4 bestimmen die Ausnahmen vom Grundsatz des Absatzes 1. § 300 Abs. 5 SGB VI schließt die Anwendung der Absätze 1 bis 4 aus, wenn in den nachfolgenden weiteren Rechtsnormen Ausnahmen von § 300 SGB VI vorgesehen sind.
Entscheidend ist dies im Zusammenhang mit § 306 SGB VI. Danach ist das In-Kraft-Treten neuer Rechtsvorschriften allein kein Grund für die Neufeststellung einer bereits laufenden Leistung. Die dem Kläger gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist gemäß § 102 Abs. 2 Satz 6 SGB VI eine seit dem 17. September 2013 laufende Leistung im Sinne von § 306 SGB VI. Nach § 102 Abs. 2 Satz 6 SGB VI verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn, wenn unmittelbar im Anschluss an eine auf Zeit geleistete Rente diese Rente unbefristet geleistet wird. Insoweit bezieht sich der Senat nach eigener Prüfung auf die Ausführungen der angegriffenen Entscheidung des SG (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die verfassungsrechtlichen Bedenken, wie sie der Kläger mit der Berufung vorträgt, vermag der Senat im Hinblick auf § 102 Abs. 2 Satz 6 SGB VI nicht zu teilen. Vielmehr verweist er auf die Begründung des zur Einfügung des § 102 Abs. 2 Satz 6 SGB VI zum 01. Mai 2007 führenden Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz), BT- Drucksache 16/3794, in der ausgeführt wird:
"Mit der Gesetzesänderung wird auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (Urteil des BSG vom 24. Oktober 1996, Az.: 4 RA 31/96; Beschluss des BSG vom 2. Mai 2005, Az.: B 4 RA 212/04 B) reagiert. Nach dieser Rechtsprechung stellt die Weitergewährung einer Rente im Anschluss an eine zunächst bewilligte befristete Erwerbsminderungsrente einen neuen Leistungsfall mit neuem Rentenbeginn dar. Neben der Prüfung der versicherungsrechtlichen und persönlichen Vor- aussetzungen wäre damit eine Neuberechnung auf der Grundlage des zum Weitergewährungszeitpunkt maßgeblichen Rechts erforderlich. Mit der neuen Formulierung wird bestimmt, dass lediglich eine Verlängerung der anfänglichen Befristung erfolgt und es beim ursprünglichen Rentenbeginn verbleibt. Eine Folgerente ist also ohne Neuberechnung im Umfang der bisherigen Rente weiterzuzahlen. Entsprechendes gilt, wenn die Rente im Anschluss an die Befristung als unbefristete Rente zu leisten ist. Auch hier ist eine Neuberechnung nicht vorzunehmen. Die Neuregelung dient der Gleichbehandlung von Beziehern befristeter und unbefristeter Renten. Zudem verhindert sie einen unangemessenen Verwaltungsaufwand für die Rentenversicherungsträger, da Neuberechnungen in den meisten Fällen nicht zur Änderung des Rentenzahlbetrages führen und Rentenminderungen aufgrund des durch § 88 SGB VI vermittelten Besitzschutzes ausgeschlossen sind."
Diese Neuregelung trat zum 01. Mai 2007 in Kraft (Art. 27 Abs. 7 des Altersgrenzenanpassungsgesetzes).
Dass der Kläger aufgrund der zum 01. Juli 2014 in Kraft getretenen Änderung in § 59 Abs. 1 SGB VI auch von einer möglichen (nachträglichen) Vergünstigung ausgeschlossen wird, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, obwohl dies unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (vgl. zur Stichtagsregelung Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, BVerfGE 87, 1, 43; 117, 272, 301). Die Bestimmung des Gesetzgebers zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung ist, ebenso wie die Einsetzung von Stichtagsregelungen, Teil seines –verfassungsrechtlich gewährten – Gestaltungsspielraums, der hier nicht überschritten wird (zB. BVerfGE 75, 78, 106; 101, 239, 270; 117, 227, 301; BSG, Beschluss vom 30. Dezember 2015 – B 13 R 345/15 B –, juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Revisionszulassungsgrundes nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
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