L 1 KR 418/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 KR 426/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 418/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, welche ihre Kosten selbst zu tragen haben. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Im Streit steht der Sache nach der sozialversicherungsrechtlichen Status der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) (nachfolgend nur noch: "die Beigeladene") als Geschäftsführerin der Klägerin seit dem 5. Januar 2009.

Die Klägerin ist eine seit 1997 bestehende Gesellschaft, welche mit einer Stammeinlage von 50.000 DM gegründet wurde.

Die Beigeladene war seit September 1998 bis Oktober 2008 bei ihr als Fondsmanagerin beschäftigt. Anschließend arbeitete sie bis Dezember 2008 als Assistentin der Geschäftsführung für ein anderes Unternehmen. Am 1. Januar 2009 schlossen die Klägerin und die Beigeladene mit Wirkung ab 5. Januar 2009 einen "Geschäftsführervertrag". Als Bezüge wurde zunächst ein Jahresgehalt von 60.000 EUR brutto vereinbart. In zwei Stufen wurden sie später auf 9.800 EUR monatlich erhöht. Die Klägerin trägt auch die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung. Nach § 5 des Vertrages werden bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit die Bezüge für drei Monate weiter bezahlt unter Abzug eines Betrages der dem von der Krankenkasse gezahlten Krankengeld entspricht. Nach § 6 besteht ein Jahresurlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Vereinbart ist ferner in § 7 eine Tantieme i. H. v. 8 Prozent des Gewinnes. Die Beigeladene erwarb in der Folgezeit einen Geschäftsanteil an der Klägerin i. H. v. nominal 15.000 DM (entsprechend 30 Prozent des Stammkapitals). Die restlichen 70 Prozent hält der Gesellschafter-Geschäftsführer R.

Im Januar 2011 beantragte die Klägerin, den sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen feststellen zu lassen.

Mit Bescheid vom 9. Mai 2011 (zugegangen am 11. Mai 2011) stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit als Gesellschafter Geschäftsführerin bei der Klägerin seit dem 5. Januar 2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde.

Die Klägerin erhob hiergegen am 14. Juni 2011 (Dienstag nach Pfingsten) Widerspruch. Sie führte unter anderem aus, die Beigeladene unterliege keinen Weisungen und könne Änderungen des Gesellschaftsvertrages verhindern.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2012 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 12. März 2012 (Montag) Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben.

Am 11. Juni 2012 schlossen die Beigeladene und Herr R schriftlich eine Gesellschaftervereinbarung. Danach sind die Gesellschafter in ihren jeweiligen Geschäftsführungsbereich eigenverantwortlich und selbstständig tätig. Kein Geschäftsführer ist gegenüber dem anderen weisungsbefugt. Die Gesellschafter werden ihre Weisungsbefugnis gegenüber den Geschäftsführern nur einvernehmlich ausüben (§ 1 der Vereinbarung). § 2 der Vereinbarung listet Reihe von Rechtshandlungen auf, die stets nur im Einvernehmen beider Gesellschafter durchgeführt werden dürfen. Nach § 3 Abs. 1 der Vereinbarung spiegele diese die seit 2009 gehandhabte Praxis und das weiterbestehende Verständnis der Parteien vom gesellschaftsrechtlichen Miteinander wieder, welches die Parteien untereinander als verbindlich angesehen hätten. Nach § 3 Abs. 5 kann die Vereinbarung unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Das Recht zur vorzeitigen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Nach § 4 der Vereinbarung sollen ergänzend für die zwischen den Parteien bestehende Innengesellschaft die Regelungen über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts zumindest entsprechend anwendbar sein.

