Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 24 AS 1096/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 2204/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 326/17 B
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 23. Mai 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der 1972 geborene Kläger wendet sich gegen einen Bescheid über die Absenkung von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld (Alg) II für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis 28. Februar 2014 iHv 10vH des maßgebenden Regelbedarfs.
Der Beklagte forderte den seinerzeit aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 22. Oktober 2013 Leistungen (1. November 2013 bis 30. April 2014: Regelleistung = mtl 382,- EUR; Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung = mtl 274,63 EUR) nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) beziehenden Kläger mit der ausweislich der vorliegenden Postzustellungsurkunde am 23. Oktober 2013 zugestellten Meldeaufforderung vom 21. Oktober 2013 auf, bei ihm am 25. Oktober 2013 zu erscheinen, um über die aktuelle berufliche Situation und die Nichtteilnahme des Klägers an einer vom TÜV F veranstalteten Maßnahme vom 21. Oktober 2013 bis 10. Januar 2014 zu sprechen; auf die der Einladung angefügte Rechtsfolgenbelehrung wird Bezug genommen. Der Kläger hatte sich zuvor im Rahmen einer am 18. Oktober 2013 geschlossenen Eingliederungsvereinbarung zur Teilnahme an dieser Maßnahme verpflichtet.
Nachdem der Kläger zu dem Meldetermin nicht erschienen war, stellte der Beklagte ein Meldeversäumnis fest und senkte nach Anhörung des Klägers das Alg II für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis 28. Februar 2014 iHv 10vH des maßgebenden Regelbedarfs, also iHv 38,20 EUR mtl, ab (Bescheid vom 25. November 2013 – Widerspruch vom 29. November 2013 - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2014), weil der Kläger trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 25. Oktober 2013 ohne wichtigen Grund nicht erschienen sei. Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat die auf Aufhebung des Bescheides vom 25. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2014 gerichtete Anfechtungsklage als unzulässig abgewiesen, weil der Bevollmächtigte seine Bevollmächtigung nicht nachgewiesen habe.
Mit der vom Landessozialgericht zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger, der ua verfassungsrechtliche Bedenken gegen die verlautbarte Sanktion geltend macht, sein Begehren weiter. Auf seine Schriftsätze vom 29. November 2016 und 19. Mai 2017 wird Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 23. Mai 2016 und den Bescheid des Beklagten vom 25. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2014 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid.
Die Gerichtsakten und Leistungsakten des Beklagten (3 Bände) haben vorgelegen und sind, soweit erforderlich, Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die zulässige Berufung des Klägers durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl. § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG). Ein Ruhen des Verfahrens hat das Gericht nicht als sachdienlich erachtet.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die zulässige und statthafte isolierte Anfechtungsklage gegen den Sanktionsbescheid des Beklagten vom 25. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2014 ist nicht begründet. Von einer ordnungsgemäßen Vollmacht für den Bevollmächtigten ist vorliegend auszugehen. Nach § 73 Abs. 6 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) muss derjenige, der als Prozessvertreter eines anderen auftritt, seine Bevollmächtigung durch schriftliche Vollmacht nachweisen. Fehlt es daran, so hat das Gericht den Mangel der Vollmacht gemäß § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Diese auf das Rechtsberatungsneuregelungsgesetz zurückgehende Vorschrift zielt nach den Materialien darauf, in Übereinstimmung mit den anderen Verfahrensordnungen künftig auch im sozialgerichtlichen Verfahren den Mangel der Vollmacht nicht mehr von Amts wegen zu überprüfen, wenn als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt (vgl BT-Drucks 16/3655, S 96, ebenso dort S 90 zur neugefassten Vorschrift des § 80 ZPO). Danach mag die Regelung die Überprüfung der Vollmacht eines Rechtsanwalts von Amts wegen zwar nicht generell ausschließen. Jedenfalls ist mit dieser Zielrichtung die Prüfung der Vollmacht eines Rechtsanwalts ohne – substantiierte - Rüge der Gegenseite, die vorliegend nicht ersichtlich ist, nur vereinbar, wenn sein Verhalten ernstliche Zweifel daran aufkommen lässt, dass er über die notwendige Vollmacht verfügt (vgl BSG, Beschluss vom 20. Januar 2016 – B 4 AS 684/15 B – juris; Beschluss vom 17. März 2016 – B 14 AS 180/15 B = SozR 4-1500 § 73 Nr 10). Solche Anhaltspunkte sind hier in ausreichendem Maße nicht feststellbar. Zwar können Zweifel an der fortdauernden Gültigkeit der einem Rechtsanwalt früher erteilten Generalvollmacht bestehen, wenn feststeht, dass er in einer größeren Zahl von Fällen unter Rückgriff auf solche Generalvollmachten Rechtsbehelfe oder -mittel eingelegt hat, obwohl das Mandatsverhältnis von den Mandanten bereits beendet worden war. Kein Anlass zu grundsätzlichen Zweifeln können aber Fehler begründen, die einem schlichten Büroversehen zuzuordnen sind. Nicht ausreichend ist vor diesem Hintergrund der Hinweis des Beklagten auf mehrere sozialgerichtliche Verfahren ohne Darlegung der näheren Umstände.
