Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 122 KR 1819/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 542/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. November 2016 aufgehoben. Die Bescheide der Beklagten zu 1) vom 12. März und 10. Juli 2012, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2012, alle in der Fassung der Bescheide vom 09. April 2014, 29. Dezember 2014, 10. April 2015, 10. Juni 2015, 11. Juni 2015 und 29. Dezember 2015, werden aufgehoben, soweit die Beklagte zu 1) darin Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf Zahlungen des Tfond a.G. i.H.v. 5.856,63 Euro und 709,00 Euro erhoben hat. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Beitragspflicht bei Versorgungsbezügen.
Dem 1951 geborenen Kläger wurden seit Jahresanfang 2012 verschiedene Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ausgezahlt. Unter anderem meldeten der Krankenkasse des Klägers (Beklagte zu 1., im Folgenden: die Beklagte), jeweils am 7. März 2012, die D eine am 16. Februar 2012 erfolgte kapitalisierte Auszahlung von 12.894,00 Euro und der Tfond a.G. (T) eine am 29. Februar 2012 erfolgte kapitalisierte Auszahlung von 5.856,63 Euro.
Mit Bescheid vom 8. März 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ihm eine Kapitalleistung der T i.H.v. 5.856,63 Euro ausgezahlt worden sei, die als Versorgungsbezug gelte und damit grundsätzlich beitragspflichtig sei. 1/120 dieser Kapitalleistungen (48,81 Euro) übersteige aber derzeit nicht die Untergrenze von 131,25 Euro, ab der Beiträge zu zahlen seien.
Mit Bescheid vom 12. März 2012 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger wegen Versorgungsbezügen i.H.v. 18.750,63 Euro, gezahlt durch die D und den T, auf der Grundlage eines monatlichen beitragspflichtigen Versorgungsbezuges von 156,26 Euro (1/120 von 18.750,63 Euro) einen monatlichen Beitrag von 24,22 Euro zur Krankenversicherung (KV) bzw. 3,05 Euro zur Pflegeversicherung (PV), insgesamt 27,27 Euro, für die Dauer von zehn Jahren fest.
Den Widerspruch gegen den letztgenannten Bescheid, mit dem der Kläger sich lediglich gegen die Beitragspflicht auf Leistungen des T wandte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2012 zurück.
Im Klageverfahren hat der Kläger eine Stellungnahme des T vom 5. September 2013 eingereicht, wonach der Kläger die dorthin gezahlten Beiträge aus Netto-Entgeltumwandlungen in den Jahren 2002 bis 2011 abgeführt habe, welche gemäß § 10a Einkommenssteuergesetz (EStG) zulagengefördert seien (sog. Riester-Förderung).
Mit Gerichtsbescheid vom 14. November 2016 wies das Sozialgericht die Klage ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Auch die vom T ausgezahlten Versorgungsbezüge seien beitragspflichtig gemäß § 237 Satz 1 i.V.m. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V), weil sie schon institutionell dem Recht der betrieblichen Altersversorgung zuzuordnen seien. Der berufliche Bezug dieser Leistungen sei beim Kläger offenkundig. Es verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht, dass der Kläger Beiträge für Versicherungsleistungen zahlen müsse, die er maßgeblich aus eigenen Einkünften finanziert habe und für die er bereits KV /PV-Beiträge abgeführt habe.
Gegen diesen ihm am 17. November 2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 5. Dezember 2016, zu deren Begründung er vorträgt: Die Doppelerhebung von Beiträgen auf das Nettoeinkommen Pflichtversicherter und auf die Zahlungen aus dem Riesterrenten-Vertrag sei eine Ungleichbehandlung gegenüber Rentnern, die eine herkömmliche Betriebsrente auf der Grundlage einer sozialabgabenfreien Brutto-Entgeltumwandlung bezögen. Über eine solche Konstellation habe das Bundessozialgericht (BSG) bislang noch nicht entschieden. Anders als im BSG Urteil vom 23. Juli 2014 habe der Arbeitgeber im Falle des Klägers keinerlei Beiträge für diese Rentenform geleistet.