Zur Klagebegründung hat die Klägerin vorgebracht, aufgrund der Gesellschaftervereinbarung habe die Beigeladene maßgeblichen Einfluss auf die Klägerin im Sinne einer umfassenden Sperrminorität. Sie könne nicht gegen ihren Willen als Geschäftsführerin abberufen werden. Ihr könne nicht gegen ihren Willen Weisungen erteilt werden. Die beiden Gesellschafter bildeten eine Innengesellschaft, welche der Beigeladenen über die bei Personengesellschaften bestehenden Treuepflichten hinaus eine weitere rechtliche Verstärkung ihrer rechtlichen Position verschafft.

Mit Bescheid vom 13. Mai 2014 hat die Beklagte den Bescheid vom 9. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2012 dahingehend abgeändert, dass in der seit dem 5. Januar 2009 ausgeübten Beschäftigung als Gesellschafter-Geschäftsführerin bei der Klägerin Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Die Versicherungspflicht beginne am 5. Januar 2009. In der Krankenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit. In der Pflegeversicherung bestehe keine Versicherungspflicht.

Das SG hat mit Urteil vom 28. August 2015 die Klage abgewiesen: Die Beigeladene stehe bei der Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Sie arbeite als Geschäftsführerin nicht im eigenen Unternehmen, sondern in einem fremden Betrieb. Der Geschäftsführervertrag enthalte mehrere Regelungen, die für ein Arbeitsverhältnis typisch seien. So müsse die Klägerin ihre gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stellen, erhalte ein festes monatliches Gehalt und habe Ansprüche auf Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall und auf bezahlten Urlaub. Das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses sei auch nicht ausgeschlossen, weil die Beigeladene Gesellschafterin der Klägerin sei. Sie habe nämlich einen Anteil von weniger als 50 Prozent am Stammkapital. Sie müsse, wie sich aus den Bestimmungen des Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) und des Gesellschaftsvertrages ergebe, Weisungen der Klägerin Folge leisten, deren ergehen sie alleine nicht alleine verhindern könne. Etwas anderes folge auch nicht aus der Stimmrechtsvereinbarung, denn diese sei mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres kündbar. Auch der Geschäftsführervertrag sei mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres kündbar. Auch seien zustimmungspflichtige Rechtshandlungen genau aufgelistet. Dass die Beigeladene tatsächlich weisungsfrei arbeite, führe zu keinem anderen Ergebnis. Konkrete Handlungsanweisungen würden gerade bei Diensten höherer Art regelmäßig nicht, jedenfalls aber nur in einem sehr eingeschränkten Umfang erteilt werden. Das Direktions- und Weisungsrecht des Arbeitgebers reduziere sich insoweit zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess (Bezugnahme Bundessozialgericht -BSG-Urteil vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 12/05R –). Entsprechend reiche es für die Fremdbestimmtheit von höheren Diensten aus, dass im Rahmen einer von einer anderen Stelle vorgegebenen betrieblich-arbeitstechnischen Organisation geleistet würden, der Betroffene also insofern in einen fremden Betrieb eingegliedert sei. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Über die betriebliche Struktur der Klägerin entscheide die Beigeladene nicht alleine, sondern die Gesamtheit der Gesellschafter. Entscheidend sei hierbei der rechtliche Bestand der Rechtsmacht (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 29. August 2012 -B 12 KR 25/10 R).

