Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 162 AS 9192/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 2888/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. November 2015 geändert. Der Beigeladene wird verurteilt, der Klägerin für April und Mai 2014 jeweils 702,00 EUR und für den Zeitraum vom 1. bis 14. Juni 2014 einen Betrag von 299,34 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten des Rechtsstreites zu drei Vierteln, der Beigeladene hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten des Rechtsstreites zu einem Viertel zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Grundsicherungsleistungen für die italienische Klägerin für den Zeitraum vom 1. April bis 14. Juni 2014.
Die 1985 geborene Klägerin besitzt die italienische Staatsangehörigkeit und hielt sich ständig seit 1. April 2012 in der Bundesrepublik auf. Sie ist ledig und hatte keine Familienangehörigen in Deutschland. Sie war zur Arbeitssuche in die Bundesrepublik eingereist. Seit Januar 2014 wohnte sie aufgrund des Untermietvertrages vom 15. Januar 2015 mit Unterkunftskosten von 328 EUR monatlich zur Untermiete, wobei die Kosten auch pauschal 10,00 EUR für Strom und 7,00 EUR für Telefon/Internet umfassten. Die Wohnung hatte zwei Wohnräume, wovon die Klägerin ein Zimmer mit 16 m² zur Verfügung hatte und Küche, Bad, WC, Flur und Keller mit nutzen konnte.
Sie übte aufgrund des Vertrages vom 7. Mai 2013 eine Beschäftigung als Servicekraft an der Tapas-Bar aus. Diese war zunächst bis 6. November 2013 befristet, erfolgte zunächst gegen ein Arbeitsentgelt von 6,90 EUR brutto, ab 1. Juli 2013 von 6,00 EUR netto je Stunde bis zu 450 EUR im Monat und wurde von der Klägerin selbst zum 24. Dezember 2013 gekündigt. Anschließend bezog sie bis Februar 2014 von einem anderen Berliner Jobcenter vorläufig Arbeitslosengeld II. Wegen ihres Umzuges beantragte sie am 14. Februar 2014 bei der Beklagten Arbeitslosengeld II.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 31. März 2014 ab. Die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs 1 SGB II. Die Klägerin sei durch ihre eigene Kündigung aufenthaltsrechtlich weder Arbeitnehmerin noch Selbstständige, noch sei sie aufgrund des § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Auch die Fünfjahresfrist für einen Inlandsaufenthalt sei noch nicht erreicht. Mit ihrem Widerspruch vom 14. April 2014 meinte die Klägerin, § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II dürfte europarechtswidrig sein. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2014 zurück.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 18. Mai 2014. Sie habe das Beschäftigungsverhältnis gekündigt, weil es sich um ausbeuterische Arbeitsbedingungen mit Arbeitszeiten von bis zu zwölf Stunden täglich gehandelt habe, weshalb sie als Arbeitnehmerin Anspruch auf Leistungen habe. Im Übrigen ergebe sich der Anspruch unmittelbar aus der VO 883/2004 EG mit dem dort in Art 4 geregelten Gleichbehandlungsgebot.
Ab 1. Juni 2014 hatte die Klägerin eine neue Unterkunft mit monatlichen Kosten von 250,00 EUR. Zum 15. Juni 2014 nahm sie eine Beschäftigung mit einer Höchstvergütung von 450 EUR auf. Mit Schreiben vom 27. November 2014 stellte die Klägerin als Klagezeitraum denjenigen vom 1. April bis 31. Dezember 2014 klar. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 9. März 2015 für den Zeitraum vom 15. Juni bis 31. Dezember 2014 Arbeitslosengeld II ergänzend zu ihrem Erwerbseinkommen.
Das Sozialgericht wies die nunmehr auf Zeiträume bis 14. Juni 2014 beschränkte Klage durch Urteil vom 11. November 2015 ab. Die Klägerin habe die für einen Anspruch notwendige Hilfebedürftigkeit für den maßgeblichen Zeitraum nicht dargelegt, geschweige denn bewiesen. Jedenfalls greife der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II, da die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum in der Bundesrepublik nur ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche gehabt habe. Ein anderes Aufenthaltsrecht, über das sie erfolgreich Zugang zu den begehrten Leistungen herstellen könnte, habe ihr nicht zugestanden. Abgesehen von der Frage ob die Klägerin wegen des in der Zeit von Mai bis Dezember 2013 ausgeübten Minijobs überhaupt als Arbeitnehmerin im Sinne des maßgeblichen Unionsrechts zu bezeichnen gewesen wäre, liege die Fortwirkung der Arbeitnehmereigenschaft mit entsprechendem Aufenthaltsrecht nicht vor. Die Klägerin sei nicht unfreiwillig arbeitslos geworden. Sie habe den ausgeübten Minijob selbst aufgegeben. Die Kammer habe sich wegen des unsubstantiierten Vortrags der Klägerin nicht veranlasst gesehen, dieser Frage weiter nachzugehen. Es liege zudem nicht die notwendige, durch die zuständige Agentur für Arbeit ausgestellte Bestätigung unfreiwilliger Arbeitslosigkeit vor. Auch ein Anspruch auf Inländergleichbehandlung stehe der Klägerin nicht zu. Die Auffassung der Kammer stütze sich auf die Entscheidung des EuGH vom 15. September 2015, C-67/14.
Die Klägerin verfolgt ihr Begehren mit ihrer Berufung vom 23. November 2015 weiter. Das Aufenthaltsrecht ergebe sich für die Klägerin nach § 2 Abs 3 Satz 1 Nr 2 und Satz 2 FreizügG/EU. Bei der von der Klägerin gekündigten Beschäftigung seien arbeitsrechtliche Schutzvorschriften missachtet worden. Die Klägerin habe zum Teil zwölf Stunden am Tag arbeiten müssen. Für die Eigenkündigung gebe es daher einen wichtigen Grund. Die vom Sozialgericht angesetzte Kostenquote sei im Hinblick auf das Anerkenntnis der Beklagten für die Zeiträume ab Mitte Juni 2014 fehlerhaft. Hilfsweise sei der Beigeladene entsprechend der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Leistung zu verurteilen. Während des hier streitigen Zeitraumes habe die Klägerin, so ihr Vortrag in der mündlichen Verhandlung, weder über Einkommen noch über Vermögen verfügt. Sie habe in der Bundesrepublik nicht auf Dauer nur von Minijobs leben können und daher zwischenzeitlich eine Beschäftigung in Italien aufnehmen können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. November 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2014 aufzuheben und die die Beklagte, hilfsweise den Beigeladenen zu verurteilen, der Klägerin für April und Mai 2014 jeweils 702,00 EUR und für den Zeitraum vom 1. bis 14. Juni 2014 einen Betrag von 299,34 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der durch Beschluss des Senats vom 22. August 2016 beigeladene Sozialhilfeträger hält die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für unzutreffend. Sie sei mit verfassungsrechtlich bedenklichen Folgen verbunden. Dazu werde auch auf die verschiedenen Instanzentscheidungen, welche ebenfalls dem Bundessozialgericht nicht folgen würden, verwiesen. Auch aus dem europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) könne die Klägerin keinen Anspruch herleiten, weil nach diesem Abkommen über eine Gleichstellung mit Inländern gewährleistet wird. Erwerbsfähige Inländer hätten jedoch gerade keinen Anspruch nach dem SGB XII. Wegen der Einwendungen gegen die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird auf die Schreiben des Beigeladenen vom 6. Dezember 2016, 9. Januar und vom 22. Mai 2017 Bezug genommen.
