L 1 KR 488/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 198 KR 647/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 488/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt, in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bei der Beklagten versichert zu sein.

Er ist 1944 geboren und bezieht seit dem 1. August 2004 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Er wird bei der Beklagten seit dem 1. Oktober 2008 als Pflichtversicherter nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) geführt.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 mit, ein vorangegangenes Schreiben des Klägers als Überprüfungsantrag zu werten. Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 17. Oktober 2010, dass dagegen "erst einmal nichts einzuwenden" sei. Mit Überprüfungsbescheid vom 23. November 2010 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger die notwendigen Vorversicherungszeiten für die Voraussetzungen der KVdR nicht erfülle. Um die erforderliche 9/10 – Belegung der zweiten Hälfte der Rahmenfrist mit Mitgliedschaftszeiten zu erfüllen, hätte der Kläger diese Zeit mit 20 Jahren, sieben Monaten und 33 Tagen belegen müssen. Nach ihren Ermittlungen durch Einholung der erforderlichen Daten bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg habe er hingegen lediglich 12 Jahre, einen Monat und 23 Tage belegt.

Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch, den die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2011 zurückwies.

Hiergegen hat der Kläger am 16. März 2011 Klage beim Sozialgerichts Berlin (SG) erhoben.

Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 2. Juni 2015 abgewiesen. Die Klage sei zulässig, jedoch unbegründet. Zugunsten des Klägers gehe das SG davon aus, dass dieser begehre, unter Aufhebung des Bescheides vom 23. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2011 die Beklagte zu verpflichten, den Kläger in der KVdR zu versichern. Ein solcher Anspruch stehe dem Kläger jedoch nicht zu. Die angefochtenen Bescheide seien nicht zu beanstanden. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V seien Personen versicherungspflichtig, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllten, diese Rente beantragt hätten und während der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens mindestens 90 % dieser Zeit Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung oder in der gesetzlichen Krankenversicherung familienversichert gewesen seien. Die Beklagte habe für den Zeitraum (Rahmenfrist) vom 1. September 1968 bis zum 30. Juli 2004 zutreffend festgestellt, dass der Kläger 20 Jahre, sieben Monate und 33 Tage in der gesetzlichen Krankenversicherung hätte Mitglied sein müssen bzw. familienversichert. Diese Zeit habe er – auch nach der Korrektur der Vorversicherungszeit durch die Beklagte im Widerspruchsbescheid auf 12 Jahre, fünf Monate und 11 Tage – definitiv nicht erfüllt. Weder der Kläger noch sein Bevollmächtigter hätten Tatsachen vorgetragen, die Zweifel an der Berechnung durch die Beklagte aufkommen lasse. Der Kläger verkenne, dass der Rentenversicherungsträger auch bei Versicherungspflichtigen nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gemäß § 255 SGB V berechtigt sei, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung einzubehalten und an die Beklagte abzuführen. Diese direkte Abführung ändere nichts an seinem Versicherungsstatus. Der Kläger verkenne darüber hinaus, dass sich die Beitragszahlung bei den nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Pflichtversicherten nach §§ 227, 240 SGB V richte. Dies habe zur Folge, dass der Kläger neben den vom Rentenversicherungsträger abgeführten Beiträgen aus der Rente weitere Beiträge aus der Differenz zwischen der Rente und der Mindestbemessungsgrundlage zu zahlen habe. Diese könnten ggf. vom Sozialhilfeträger übernommen werden, § 32 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