Die Beklagte hat während des Verfahrens bezüglich der Versorgungsbezüge seitens der D und des T folgende weitere Beitragsbescheide erlassen: Bescheid vom betrifft die Zeit ab KV-Beitrag PV-Beitrag Summe der monat-lichen Beiträge 10. Juli 2012 1. Juli 2012 25,14 Euro 3,16 Euro 28,30 Euro 09. April 2014 1. April 2014 25,67 Euro 3,40 Euro 29,07 Euro 29. Dezember 2014 1. Januar 2015 25,67 Euro 3,89 Euro 29,56 Euro 10. April 2015 1. April 2015 25,82 Euro 3,91 Euro 29,73 Euro 10./11. Juni 2015 1. Januar 2013 25,14 Euro 3,32 Euro 28,46 Euro 11. Juni 2015 1. Januar 2015 25,14 Euro 3,81 Euro 28,95 Euro 29. Dezember 2015 1. Januar 2016 26,11 Euro 3,81 Euro 29,92 Euro
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. November 2016 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 12. März 2012 und 10. Juli 2012, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2012, alle in der Fassung der Bescheide vom 09. April 2014, 29. Dezember 2014, 10. April 2015, 10. Juni 2015, 11. Juni 2015 und 29. Dezember 2015, zu ändern, und die Beklagte zu verpflichten, keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus den Zahlungen des Tfond a.G. i.H.v. 5.856,63 Euro bzw. 709,00 Euro zu erheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und führt ergänzend aus: Es erschließe sich nicht, weshalb der Bescheid vom 8. März 2012 nach § 45 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) hier hätte gesondert aufgehoben werden müssen. Fraglich sei bereits, ob es sich bei diesem Bescheid tatsächlich um einen von Anfang an rechtswidrig begünstigenden Bescheid handele. Indem sie in diesem Bescheid darauf hingewiesen habe, dass, sofern mehrere Versorgungsbezüge bezogen würden, diese für einen Vergleich mit der Untergrenze zusammenzurechnen seien, habe sie ihn mit einer zulässigen Nebenbestimmung nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X versehen. Schon in diesem Bescheid sei der Kläger darauf hingewiesen worden, dass ggf. Beiträge zur KV/PV zu entrichten seien, wenn eine weitere Kapitalleistung hinzutrete. Dass Beiträge zur KV/PV aus der am 29. Februar 2012 ausgezahlten Kapitalleistung – allein für sich betrachtet – seinerzeit nicht vom Kläger hätten entrichtet werden müssen, sei mithin an eine Bedingung geknüpft gewesen, die in der Folge jedoch nicht eingetreten sei. Einer Aufhebung dieses Bescheides bedürfe es daher nicht. Im Übrigen könne das im Zusammenhang von § 45 Abs. 2 SGB X auszuübende Ermessen nachgeholt werden. Der Kläger habe vorliegend um die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 8. März 2012 gewusst. Auch grobe Fahrlässigkeit dürfte anzunehmen sein. Das Vertrauen des Klägers in den Bestand des Bescheides vom 8. März 2012 sei, spätestens nachdem er die weitere Kapitalleistung ausgezahlt bekommen habe, nicht mehr schutzwürdig.
Mit Beschluss vom 2. Mai 2017 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter übertragen, damit dieser mit den ehrenamtlichen Richtern entscheide.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme, wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die im Tenor genannten Bescheide sind rechtswidrig, soweit die Beklagte darin Beiträge zur KV/PV auf Versorgungsleistungen des T erhoben hat.
I. Streitgegenstand ist gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch der Bescheid vom 10. Juli 2012. Denn er erging während des Vorverfahrens, welches der Kläger durch seinen im April 2012 erhobenen Widerspruch in Gang gesetzt hatte, und er änderte den Bescheid vom 12. März 2012. Dieser enthielt vier Regelungen im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X: die vom Kläger zu zahlenden Beiträge einerseits zur KV, andererseits zur PV, sowie den jeweiligen Beginn der Beitragspflicht. Hinsichtlich aller vier Verfügungssätze nahm die Beklagte durch den Bescheid vom 10. Juli 2012 Änderungen vor, indem sie für die Zeit ab dem 1. Juli 2012 höhere Beiträge zur KV und PV festsetzte. Dies allein führt zur Anwendbarkeit von § 86 SGG. Im Übrigen ging auch die Beklagte nach dem Wortlaut des Bescheids ("Die Berechnungsgrundlagen für Ihren Beitrag ändern sich ab 01.07.2012.") selbst von einer Änderung gegenüber dem bisherigen Zustand aus.
Die von der Beklagten hiergegen vorgebrachen Einwände überzeugen nicht. Es trifft zwar zu, dass § 86 SGG nicht einschlägig ist, wenn ein Verwaltungsakt nur teilweise angefochten ist und der abgeänderte Verwaltungsakt sich nicht auf den angefochtenen Teil bezieht. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Denn der Kläger wandte sich mit seinem Widerspruch pauschal gegen eine Beitragspflicht auf Leistungen des T. Eine Beschränkung gerade auf die am 29. Februar 2012 erfolgte Auszahlung nahm der Kläger – entgegen der Behauptung der Beklagten – nicht vor. Da Hintergrund für den Beitragsbescheid vom 10. Juli 2012 die Auszahlung eines weiteren kapitalisierten Versorgungsbezugs (709,00 Euro) am 30. Juni 2012 durch den T war, ist die Neuregelung in diesem Bescheid auch vom Widerspruchsbegehren des Klägers erfasst.
Gemäß § 96 SGG sind darüber hinaus die Bescheide vom 9. April 2014, 29. Dezember 2014, 10. April 2015, 10. und 11. Juni 2015 sowie 29. Dezember 2015 Gegenstand des Rechtsstreits geworden.
Nicht Streitgegenstand ist die Frage, ob der Kläger auf die Zahlung der D i.H.v. 12.894,00 Euro Beiträge abzuführen hat, weil er ausdrücklich hierauf weder seinen Widerspruch noch Klage und Berufung bezogen und dies mit seinem eingeschränkten Berufungsantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zum Ausdruck gebracht hat.