Der Kläger kann sich auch mit der isolierten Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG gegen die Feststellung des Meldeversäumnisses und der sich daraus ableitenden prozentualen Alg II-Minderung wenden, solange es – wie hier – an der Umsetzung dieses Verwaltungsaktes nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) – fehlt (vgl BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R = SozR 4-4200 § 31a Nr 1 – Rn 13 f – in Abgrenzung zu BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – B 14 AS 92/09 R – juris – Rn 13; Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 30/09 R = SozR 4-4200 § 31 Rn 14 f).
Die Klage ist indes unbegründet. Die in Rede stehende Meldeaufforderung und die sich daraus ergebende Alg II-Minderung sind rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind § 32 SGB II über Meldeversäumnisse sowie § 31a Abs. 3 und § 31b SGB II über Rechtsfolgen, Beginn und Dauer der Minderung, die gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 SGB II entsprechend gelten. Eine vorherige Anhörung des Klägers nach § 24 SGB X ist erfolgt. Da der Beklagte zutreffend ein Meldeversäumnis festgestellt hat, führt das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen gemäß der gesetzlichen Anordnung in § 32 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, § 31b Abs. 1 Satz 1, 3 SGB II jeweils als Rechtsfolge zu einer Minderung des Alg II-Anspruchs des Klägers um 10 vH des maßgebenden Regelbedarfs für drei Monate kraft Gesetzes (so auch die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucks 17/3404 S 112). Eine Ausübung von Ermessen hinsichtlich der Rechtsfolge Minderung oder gar die "Verhängung einer Sanktion" ähnlich dem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht seitens des zuständigen Jobcenters sieht das Gesetz nicht vor. Einer Erörterung des im Wortlaut des § 31b SGB II verwandten Begriffs "Auszahlungsanspruch" bedarf es nicht, weil durch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Minderung der Anspruch selbst ua auf Alg II sich entsprechend verringert. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Minderung bestehen nicht (vgl zum Ganzen BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R -).
Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Meldeversäumnisses nach § 32 Abs. 1 SGB II sind: Eine leistungsberechtigte Person muss eine Aufforderung des zuständigen Jobcenters, sich bei ihm zu melden oder bei einem Untersuchungstermin zu erscheinen, erhalten haben (Meldeaufforderung), mit der ein zulässiger Meldezweck verfolgt wurde (§ 59 SGB II, § 309 Abs. 2 SGB III; die Person muss eine schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen erhalten oder von diesen Kenntnis haben und ohne wichtigen Grund der Meldeaufforderung schuldhaft nicht nachgekommen sein. Der Kläger war eine leistungsberechtigte Person nach § 7 SGB II, wie sich aus seinem Lebensalter in der strittigen Zeit, seiner Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit sowie gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland und dem Fehlen von Ausschlusstatbeständen ergibt. Der Kläger hat eine Meldeaufforderung mit Datum und Uhrzeit und Ort erhalten, die mit einer schriftlichen und ordnungsgemäßen (vgl hierzu BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 53/08 R = SozR 4-4200 § 31 Nr 5) Rechtsfolgenbelehrung versehen war und der er ohne wichtigen Grund schuldhaft nicht nachgekommen ist.