Einen Antrag hat der beigeladene Sozialhilfeträger nicht gestellt.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung allein durch den Berichterstatter nach § 155 Abs. 3, 4 SGG erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Niederschrift gemäß §§ 153 Abs 1, 136 Abs 2 SGG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 155 Abs 3, 4 SGG allein durch seinen Berichterstatter entscheiden. Die Sache wirft in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten auf. Die relevanten rechtlichen Fragen sind durch die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung insbesondere durch das BSG, welcher der Senat in ständiger Rechtsprechung gefolgt ist, geklärt. Bei seiner Ermessensentscheidung hat der Senat auch die Interessen der Beteiligten an einer angemessenen Verfahrensdauer berücksichtigt.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat im Sinne einer Änderung des erstinstanzlichen Urteils und einer Verurteilung des Beigeladenen gemäß § 75 Abs 5 SGG Erfolg. Die Klägerin hat zwar keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gegen die Beklagte, weshalb deren Ablehnungsbescheid vom 31. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2014 nicht aufzuheben war. Sie kann jedoch Hilfe zum Lebensunterhalt vom beigeladenen Sozialhilfeträger nach §§ 19 Abs 1, 23 Abs 1, 27 Abs 1 SGB XII beanspruchen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 7, 19 ff SGB II. Zwar erfüllt sie die Anspruchsvoraussetzungen im streitigen Zeitraum, weil sie erwerbsfähige Hilfebedürftige nach §§ 19 Abs 1 Satz 1, 7 Abs 1 Satz 1 SGB II war. Sie erfüllte mit ihrem Geburtsjahrgang die Altersvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II. Der ausweislich ihrer tatsächlichen Erwerbstätigkeiten vor und nach dem Streitzeitraum nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 i V m § 8 Abs 1 und 2 SGB II auch erwerbsfähigen Klägerin war insbesondere eine Beschäftigung erlaubt. Sie war auch nach §§ 9, 11 ff SGB II mangels ausreichender Mittel hilfebedürftig. Einkommen bezog sie nach ihren eigenen glaubhaften Angaben zwischen den Beschäftigungen von Dezember 2013 bis Juni 2014 nicht und Vermögen hatte sie nach den von ihr im Verwaltungsverfahren vorgelegten Kontoauszügen (1.060,00 EUR zum 17.02.2014) nur deutlich unterhalb der Freigrenzen nach dem Sozialhilferecht §§ 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII, 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1a) BarBetrVO (VO zur Durchführung des § 90 Abs 2 Nr 9 des SGB XII). Anhaltspunkte für Zweifel an diesen Angaben und Belegen sind für den Senat nicht ersichtlich. Die Klägerin hatte schließlich ihren gewöhnlichen und nicht nur vorübergehenden Aufenthalt im Inland. Weil sie nicht mit einer anderen Person gemeinsam wirtschaftete und daher nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebte, schied auch ein Anspruch nach §§ 19 Abs 1 Satz 2, 7 Abs 2 Satz 1 SGB II von vornherein aus.
Die Klägerin als hilfebedürftige Leistungsberechtigte war jedoch als arbeitsuchende EU-Ausländerin von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgrund von § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II (i d F des Gesetzes vom 19.08.2007, BGBl I S. 1970) ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind von den benannten Leistungen ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (Nr 2). Die Klägerin konnte ihr Aufenthaltsrecht ausschließlich aus der Arbeitssuche herleiten. Sie verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum über keine andere Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein anderes Aufenthaltsrecht.
Sie war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht als Arbeitnehmerin freizügigkeitsberechtigt. Nach § 2 Abs 1 bis 3 FreizügG/EU (in der Fassung vom 21.01.2013, gültig bis 08.12.2014) galt: (1) Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes. (2) Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind: 1. Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen, 2. Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbständige Erwerbstätige), 3. Unionsbürger, die, ohne sich niederzulassen, als selbständige Erwerbstätige Dienstleistungen im Sinne des Artikels 57 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union erbringen wollen (Erbringer von Dienstleistungen), wenn sie zur Erbringung der Dienstleistung berechtigt sind, 4. Unionsbürger als Empfänger von Dienstleistungen, 5. nicht erwerbstätige Unionsbürger unter den Voraussetzungen des § 4, 6. Familienangehörige unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4, 7. Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben. (3) Das Recht nach Absatz 1 bleibt für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige unberührt bei 1. vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall, 2. unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit, 3. Aufnahme einer Berufsausbildung, wenn zwischen der Ausbildung und der früheren Erwerbstätigkeit ein Zusammenhang besteht; der Zusammenhang ist nicht erforderlich, wenn der Unionsbürger seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren hat. Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht aus Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt.
Der persönliche Anwendungsbereich der Reglung ist für die Klägerin eröffnet, denn sie ist als italienische Staatsbürgerin Unionsbürgerin.