II. Die Beklagte hätte auf die Zahlungen des T keine Beiträge zur KV/PV erheben dürfen. Dies beruht indes nicht darauf, dass diesen Zahlungen als Leistungen der sog. Riester Rente nicht der Beitragspflicht unterlägen (hierzu 1.), sondern darauf, dass die Beklagte den rechtswidrigen Bescheid vom 8. März 2012 nicht im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben des SGB X aufgehoben hat (hierzu 2.).
1. Zu Recht ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass die Zahlungen des T im Falle des Klägers grundsätzlich der Beitragspflicht unterliegen. Gemäß § 153 Abs. 2 SGG verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts.
Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dass auch Leistungen der Altersversorgung, welche nach § 10a, § 79 ff. EStG gefördert werden (sog. Riester Rente), zu den Versorgungsbezügen im Sinne von § 229 Abs. 1 SGB V zählen, ergibt sich aus der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz) vom 22. Februar 2017, Bundestags-Drucksache 18/11286, Seite 13, 51). Durch diese Vorschrift soll in § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V folgender Halbsatz angefügt werden:
" ...; außer Betracht bleiben Leistungen aus Altersvorsorgevermögen im Sinne des § 92 des Einkommenssteuergesetzes."
Aus Wortlaut und Begründung der geplanten Änderung wird deutlich, dass nach bisherigem Recht – das Betriebsrentenstärkungsgesetz soll nach seinem Art. 15 Abs. 1 am 1. Januar 2018 in Kraft treten – auch Versorgungsbezüge, welche als sog. Riester Rente durch Zulagen gefördert wurden, dem Anwendungsbereich von § 229 Abs. 1 Satz 1 und somit grundsätzlich der Beitragspflicht zur KV unterliegen.
2. Der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2012 ist rechtswidrig, weil die Beklagte, soweit sie darin Beiträge auf Zahlungen der T festgesetzt hat, § 45 SGB X verletzt hat.
a. Absätze 1 und 2 dieser Vorschrift lauten:
(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) 1Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. 2Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. 3Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Diesen Anforderungen wird der Bescheid vom 12. März 2012, indem er den Bescheid vom 8. März 2012 zum Nachteil des Klägers ändert, nicht gerecht.
aa. Der Bescheid vom 8. März 2012 ist ein begünstigender Verwaltungsakt, weil er für den Kläger durch die Feststellung, dass keine Beiträge zu zahlen seien, und somit das – ggf. nur zeitlich befristete – Absehen von einer Forderung (Padé, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 45 SGB X, Rd. 35; vgl. auch Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12. Februar 1992 – 10 RAr 6/90 –, juris) einen rechtlich erheblichen Vorteil i.S.v. § 45 Abs. 1 SGB X begründet hat. Dass der Bescheid sich nicht in diesem rechtlichen Vorteil erschöpft, weil er auch die Beitragspflicht der Zahlungen durch den T feststellt, ist unerheblich. Bei Bescheiden, die den Adressaten sowohl begünstigen als auch in seine Rechte eingreifen, ist zumindest für den begünstigenden Teil stets § 45 SGB X anzuwenden, denn der durch diese Vorschrift gewährte Vertrauensschutz kann nicht deshalb geringer wiegen, weil der zu korrigierende Bescheid neben vorteilhaften zugleich nachteilige Regelungswirkungen zeitigt (Padé, a.a.O. Rd. 37ff; von Wulffen/Schütze, SGB X, 8.A. § 45 Rd. 23ff; Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht (KK)/ Steinwedel, Stand Dezember 2015, § 44 SGB X, Rd.12ff; jeweils m.W.N.).
bb. Der Bescheid vom 8. März 2012 ist auch rechtswidrig. Die im Hinblick auf § 226 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V erfolgte Feststellung der Beklagten, Beiträge seien nicht zu zahlen, weil 1/120 der Kapitalleistung, d.h. (5.856,53 Euro / 120 =) 48,81 Euro, nicht die Untergrenze i.H.v. 131,25 Euro überstiegen, ist fehlerhaft. Sie berücksichtigt nicht, dass dem Kläger am 16. Februar 2012 durch die D eine kapitalisierte Versorgungsleistung von 12.894,00 Euro ausgezahlt worden war und die Summierung beider Versorgungsleistungen zu einer Beitragszahlung, wie im Bescheid vom 12. März 2012 zutreffend berechnet, hätte führen müssen.