Gegen dieses ihr am 8. September 2015 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 8. Oktober 2015. Zu deren Begründung trägt die Klägerin vor, nach dem Gesamtbild der Tätigkeit der Beigeladenen sei nur eine Beurteilung als selbstständige Tätigkeit möglich. Maßgeblich sei für den mitarbeitenden Gesellschafter einer GmbH, ob er einem Direktionsrecht der Gesellschaft unterliege oder ob er ohne Bindungen und Weisungen und unter freier Gestaltung des Ablaufs seiner Tätigkeit die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich bestimme und die Unternehmensleitung wahrnehme. Die Beigeladene habe durch ihre Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Klägerin. Der Umstand, dass sie weniger als 50 Prozent des Stammkapitals halte, sei lediglich ein dem entgegenstehendes Indiz. Maßgeblich sei jedoch die Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles. Für entscheidende Beschlüsse sehe der Gesellschaftsvertrag eine einstimmige Beschlussfassung vor. Insoweit seinen die Gesellschafter gleichberechtigt. Auch sei es in kleineren Gesellschaften denkbar, dass die Kapitalbeteiligung eine völlig untergeordnete Rolle spiele. Dies sei dann der Fall, wenn der Minderheitsgesellschafter -wie hier- de facto gleichberechtigt sei. Der Aspekt der Ausübung des Stimmrechts bei der Gewinnverwendung liefere hingegen keinen Aufschluss über eine Weisungsfreiheit oder Weisungsgebundenheit der Beigeladenen. Aufgrund der Gesellschaftervereinbarung hätten hier die Geschäftsführer gegenseitige Weisungsfreiheit vereinbart. Unternehmensgegenstand der Klägerin sei vor allem die Übernahme der Geschäftsführung von geschlossenen Immobilienfonds sowie die Erbringung von Dienstleistungen im kaufmännischen Bereich von Immobilien, insbesondere die Übernahme der Gesellschaftsverwaltung und der Gesellschafterbetreuung. Dabei hätten die Beigeladene und der weitere Geschäftsführer R eine klare Aufgabenteilung vorgenommen. Die vorgenannten Aufgaben seien jeweils für bestimmte Fonds bzw. deren Beteiligte zugewiesen. Eine Gruppe von Fonds betreue die Beigeladene, die andere Gruppe Herr R. Beide Geschäftsführer agierten dabei völlig frei und eigenverantwortlich. Es bestehe zudem eine individuelle, persönliche Beziehung der Beigeladenen zu den betreuten Personen. Jeder Geschäftsführer habe seinen Kundenkreis. Insoweit bestehe sogar eine geschäftsbezogene Abhängigkeit des Herrn Rgegenüber der Beigeladenen. Dass die Stimmbindung als schuldrechtliche Vereinbarung kündbar sei und deshalb nicht geeignet, die gesellschaftsrechtlichen Rechtsmacht-Verhältnisse zu verschieben, überzeuge nicht. Denn jedes Schuldverhältnis sei aus wichtigem Grund kündbar. Die theoretische Kündigungsmöglichkeit der Stimmbindung müsse im Gesamtzusammenhang gesehen werden und nicht nur als ein Element unter Ausblendung des gesamten rechtlichen und tatsächlichen Kontextes. Nach § 4 des Gesellschaftsvertrages habe die Beigeladene entgegen der gesetzlichen Regelung im GmbH-Recht ein Kündigungsrecht der Gesellschaft. Sie stünde einer Kündigung der Gesellschaftervereinbarung nicht wehrlos gegenüber. Vielmehr könne sie Gegendruck aufbauen. Sie verfüge damit über ein äußerst wirksames Mittel, Alleingänge des anderen Gesellschafters zu verhindern. Würde er die Stimmbindung beenden, sei davon auszugehen, dass die Beigeladene ihr Kündigungsrecht ausübe. Es müsse beachtet werden, dass Herr R die Beigeladene zur Gesellschaft zurückgeholt habe, um diese nach dem Ausscheiden des vorherigen Mitgesellschafters fortführbar zu erhalten. Er habe der Beigeladenen deshalb ihre Möglichkeiten und Rechte gerade eingeräumt, um ihren Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Eigenständigkeit zu entsprechen. Es dürfe nicht ein hypothetischer Sachverhalt an die Stelle des tatsächlichen Sachverhaltes zu Grunde gelegt werden. Auch ein etwaiges Erfordernis der Vorhersehbarkeit der Beitragspflicht könne nicht so stark überdehnt werden, dass im Ergebnis nicht mehr der tatsächliche Sachverhalt, sondern allein ein hypothetischer (Kündigung der Stimmbindung) maßgeblich sei, der niemals eintreten werde.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Februar 2012 in der Fassung des Bescheides vom 13. Mai 2014 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) seit dem 5. Januar 2009 nicht versicherungspflichtig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zuzuweisen.

Auf die genannten Verträge, die sich in Kopie im Verwaltungsvorgang bzw. der Gerichtsakte befinden, wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Beschluss zurückweisen. Er hält sie einstimmig für unbegründet. Eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, im Erörterungstermin am 6. März 2017 hingewiesen worden.

Der Berufung muss Erfolg versagt bleiben. Die Klage ist unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid vom 9. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2012 und in der Fassung des Änderungsbescheids vom 13. Mai 2014 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.

Der Bescheid vom 13. Mai 2014 ist dabei nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Er hat den Bescheid vom 9. Mai 2011 ersetzt, der sich in der (nach der Rechtsprechung des BSG unzulässigen) Feststellung eines einzelnen Elementes der Versicherungspflicht erschöpfte, nämlich des Vorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses. Wird ein wegen der Feststellung eines (unselbständigen) Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt um das fehlende (andere) Element, hier das Vorliegen von Versicherungspflicht, zu einer vollständigen Feststellung ergänzt – und erst damit einer inhaltlichen, materiell-rechtlichen Überprüfung durch das bereits angerufene Gericht zugänglich gemacht –, liegt darin eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt den ersten nach § 96 Abs. 1 SGG mit ergänzt (Urteil des BSG vom 28. September 2011 - B 12 KR 17/09 R -, zitiert nach juris).

Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten eine Entscheidung über das Vorliegen einer Beschäftigung beantragen. Die Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich aus § 7a Abs. 2 SGB IV.

Mit Recht ist die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden von Versicherungspflicht ausgegangen. Nach § 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, und § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Die danach für den Eintritt von Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (Urteile des BSG vom 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – und Urteil vom 12. November 2015 – B 12 KR 10/14 R -).

Ausgangspunkt der Prüfung sind die für die Tätigkeit maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen. Allerdings ergibt sich das Entstehen von Versicherungspflicht aus dem Gesetz und kann nicht Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen sein. Entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist deswegen die tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse, welcher gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen kann (Urteil des BSG vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – juris-Rdnr. 17; Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris-Rdnr. 17).

An diesen Maßstäben gemessen ist die Beigeladene nicht selbstständig tätig. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angegriffenen Urteil kann hierzu zunächst zur Vermeidung bloßer Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen werden.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist nur noch zu ergänzen:

Die Klägerin war und ist als GmbH eine eigene juristische Person. Die Beigeladene ist zwar am Gesellschaftskapital beteiligt, ist aber angesichts ihres Stimmanteiles von 30 Prozent nicht in der Lage, die Willensbildung in der Gesellschaft entscheidend zu beeinflussen. Sie kann als Einzelperson damit auch nicht verhindern, dass sie im Konfliktfalle Weisungen der Klägerin unterworfen wäre. Es gelten insoweit die für Gesellschafterversammlungs-Beschlüsse im GmbH-Gesetz vorgesehenen normalen Regeln. Nach § 8 Nr. 5 des Gesellschaftsvertrages sind Gesellschafterversammlungen beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte des Stammkapitals erschienen oder vertreten ist. Nach § 47 Abs. 1 GmbHG (Abstimmung) erfolgt die Beschlussfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Dabei gewährt jeder Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme, § 47 Abs. 2 GmbHG.

Vertragsregelungen, welche Einstimmigkeit bei der Abstimmung über bestimmte Regelungsgegenstände vorsehen, enthält der Gesellschaftsvertrag selbst nicht.

Einen weitergehenden Einfluss der Beigeladenen ergibt sich auch nicht aus der Gesellschaftervereinbarung vom 11. Juni 2012.

Nach der Rechtsprechung des BSG reicht nämlich bereits das Fortbestehen der Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung einer außerhalb des Gesellschaftsvertrags geschlossenen Stimmbindungsvereinbarung aus, um die sozialrechtliche Erheblichkeit einer Verschiebung der Rechtsmachverhältnisse zu verneinen (BSG v. 11. November 2015 – B 12 KR 13/14 R - juris Rdnr. 25). Dabei hat der Senat es dahinstehen lassen, ob derartige Vereinbarungen nicht zur Wirksamkeit notarieller Form bedürften (Rdnr. 29). Denn der Fortbestand der Bindung an das Einstimmigkeitsprinzip wird durch die Möglichkeit zur Kündigung in das Belieben des Mehrheitsgesellschafters gestellt.

Hier sieht die Vereinbarung sogar eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit vor.

Ohne Belang ist, dass der Beigeladenen rein tatsächlich keine Weisungen erteilt werden, weil der Mitgesellschafter Rauf die Beigeladene angewiesen ist. Es ist -entgegen der Auffassung der Klägerin- auch keine Prognose über den voraussichtliche tatsächliche Entwicklung anzustellen. Entscheidend ist nur der rechtliche Bestand einer Rechtsmacht, mit der die Beigeladene verhindern könnte, dass ihr Weisungen erteilt werden. Wollte man anders entscheiden, gäbe es Fälle in denen erst nach Beendigung der Tätigkeit anhand des bisherigen Ausbleibens von Weisungen festgestellt werden könnte, ob es sich um eine selbständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung gehandelt hat. Das stünde indessen im Widerspruch zu dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher und beitragsrechtlicher Tatbestände, die schon zu Beginn der Tätigkeit gegeben sein müssen (Urteile des BSG vom 11. November 2015 – B 12 KR 2/14 R, - und - B 12 KR 10/14 R -). Einer nur auf Zeiten eines harmonischen Zusammenwirkens beschränkten "Schönwetter-Selbständigkeit" kommt deshalb sozialversicherungsrechtlich keine entscheidende Bedeutung zu (Urteile des BSG vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R- und vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R). Entscheidend sind nicht die tatsächlichen Gegebenheiten, die sich im Laufe einer Tätigkeit entwickelt haben, sondern die jeweilige Rechtsmacht über die derjenige verfügt, dessen sozialversicherungsrechtlicher Status zu beurteilen ist. Dementsprechend hat das BSG auch die in der Vergangenheit vereinzelt vertretene Rechtsauffassung der sogenannten "Kopf- und Seele"–Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben (Urteil des BSG vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R und B 12 KR 1/15 R –, zitiert nach juris).

Dass bei einem Zerwürfnis die Klägerin möglicherweise wirtschaftlich nicht erfolgreich weitergeführt werden könnte, ist ein häufig anzutreffender Sachverhalt. Oftmals besitzt nur der abhängig beschäftigte Geschäftsführer die Kompetenzen und Fähigkeiten auf dem betreffenden Gebiet, nicht hingegen die (Mit-)Gesellschafter. Dass die Beigeladene den Gesellschaftsvertrag nach § 4 des Gesellschaftsvertrages ordentlich kündigen könnte, wäre im Übrigen im Konfliktfall kein zwingend einer Ausübung der Gesellschafterrechte entgegenstehendes Druckmittel. Denn eine solche Kündigung hätte nach § 4 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages nicht deren Auflösung die Folge. Vielmehr hat der Kündigende seine Anteile auf den oder die anderen Gesellschafter zu übertragen.

Soweit schließlich auf den Anspruch der Beigeladenen auf Tantiemen zusätzlich zur Festvergütung als Indiz für Selbstständigkeit abgestellt wird, kommt dem bereits deshalb kein Gewicht zu, weil eine am Gewinn orientierte erfolgsabhängige Vergütungskomponente auch bei abhängiger Beschäftigung verbreitet ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor. Die grundsätzlichen Fragen sind geklärt.

Die Streitwertfestsetzung, die unanfechtbar ist, folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, Abs. 2 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
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