Dieser Gerichtsbescheid ist dem damaligen Bevollmächtigen des Klägers am 10. Juni 2015 zugestellt worden. Der Kläger hat hiergegen (erst) am 16. November 2015 per Fax Berufung eingelegt. Er hat Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt, da er wegen einer schwerwiegenden Erkrankung dies nicht habe früher erledigen können. In der Sache sei unterlassen worden, die Zeiten bis zum 3. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet zu berücksichtigen. Auch seien Zurechnungszeiten nicht ausgeführt. Er habe im Jahre 1958 die Lehrausbildung begonnen. Auch die Armee-Pflichtzeit hätte mitzählen müssen. Auch sei er bereits seit seinem ersten Schlaganfall im Jahr 2004 schwerbehindert und habe direkt eine Schwerbehindertenrente erhalten. Laut einem Zeitschriftenartikel in der Zeitung Finanztest müsse man sich nur dann gesetzlich privat krankenversichern, wenn man keine gesetzlichen Rente beziehen oder nicht mindestens 90 % der zweiten beruflichen Lebenshälfte einer gesetzlichen Krankenversicherung angehört habe. Er erfülle diese Kriterien, da er seit dem Jahre 2004 eine gesetzliche Schwerbehindertenrente beziehe. Er hat hierzu ein Attest seiner Hausärztin Dr. I vom 11. Januar 2016 eingereicht.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin 2. Juni 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2011 zu verpflichten, den Kläger im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner zu versichern.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in der Besetzung durch den Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden. Der Rechtsstreit weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Es konnte entschieden werden, obgleich in der mündlichen Verhandlung für den Kläger niemand erschienen ist. Die Beteiligten sind nach § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG darauf hingewiesen worden, dass im Falle des Ausbleibens nach Lage der Akten entschieden werden kann. Der Kläger trägt seit Jahren vor, nicht vor Gericht erscheinen zu können. Einen Vertreter hat er -trotz entsprechendem eigenen Vorbringen, sich um einen solchen zu bemühen- nicht benannt. Soweit für ihn anonym "hilfsbereite Menschen" Schriftsätze per Fax eingereicht haben, ist er weiter darauf hingewiesen worden, dass diese mangels Schriftform unwirksam sind. Bei den jüngsten Schreiben fehlt -im Gegensatz noch zu Schreiben Ende 2016-eine Nachreichung des Originals, so dass nicht (mehr) davon ausgegangen werden kann, dass die anonymen Schriftsätze mit Wissen und Wollen des Klägers abgesandt wurden. Er ist vom Senat nochmals mit Verfügung vom 10. April 2017 auf die beabsichtigte Terminierung hingewiesen worden. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs aufgrund des Umstandes, dass der Kläger sein Anliegen nicht persönlich vor dem Senat vortragen kann, scheint ausgeschlossen zu sein. Auf die nachfolgenden Ausführungen zur Rechtslage in der Sache wird verwiesen.

Die Berufung ist zulässig, obwohl der Kläger die Berufungsfrist von einem Monat versäumt hat. Ihm ist Wiedereinsetzung gem. § 67 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu gewähren. Der Kläger war ohne Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten. Er war ausweislich des eingereichten Befundberichtes mindestens bis zum 15. November 2015 nicht in der Lage, Prozesshandlungen durchzuführen aufgrund seiner schweren Karzinomerkrankung bzw. deren Behandlung im Krankenhaus.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Auf die Begründung im angefochtenen Gerichtsbescheid wird zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG entsprechend). Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V unter anderen voraussetzt, dass während der zweiten Hälfte des Erwerbslebens mindestens 90 Prozent dieser Zeit Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung oder eine Familienversicherung bestanden haben müssten. Nach den Feststellungen der Beklagten auf Grundlage der von der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg übermittelten Unterlagen hatte der Kläger erstmals am 1. September 1968 eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und am 30. Juli 2004 einen Rentenantrag gestellt. Die in der DDR zurückgelegten Zeiten sind damit berücksichtigt. Die zweite Hälfte der Rahmenfrist (1. September 1968 bis zum 30. Juli 2004) beginnt am 16. August 1981 und endet mit Stellung des Rentenantrages am 30. Juli 2004. In diesem Zeitraum war der Kläger Zeit vom 26. Januar 1994 bis zum 30. Juli 2004 nicht krankenversichert. Die berücksichtigungsfähigen Zeiten der zweiten Hälfte - einschließlich der vom 16. August 1981 bis zum 2. Oktober 1990 - betragen damit zwölf Jahre, fünf Monate und elf Tage anstelle der erforderlichen 20 Jahre, sieben Monate und 33 Tage. Der Kläger hatte ausreichend Gelegenheit, näher zu angeblichen weiteren Arbeitszeiten vorzutragen. Der Umstand, dass er zunächst eine Rente aufgrund Schwerbehinderung bezogen hat, ändert nichts an den Zeiten der Rahmenfrist. Soweit der Kläger ins Blaue hinein weitere Zeiten zu Beginn seiner Erwerbsbiographie als Erwerbszeiten für sich reklamiert, ist darauf hinzuweisen, dass die Lücke in der relevanten zweiten Hälfte des Berufslebens so groß ist, dass selbst über zehn Jahre weitere unterstellte Arbeitszeiten in der ersten Hälfte zu keinem anderen Ergebnis führen könnten. Einen Ermessensspielraum hat die Beklagte nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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