Zudem muss der Verwaltungsakt über die Feststellung des Meldeversäumnisses und der Minderung innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt des Meldeversäumnisses ergangen sein (§ 32 Abs. 2 iVm § 31b Abs. 1 Satz 5 SGB II), was hier der Fall war. Die Meldeaufforderung vom 21. Oktober 2013 war im Hinblick auf den mit ihr verfolgten Meldezweck und die erforderliche Ermessensausübung rechtmäßig. Eine Meldeaufforderung ist nach weitgehend einhelliger Meinung ein Verwaltungsakt (vgl nur BSG Beschluss vom 19.12.2011 - B 14 AS 146/11 B - juris - mwN)und die Verfügung einer solchen steht im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten, wie sich zudem aus der Entstehungsgeschichte und dem heutigen Zweck der Meldepflicht ergibt (BSG Urteil vom 14.5.2014 - B 11 AL 8/13 R = SozR 4-4300 § 309 Nr 2 Rn 21 fDie Rechtmäßigkeit der Meldeaufforderung ist als Vorfrage für die Feststellung eines Meldeversäumnisses inzident zu überprüfen, weil sich die Meldeaufforderung als solche durch Zeitablauf erledigt hat (§ 39 Abs. 2 SGB X; vgl BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R – Rn 30). Mit dem Meldezweck, die "aktuelle berufliche Situation" zu besprechen, sowie der "Klärung Nichtteilnahme Maßnahme FTEC" ist nach Maßgabe von § 59 SGB II iVm § 309 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) eine grundsätzlich zulässige und ausreichende Konkretisierung des Meldezwecks erfolgt (vgl BSG aaO Rn 32; vgl auch BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 27/10 R = SozR 4-4200 § 31 Nr 6 Rn 25).
Die als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Meldeaufforderung notwendige Ermessensausübung des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Soweit ein Leistungsträger ermächtigt ist, nach seinem Ermessen zu handeln, ist sein Handeln nur rechtswidrig, wenn die gesetzlichen Grundlagen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck des Ermessens nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG sowie § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I zu Ermessensleistungen. Das Gericht hat nur zu prüfen, ob der Träger sein Ermessen überhaupt ausgeübt, er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder er von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG. Ein Ermessensnichtgebrauch, bei dem überhaupt keine Ermessenserwägungen angestellt werden und so gehandelt wird, als ob eine gebundene Entscheidung zu treffen ist, ist nicht festzustellen, weil der Beklagte die Meldeaufforderung ausgesprochen hatte, um die berufliche Situation des Klägers und die Gründe für dessen Nichtteilnahme an der Maßnahme entgegen der zuvor geschlossenen Eingliederungsvereinbarung zu erörtern, was naheliegend war. Hierzu war ein Gespräch auch praktisch geboten. Eine Ermessensüberschreitung, bei der eine Rechtsfolge gesetzt wird, die in der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen ist, scheidet aus. Denn die vom Beklagten ausgesprochene Meldeaufforderung ist ein vom Gesetz vorgesehenes Ergebnis seiner Ermessensausübung. Die Voraussetzungen für eine Ermessensunterschreitung oder einen Ermessensmangel, bei denen zwar Ermessenserwägungen angestellt werden, diese indes unzureichend sind, weil sie zB nur aus formelhaften Wendungen bestehen oder relevante Ermessensgesichtspunkte nicht berücksichtigt werden, oder für einen Ermessensfehlgebrauch oder Ermessensmissbrauch, bei denen sachfremde Erwägungen angestellt werden, liegen ebenfalls nicht vor. Die in der Meldeaufforderung genannten Zwecke dienten dem zentralen Ziel des SGB II, die arbeitsuchende, leistungsberechtigte Person bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen und im Zusammenwirken mit ihr Wege zu entwickeln und ihr aufzuzeigen, wie sie eine solche Erwerbstätigkeit erlangen kann (vgl § 1 Abs. 2 SGB II). Umstände, die für einen wichtigen Grund bei dem hier in Rede stehenden Meldeversäumnis sprechen, so zB dass der Kläger krankheitsbedingt verhindert war, den Termin wahrzunehmen, sind nicht feststellbar. Die ohne näheren Vortrag behauptete Erkrankung hat der Kläger trotz entsprechender Aufforderung und Fristverlängerung weder im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren noch im Klageverfahren belegt.
Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Minderung des Alg II-Anspruchs des Klägers im Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis 28. Februar 2014 nach §§ 32, 31a Abs. 3, § 31b SGB II in dem hier verlautbarten Umfang iHv 10vH bestehen nicht (vgl die ausführlichen Darlegungen des BSG im Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R – Rn 50 f mwN). Die Absenkung beginnt gemäß § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II mit dem Kalendermonat, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt; die Bekanntgabe des Sanktionsbescheides war hier im November 2013, wie aus dem am 29. November 2013 eingelegten Widerspruch erhellt. Die Absenkung für drei Monate (vgl § 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II) war daher für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis 28. Februar 2014 auszusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der 1972 geborene Kläger wendet sich gegen einen Bescheid über die Absenkung von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld (Alg) II für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis 28. Februar 2014 iHv 10vH des maßgebenden Regelbedarfs.