Eine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs 2 Nr 1 Varianten 1 und 3 FreizügG/EU bestand im streitgegenständlichen Zeitraum für sie nicht. Eine Ausbildung (Variante 3) durchlief sie im fraglichen Zeitraum nicht. Eine Beschäftigung als Arbeitnehmerin übte sie nicht aus, denn dies setzt die Ausübung einer tatsächlichen und echten Tätigkeit als Arbeitnehmer, die nicht nur von geringem Umfang oder völlig untergeordneter oder unwesentlicher Bedeutung ist, wobei für die Beschäftigung als Arbeitnehmer das erzielte Arbeitsentgelt das Existenzminimum der betreffenden Person und ihrer Familienangehörigen nicht vollständig abdecken muss (BSG, Urteil vom 16.12.2015, B 14 AS 15/14 R, RdNr 23 m w N. Die bis 24. Dezember 2013 ausgeübte Beschäftigung hatte zwar einen Arbeitnehmerstatus mit entsprechendem Freizügigkeitsrecht vermittelt. Die Zweifel des Sozialgerichts daran, weil es sich um einen Minijob gehandelt hatte, sind angesichts der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R, RdNr 3 und 18: für Arbeitsentgelt von 100 EUR) insofern sehr weit hergeholt. Der Arbeitnehmerstatus wirkte jedoch nach § 2 Abs 3 Sätze 1 und 2 FreizügG/EU nicht fort, denn weder lag eine Erwerbsminderung im Sinne von Satz 1 Nr 1 der Regelung noch eine Ausbildung nach Satz 1 Nr 3 der Regelung vor. Weil die Vorbeschäftigung nur von Mai bis Dezember 2013 ausgeübt worden war, also nicht mindesten 12 Monate erreichte, schied auch eine Fortwirkung der Arbeitnehmereigenschaft nach Satz 1 Nr 2 der Regelung aus.
Nach Satz 2 der Regelung kommt eine Fortwirkung der Arbeitnehmereigenschaft nicht in Betracht, weil keine durch die Agentur für Arbeit bestätigte Arbeitslosigkeit vorlag, obwohl die Tätigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung beendet wurde und die Klägerin behauptet hat, diese Beschäftigung wegen arbeitsschutzwidrigen Verhältnissen beendet zuhaben und damit auch ein Fall unfreiwilliger Tätigkeitsbeendigung vorgelegen habe. Ob die von der Klägerin behaupteten, auch im Berufungsverfahren nicht näher substantiierten Gründe für die Beschäftigungsaufgabe vorgelegen haben, muss nicht des Näheren aufgeklärt werden, weil es jedenfalls an der vom Gesetz ausdrücklich geforderten durch die Arbeitsagentur erteilten Bestätigung der Arbeitslosigkeit fehlt, wobei ebenfalls offen bleiben kann, ob sich die Bestätigung auch auf die Unfreiwilligkeit beziehen muss. In der mündlichen Verhandlung wurde durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausdrücklich erklärt, dass eine solche Bestätigung der Arbeitsagentur nicht vorliegt. Auch die vorhandenen Unterlagen liefern keinen Anhaltspunkt für die Erteilung einer solchen Bestätigung.
Allerdings ergab sich eine Freizügigkeitsberechtigung und damit ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs 2 Nr 1 Variante 2 FreizügG/EU, weil sich die Klägerin zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik aufhielt. Zweifel an der Tatsache der Arbeitssuche bestehen für den Senat angesichts der mehrmonatigen Vorbeschäftigung und der Aufnahme einer erneuten Beschäftigung ab 15. Juni 2014 nicht. Daneben lassen sich weitere Aufenthaltsrechte nicht feststellen.
Die Klägerin war auch nicht als nicht erwerbstätige Unionsbürgerin i S d § 4 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt, da sie jedenfalls nicht über ausreichende Existenzmittel verfügte, wie bereits die Antragstellung nach dem SGB II wegen Hilfebedürftigkeit indiziert.
Die Klägerin kann sich schließlich nicht auf ein nach § 11 Abs. 1 FreizügG/EU vermitteltes Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz berufen, das eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss rechtfertigen könnte.
Der nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II vorgeschriebene Leistungsausschluss wird in seiner Wirksamkeit nach Erklärung des Vorbehalts durch die Bundesregierung am 19. Dezember 2011 im streitigen Zeitraum nicht durch das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 Europäisches Fürsorgeabkommen (EFA) vom 11. Dezember 1953 beschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 43/15 R, RdNr 18; Urteil vom 20.01.2016, B 14 AS 15/15 R, RdNr 23).
Europa- oder verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem Leistungsausschluss nach dem SGB II jedenfalls im Falle der Klägerin nicht entgegen (vgl EuGH, Urteil vom 15.09.2015, C-67/14 "Alimanovic" zur europarechtlichen Frage). Der Ausschluss ist zur Überzeugung des Senats mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG i V m dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG vereinbar, weil bei Berechtigung nach dem EFA Leistungen der Sozialhilfe in ebenfalls existenzsichernder Höhe in Betracht kommen (vgl. BSG, Urteil vom 20.01.2016, B 14 AS 15/15 R, RdNr 25, 26 ff mwN). So liegt es hier. Die Neufassung von § 7 Abs 1 SGB II und § 23 SGB XII durch das Gesetz vom 22. Dezember 2016 (BGBl I S 3155) entfaltet wegen dessen Art 5 keine Rückwirkung für den hier streitgegenständlichen Zeitraum.
Die Klägerin erfüllt im streitgegenständlichen Zeitraum jedoch die Leistungsvoraussetzungen für einen Anspruch nach §§ 19 Abs 1, 23 Abs 1, 27 Abs 1 SGB XII auf die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt. Ermessen ist wegen der Geltung des EFA nicht zu prüfen. Hinsichtlich der nach § 18 Abs 1 SGB XII erforderlichen Kenntnis des Sozialhilfeträgers ist auf die Kenntnis des Beklagten abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, B 4 AS 44/15 R, RdNr 39; Urteil vom 20.01.2016, B 14 AS 15/15 R, RdNr 26). Der Beigeladene ist als örtlich zuständiger Sozialhilfeträger für die Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt zuständig (§§ 97 Abs 1, 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII, §§ 1, 2 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII vom 07.09.2005, GVBl. 2005 S. 467).
Die Klägerin ist aufgrund ihrer Erwerbsfähigkeit nicht nach § 21 SGB XII von der Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen, weil die "Systemabgrenzung" zwischen SGB II und SGB XII nicht auf das schlichte Kriterium der Erwerbsfähigkeit reduziert werden kann, sondern differenzierter ist (BSG, Urteil vom 20.01.2016, B 14 AS 15/15 R, RdNr 27 mwN). Im Sinne der mit § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II korrespondierenden Abgrenzungsregelung des § 21 Satz 1 SGB XII sind nach dem SGB II "als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt" grundsätzlich die Personen nicht, die auch bei Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen des SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind (BSG ebd). Diese Personen können Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhalten, wenn sie nicht auch durch das SGB XII von Leistungen ausgeschlossen sind (wie z B durch § 22 SGB XII, der § 7 Abs 5 und 6 SGB II entspricht, oder durch § 23 Abs 2 SGB XII, der § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II entspricht – BSG ebd).