An der Rechtswidrigkeit der Feststellung, dass keine Beiträge zu zahlen seien, ändert der Hinweis im Bescheid vom 8. März 2012, beim Bezug mehrerer Versorgungsbezüge seien diese für den Vergleich mit der Untergrenze zusammenzurechnen, nichts. Eine zulässige Nebenbestimmung i.S.v. § 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X liegt darin – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht. Nebenbestimmungen nach § 32 Abs. 2 SGB X sind – wie bereits der Wortlaut belegt – nur bei Ermessensverwaltungsakten gestattet (BSG, Urteil vom 28. September 2005 – B 6 KA 60/03 R –, juris; Engelmann, in: von Wulffen/Schüt-ze, SGB X, 8.A. § 32 Rd. 12; KK/Mutschler, Stand Oktober 2014, § 32 SGB X, Rd. 11). Beitragsfestsetzungen sind aber stets gebundene und keine Ermessensentscheidungen. Als Nebenbestimmung wäre die Verlautbarung, es seien keine Beiträge zu zahlen, rechtswidrig. Die Beklagte hat damit vielmehr den Kläger – inhaltlich zutreffend – auf die Rechtslage hingewiesen.
cc. Das nach § 45 Abs. 1 SGB X stets erforderliche Ermessen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. nur Urteil vom 25. Oktober 1984 – 11 RA 24/84 –; Merten, in: Hauck/Noftz, SGB, Stand 05/17, § 45 SGB X, Rd. 102 m.w.N.; Wulffen/Schütze, SGB X, 8.A. § 45 Rd. 88ff) hat die Beklagte nicht ausgeübt. Die Bescheide vom 12. März und 12. September 2012 enthalten schon deshalb keinerlei Ermessenserwägungen, weil der Beklagten bei Erlass dieser Bescheide (in ihrer in der Verwaltungsakte abgelegten Form) offenkundig nicht bewusst war, überhaupt eine Aufhebungsentscheidung nach § 45 SGB X zu treffen. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eine weitere Version des Bescheids vom 12. März 2012 vorgelegt hat, welche den Zusatz "Unseren Bescheid vom 08.03.2012 heben wir hiermit auf" enthält, ist sie jegliche Rechtfertigung schuldig geblieben, warum für ein und denselben Bescheid mehrere Versionen existieren oder aus welchen Gründen sie sich zur nachträglichen Änderung des bereits in anderer Fassung bekannt gegebenen Bescheids berechtigt gesehen hat. Sofern aus ihrer Sicht darin erstmalig eine ausdrückliche Aufhebungsentscheidung erlassen sein soll, würde dieser dem Kläger erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekanntgegebene Bescheid jedenfalls die Fristen nach § 45 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SGB X nicht wahren.
Inwieweit Ermessenserwägungen ggf. noch im gerichtlichen Verfahren nachgeholt oder -geschoben werden können, kann hier dahinstehen, weil die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine entsprechenden Erwägungen vorgetragen hat.
Hinweise auf eine Ermessensreduzierung auf Null lassen sich weder dem Vorbringen der Beklagten entnehmen noch sind die anderweitig ersichtlich.
d. Angesichts dessen kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorlagen oder – falls nicht – die Beklagte die nach den Sätzen 1 und 2 dieser Vorschrift erforderliche Vertrauensschutzprüfung durchgeführt hat. Im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten sei indes zur Klarstellung darauf hingewiesen, dass dem Kläger zwischen den Bescheiden vom 8. und 12. März 2012 keine weitere Versorgungsleistung ausgezahlt wurde.
e. Unabhängig hiervon hat die Beklagte die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung des Klägers vor Erlass der streitgegenständlichen Bescheide nicht durchgeführt. Sie hat auch von der Möglichkeit, die unterlassene Anhörung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachzuholen (§ 41 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 SGB X), keinen Gebrauch gemacht. Die Nachholung der fehlenden Anhörung setzt außerhalb des Verwaltungsverfahrens voraus, dass die Handlungen, die an sich nach § 24 Abs. 1 SGB X bereits vor Erlass des belastenden Verwaltungsaktes hätten vorgenommen werden müssen, von der Verwaltung bis zum Abschluss der gerichtlichen Tatsacheninstanz vollzogen werden. Ein während des Gerichtsverfahrens zu diesem Zweck durchzuführendes förmliches Verwaltungsverfahren liegt vor, wenn die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen gegeben hat und sie danach zu erkennen gibt, ob sie nach erneuter Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält. Dies setzt regelmäßig voraus, dass – ggf. nach freigestellter Aussetzung des Verfahrens gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 SGG – die Behörde den Kläger in einem gesonderten "Anhörungsschreiben" alle Haupttatsachen mitteilt, auf die sie die belastende Entscheidung stützen will, und ihm eine angemessene Frist zur Äußerung setzt. Ferner ist erforderlich, dass die Behörde das Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis nimmt und sich abschließend zum Ergebnis der Überprüfung äußert (BSG, Urteile vom 09. November 2010 – B 4 AS 37/09 R –, vom 06. April 2006 – B 7a AL 64/05 R –, und vom 31. Oktober 2002 – B 4 RA 15/01 R –; alle juris und m.w.N.). Die Beklagte hat hinsichtlich einer Nachholung der Anhörung nichts unternommen, obwohl sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch den Vorsitzenden auf diesbezügliche Bedenken hingewiesen wurde.