Der Beklagte forderte den seinerzeit aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 22. Oktober 2013 Leistungen (1. November 2013 bis 30. April 2014: Regelleistung = mtl 382,- EUR; Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung = mtl 274,63 EUR) nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) beziehenden Kläger mit der ausweislich der vorliegenden Postzustellungsurkunde am 23. Oktober 2013 zugestellten Meldeaufforderung vom 21. Oktober 2013 auf, bei ihm am 25. Oktober 2013 zu erscheinen, um über die aktuelle berufliche Situation und die Nichtteilnahme des Klägers an einer vom TÜV F veranstalteten Maßnahme vom 21. Oktober 2013 bis 10. Januar 2014 zu sprechen; auf die der Einladung angefügte Rechtsfolgenbelehrung wird Bezug genommen. Der Kläger hatte sich zuvor im Rahmen einer am 18. Oktober 2013 geschlossenen Eingliederungsvereinbarung zur Teilnahme an dieser Maßnahme verpflichtet.
Nachdem der Kläger zu dem Meldetermin nicht erschienen war, stellte der Beklagte ein Meldeversäumnis fest und senkte nach Anhörung des Klägers das Alg II für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis 28. Februar 2014 iHv 10vH des maßgebenden Regelbedarfs, also iHv 38,20 EUR mtl, ab (Bescheid vom 25. November 2013 – Widerspruch vom 29. November 2013 - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2014), weil der Kläger trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 25. Oktober 2013 ohne wichtigen Grund nicht erschienen sei. Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat die auf Aufhebung des Bescheides vom 25. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2014 gerichtete Anfechtungsklage als unzulässig abgewiesen, weil der Bevollmächtigte seine Bevollmächtigung nicht nachgewiesen habe.
Mit der vom Landessozialgericht zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger, der ua verfassungsrechtliche Bedenken gegen die verlautbarte Sanktion geltend macht, sein Begehren weiter. Auf seine Schriftsätze vom 29. November 2016 und 19. Mai 2017 wird Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 23. Mai 2016 und den Bescheid des Beklagten vom 25. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2014 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid.
Die Gerichtsakten und Leistungsakten des Beklagten (3 Bände) haben vorgelegen und sind, soweit erforderlich, Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die zulässige Berufung des Klägers durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl. § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG). Ein Ruhen des Verfahrens hat das Gericht nicht als sachdienlich erachtet.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die zulässige und statthafte isolierte Anfechtungsklage gegen den Sanktionsbescheid des Beklagten vom 25. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2014 ist nicht begründet. Von einer ordnungsgemäßen Vollmacht für den Bevollmächtigten ist vorliegend auszugehen. Nach § 73 Abs. 6 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) muss derjenige, der als Prozessvertreter eines anderen auftritt, seine Bevollmächtigung durch schriftliche Vollmacht nachweisen. Fehlt es daran, so hat das Gericht den Mangel der Vollmacht gemäß § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Diese auf das Rechtsberatungsneuregelungsgesetz zurückgehende Vorschrift zielt nach den Materialien darauf, in Übereinstimmung mit den anderen Verfahrensordnungen künftig auch im sozialgerichtlichen Verfahren den Mangel der Vollmacht nicht mehr von Amts wegen zu überprüfen, wenn als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt (vgl BT-Drucks 16/3655, S 96, ebenso dort S 90 zur neugefassten Vorschrift des § 80 ZPO). Danach mag die Regelung die Überprüfung der Vollmacht eines Rechtsanwalts von Amts wegen zwar nicht generell ausschließen. Jedenfalls ist mit dieser Zielrichtung die Prüfung der Vollmacht eines Rechtsanwalts ohne – substantiierte - Rüge der Gegenseite, die vorliegend nicht ersichtlich ist, nur vereinbar, wenn sein Verhalten ernstliche Zweifel daran aufkommen lässt, dass er über die notwendige Vollmacht verfügt (vgl BSG, Beschluss vom 20. Januar 2016 – B 4 AS 684/15 B – juris; Beschluss vom 17. März 2016 – B 14 AS 180/15 B = SozR 4-1500 § 73 Nr 10). Solche Anhaltspunkte sind hier in ausreichendem Maße nicht feststellbar. Zwar können Zweifel an der fortdauernden Gültigkeit der einem Rechtsanwalt früher erteilten Generalvollmacht bestehen, wenn feststeht, dass er in einer größeren Zahl von Fällen unter Rückgriff auf solche Generalvollmachten Rechtsbehelfe oder -mittel eingelegt hat, obwohl das Mandatsverhältnis von den Mandanten bereits beendet worden war. Kein Anlass zu grundsätzlichen Zweifeln können aber Fehler begründen, die einem schlichten Büroversehen zuzuordnen sind. Nicht ausreichend ist vor diesem Hintergrund der Hinweis des Beklagten auf mehrere sozialgerichtliche Verfahren ohne Darlegung der näheren Umstände.