Dagegen spricht nicht, dass in den Gesetzesmaterialien abweichende Regelungsvorstellungen zum Ausdruck gelangt sind. Denn soweit § 21 SGB XII ausweislich der Materialien durch die Anknüpfung an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren Angehörige nach dem SGB II eine eindeutige Abgrenzung leisten sollte (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 5.9.2003, BT-Drucks 15/1514 S 57), ist diese allein auf das Kriterium der Erwerbsfähigkeit abstellende Abgrenzung der existenzsichernden Leistungssysteme in den gesetzlichen Abgrenzungsregelungen des SGB II und des SGB XII so nicht verwirklicht worden (BSG ebd RdNr 28). Zudem sind diese seit ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 2005 bereits mehrfach geändert worden.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Beigeladenen teilt der Senat vor dem Hintergrund der herausragenden rechtlichen Stellung des auf Art 1 Abs 1 und 20 Abs 1 GG gestützten Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminium nicht. Die genannten Verfassungsvorschriften unterliegen dem Ewigkeitsgebot nach Art 79 Abs 3 GG und haben daher in der bundesdeutschen Normenhierarchie eine besonders herausgehobene Stellung. Soweit der Beigeladene meint, dass vor diesem Hintergrund auch weitere Regelungen des SGB II und des SGB XII verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt seien, erscheint dies in der Tat nachvollziehbar, ist hier aber nicht zu entscheiden. Diese Bedenken können nicht dazu führen, im vorliegenden Fall einen verfassungswidrigen Zustand aufrecht zu erhalten. Soweit eine Benachteiligung deutscher Leistungsberechtigter nach dem SGB II wegen des Systems des Förderns und Forderns vom Beigeladenen besorgt wird, ist darauf hinzuweisen, dass gerade das Förderinstrumentarium des SGB II für die Unionsbürger bei Leistungsansprüchen nach dem SGB XII fehlt, während andererseits auch nach dem SGB XII Sanktionsregelungen vorgesehen sind. Soweit mit der Zuordnung von erwerbsfähigen Unionsbürgern zum Sozialhilferecht eine europarechtswidrige Benachteiligung der freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger wegen des Ausschlusses vom Förderinstrumentarium des SGB II (z B von § 16b) gerügt werden könnte, ist dies nicht im vorliegenden Rechtsstreit zu prüfen.
Da die Bundesregierung bezogen auf die Vorschriften der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII keinen Vorbehalt erklärt hat, sind der Klägerin Sozialhilfe-leistungen in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer Gleichbehandlung mit inländischen Staatsangehörigen zu erbringen, weil auch die Anwendungsvoraussetzungen nach dem EFA vorliegen; in diesem Fall findet die Ausschlussregelung des § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII keine Anwendung (BSG ebd RdNr 29 mwN).
Nach Art 1 des Abkommens, das unter anderem die Bundesrepublik Deutschland und Italien unterzeichnet haben, ist jeder der Vertragschließenden verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen der sozialen und Gesundheitsfürsorge zu gewähren.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt, denn die Klägerin hielt sich als Angehörige eines Unterzeichnerstaates (Italien) in der Bundesrepublik erlaubt auf. Ihr Aufenthaltsrecht folgte – wie bereits ausgeführt – aus der Arbeitssuche (§ 2 Abs 2 Nr 1 Variante 2 FreizügG/EU) und zwar im unionsrechtlich relevanten Zeitraum der ersten sechs Monate nach Beendigung ihrer Arbeitnehmereigenschaft, die die Sechsmonatsfrist neu auslöste. Die Klägerin verfügte – auch das ist bereits ausgeführt – nicht über ausreichende Mittel zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes.
Der Gleichbehandlungsanspruch nach Art 1 EFA bewirkt bei Erfüllung der leistungsbegründenden Anspruchsvoraussetzungen wie für deutsche Leistungsberechtigte den sozialhilferechtlichen Leistungsanspruch. Er schließt negative Anspruchsvoraussetzungen, die nicht für deutsche Leistungsberechtigte gelten können, von vornherein aus. Vor diesem Hintergrund kommt der Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 SGB XII ebenfalls nicht zum Tragen (BSG ebd), ohne dass es auf die Ermessensregelung nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII ankäme.
Anders als der Beigeladene geltend macht, kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht auf eine etwaige Rückkehrmöglichkeit der Klägerin nach Italien an, weil der sozialhilferechtliche Nachranggrundsatz des § 2 Abs 1 SGB XII keine eigenständige Ausschlussnorm bildet, sondern nur im Zusammenhang mit entsprechenden sozialhilferechtlichen Vorschriften Bedeutung erlangt (st Rspr, vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012, B 8 SO 30/10, RdNr 25 mwN; BSG, Urteil vom 20.01.2016, B 14 AS 15/15 R, RdNr 32 mwN). Zudem ist hier zu beachten, dass sich die Klägerin gerade rechtmäßig im Bundegebiet aufhielt, also gerade sozialrechtlich keinerlei gesetzliche Motivation bestehen konnte, sie auf die Rückkehrmöglichkeit zu verweisen. Die Neuregelung des § 23 SGB XII gilt, wie angesprochen, für den hier streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht.
Die Anspruchsvoraussetzungen nach §§ 19 Abs 1, 27 Abs 1 SGB XII waren erfüllt. Die Klägerin konnte mangels Einkommens und Vermögens ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten. Dies ist bereits ausgeführt worden. Sie hielt sich tatsächlich im Inland, nämlich in Berlin, auf (§ 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII).
Die Höhe der Leistungen errechnete sich aus dem Regelbedarf, der im streitigen Zeitraum monatlich 391 EUR betrug (§ 2 RBSFV 2014) und aus den Kosten der Unterkunft, § 35 Abs 1 SGB XII, in Höhe von 311,00 EUR für die Monate April und Mai 2014 und 250,00 EUR für Juni 2014, die in den genannten Höhen jeweils auch angemessen im Sinne von § 35 Abs 2 SGB XII waren. Daraus errechnen sich für April und Mai die Leistungsbeträge von jeweils 702,00 EUR. Die Berechnung für Juni mit dem Betrag von 299,34 EUR berücksichtigt die zeitliche Begrenzung der Leistung für 14 Tage und die bereits erfolgte Bewilligung von 341,66 EUR durch die Beklagte. Die rechnerische Korrektur des Antrages der Klägerin im Cent-Bereich (vor dem SG waren 299,14 EUR beantragt) war nach § 99 Abs 3 Nr 1 und 2 SGG zulässig. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG und berücksichtigt den anteiligen Erfolg der Rechtsverfolgung gegenüber Beklagter und Beigeladenem, wobei die erhebliche Bewilligung durch die Beklagte für die Zeiträume ab 15. Juni 2014 erst im März 2015 auch unter Veranlassungsgesichtspunkten zu berücksichtigen war, insofern hatte die Klägerin den in der Hauptsache durch Erfüllung erledigten Rechtsstreit sachgerecht nicht mehr weiter verfolgt.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Grundsicherungsleistungen für die italienische Klägerin für den Zeitraum vom 1. April bis 14. Juni 2014.