3. Die rechtswidrige Erhebung von Beiträgen auf Zahlungen des T im Bescheid vom 12. März 2012 setzt sich in den Folgebescheiden vom 10. Juli 2012, 12. September 2012, 09. April 2014, 29. Dezember 2014, 10. April 2015, 10. Juni 2015, 11. Juni 2015 und 29. De¬zem¬ber 2015 fort, sodass auch diese insoweit aufzuheben waren.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Beitragspflicht bei Versorgungsbezügen.
Dem 1951 geborenen Kläger wurden seit Jahresanfang 2012 verschiedene Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ausgezahlt. Unter anderem meldeten der Krankenkasse des Klägers (Beklagte zu 1., im Folgenden: die Beklagte), jeweils am 7. März 2012, die D eine am 16. Februar 2012 erfolgte kapitalisierte Auszahlung von 12.894,00 Euro und der Tfond a.G. (T) eine am 29. Februar 2012 erfolgte kapitalisierte Auszahlung von 5.856,63 Euro.
Mit Bescheid vom 8. März 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ihm eine Kapitalleistung der T i.H.v. 5.856,63 Euro ausgezahlt worden sei, die als Versorgungsbezug gelte und damit grundsätzlich beitragspflichtig sei. 1/120 dieser Kapitalleistungen (48,81 Euro) übersteige aber derzeit nicht die Untergrenze von 131,25 Euro, ab der Beiträge zu zahlen seien.
Mit Bescheid vom 12. März 2012 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger wegen Versorgungsbezügen i.H.v. 18.750,63 Euro, gezahlt durch die D und den T, auf der Grundlage eines monatlichen beitragspflichtigen Versorgungsbezuges von 156,26 Euro (1/120 von 18.750,63 Euro) einen monatlichen Beitrag von 24,22 Euro zur Krankenversicherung (KV) bzw. 3,05 Euro zur Pflegeversicherung (PV), insgesamt 27,27 Euro, für die Dauer von zehn Jahren fest.
Den Widerspruch gegen den letztgenannten Bescheid, mit dem der Kläger sich lediglich gegen die Beitragspflicht auf Leistungen des T wandte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2012 zurück.
Im Klageverfahren hat der Kläger eine Stellungnahme des T vom 5. September 2013 eingereicht, wonach der Kläger die dorthin gezahlten Beiträge aus Netto-Entgeltumwandlungen in den Jahren 2002 bis 2011 abgeführt habe, welche gemäß § 10a Einkommenssteuergesetz (EStG) zulagengefördert seien (sog. Riester-Förderung).
Mit Gerichtsbescheid vom 14. November 2016 wies das Sozialgericht die Klage ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Auch die vom T ausgezahlten Versorgungsbezüge seien beitragspflichtig gemäß § 237 Satz 1 i.V.m. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V), weil sie schon institutionell dem Recht der betrieblichen Altersversorgung zuzuordnen seien. Der berufliche Bezug dieser Leistungen sei beim Kläger offenkundig. Es verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht, dass der Kläger Beiträge für Versicherungsleistungen zahlen müsse, die er maßgeblich aus eigenen Einkünften finanziert habe und für die er bereits KV /PV-Beiträge abgeführt habe.
Gegen diesen ihm am 17. November 2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 5. Dezember 2016, zu deren Begründung er vorträgt: Die Doppelerhebung von Beiträgen auf das Nettoeinkommen Pflichtversicherter und auf die Zahlungen aus dem Riesterrenten-Vertrag sei eine Ungleichbehandlung gegenüber Rentnern, die eine herkömmliche Betriebsrente auf der Grundlage einer sozialabgabenfreien Brutto-Entgeltumwandlung bezögen. Über eine solche Konstellation habe das Bundessozialgericht (BSG) bislang noch nicht entschieden. Anders als im BSG Urteil vom 23. Juli 2014 habe der Arbeitgeber im Falle des Klägers keinerlei Beiträge für diese Rentenform geleistet.