Der Kläger kann sich auch mit der isolierten Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG gegen die Feststellung des Meldeversäumnisses und der sich daraus ableitenden prozentualen Alg II-Minderung wenden, solange es – wie hier – an der Umsetzung dieses Verwaltungsaktes nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) – fehlt (vgl BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R = SozR 4-4200 § 31a Nr 1 – Rn 13 f – in Abgrenzung zu BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – B 14 AS 92/09 R – juris – Rn 13; Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 30/09 R = SozR 4-4200 § 31 Rn 14 f).
Die Klage ist indes unbegründet. Die in Rede stehende Meldeaufforderung und die sich daraus ergebende Alg II-Minderung sind rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind § 32 SGB II über Meldeversäumnisse sowie § 31a Abs. 3 und § 31b SGB II über Rechtsfolgen, Beginn und Dauer der Minderung, die gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 SGB II entsprechend gelten. Eine vorherige Anhörung des Klägers nach § 24 SGB X ist erfolgt. Da der Beklagte zutreffend ein Meldeversäumnis festgestellt hat, führt das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen gemäß der gesetzlichen Anordnung in § 32 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, § 31b Abs. 1 Satz 1, 3 SGB II jeweils als Rechtsfolge zu einer Minderung des Alg II-Anspruchs des Klägers um 10 vH des maßgebenden Regelbedarfs für drei Monate kraft Gesetzes (so auch die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucks 17/3404 S 112). Eine Ausübung von Ermessen hinsichtlich der Rechtsfolge Minderung oder gar die "Verhängung einer Sanktion" ähnlich dem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht seitens des zuständigen Jobcenters sieht das Gesetz nicht vor. Einer Erörterung des im Wortlaut des § 31b SGB II verwandten Begriffs "Auszahlungsanspruch" bedarf es nicht, weil durch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Minderung der Anspruch selbst ua auf Alg II sich entsprechend verringert. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Minderung bestehen nicht (vgl zum Ganzen BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R -).
Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Meldeversäumnisses nach § 32 Abs. 1 SGB II sind: Eine leistungsberechtigte Person muss eine Aufforderung des zuständigen Jobcenters, sich bei ihm zu melden oder bei einem Untersuchungstermin zu erscheinen, erhalten haben (Meldeaufforderung), mit der ein zulässiger Meldezweck verfolgt wurde (§ 59 SGB II, § 309 Abs. 2 SGB III; die Person muss eine schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen erhalten oder von diesen Kenntnis haben und ohne wichtigen Grund der Meldeaufforderung schuldhaft nicht nachgekommen sein. Der Kläger war eine leistungsberechtigte Person nach § 7 SGB II, wie sich aus seinem Lebensalter in der strittigen Zeit, seiner Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit sowie gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland und dem Fehlen von Ausschlusstatbeständen ergibt. Der Kläger hat eine Meldeaufforderung mit Datum und Uhrzeit und Ort erhalten, die mit einer schriftlichen und ordnungsgemäßen (vgl hierzu BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 53/08 R = SozR 4-4200 § 31 Nr 5) Rechtsfolgenbelehrung versehen war und der er ohne wichtigen Grund schuldhaft nicht nachgekommen ist.