Die 1985 geborene Klägerin besitzt die italienische Staatsangehörigkeit und hielt sich ständig seit 1. April 2012 in der Bundesrepublik auf. Sie ist ledig und hatte keine Familienangehörigen in Deutschland. Sie war zur Arbeitssuche in die Bundesrepublik eingereist. Seit Januar 2014 wohnte sie aufgrund des Untermietvertrages vom 15. Januar 2015 mit Unterkunftskosten von 328 EUR monatlich zur Untermiete, wobei die Kosten auch pauschal 10,00 EUR für Strom und 7,00 EUR für Telefon/Internet umfassten. Die Wohnung hatte zwei Wohnräume, wovon die Klägerin ein Zimmer mit 16 m² zur Verfügung hatte und Küche, Bad, WC, Flur und Keller mit nutzen konnte.
Sie übte aufgrund des Vertrages vom 7. Mai 2013 eine Beschäftigung als Servicekraft an der Tapas-Bar aus. Diese war zunächst bis 6. November 2013 befristet, erfolgte zunächst gegen ein Arbeitsentgelt von 6,90 EUR brutto, ab 1. Juli 2013 von 6,00 EUR netto je Stunde bis zu 450 EUR im Monat und wurde von der Klägerin selbst zum 24. Dezember 2013 gekündigt. Anschließend bezog sie bis Februar 2014 von einem anderen Berliner Jobcenter vorläufig Arbeitslosengeld II. Wegen ihres Umzuges beantragte sie am 14. Februar 2014 bei der Beklagten Arbeitslosengeld II.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 31. März 2014 ab. Die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs 1 SGB II. Die Klägerin sei durch ihre eigene Kündigung aufenthaltsrechtlich weder Arbeitnehmerin noch Selbstständige, noch sei sie aufgrund des § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Auch die Fünfjahresfrist für einen Inlandsaufenthalt sei noch nicht erreicht. Mit ihrem Widerspruch vom 14. April 2014 meinte die Klägerin, § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II dürfte europarechtswidrig sein. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2014 zurück.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 18. Mai 2014. Sie habe das Beschäftigungsverhältnis gekündigt, weil es sich um ausbeuterische Arbeitsbedingungen mit Arbeitszeiten von bis zu zwölf Stunden täglich gehandelt habe, weshalb sie als Arbeitnehmerin Anspruch auf Leistungen habe. Im Übrigen ergebe sich der Anspruch unmittelbar aus der VO 883/2004 EG mit dem dort in Art 4 geregelten Gleichbehandlungsgebot.
Ab 1. Juni 2014 hatte die Klägerin eine neue Unterkunft mit monatlichen Kosten von 250,00 EUR. Zum 15. Juni 2014 nahm sie eine Beschäftigung mit einer Höchstvergütung von 450 EUR auf. Mit Schreiben vom 27. November 2014 stellte die Klägerin als Klagezeitraum denjenigen vom 1. April bis 31. Dezember 2014 klar. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 9. März 2015 für den Zeitraum vom 15. Juni bis 31. Dezember 2014 Arbeitslosengeld II ergänzend zu ihrem Erwerbseinkommen.
Das Sozialgericht wies die nunmehr auf Zeiträume bis 14. Juni 2014 beschränkte Klage durch Urteil vom 11. November 2015 ab. Die Klägerin habe die für einen Anspruch notwendige Hilfebedürftigkeit für den maßgeblichen Zeitraum nicht dargelegt, geschweige denn bewiesen. Jedenfalls greife der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II, da die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum in der Bundesrepublik nur ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche gehabt habe. Ein anderes Aufenthaltsrecht, über das sie erfolgreich Zugang zu den begehrten Leistungen herstellen könnte, habe ihr nicht zugestanden. Abgesehen von der Frage ob die Klägerin wegen des in der Zeit von Mai bis Dezember 2013 ausgeübten Minijobs überhaupt als Arbeitnehmerin im Sinne des maßgeblichen Unionsrechts zu bezeichnen gewesen wäre, liege die Fortwirkung der Arbeitnehmereigenschaft mit entsprechendem Aufenthaltsrecht nicht vor. Die Klägerin sei nicht unfreiwillig arbeitslos geworden. Sie habe den ausgeübten Minijob selbst aufgegeben. Die Kammer habe sich wegen des unsubstantiierten Vortrags der Klägerin nicht veranlasst gesehen, dieser Frage weiter nachzugehen. Es liege zudem nicht die notwendige, durch die zuständige Agentur für Arbeit ausgestellte Bestätigung unfreiwilliger Arbeitslosigkeit vor. Auch ein Anspruch auf Inländergleichbehandlung stehe der Klägerin nicht zu. Die Auffassung der Kammer stütze sich auf die Entscheidung des EuGH vom 15. September 2015, C-67/14.
Die Klägerin verfolgt ihr Begehren mit ihrer Berufung vom 23. November 2015 weiter. Das Aufenthaltsrecht ergebe sich für die Klägerin nach § 2 Abs 3 Satz 1 Nr 2 und Satz 2 FreizügG/EU. Bei der von der Klägerin gekündigten Beschäftigung seien arbeitsrechtliche Schutzvorschriften missachtet worden. Die Klägerin habe zum Teil zwölf Stunden am Tag arbeiten müssen. Für die Eigenkündigung gebe es daher einen wichtigen Grund. Die vom Sozialgericht angesetzte Kostenquote sei im Hinblick auf das Anerkenntnis der Beklagten für die Zeiträume ab Mitte Juni 2014 fehlerhaft. Hilfsweise sei der Beigeladene entsprechend der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Leistung zu verurteilen. Während des hier streitigen Zeitraumes habe die Klägerin, so ihr Vortrag in der mündlichen Verhandlung, weder über Einkommen noch über Vermögen verfügt. Sie habe in der Bundesrepublik nicht auf Dauer nur von Minijobs leben können und daher zwischenzeitlich eine Beschäftigung in Italien aufnehmen können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. November 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2014 aufzuheben und die die Beklagte, hilfsweise den Beigeladenen zu verurteilen, der Klägerin für April und Mai 2014 jeweils 702,00 EUR und für den Zeitraum vom 1. bis 14. Juni 2014 einen Betrag von 299,34 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der durch Beschluss des Senats vom 22. August 2016 beigeladene Sozialhilfeträger hält die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für unzutreffend. Sie sei mit verfassungsrechtlich bedenklichen Folgen verbunden. Dazu werde auch auf die verschiedenen Instanzentscheidungen, welche ebenfalls dem Bundessozialgericht nicht folgen würden, verwiesen. Auch aus dem europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) könne die Klägerin keinen Anspruch herleiten, weil nach diesem Abkommen über eine Gleichstellung mit Inländern gewährleistet wird. Erwerbsfähige Inländer hätten jedoch gerade keinen Anspruch nach dem SGB XII. Wegen der Einwendungen gegen die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird auf die Schreiben des Beigeladenen vom 6. Dezember 2016, 9. Januar und vom 22. Mai 2017 Bezug genommen.
Einen Antrag hat der beigeladene Sozialhilfeträger nicht gestellt.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung allein durch den Berichterstatter nach § 155 Abs. 3, 4 SGG erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Niederschrift gemäß §§ 153 Abs 1, 136 Abs 2 SGG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 155 Abs 3, 4 SGG allein durch seinen Berichterstatter entscheiden. Die Sache wirft in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten auf. Die relevanten rechtlichen Fragen sind durch die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung insbesondere durch das BSG, welcher der Senat in ständiger Rechtsprechung gefolgt ist, geklärt. Bei seiner Ermessensentscheidung hat der Senat auch die Interessen der Beteiligten an einer angemessenen Verfahrensdauer berücksichtigt.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat im Sinne einer Änderung des erstinstanzlichen Urteils und einer Verurteilung des Beigeladenen gemäß § 75 Abs 5 SGG Erfolg. Die Klägerin hat zwar keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gegen die Beklagte, weshalb deren Ablehnungsbescheid vom 31. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2014 nicht aufzuheben war. Sie kann jedoch Hilfe zum Lebensunterhalt vom beigeladenen Sozialhilfeträger nach §§ 19 Abs 1, 23 Abs 1, 27 Abs 1 SGB XII beanspruchen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 7, 19 ff SGB II. Zwar erfüllt sie die Anspruchsvoraussetzungen im streitigen Zeitraum, weil sie erwerbsfähige Hilfebedürftige nach §§ 19 Abs 1 Satz 1, 7 Abs 1 Satz 1 SGB II war. Sie erfüllte mit ihrem Geburtsjahrgang die Altersvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II. Der ausweislich ihrer tatsächlichen Erwerbstätigkeiten vor und nach dem Streitzeitraum nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 i V m § 8 Abs 1 und 2 SGB II auch erwerbsfähigen Klägerin war insbesondere eine Beschäftigung erlaubt. Sie war auch nach §§ 9, 11 ff SGB II mangels ausreichender Mittel hilfebedürftig. Einkommen bezog sie nach ihren eigenen glaubhaften Angaben zwischen den Beschäftigungen von Dezember 2013 bis Juni 2014 nicht und Vermögen hatte sie nach den von ihr im Verwaltungsverfahren vorgelegten Kontoauszügen (1.060,00 EUR zum 17.02.2014) nur deutlich unterhalb der Freigrenzen nach dem Sozialhilferecht §§ 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII, 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1a) BarBetrVO (VO zur Durchführung des § 90 Abs 2 Nr 9 des SGB XII). Anhaltspunkte für Zweifel an diesen Angaben und Belegen sind für den Senat nicht ersichtlich. Die Klägerin hatte schließlich ihren gewöhnlichen und nicht nur vorübergehenden Aufenthalt im Inland. Weil sie nicht mit einer anderen Person gemeinsam wirtschaftete und daher nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebte, schied auch ein Anspruch nach §§ 19 Abs 1 Satz 2, 7 Abs 2 Satz 1 SGB II von vornherein aus.
Die Klägerin als hilfebedürftige Leistungsberechtigte war jedoch als arbeitsuchende EU-Ausländerin von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgrund von § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II (i d F des Gesetzes vom 19.08.2007, BGBl I S. 1970) ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind von den benannten Leistungen ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (Nr 2). Die Klägerin konnte ihr Aufenthaltsrecht ausschließlich aus der Arbeitssuche herleiten. Sie verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum über keine andere Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein anderes Aufenthaltsrecht.
Sie war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht als Arbeitnehmerin freizügigkeitsberechtigt. Nach § 2 Abs 1 bis 3 FreizügG/EU (in der Fassung vom 21.01.2013, gültig bis 08.12.2014) galt: (1) Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes. (2) Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind: 1. Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen, 2. Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbständige Erwerbstätige), 3. Unionsbürger, die, ohne sich niederzulassen, als selbständige Erwerbstätige Dienstleistungen im Sinne des Artikels 57 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union erbringen wollen (Erbringer von Dienstleistungen), wenn sie zur Erbringung der Dienstleistung berechtigt sind, 4. Unionsbürger als Empfänger von Dienstleistungen, 5. nicht erwerbstätige Unionsbürger unter den Voraussetzungen des § 4, 6. Familienangehörige unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4, 7. Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben. (3) Das Recht nach Absatz 1 bleibt für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige unberührt bei 1. vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall, 2. unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit, 3. Aufnahme einer Berufsausbildung, wenn zwischen der Ausbildung und der früheren Erwerbstätigkeit ein Zusammenhang besteht; der Zusammenhang ist nicht erforderlich, wenn der Unionsbürger seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren hat. Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht aus Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt.
Der persönliche Anwendungsbereich der Reglung ist für die Klägerin eröffnet, denn sie ist als italienische Staatsbürgerin Unionsbürgerin.
Eine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs 2 Nr 1 Varianten 1 und 3 FreizügG/EU bestand im streitgegenständlichen Zeitraum für sie nicht. Eine Ausbildung (Variante 3) durchlief sie im fraglichen Zeitraum nicht. Eine Beschäftigung als Arbeitnehmerin übte sie nicht aus, denn dies setzt die Ausübung einer tatsächlichen und echten Tätigkeit als Arbeitnehmer, die nicht nur von geringem Umfang oder völlig untergeordneter oder unwesentlicher Bedeutung ist, wobei für die Beschäftigung als Arbeitnehmer das erzielte Arbeitsentgelt das Existenzminimum der betreffenden Person und ihrer Familienangehörigen nicht vollständig abdecken muss (BSG, Urteil vom 16.12.2015, B 14 AS 15/14 R, RdNr 23 m w N. Die bis 24. Dezember 2013 ausgeübte Beschäftigung hatte zwar einen Arbeitnehmerstatus mit entsprechendem Freizügigkeitsrecht vermittelt. Die Zweifel des Sozialgerichts daran, weil es sich um einen Minijob gehandelt hatte, sind angesichts der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R, RdNr 3 und 18: für Arbeitsentgelt von 100 EUR) insofern sehr weit hergeholt. Der Arbeitnehmerstatus wirkte jedoch nach § 2 Abs 3 Sätze 1 und 2 FreizügG/EU nicht fort, denn weder lag eine Erwerbsminderung im Sinne von Satz 1 Nr 1 der Regelung noch eine Ausbildung nach Satz 1 Nr 3 der Regelung vor. Weil die Vorbeschäftigung nur von Mai bis Dezember 2013 ausgeübt worden war, also nicht mindesten 12 Monate erreichte, schied auch eine Fortwirkung der Arbeitnehmereigenschaft nach Satz 1 Nr 2 der Regelung aus.
Nach Satz 2 der Regelung kommt eine Fortwirkung der Arbeitnehmereigenschaft nicht in Betracht, weil keine durch die Agentur für Arbeit bestätigte Arbeitslosigkeit vorlag, obwohl die Tätigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung beendet wurde und die Klägerin behauptet hat, diese Beschäftigung wegen arbeitsschutzwidrigen Verhältnissen beendet zuhaben und damit auch ein Fall unfreiwilliger Tätigkeitsbeendigung vorgelegen habe. Ob die von der Klägerin behaupteten, auch im Berufungsverfahren nicht näher substantiierten Gründe für die Beschäftigungsaufgabe vorgelegen haben, muss nicht des Näheren aufgeklärt werden, weil es jedenfalls an der vom Gesetz ausdrücklich geforderten durch die Arbeitsagentur erteilten Bestätigung der Arbeitslosigkeit fehlt, wobei ebenfalls offen bleiben kann, ob sich die Bestätigung auch auf die Unfreiwilligkeit beziehen muss. In der mündlichen Verhandlung wurde durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausdrücklich erklärt, dass eine solche Bestätigung der Arbeitsagentur nicht vorliegt. Auch die vorhandenen Unterlagen liefern keinen Anhaltspunkt für die Erteilung einer solchen Bestätigung.
Allerdings ergab sich eine Freizügigkeitsberechtigung und damit ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs 2 Nr 1 Variante 2 FreizügG/EU, weil sich die Klägerin zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik aufhielt. Zweifel an der Tatsache der Arbeitssuche bestehen für den Senat angesichts der mehrmonatigen Vorbeschäftigung und der Aufnahme einer erneuten Beschäftigung ab 15. Juni 2014 nicht. Daneben lassen sich weitere Aufenthaltsrechte nicht feststellen.
Die Klägerin war auch nicht als nicht erwerbstätige Unionsbürgerin i S d § 4 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt, da sie jedenfalls nicht über ausreichende Existenzmittel verfügte, wie bereits die Antragstellung nach dem SGB II wegen Hilfebedürftigkeit indiziert.
Die Klägerin kann sich schließlich nicht auf ein nach § 11 Abs. 1 FreizügG/EU vermitteltes Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz berufen, das eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss rechtfertigen könnte.
Der nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II vorgeschriebene Leistungsausschluss wird in seiner Wirksamkeit nach Erklärung des Vorbehalts durch die Bundesregierung am 19. Dezember 2011 im streitigen Zeitraum nicht durch das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 Europäisches Fürsorgeabkommen (EFA) vom 11. Dezember 1953 beschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 43/15 R, RdNr 18; Urteil vom 20.01.2016, B 14 AS 15/15 R, RdNr 23).
Europa- oder verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem Leistungsausschluss nach dem SGB II jedenfalls im Falle der Klägerin nicht entgegen (vgl EuGH, Urteil vom 15.09.2015, C-67/14 "Alimanovic" zur europarechtlichen Frage). Der Ausschluss ist zur Überzeugung des Senats mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG i V m dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG vereinbar, weil bei Berechtigung nach dem EFA Leistungen der Sozialhilfe in ebenfalls existenzsichernder Höhe in Betracht kommen (vgl. BSG, Urteil vom 20.01.2016, B 14 AS 15/15 R, RdNr 25, 26 ff mwN). So liegt es hier. Die Neufassung von § 7 Abs 1 SGB II und § 23 SGB XII durch das Gesetz vom 22. Dezember 2016 (BGBl I S 3155) entfaltet wegen dessen Art 5 keine Rückwirkung für den hier streitgegenständlichen Zeitraum.
Die Klägerin erfüllt im streitgegenständlichen Zeitraum jedoch die Leistungsvoraussetzungen für einen Anspruch nach §§ 19 Abs 1, 23 Abs 1, 27 Abs 1 SGB XII auf die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt. Ermessen ist wegen der Geltung des EFA nicht zu prüfen. Hinsichtlich der nach § 18 Abs 1 SGB XII erforderlichen Kenntnis des Sozialhilfeträgers ist auf die Kenntnis des Beklagten abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, B 4 AS 44/15 R, RdNr 39; Urteil vom 20.01.2016, B 14 AS 15/15 R, RdNr 26). Der Beigeladene ist als örtlich zuständiger Sozialhilfeträger für die Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt zuständig (§§ 97 Abs 1, 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII, §§ 1, 2 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII vom 07.09.2005, GVBl. 2005 S. 467).
Die Klägerin ist aufgrund ihrer Erwerbsfähigkeit nicht nach § 21 SGB XII von der Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen, weil die "Systemabgrenzung" zwischen SGB II und SGB XII nicht auf das schlichte Kriterium der Erwerbsfähigkeit reduziert werden kann, sondern differenzierter ist (BSG, Urteil vom 20.01.2016, B 14 AS 15/15 R, RdNr 27 mwN). Im Sinne der mit § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II korrespondierenden Abgrenzungsregelung des § 21 Satz 1 SGB XII sind nach dem SGB II "als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt" grundsätzlich die Personen nicht, die auch bei Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen des SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind (BSG ebd). Diese Personen können Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhalten, wenn sie nicht auch durch das SGB XII von Leistungen ausgeschlossen sind (wie z B durch § 22 SGB XII, der § 7 Abs 5 und 6 SGB II entspricht, oder durch § 23 Abs 2 SGB XII, der § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II entspricht – BSG ebd).
Dagegen spricht nicht, dass in den Gesetzesmaterialien abweichende Regelungsvorstellungen zum Ausdruck gelangt sind. Denn soweit § 21 SGB XII ausweislich der Materialien durch die Anknüpfung an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren Angehörige nach dem SGB II eine eindeutige Abgrenzung leisten sollte (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 5.9.2003, BT-Drucks 15/1514 S 57), ist diese allein auf das Kriterium der Erwerbsfähigkeit abstellende Abgrenzung der existenzsichernden Leistungssysteme in den gesetzlichen Abgrenzungsregelungen des SGB II und des SGB XII so nicht verwirklicht worden (BSG ebd RdNr 28). Zudem sind diese seit ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 2005 bereits mehrfach geändert worden.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Beigeladenen teilt der Senat vor dem Hintergrund der herausragenden rechtlichen Stellung des auf Art 1 Abs 1 und 20 Abs 1 GG gestützten Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminium nicht. Die genannten Verfassungsvorschriften unterliegen dem Ewigkeitsgebot nach Art 79 Abs 3 GG und haben daher in der bundesdeutschen Normenhierarchie eine besonders herausgehobene Stellung. Soweit der Beigeladene meint, dass vor diesem Hintergrund auch weitere Regelungen des SGB II und des SGB XII verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt seien, erscheint dies in der Tat nachvollziehbar, ist hier aber nicht zu entscheiden. Diese Bedenken können nicht dazu führen, im vorliegenden Fall einen verfassungswidrigen Zustand aufrecht zu erhalten. Soweit eine Benachteiligung deutscher Leistungsberechtigter nach dem SGB II wegen des Systems des Förderns und Forderns vom Beigeladenen besorgt wird, ist darauf hinzuweisen, dass gerade das Förderinstrumentarium des SGB II für die Unionsbürger bei Leistungsansprüchen nach dem SGB XII fehlt, während andererseits auch nach dem SGB XII Sanktionsregelungen vorgesehen sind. Soweit mit der Zuordnung von erwerbsfähigen Unionsbürgern zum Sozialhilferecht eine europarechtswidrige Benachteiligung der freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger wegen des Ausschlusses vom Förderinstrumentarium des SGB II (z B von § 16b) gerügt werden könnte, ist dies nicht im vorliegenden Rechtsstreit zu prüfen.
Da die Bundesregierung bezogen auf die Vorschriften der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII keinen Vorbehalt erklärt hat, sind der Klägerin Sozialhilfe-leistungen in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer Gleichbehandlung mit inländischen Staatsangehörigen zu erbringen, weil auch die Anwendungsvoraussetzungen nach dem EFA vorliegen; in diesem Fall findet die Ausschlussregelung des § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII keine Anwendung (BSG ebd RdNr 29 mwN).
Nach Art 1 des Abkommens, das unter anderem die Bundesrepublik Deutschland und Italien unterzeichnet haben, ist jeder der Vertragschließenden verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen der sozialen und Gesundheitsfürsorge zu gewähren.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt, denn die Klägerin hielt sich als Angehörige eines Unterzeichnerstaates (Italien) in der Bundesrepublik erlaubt auf. Ihr Aufenthaltsrecht folgte – wie bereits ausgeführt – aus der Arbeitssuche (§ 2 Abs 2 Nr 1 Variante 2 FreizügG/EU) und zwar im unionsrechtlich relevanten Zeitraum der ersten sechs Monate nach Beendigung ihrer Arbeitnehmereigenschaft, die die Sechsmonatsfrist neu auslöste. Die Klägerin verfügte – auch das ist bereits ausgeführt – nicht über ausreichende Mittel zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes.
Der Gleichbehandlungsanspruch nach Art 1 EFA bewirkt bei Erfüllung der leistungsbegründenden Anspruchsvoraussetzungen wie für deutsche Leistungsberechtigte den sozialhilferechtlichen Leistungsanspruch. Er schließt negative Anspruchsvoraussetzungen, die nicht für deutsche Leistungsberechtigte gelten können, von vornherein aus. Vor diesem Hintergrund kommt der Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 SGB XII ebenfalls nicht zum Tragen (BSG ebd), ohne dass es auf die Ermessensregelung nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII ankäme.
Anders als der Beigeladene geltend macht, kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht auf eine etwaige Rückkehrmöglichkeit der Klägerin nach Italien an, weil der sozialhilferechtliche Nachranggrundsatz des § 2 Abs 1 SGB XII keine eigenständige Ausschlussnorm bildet, sondern nur im Zusammenhang mit entsprechenden sozialhilferechtlichen Vorschriften Bedeutung erlangt (st Rspr, vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012, B 8 SO 30/10, RdNr 25 mwN; BSG, Urteil vom 20.01.2016, B 14 AS 15/15 R, RdNr 32 mwN). Zudem ist hier zu beachten, dass sich die Klägerin gerade rechtmäßig im Bundegebiet aufhielt, also gerade sozialrechtlich keinerlei gesetzliche Motivation bestehen konnte, sie auf die Rückkehrmöglichkeit zu verweisen. Die Neuregelung des § 23 SGB XII gilt, wie angesprochen, für den hier streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht.
Die Anspruchsvoraussetzungen nach §§ 19 Abs 1, 27 Abs 1 SGB XII waren erfüllt. Die Klägerin konnte mangels Einkommens und Vermögens ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten. Dies ist bereits ausgeführt worden. Sie hielt sich tatsächlich im Inland, nämlich in Berlin, auf (§ 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII).
Die Höhe der Leistungen errechnete sich aus dem Regelbedarf, der im streitigen Zeitraum monatlich 391 EUR betrug (§ 2 RBSFV 2014) und aus den Kosten der Unterkunft, § 35 Abs 1 SGB XII, in Höhe von 311,00 EUR für die Monate April und Mai 2014 und 250,00 EUR für Juni 2014, die in den genannten Höhen jeweils auch angemessen im Sinne von § 35 Abs 2 SGB XII waren. Daraus errechnen sich für April und Mai die Leistungsbeträge von jeweils 702,00 EUR. Die Berechnung für Juni mit dem Betrag von 299,34 EUR berücksichtigt die zeitliche Begrenzung der Leistung für 14 Tage und die bereits erfolgte Bewilligung von 341,66 EUR durch die Beklagte. Die rechnerische Korrektur des Antrages der Klägerin im Cent-Bereich (vor dem SG waren 299,14 EUR beantragt) war nach § 99 Abs 3 Nr 1 und 2 SGG zulässig. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG und berücksichtigt den anteiligen Erfolg der Rechtsverfolgung gegenüber Beklagter und Beigeladenem, wobei die erhebliche Bewilligung durch die Beklagte für die Zeiträume ab 15. Juni 2014 erst im März 2015 auch unter Veranlassungsgesichtspunkten zu berücksichtigen war, insofern hatte die Klägerin den in der Hauptsache durch Erfüllung erledigten Rechtsstreit sachgerecht nicht mehr weiter verfolgt.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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