Die Beklagte hat während des Verfahrens bezüglich der Versorgungsbezüge seitens der D und des T folgende weitere Beitragsbescheide erlassen: Bescheid vom betrifft die Zeit ab KV-Beitrag PV-Beitrag Summe der monat-lichen Beiträge 10. Juli 2012 1. Juli 2012 25,14 Euro 3,16 Euro 28,30 Euro 09. April 2014 1. April 2014 25,67 Euro 3,40 Euro 29,07 Euro 29. Dezember 2014 1. Januar 2015 25,67 Euro 3,89 Euro 29,56 Euro 10. April 2015 1. April 2015 25,82 Euro 3,91 Euro 29,73 Euro 10./11. Juni 2015 1. Januar 2013 25,14 Euro 3,32 Euro 28,46 Euro 11. Juni 2015 1. Januar 2015 25,14 Euro 3,81 Euro 28,95 Euro 29. Dezember 2015 1. Januar 2016 26,11 Euro 3,81 Euro 29,92 Euro
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. November 2016 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 12. März 2012 und 10. Juli 2012, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2012, alle in der Fassung der Bescheide vom 09. April 2014, 29. Dezember 2014, 10. April 2015, 10. Juni 2015, 11. Juni 2015 und 29. Dezember 2015, zu ändern, und die Beklagte zu verpflichten, keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus den Zahlungen des Tfond a.G. i.H.v. 5.856,63 Euro bzw. 709,00 Euro zu erheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und führt ergänzend aus: Es erschließe sich nicht, weshalb der Bescheid vom 8. März 2012 nach § 45 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) hier hätte gesondert aufgehoben werden müssen. Fraglich sei bereits, ob es sich bei diesem Bescheid tatsächlich um einen von Anfang an rechtswidrig begünstigenden Bescheid handele. Indem sie in diesem Bescheid darauf hingewiesen habe, dass, sofern mehrere Versorgungsbezüge bezogen würden, diese für einen Vergleich mit der Untergrenze zusammenzurechnen seien, habe sie ihn mit einer zulässigen Nebenbestimmung nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X versehen. Schon in diesem Bescheid sei der Kläger darauf hingewiesen worden, dass ggf. Beiträge zur KV/PV zu entrichten seien, wenn eine weitere Kapitalleistung hinzutrete. Dass Beiträge zur KV/PV aus der am 29. Februar 2012 ausgezahlten Kapitalleistung – allein für sich betrachtet – seinerzeit nicht vom Kläger hätten entrichtet werden müssen, sei mithin an eine Bedingung geknüpft gewesen, die in der Folge jedoch nicht eingetreten sei. Einer Aufhebung dieses Bescheides bedürfe es daher nicht. Im Übrigen könne das im Zusammenhang von § 45 Abs. 2 SGB X auszuübende Ermessen nachgeholt werden. Der Kläger habe vorliegend um die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 8. März 2012 gewusst. Auch grobe Fahrlässigkeit dürfte anzunehmen sein. Das Vertrauen des Klägers in den Bestand des Bescheides vom 8. März 2012 sei, spätestens nachdem er die weitere Kapitalleistung ausgezahlt bekommen habe, nicht mehr schutzwürdig.
Mit Beschluss vom 2. Mai 2017 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter übertragen, damit dieser mit den ehrenamtlichen Richtern entscheide.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme, wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die im Tenor genannten Bescheide sind rechtswidrig, soweit die Beklagte darin Beiträge zur KV/PV auf Versorgungsleistungen des T erhoben hat.
I. Streitgegenstand ist gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch der Bescheid vom 10. Juli 2012. Denn er erging während des Vorverfahrens, welches der Kläger durch seinen im April 2012 erhobenen Widerspruch in Gang gesetzt hatte, und er änderte den Bescheid vom 12. März 2012. Dieser enthielt vier Regelungen im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X: die vom Kläger zu zahlenden Beiträge einerseits zur KV, andererseits zur PV, sowie den jeweiligen Beginn der Beitragspflicht. Hinsichtlich aller vier Verfügungssätze nahm die Beklagte durch den Bescheid vom 10. Juli 2012 Änderungen vor, indem sie für die Zeit ab dem 1. Juli 2012 höhere Beiträge zur KV und PV festsetzte. Dies allein führt zur Anwendbarkeit von § 86 SGG. Im Übrigen ging auch die Beklagte nach dem Wortlaut des Bescheids ("Die Berechnungsgrundlagen für Ihren Beitrag ändern sich ab 01.07.2012.") selbst von einer Änderung gegenüber dem bisherigen Zustand aus.
Die von der Beklagten hiergegen vorgebrachen Einwände überzeugen nicht. Es trifft zwar zu, dass § 86 SGG nicht einschlägig ist, wenn ein Verwaltungsakt nur teilweise angefochten ist und der abgeänderte Verwaltungsakt sich nicht auf den angefochtenen Teil bezieht. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Denn der Kläger wandte sich mit seinem Widerspruch pauschal gegen eine Beitragspflicht auf Leistungen des T. Eine Beschränkung gerade auf die am 29. Februar 2012 erfolgte Auszahlung nahm der Kläger – entgegen der Behauptung der Beklagten – nicht vor. Da Hintergrund für den Beitragsbescheid vom 10. Juli 2012 die Auszahlung eines weiteren kapitalisierten Versorgungsbezugs (709,00 Euro) am 30. Juni 2012 durch den T war, ist die Neuregelung in diesem Bescheid auch vom Widerspruchsbegehren des Klägers erfasst.
Gemäß § 96 SGG sind darüber hinaus die Bescheide vom 9. April 2014, 29. Dezember 2014, 10. April 2015, 10. und 11. Juni 2015 sowie 29. Dezember 2015 Gegenstand des Rechtsstreits geworden.
Nicht Streitgegenstand ist die Frage, ob der Kläger auf die Zahlung der D i.H.v. 12.894,00 Euro Beiträge abzuführen hat, weil er ausdrücklich hierauf weder seinen Widerspruch noch Klage und Berufung bezogen und dies mit seinem eingeschränkten Berufungsantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zum Ausdruck gebracht hat.