Zudem muss der Verwaltungsakt über die Feststellung des Meldeversäumnisses und der Minderung innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt des Meldeversäumnisses ergangen sein (§ 32 Abs. 2 iVm § 31b Abs. 1 Satz 5 SGB II), was hier der Fall war. Die Meldeaufforderung vom 21. Oktober 2013 war im Hinblick auf den mit ihr verfolgten Meldezweck und die erforderliche Ermessensausübung rechtmäßig. Eine Meldeaufforderung ist nach weitgehend einhelliger Meinung ein Verwaltungsakt (vgl nur BSG Beschluss vom 19.12.2011 - B 14 AS 146/11 B - juris - mwN)und die Verfügung einer solchen steht im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten, wie sich zudem aus der Entstehungsgeschichte und dem heutigen Zweck der Meldepflicht ergibt (BSG Urteil vom 14.5.2014 - B 11 AL 8/13 R = SozR 4-4300 § 309 Nr 2 Rn 21 fDie Rechtmäßigkeit der Meldeaufforderung ist als Vorfrage für die Feststellung eines Meldeversäumnisses inzident zu überprüfen, weil sich die Meldeaufforderung als solche durch Zeitablauf erledigt hat (§ 39 Abs. 2 SGB X; vgl BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R – Rn 30). Mit dem Meldezweck, die "aktuelle berufliche Situation" zu besprechen, sowie der "Klärung Nichtteilnahme Maßnahme FTEC" ist nach Maßgabe von § 59 SGB II iVm § 309 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) eine grundsätzlich zulässige und ausreichende Konkretisierung des Meldezwecks erfolgt (vgl BSG aaO Rn 32; vgl auch BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 27/10 R = SozR 4-4200 § 31 Nr 6 Rn 25).
Die als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Meldeaufforderung notwendige Ermessensausübung des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Soweit ein Leistungsträger ermächtigt ist, nach seinem Ermessen zu handeln, ist sein Handeln nur rechtswidrig, wenn die gesetzlichen Grundlagen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck des Ermessens nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG sowie § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I zu Ermessensleistungen. Das Gericht hat nur zu prüfen, ob der Träger sein Ermessen überhaupt ausgeübt, er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder er von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG. Ein Ermessensnichtgebrauch, bei dem überhaupt keine Ermessenserwägungen angestellt werden und so gehandelt wird, als ob eine gebundene Entscheidung zu treffen ist, ist nicht festzustellen, weil der Beklagte die Meldeaufforderung ausgesprochen hatte, um die berufliche Situation des Klägers und die Gründe für dessen Nichtteilnahme an der Maßnahme entgegen der zuvor geschlossenen Eingliederungsvereinbarung zu erörtern, was naheliegend war. Hierzu war ein Gespräch auch praktisch geboten. Eine Ermessensüberschreitung, bei der eine Rechtsfolge gesetzt wird, die in der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen ist, scheidet aus. Denn die vom Beklagten ausgesprochene Meldeaufforderung ist ein vom Gesetz vorgesehenes Ergebnis seiner Ermessensausübung. Die Voraussetzungen für eine Ermessensunterschreitung oder einen Ermessensmangel, bei denen zwar Ermessenserwägungen angestellt werden, diese indes unzureichend sind, weil sie zB nur aus formelhaften Wendungen bestehen oder relevante Ermessensgesichtspunkte nicht berücksichtigt werden, oder für einen Ermessensfehlgebrauch oder Ermessensmissbrauch, bei denen sachfremde Erwägungen angestellt werden, liegen ebenfalls nicht vor. Die in der Meldeaufforderung genannten Zwecke dienten dem zentralen Ziel des SGB II, die arbeitsuchende, leistungsberechtigte Person bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen und im Zusammenwirken mit ihr Wege zu entwickeln und ihr aufzuzeigen, wie sie eine solche Erwerbstätigkeit erlangen kann (vgl § 1 Abs. 2 SGB II). Umstände, die für einen wichtigen Grund bei dem hier in Rede stehenden Meldeversäumnis sprechen, so zB dass der Kläger krankheitsbedingt verhindert war, den Termin wahrzunehmen, sind nicht feststellbar. Die ohne näheren Vortrag behauptete Erkrankung hat der Kläger trotz entsprechender Aufforderung und Fristverlängerung weder im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren noch im Klageverfahren belegt.
Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Minderung des Alg II-Anspruchs des Klägers im Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis 28. Februar 2014 nach §§ 32, 31a Abs. 3, § 31b SGB II in dem hier verlautbarten Umfang iHv 10vH bestehen nicht (vgl die ausführlichen Darlegungen des BSG im Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R – Rn 50 f mwN). Die Absenkung beginnt gemäß § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II mit dem Kalendermonat, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt; die Bekanntgabe des Sanktionsbescheides war hier im November 2013, wie aus dem am 29. November 2013 eingelegten Widerspruch erhellt. Die Absenkung für drei Monate (vgl § 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II) war daher für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis 28. Februar 2014 auszusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
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