L 27 R 135/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 105 R 4676/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 135/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Dezember 2015 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine Witwenrente.

Die 1952 geborene Klägerin ist die Witwe des 1951 geborenen S Sch, des Versicherten. Beide lebten seit 1993 in einem gemeinsamen Haushalt. Im April 2012 wurde bei dem Versicherten ein metastasiertes Pankreaskarzinom festgestellt; ab Mai 2012 unterzog er sich einer palliativen Chemotherapie. Anfang Juni 2012 erkundigte sich die Klägerin bei dem zuständigen Standesamt nach den für eine Eheschließung erforderlichen Unterlagen, die erst mit Hilfe eines Freundes, der im Sommer in den Geburtsort des Versicherten im ehemaligen Jugoslawien fuhr, besorgt werden konnten. Die Eheschließung fand am 15. August 2012 statt. Der Versicherte starb am 28. Oktober 2012.

Die Klägerin beantragte am 6. Februar 2013 bei der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente. Hierbei gab sie an, die Heirat sei zur Sicherung der erforderlichen Betreuung des ständig auf Pflege angewiesenen Versicherten erfolgt. Auf Nachfrage der Beklagten erklärte sie, dass bei der Eheschließung das Ableben des Versicherten innerhalb eines Jahres zu befürchten gewesen sei. Die Heirat habe symbolische Bedeutung für die Erfüllung der 22-jährigen Partnerschaft gehabt und sei vor allem dem Versicherten wichtig gewesen. Mit Bescheid vom 17. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2013 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Ehe sei als Versorgungsehe zu werten.

Mit ihrer Klage bei dem Sozialgericht Berlin hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Sie hat über ihre bisherigen Angaben hinaus insbesondere vorgetragen: Sie und der Versicherte hätten sich seit langem entschlossen, die Ehe zu schließen, und hätten dies auch gegenüber ihren Freunden bekundet, aber es habe immer Wichtigeres, beispielsweise gravierende Probleme mit der Firma des Versicherten, gegeben. Nach der Krebsdiagnose im April 2012 sei vieles wichtig gewesen, aber nicht das Thema einer Hochzeit, weshalb sie erst auf die Nachfrage des Versicherten Anfang Juni 2012 Erkundigungen bei dem Standesamt unternommen habe. Noch im August 2012 habe der Versicherte geglaubt, er könne sein Leben mit Hilfe der Chemotherapie um einige Jahre verlängern. Ferner hat die Klägerin vorgebracht, für die Annahme einer Versorgungsehe bestehe schon deshalb kein Raum, weil sie im Alter durch eigene Rentenanwartschaften und das Erbe des Versicherten abgesichert sei.

Das Sozialgericht hat nach persönlicher Befragung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Klage mit Urteil vom 11. Dezember 2015 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Die gesetzliche Vermutung, dass der Zweck der Ehe allein der Versorgung des hinterbliebenen Ehegatten gedient habe, sei nicht widerlegt worden. Gewichtige Bedeutung komme dem Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Ein gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechender Umstand sei insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten plötzlich und unerwartet eingetreten sei. Demgegenüber sei der Klägerin und dem Versicherten bei Schließung der Ehe bekannt gewesen, dass dessen Ableben innerhalb eines Jahres zu befürchten sei. Das lange nichteheliche Zusammenleben deute darauf hin, dass die Klägerin und der Versicherte diese Form als angemessen angesehen hätten. Hätten sie die Ehe bevorzugt, so hätten sie früher geheiratet, was jedoch nicht geschehen sei. Geringfügig gegen die Annahme einer Versorgungsehe spreche lediglich, dass die Klägerin und der Versicherte nicht umgehend nach Bekanntwerden der Krebserkrankung im April 2012 geheiratet hätten, sondern erst im Juni 2012 mit den Vorbereitungen hierzu begonnen hätten. Auch der Gesichtspunkt der Pflegeehe vermöge die gesetzliche Vermutung nicht zu widerlegen, da im Zeitpunkt der Eheschließung nicht mit einer längeren Überlebenszeit des pflegebedürftigen Versicherten zu rechnen gewesen sei. Warum die Klägerin und der Versicherte nach langem nichtehelichen Zusammenleben doch noch geheiratet hätten, sei nicht deutlich geworden. Die Klägerin habe von symbolischen Gründen gesprochen. Dies sei jedoch blass geblieben. Festzuhalten bleibe, dass der formale Status der Ehe erst in einem Zeitpunkt begründet worden sei, in dem eine längere eheliche Lebensgemeinschaft praktisch ausgeschlossen gewesen sei und keiner der Ehegatten den Eintritt der mit einer Ehe gegebenenfalls auch verbundenen Nachteile mehr habe befürchten müssen. Gerade in diesen Fällen solle ein Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen werden.

Mit ihrer Berufung gegen diese Entscheidung bringt die Klägerin u.a. vor: Das Sozialgericht habe verkannt, dass vorliegend besondere Umstände die gesetzliche Vermutung widerlegten. Der Umstand, dass sie und der Versicherte nach Bekanntwerden der Krebserkrankung im April 2012 nicht umgehend, sondern erst im August 2012 geheiratet hätten, also zu einem Zeitpunkt, an dem die Chance, die Jahresfrist zu überstehen, nicht mehr bestanden habe, zeige, dass die Begründung eines Versorgungsanspruchs nicht Zweck der Eheschließung gewesen sei. Die Annahme des Sozialgerichts, dass das lange nichteheliche Zusammenleben eine dauerhafte Entscheidung gegen die Ehe darstelle, finde im Gesetz keine Stütze. Im Gegenteil hätten sie und der Versicherte die Ehe stets als ein für sie erstrebenswertes Ziel angesehen. Die Argumente, mit denen das Sozialgericht ihr das Interesse an einer Versorgungsrente durch die Eheschließung zurechne, beruhten letztlich auf Spekulationen sowie subjektiven Wertungen und Schlussfolgerungen. Ferner trägt die Klägerin vor, sie habe dem Versicherten einen gemeinsamen Freitod angeboten, was dieser abgelehnt habe. Sie ist der Ansicht, dass jemand, der an eine Versorgungsehe denke, wohl kaum ein entsprechendes Angebot machen werde. Sie und der Versicherte hätten die Hochzeit als ganz besonderen Glücksmoment erlebt. Auch nach dem Tod des Versicherten fühle sie sich weiterhin als Teil einer Gemeinschaft.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 25. Januar 2016 ist die Klägerin persönlich angehört worden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Dezember 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2013 zu verurteilen, ihr mit Wirkung ab dem 1. November 2012 aus der Versicherung des verstorbenen S Sch eine große Witwenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide, mit denen die Beklagte die Gewährung der Witwenrente ablehnte, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Witwenrente.

Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) in der hier maßgeblichen Fassung vom 15. Dezember 2004 haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, u.a. dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 28. Oktober 2012 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt hatte. Im Zeitpunkt des Todes des Versicherten hatte die 1951 geborene Klägerin auch das 45. Lebensjahr vollendet.

Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als ein Jahr bestanden, nämlich vom 15. August bis zum 28. Oktober 2012. Damit ist der Tatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 1 SGB VI erfüllt.

Die entsprechende Rechtsfolge dieser Vorschrift, der Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente, tritt jedoch dann nicht ein, wenn besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (§ 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI).

Das Vorliegen derartiger besonderer Umstände steht nicht nach voller richterlicher Überzeugung des Senats fest.

Der Begriff der "besonderen Umstände" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der von den Rentenversicherungsträgern und den Sozialgerichten mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muss und der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 3. September 1986 – 9a RV 8/84 –, BSGE 60, 204 = SozR 3100 § 38 Nr. 5).

Aus § 46 Abs. 2a SGB VI ergibt sich nicht ohne weiteres, was unter "den besonderen Umständen des Falles" zu verstehen ist, die geeignet sind, eine Ausnahme vom gesetzlichen Ausschluss einer Witwenrente bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr zuzulassen. Da diese am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Vorschrift allerdings vom Gesetzgeber bewusst den entsprechenden Regelungen in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 65 Abs. 6 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch) und der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz) nachgebildet ist (vgl. BT-Drucks 14/4595 S 44), kann an die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff der "besonderen Umstände" in diesen Bestimmungen angeknüpft werden. Danach sind als besondere Umstände alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 1973 – 5 RKnU 11/71 –, BSGE 35, 272 = SozR Nr. 2 zu § 594 RVO). Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an (vgl. BSG, Urteil vom 27. August 2009 – B 13 R 101/08 R –, bei Juris).

Die Annahme einer Versorgungsehe ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen dem Versorgungszweck zumindest gleichwertig sind (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 – B 13 R 55/08 R –, BSGE 103, 99). Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 1986 a.a.O.).

Die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI zwingt den Hinterbliebenen aber nicht, seine inneren Gründe für die Eheschließung oder die des verstorbenen Ehegatten zu offenbaren (vgl. BSG, Urteile vom 28. März 1973 und vom 3. September 1986, jeweils a.a.O.). Der hinterbliebene Ehegatte kann sich auch auf die Darlegung von äußeren (objektiv nach außen tretenden) Umständen beschränken, die seiner Ansicht nach auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Ebenso bleibt es ihm unbenommen, keinerlei Auskünfte über den "Zweck der Heirat" zu geben. Es soll nicht gegen seinen Willen zu einem Eingriff in seine Intimsphäre kommen, indem er genötigt wird, auch seine allerpersönlichsten, innersten Gedanken und Motive für die Eheschließung mit dem verstorbenen Versicherten mitzuteilen. Denn die gesetzestechnische Ausgestaltung des § 46 Abs. 2a SGB VI als Regel-/Ausnahmetatbestand verfolgt gerade den Zweck, die Träger der Rentenversicherung und die Sozialgerichte von der Ausforschung im Bereich der privaten Lebensführung zu entbinden (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 a.a.O. m.w.N.).

Dies bedeutet aber nicht, dass es dem hinterbliebenen Ehegatten untersagt ist, seine (höchst-) persönlichen Gründe und die des verstorbenen Versicherten für die Eheschließung darzulegen. Vielmehr kann er selbst abwägen, ob er derartige private Details preisgeben will, um die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr zu entkräften. Macht der Hinterbliebene von sich aus oder auf Befragen entsprechende Angaben und sind diese glaubhaft, so sind auch diese persönlichen Gründe in die Gesamtbetrachtung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu würdigen. Eine Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der "Ermittlung der Beweggründe für die Heirat" würde jedenfalls in einem solchen Fall die Möglichkeiten des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe zu entkräften, in unzulässiger Weise beschneiden. Lediglich wenn der Hinterbliebene keine – glaubhaften – Angaben über die inneren Umstände macht, darf sich die Ermittlung, welche Gründe für die Eheschließung ausschlaggebend waren, und die Prüfung, ob es sich dabei um besondere Umstände im Sinne des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI handelt, auf nach außen tretende objektive Tatsachen beschränken (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 a.a.O. m.w.N.).

Eine abschließende Typisierung oder Pauschalierung der von der Versorgungsabsicht verschiedenen ("besonderen") Gründe im Rahmen des § 46 Abs. 2a SGB VI ist angesichts der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten nicht möglich. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalls.

Der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI wird nur erfüllt, wenn insoweit nach § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 292 Zivilprozessordnung der volle Beweis erbracht wird (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 1986 a.a.O.). Dieser erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, Rn. 3b zu § 128 SGG m.w.N.). Zu beachten ist, dass das Vorliegen von "besonderen Umständen" von den Sozialgerichten von Amts wegen zu prüfen ist; es gilt der Untersuchungsgrundsatz (§ 103 SGG). Eine Regelung (wie beispielsweise § 142 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch), wonach der Betroffene zur Anspruchsbegründung bestimmte Sachverhalte "darlegen und beweisen" muss, enthält § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht.

In diesem rechtlichen Rahmen ist es der Klägerin nicht gelungen, den vollen Beweis für das Vorliegen der besonderen Umstände zu erbringen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer von etwas mehr als zwei Monaten die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat zwischen der Klägerin und dem Versicherten war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Nach Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens ist der Senat nicht davon überzeugt, dass derartige Gründe hier vorliegen.

Denn die von dem hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, mit einzubeziehen.

Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. So ist ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten, hinsichtlich dessen bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt eingetreten ist (in der Gesetzesbegründung wird als ein Beispiel hierfür der "Unfalltod" genannt, BT-Drucks 14/4595, S. 44).

Hingegen ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme ("Vermutung") einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 a.a.O. m.w.N.).

Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin und der Versicherte, die fast zwanzig Jahre zusammen gelebt hatten, ihre Heiratspläne erst im Juni 2012 konkret betrieben, also nachdem bei dem Versicherten im April 2012 ein metastasiertes Pankreaskarzinom diagnostiziert worden war, das lediglich palliativ therapiert werden konnte. Die sich hieraus ergebenden massiven Zweifel an dem Vorliegen der genannten besonderen Umstände hat die Klägerin nach der Überzeugung des Senats nicht zerstreuen können.

Dies gilt insbesondere für den von der Klägerin im Berufungsverfahren betonte Umstand, dass sie und der Versicherte nicht umgehend nach Bekanntwerden der Krebserkrankung, sondern erst zu einem Zeitpunkt heirateten, an dem die Chance, die Jahresfrist zu überstehen, nicht mehr bestand. Abgesehen davon, dass die Klägerin im Klageverfahren nachvollziehbar dargelegt hat, nach der Krebsdiagnose sei vieles, aber nicht das Thema der Hochzeit wichtig gewesen, und dass die für die Eheschließung erforderlichen Unterlagen unter schwierigen Umständen aus dem Ausland hatten besorgt werden müssen, weshalb die Eheschließung erst im August 2012 möglich wurde, vermag der Senat hierin keine von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe der Ehegatten zu erkennen, die mit einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit von einem derartigen Gewicht wären, um die Überzeugung zu begründen, dass sie insgesamt gesehen dem Versorgungszweck zumindest gleichwertig wären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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