II. Die Beklagte hätte auf die Zahlungen des T keine Beiträge zur KV/PV erheben dürfen. Dies beruht indes nicht darauf, dass diesen Zahlungen als Leistungen der sog. Riester Rente nicht der Beitragspflicht unterlägen (hierzu 1.), sondern darauf, dass die Beklagte den rechtswidrigen Bescheid vom 8. März 2012 nicht im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben des SGB X aufgehoben hat (hierzu 2.).
1. Zu Recht ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass die Zahlungen des T im Falle des Klägers grundsätzlich der Beitragspflicht unterliegen. Gemäß § 153 Abs. 2 SGG verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts.
Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dass auch Leistungen der Altersversorgung, welche nach § 10a, § 79 ff. EStG gefördert werden (sog. Riester Rente), zu den Versorgungsbezügen im Sinne von § 229 Abs. 1 SGB V zählen, ergibt sich aus der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz) vom 22. Februar 2017, Bundestags-Drucksache 18/11286, Seite 13, 51). Durch diese Vorschrift soll in § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V folgender Halbsatz angefügt werden:
" ...; außer Betracht bleiben Leistungen aus Altersvorsorgevermögen im Sinne des § 92 des Einkommenssteuergesetzes."
Aus Wortlaut und Begründung der geplanten Änderung wird deutlich, dass nach bisherigem Recht – das Betriebsrentenstärkungsgesetz soll nach seinem Art. 15 Abs. 1 am 1. Januar 2018 in Kraft treten – auch Versorgungsbezüge, welche als sog. Riester Rente durch Zulagen gefördert wurden, dem Anwendungsbereich von § 229 Abs. 1 Satz 1 und somit grundsätzlich der Beitragspflicht zur KV unterliegen.
2. Der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2012 ist rechtswidrig, weil die Beklagte, soweit sie darin Beiträge auf Zahlungen der T festgesetzt hat, § 45 SGB X verletzt hat.
a. Absätze 1 und 2 dieser Vorschrift lauten:
(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) 1Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. 2Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. 3Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Diesen Anforderungen wird der Bescheid vom 12. März 2012, indem er den Bescheid vom 8. März 2012 zum Nachteil des Klägers ändert, nicht gerecht.
aa. Der Bescheid vom 8. März 2012 ist ein begünstigender Verwaltungsakt, weil er für den Kläger durch die Feststellung, dass keine Beiträge zu zahlen seien, und somit das – ggf. nur zeitlich befristete – Absehen von einer Forderung (Padé, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 45 SGB X, Rd. 35; vgl. auch Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12. Februar 1992 – 10 RAr 6/90 –, juris) einen rechtlich erheblichen Vorteil i.S.v. § 45 Abs. 1 SGB X begründet hat. Dass der Bescheid sich nicht in diesem rechtlichen Vorteil erschöpft, weil er auch die Beitragspflicht der Zahlungen durch den T feststellt, ist unerheblich. Bei Bescheiden, die den Adressaten sowohl begünstigen als auch in seine Rechte eingreifen, ist zumindest für den begünstigenden Teil stets § 45 SGB X anzuwenden, denn der durch diese Vorschrift gewährte Vertrauensschutz kann nicht deshalb geringer wiegen, weil der zu korrigierende Bescheid neben vorteilhaften zugleich nachteilige Regelungswirkungen zeitigt (Padé, a.a.O. Rd. 37ff; von Wulffen/Schütze, SGB X, 8.A. § 45 Rd. 23ff; Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht (KK)/ Steinwedel, Stand Dezember 2015, § 44 SGB X, Rd.12ff; jeweils m.W.N.).
bb. Der Bescheid vom 8. März 2012 ist auch rechtswidrig. Die im Hinblick auf § 226 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V erfolgte Feststellung der Beklagten, Beiträge seien nicht zu zahlen, weil 1/120 der Kapitalleistung, d.h. (5.856,53 Euro / 120 =) 48,81 Euro, nicht die Untergrenze i.H.v. 131,25 Euro überstiegen, ist fehlerhaft. Sie berücksichtigt nicht, dass dem Kläger am 16. Februar 2012 durch die D eine kapitalisierte Versorgungsleistung von 12.894,00 Euro ausgezahlt worden war und die Summierung beider Versorgungsleistungen zu einer Beitragszahlung, wie im Bescheid vom 12. März 2012 zutreffend berechnet, hätte führen müssen.
An der Rechtswidrigkeit der Feststellung, dass keine Beiträge zu zahlen seien, ändert der Hinweis im Bescheid vom 8. März 2012, beim Bezug mehrerer Versorgungsbezüge seien diese für den Vergleich mit der Untergrenze zusammenzurechnen, nichts. Eine zulässige Nebenbestimmung i.S.v. § 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X liegt darin – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht. Nebenbestimmungen nach § 32 Abs. 2 SGB X sind – wie bereits der Wortlaut belegt – nur bei Ermessensverwaltungsakten gestattet (BSG, Urteil vom 28. September 2005 – B 6 KA 60/03 R –, juris; Engelmann, in: von Wulffen/Schüt-ze, SGB X, 8.A. § 32 Rd. 12; KK/Mutschler, Stand Oktober 2014, § 32 SGB X, Rd. 11). Beitragsfestsetzungen sind aber stets gebundene und keine Ermessensentscheidungen. Als Nebenbestimmung wäre die Verlautbarung, es seien keine Beiträge zu zahlen, rechtswidrig. Die Beklagte hat damit vielmehr den Kläger – inhaltlich zutreffend – auf die Rechtslage hingewiesen.
