L 13 SB 142/13

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 5 SB 135/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 142/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. April 2013 geändert. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 5. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2011 verpflichtet, zu Gunsten der Klägerin mit Wirkung vom 1. Februar 2016 einen GdB von 50 festzustellen. Der Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens zu ¼ zu erstatten. Im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.

Die im Jahr 1953 geborene Klägerin ist hörbehindert und leidet außerdem unter Funktionsbeeinträchtigungen auf psychischem Gebiet, auf dem Gebiet der Urologie und auf dem Gebiet der Lungenheilkunde.

Mit Bescheid vom 1. Juli 2010 hatte vor dem hier streitbefangenen Verfahren der Beklagte der Klägerin einen GdB von 30 zuerkannt. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 28. September 2010 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Heraufsetzung des GdB und die Zuerkennung von Merkzeichen. Mit Bescheid vom 5. Januar 2011 erhöhte der Beklagte den GdB auf den Wert von 40, lehnte die Feststellung eines höheren GdB und die Zuerkennung von Merkzeichen jedoch mit der Begründung ab, die medizinischen Voraussetzungen hierfür seien nicht erfüllt. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2011 mit ähnlicher Begründung zurück.

Im anschließenden Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat aufgrund richterlicher Beweisanordnung der Sachverständige Dr. Sch (Facharzt für Allgemeinmedizin) am 19. September 2012 ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet und am 4. Februar 2013 hierzu ergänzend Stellung genommen. Darin schätzte er den GdB auf unverändert 40 ein. Insbesondere gestützt auf diese gutachterlichen Äußerungen hat das Sozialgericht mit Urteil vom 16. April 2013 die Klage abgewiesen. Im Hinblick auf die begehrten Merkzeichen RF und Gl hat es darauf hingewiesen, dass zum einen die Schwerbehinderteneigenschaft nicht vorliege, ungeachtet dessen aber wegen der zu geringen Funktionsbeeinträchtigungen auch sonst die Voraussetzungen dieser Merkzeichen nicht erfüllt seien.

Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat die Klägerin zunächst ihr Ziel weiter verfolgt, einen höheren GdB und Merkzeichen zu erhalten. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 9. März 2017 hat sie ihre Berufung dahingehend beschränkt, dass sie nur noch den GdB von 50 ab dem 1. Februar 2016 begehrt hat.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. April 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 5. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2011 zu verpflichten, zugunsten der Klägerin mit Wirkung vom 1. Februar 2016 einen GdB von 50 zuzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Aufgrund richterlicher Beweisanordnung hat erneut der bereits im erstinstanzlichen Verfahren gehörte Sachverständige Dr. Sch am 29. Februar 2016 ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Darin ist er zu der Einschätzung gelangt, es sei im Laufe des Verfahrens zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin gekommen. Die Hörminderung sei weiterhin mit einem GdB von 30 zu belegen, die psychische Beeinträchtigung mit einem Wert von 20 und die Beeinträchtigung der Niere ebenfalls mit einem Wert von 20. Hinzugetreten sei aber auch eine mit Maskenbeatmung behandelte schlafbezogene Atemregulationsstörung (Schlafapnoe-Syndrom), die ebenfalls mit einem Wert von 20 zu bewerten sei und deshalb mit Wirkung von Februar 2016 dazu führe, dass der GdB auf 50 anzuheben sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten, die im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie ist in der Sache in dem Umfang, in dem die Klägerin die Berufung zuletzt aufrecht erhalten hat, auch begründet.

Der Klägerin steht ein Anspruch zu auf Feststellung eines GdB von 50 mit Wirkung vom 1. Februar 2016. Rechtsgrundlage hierfür ist § 69 Sozialgesetzbuch/Neuntes Buch (SGB IX) in Verbindung mit der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV).

Führendes Leiden ist bei der Klägerin das Gehörleiden. Sie verfügt nur noch über ein schwergradig reduziertes Hörvermögen, Hörgeräte sind beidseits erforderlich, wie der Sachverständige in seiner Begutachtung detailliert herausgearbeitet hat. Dies rechtfertigt es nach B 5.2 und 5.3 der Anlage VersMedV, den Einzel-GdB im Hinblick auf das Gehörleiden mit 30 zu bemessen. Hinzu kommt – was seitens des Beklagten auch nicht bestritten wird – ein Nierenleiden mit einem Einzel-GdB von 20 und ein psychisches Leiden mit einem Einzel-GdB von weiteren 20. Hieraus war bis zum Januar 2016 der Gesamt-GdB von 40 bemessen worden; insoweit ist der Rechtsstreit auch erledigt.

Indessen ist mit Wirkung von Februar 2016 jedenfalls eine richtungsweisende Verschlimmerung dahingehend hinzugetreten, dass jetzt auch eine nächtlich maskenpflichtige Schlafapnoe hinzugetreten ist. Diese ist, wie der Sachverständige ebenfalls nach eingehender Untersuchung hervorgehoben hat, jedenfalls ab Februar 2016 gemäß B 8.7 der Anlage VersMedV mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Soweit der Beklagte bestreitet, dass hier eine maskenpflichtige Apnoe vorliegt und sich dabei Befundunterlagen vom November 2015 bezieht, ist dem entgegenzuhalten, dass der Sachverständige nach eigener Untersuchung und Befragung der Klägerin jedenfalls ab Februar 2016 die vorgenannte Verschlimmerung zweifelsfrei festgestellt hat. Gemäß der Anlage VersMedV ist der Gesamt-GdB zu bestimmen. Gemäß c) der Anlage VersMedV ist hierbei in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird. Dies führt vorliegend dazu, dass von dem größten Einzel-GdB von 30 für das Gehörleiden auszugehen ist und dann weitere drei Einzel-GdB hinzutreten, die jeweils mit 20 zu belegen sind, nämlich im Bereich der Niere, im Bereich der Psyche und im Bereich der Lunge (Schlaf-Apnoe). Insoweit kann offen bleiben, ob das Nierenleiden verstärkend wirkt, denn jedenfalls das psychische Leiden und die ab Februar 2016 hinzugetretene Schlaf-Apnoe erhöhen den GdB jeweils um einen Zehnergrad, so dass mit Wirkung von Februar 2016 der Gesamt-GdB von 50 erreicht wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache insgesamt.

Die Revision war nicht zuzulassen, Zulassungsgründe sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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