cc. Das nach § 45 Abs. 1 SGB X stets erforderliche Ermessen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. nur Urteil vom 25. Oktober 1984 – 11 RA 24/84 –; Merten, in: Hauck/Noftz, SGB, Stand 05/17, § 45 SGB X, Rd. 102 m.w.N.; Wulffen/Schütze, SGB X, 8.A. § 45 Rd. 88ff) hat die Beklagte nicht ausgeübt. Die Bescheide vom 12. März und 12. September 2012 enthalten schon deshalb keinerlei Ermessenserwägungen, weil der Beklagten bei Erlass dieser Bescheide (in ihrer in der Verwaltungsakte abgelegten Form) offenkundig nicht bewusst war, überhaupt eine Aufhebungsentscheidung nach § 45 SGB X zu treffen. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eine weitere Version des Bescheids vom 12. März 2012 vorgelegt hat, welche den Zusatz "Unseren Bescheid vom 08.03.2012 heben wir hiermit auf" enthält, ist sie jegliche Rechtfertigung schuldig geblieben, warum für ein und denselben Bescheid mehrere Versionen existieren oder aus welchen Gründen sie sich zur nachträglichen Änderung des bereits in anderer Fassung bekannt gegebenen Bescheids berechtigt gesehen hat. Sofern aus ihrer Sicht darin erstmalig eine ausdrückliche Aufhebungsentscheidung erlassen sein soll, würde dieser dem Kläger erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekanntgegebene Bescheid jedenfalls die Fristen nach § 45 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SGB X nicht wahren.
Inwieweit Ermessenserwägungen ggf. noch im gerichtlichen Verfahren nachgeholt oder -geschoben werden können, kann hier dahinstehen, weil die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine entsprechenden Erwägungen vorgetragen hat.
Hinweise auf eine Ermessensreduzierung auf Null lassen sich weder dem Vorbringen der Beklagten entnehmen noch sind die anderweitig ersichtlich.
d. Angesichts dessen kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorlagen oder – falls nicht – die Beklagte die nach den Sätzen 1 und 2 dieser Vorschrift erforderliche Vertrauensschutzprüfung durchgeführt hat. Im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten sei indes zur Klarstellung darauf hingewiesen, dass dem Kläger zwischen den Bescheiden vom 8. und 12. März 2012 keine weitere Versorgungsleistung ausgezahlt wurde.
e. Unabhängig hiervon hat die Beklagte die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung des Klägers vor Erlass der streitgegenständlichen Bescheide nicht durchgeführt. Sie hat auch von der Möglichkeit, die unterlassene Anhörung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachzuholen (§ 41 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 SGB X), keinen Gebrauch gemacht. Die Nachholung der fehlenden Anhörung setzt außerhalb des Verwaltungsverfahrens voraus, dass die Handlungen, die an sich nach § 24 Abs. 1 SGB X bereits vor Erlass des belastenden Verwaltungsaktes hätten vorgenommen werden müssen, von der Verwaltung bis zum Abschluss der gerichtlichen Tatsacheninstanz vollzogen werden. Ein während des Gerichtsverfahrens zu diesem Zweck durchzuführendes förmliches Verwaltungsverfahren liegt vor, wenn die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen gegeben hat und sie danach zu erkennen gibt, ob sie nach erneuter Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält. Dies setzt regelmäßig voraus, dass – ggf. nach freigestellter Aussetzung des Verfahrens gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 SGG – die Behörde den Kläger in einem gesonderten "Anhörungsschreiben" alle Haupttatsachen mitteilt, auf die sie die belastende Entscheidung stützen will, und ihm eine angemessene Frist zur Äußerung setzt. Ferner ist erforderlich, dass die Behörde das Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis nimmt und sich abschließend zum Ergebnis der Überprüfung äußert (BSG, Urteile vom 09. November 2010 – B 4 AS 37/09 R –, vom 06. April 2006 – B 7a AL 64/05 R –, und vom 31. Oktober 2002 – B 4 RA 15/01 R –; alle juris und m.w.N.). Die Beklagte hat hinsichtlich einer Nachholung der Anhörung nichts unternommen, obwohl sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch den Vorsitzenden auf diesbezügliche Bedenken hingewiesen wurde.
3. Die rechtswidrige Erhebung von Beiträgen auf Zahlungen des T im Bescheid vom 12. März 2012 setzt sich in den Folgebescheiden vom 10. Juli 2012, 12. September 2012, 09. April 2014, 29. Dezember 2014, 10. April 2015, 10. Juni 2015, 11. Juni 2015 und 29. De¬zem¬ber 2015 fort, sodass auch diese insoweit aufzuheben waren.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved