Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 11 R 1515/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 R 201/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 1. März 2016 aufgehoben. Der Rentenbescheid der Beklagten vom 18. Juni 2015 wird aufgehoben, soweit eine Zeit der Hochschulausbildung vom 1. September 1962 bis 31. August 1963 angerechnet wird. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Herausnahme der Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung vom 1. September 1962 bis 31. August 1963 aus dem Rentenbescheid vom 18. Juni 2015. Sie ist der Auffassung, dass die Anrechnungszeit nicht hätte anerkannt werden dürfen, weil sie im gleichen Zeitraum eine vollschichtige Tätigkeit beim Komsomol der Universität ausgeübt habe, die vom l Versicherungsträger anzuerkennen sei.
Aus dem russischen Arbeitsbuch der Klägerin ergibt sich, dass sie am 1. September 1962 als Studentin des ersten Studienjahres an der Fakultät für Geschichte und Philologie immatrikuliert wurde. Weiter ergibt sich, dass sie am 25. September 1962 als Leiterin im allgemeinen Sektor des Komitees der Komsomolzen an der K Staatlichen Universität eingestellt wurde. Am 4. November 1963 wurde sie von dieser Dienststelle wegen des Studiums an der Universität befreit. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 8 und 11 der Gerichtsakten verwiesen.
Im Versicherungsverlauf vom 29. November 2004 erkannte die Beklagte die Zeit vom 1. September 1962 bis 31. August 1963 als Zeit der Hochschulausbildung (12 Monate) an. Mit Bescheid vom 13. März 2006 nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch/Sechstes Buch (SGB VI) stellte die Beklagte die streitige Zeit entsprechend fest.
Unter dem 5. Mai 2011 bat die Klägerin um Überprüfung des Versicherungsverlaufes. Während der Zeit vom 1. September 1962 bis 31. August 1963 habe sie gearbeitet und gleichzeitig ein Abendstudium absolviert. In dieser Zeit habe sie von Montag bis einschließlich Samstag jeweils acht Stunden gearbeitet. Ihr Arbeitsweg habe 30 Minuten gedauert. Der zeitliche Aufwand für ihr Abendstudium habe von Montag bis Freitag täglich vier bis fünf Stunden betragen. Hinzu komme eine häusliche Vorbereitungszeit von zirka zehn bis zwölf Stunden wöchentlich. Der Weg zur Universität habe zweieinhalb Stunden wöchentlich in Anspruch genommen. Sie bitte um Übersendung eines Bescheides, dass diese Zeit nicht als Ausbildungszeit anerkannt werde, da nur dann der l Rententräger dieses Jahr der Beschäftigungszeit anerkenne.
Mit Bescheid vom 16. Juni 2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 28. September 1999 ab (das Datum dürfte ein Schreibfehler sein). Die im Schreiben vom 5. Mai 2011 dargelegten Sachverhalte seien nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu treffen. Bei der Rentenberechnung seien alle nachgewiesenen bzw. glaubhaft gemachten Beitragszeiten, Ersatzzeiten und Anrechnungszeiten berücksichtigt worden. Die Berücksichtigung der Anrechnungszeit für den Zeitraum ab 1. September 1962 sei von ihr beantragt und von der Rentenversicherung anerkannt worden. Allein der Wunsch, eine Anrechnungszeit zu löschen, damit ein anderer Versicherungsträger für diesen Zeitraum eine Beitragszeit anerkenne, lasse nicht zu, einen bereits bindend gewordenen Bescheid zurückzunehmen. Zudem habe der l Versicherungsträger auch Beitragszeiten bestätigt, die in dem Zeitraum des Hochschulbesuchs ab dem 1. September 1963 lägen. Dem hiergegen gerichteten Widerspruch blieb mit zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 13. September 2011 der Erfolg versagt. Die Bescheide wurden bestandskräftig.
Unter dem 11. September 2014 sprach die Klägerin erneut bei der Beklagten vor. Sie machte geltend, dass die Angaben im Vermerk vom 5. November 2011 nicht der Wahrheit entsprochen hätten. Eine Fortsetzung des Studiums im Abendstudium sei nicht erfolgt. Als Nachwies diene das Diplom Nr. 174609, aus dem hervorgehe, dass sie erst im Jahre 1963 an der Staatsuniversität von K immatrikuliert worden sei. Beigefügt war das Diplom, aus dem sich ergibt, dass sie im Jahre 1963 an der Staatsuniversität von K immatrikuliert und im Jahre 1967 den vollen Kurs der genannten Universität im Fachbereich Journalistik abgeschlossen habe.
Mit Bescheid vom 18. Dezember 2014 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 13. September 2011 ab. Die Überprüfung dieses Bescheides habe ergeben, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die bei der Vorsprache am 11. September 2014 dargelegten Sachverhalte seien nicht geeignet, eine günstigere Entscheidung zu treffen. In der Zeit vom 1. September 1962 bis 31. August 1963 habe sich die Klägerin in Hochschulausbildung befunden. Bei ihrer Vorsprache in der Auskunfts- und Beratungsstelle B habe sie Angaben zum zeitlichen Umfang der Ausbildung gemacht, aus denen hervorgehe, dass der wöchentliche Aufwand mehr als 20 Stunden betragen habe. Damit seien diese Zeiten korrekt als Zeiten der Hochschulausbildung im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI berücksichtigt worden. Eine Herausnahme einer Zeit aus einem bereits bindend gewordenen Bescheid mit dem Ziel, dass ein ausländischer Versicherungsträger diese Zeiten als Beitragszeiten berücksichtige, sei nicht möglich.
Dem hiergegen gerichteten Widerspruch blieb mit zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015 der Erfolg versagt. Zur Begründung ist zusätzlich ausgeführt, dass die Berücksichtigung der streitigen Zeit auch als Beitragszeit nicht möglich sei, da die Klägerin nicht zum berechtigten Personenkreis des § 1 Fremdrentengesetz gehöre. Außerdem fehle es an der Voraussetzung nach § 1 Buchstabe b Fremdrentengesetz, nach der der Versicherungsträger des Herkunftslandes aufgrund der Kriegsauswirkungen nicht mehr in Anspruch genommen werden könne. Die Klägerin habe Ansprüche gegen den l Versicherungsträger.
Mit der hiergegen zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und eine Auskunft der Staatlichen Versicherungsagentur in L, Abteilung der Internationalen Dienste, Rentenabteilung, vom 4. September 2015 vorgelegt. Darin wird die Auffassung vertreten, dass gemäß der Verordnung des Europäischen Parlaments und Rates (EG) 987/2009 und der Verordnung (EG) 883/2004 zur Koordinierung der Sozialversicherungssysteme bei der Bewilligung der staatlichen Rente jegliche Versicherungszeiträume nicht berücksichtigt würden, wenn diese bei der Rentenbewilligung eines anderen Staates schon berücksichtigt worden seien. Daher gebe es keine Grundlage, den Versicherungszeitraum zu vervollständigen und den Arbeitszeitraum vom 1. September 1962 bis 31. August 1963 anzuerkennen. Die Beklagte machte demgegenüber geltend, dass Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 das Zusammentreffen von Beitragszeiten mit gleichgestellten Versicherungszeiten (hier der Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung) regele. In diesen Fällen werde nur die Beitragszeit berücksichtigt, während die gleichgestellte Zeit unberücksichtigt bleibe. Die Auskunft des l Versicherungsträgers vom 4. September 2015 sei aus diesem Grunde entweder unzutreffend oder es lägen gar keine verdrängenden Beitragszeittatbestände vor.
Unter dem 18. Juni 2015 erließ die Beklagte einen Rentenbescheid, in dem sie die hier angegriffene Regelung wiederholte.
Mit Gerichtsbescheid vom 1. März 2016 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei unzulässig. Die Klägerin habe vor dem Hintergrund von Art. 12 Abs. 4 der Verordnung des Europäischen Parlaments und Rates (EG) 987/2009 vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit kein Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage. Die genannte Vorschrift regele das Zusammentreffen von Beitragszeiten mit gleichgestellten Versicherungszeiten – hier Anrechnungszeiten – und laute wie folgt:
Fällt eine nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates zurückgelegte Versicherungs- oder Wohnzeit, die keine gleichgestellte Zeit ist, mit einer gleichgestellten Zeit zusammen, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedsstaates zurückgelegt wurde, so werde nur die Zeit berücksichtigt, die keine gleichgestellte Zeit sei.
Aus der Erfassung der Anrechnungszeit vom 1. September 1962 bis 31. August 1963 in dem Versicherungsverlauf der Beklagten erwüchsen der Klägerin damit auch in Bezug auf Rentenansprüche gegen den l Rentenversicherungsträger keine Nachteile. Die Kammer halte die von der Klägerin vertretene Rechtsauffassung, wonach der l Rentenversicherungsträger die Beschäftigungszeit der Klägerin beim Komsomol nur dann berücksichtigen könne, wenn diese Zeit nicht in dem bei der Beklagten geführten Versicherungsverlauf erscheine, für unzutreffend. Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung durch den deutschen Rentenversicherungsträger verdrängten gerade nicht eine zeitgleiche Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten durch den l Rentenversicherungsträger.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 4. März 2016 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung vom 10. März 2016.
Einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung vom 1. April 2016 im Hinblick auf den vom Sozialgericht beschiedenen Antrag hat dieses mit Beschluss vom 2. Mai 2016 abgelehnt.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Klageverfahren und beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 1. März 2016 und den Bescheid vom 18. Dezember 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2015 aufzuheben sowie den Rentenbescheid vom 18. Juni 2015 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 28. September 1999 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Juni 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2011 die als Anrechnungszeit erfasste Zeit vom 1. September 1962 bis zum 31. August 1963 aus dem Versicherungsverlauf der Klägerin herauszunehmen, hilfsweise den Versicherungsverlauf dahingehend zu korrigieren, dass die Zeit vom 1. September 1962 bis zum 31. August 1963 als ausländische Pflichtbeitragszeit ggf. ohne Anrechnung festgestellt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, der unter dem 18. Juni 2015 im Klageverfahren erlassene Bescheid über die Gewährung von Regelaltersrente, der nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei, sei auch im Hinblick auf die Berücksichtigung der streitigen Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung nicht zu beanstanden.
Aus einem Beschluss vom 14. August 2009 der Staatlichen Versicherungsagentur, Abteilung der Internationalen Dienste L, R, ergibt sich, dass die Rente 103 Lati und 20 Santimi betrage. Der beigefügten Berechnung der Versicherungsdauer ist zu entnehmen, dass die fragliche Zeit nicht als Beschäftigungszeit anerkannt wurde.
Der Senat hat eine Probeberechnung der Beklagten über die Folgen der Herausnahme der streitigen Zeit aus dem Versicherungsverlauf angefordert. Aus der Probeberechnung vom 9. Dezember 2016 ergaben sich dadurch eine geringfügige Minderung der laufenden Rente und eine Überzahlung für die Zeit vom 1. Mai 2015 bis zum 31. Dezember 2016 in Höhe von 4,16 Euro.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und die Gerichtsakten verwiesen. Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist allein noch der im Klageverfahren ergangene Rentenbescheid vom 18. Juni 2015 mit der darin erfolgten Anerkennung des Zeitraums vom 1. September 1962 bis 31. August 1963. Der Rentenbescheid hat die bescheidmäßig erteilten Versicherungsverläufe ersetzt (§ 96 SGG). Der Regelungsgehalt der Bescheide nach § 149 Abs. 5 SGB VI hat sich damit erledigt. Angefochten bleibt allein der ersetzende Rentenbescheid.
Der Bescheid vom 18. Juni 2015 erweist sich im Hinblick auf die Anerkennung der Zeit vom 1. September 1962 bis 31. August 1963 als rechtswidrig. Er verletzt auch eigene Rechte der Klägerin aus Art. 12 Abs. 4 der Verordnung des Europäischen Parlaments und Rates (EG) 987/2009 vom 16. September 2009.
Die erhobene Klage ist als Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG zulässig, insbesondere ist die Klägerin klagebefugt.
Die Klagebefugnis zur Anfechtungsklage ist nach der sogenannten Möglichkeitstheorie (ständige Rechtsprechung, BSGE 84, 67, 69) dann gegeben, wenn die Verletzung eigener Rechte (formelle Beschwer) geltend gemacht wird. Diese formelle Beschwer setzt die Behauptung eines Klägers voraus, der Verwaltungsakt sei rechtswidrig und er sei durch diesen in seinen rechtlich geschützten Interessen verletzt. Es genügt, dass der Kläger die Beseitigung einer in seine Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme anstrebt, von der er behauptet, sie sei nicht rechtmäßig. Im Hinblick auf die notwendige Geltendmachung der Verletzung eigener rechtlich geschützter Interessen darf die einschlägige in Bezug genommene Rechtsnorm nicht nur dem allgemeinen Interesse dienen, sondern muss auch den Schutz der Rechtssphäre des einzelnen bezwecken (Schutznormtheorie). Ein Eingriff in sogenannte Reflexrechte, die auf Normen beruhen, welche ausschließlich dem öffentlichen Interesse dienen sollen und nur als Nebenwirkung dem Individualinteresse zugute kommen, ohne dass die Norm dies beabsichtige, reicht nicht aus. Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Klage genügt es insoweit aber, dass eine rechtlich anerkannte Rechtsposition des Klägers nicht ausgeschlossen werden kann.
In diesem Zusammenhang greift es nach Auffassung des Senates zu kurz, die Verletzung eigener Rechte durch einen belastenden Verwaltungsakt nur im Hinblick auf die nationale Norm für die Anerkennung von Anrechnungszeiten (§ 58 SGB VI) zu prüfen. Insoweit ist zuzugeben, dass die angefochtene von der Beklagten getroffene Entscheidung über die Anerkennung einer Anrechnungszeit allein eine Begünstigung darstellt, so dass zunächst die Verletzung eigener Rechte durch einen belastenden Verwaltungsakt auszuscheiden scheint. Der Umstand, dass allein eine Begünstigung vorliegt, ergibt sich aus der Probeberechnung, die der Senat angefordert hat, und die bei Herausnahme der streitigen Zeit eine geringere Rentenzahlung und einen Erstattungsbetrag von 4,16 Euro ergibt.
Allerdings kann die Verletzung eigener Rechte nicht nur auf nationalen Normen, sondern auch auf internationalen Normen beruhen. Art. 12 Abs. 4 der Verordnung des Europäischen Parlaments und Rates (EG) Nr. 987/2009 vom 16. September 2009 schreibt vor diesem Hintergrund aber eindeutig vor, dass eine Beschäftigungszeit eine sogenannte Gleichstellungszeit hier eine Anrechnungszeit verdrängt. Diese Rechtsansicht teilt auch die Beklagte. Sie ist aber anscheinend der Auffassung, dass die Anrechnung der Hochschulzeit hier deshalb erfolgen könne, weil der insoweit für die Beschäftigungszeit zuständige l Versicherungsträger diese Zeit nicht anerkennt, während der l Träger wiederum der Ansicht ist, er könne die Beschäftigungszeit nicht anerkennen, weil der deutsche Träger die Hochschulzeit anerkannt habe.
Der Senat ist der Auffassung, dass die genannte Norm nicht nur internationales "Ordnungsrecht" darstellt, sondern auch Rechtspositionen des einzelnen Versicherten in Rentenbezugsfällen im internationalen Zusammenhang regeln will. Im Rahmen des Zusammenwachsens der Europäischen Union ergibt sich gerade auch im Hinblick auf in verschiedenen Staaten zurückgelegte Versicherungszeiten ständig Regelungsbedarf. Geregelt werden soll dabei nach Auffassung des Senats aber nicht nur staatliche Ordnung, vielmehr geht es um den Schutz sozialer Rechte in Sachverhalten mit internationalen Bezügen. Vor diesem Hintergrund hat der Senat keinen Zweifel, dass sich auch die Klägerin auf die Norm des Art. 12 Abs. 4 EG Verordnung Nr. 987/2009 berufen kann.
Damit steht für den Senat fest, dass durch die Anerkennung der Hochschulausbildung als Anrechnungszeit durch die Beklagte die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte der Klägerin gegeben ist.
Die Anfechtungsklage ist vor diesem Hintergrund zulässig.
Die Klage ist auch begründet.
Der Beklagten ist zunächst zuzugeben, dass die Anerkennung der Hochschulzeit vom 1. September 1962 bis 31. August 1963 nach nationalem Recht keinen Bedenken begegnet. Soweit die Beklagte in den zunächst angefochtenen Bescheiden ausgeführt hatte, die Anerkennung einer Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI erscheine rechtmäßig, ist dies nicht zu beanstanden. Auch der Senat geht davon aus, dass die Voraussetzungen der Anerkennung der Anrechnungszeit nach nationalem Recht vorliegen. Dies ergibt sich bereits aus dem r Arbeitsbuch, in dem festgehalten ist, dass die Klägerin als Studentin des ersten Studienjahres zum 1. September 1962 immatrikuliert wurde. Die Exmatrikulation erfolgte erst zum 1. August 1967. Soweit die Klägerin im späteren Verlauf geltend gemacht hat, sie habe in diesem Jahr entgegen ihrem bisherigen Vortrag nicht studiert, sondern nur gearbeitet, erscheint dies dem Senat als Schutzbehauptung zur Durchsetzung ihrer allerdings begründeten Rechte. Denn weder dem Arbeitsbuch noch den früheren Angaben der Klägerin ist zu entnehmen, dass das Studium nicht neben der Tätigkeit beim Komsomol durchgeführt wurde. Die Befreiung zum 4. November 1963 spricht vielmehr dafür, dass hier letztendlich eine Doppelbelastung vorgelegen hat, der durch Aufgabe der Tätigkeit entgegengewirkt werden sollte.
Dies kann letztlich aber dahingestellt bleiben, da die Anerkennung dieser Zeit durch die Beklagte europäischem Recht widerspricht. Nach dem vorgelegten Arbeitsbuch kann nicht zweifelhaft sein, dass die Klägerin vom 25. September 1962 bis zum 3. November 1963 als Leiterin im allgemeinen Sektor des Komitees der Komsomolzen an der K Staatlichen Universität eingestellt war. Auch wenn dem Arbeitsbuch keine Zeiten zu entnehmen sind, geht der Senat entsprechend den Angaben der Klägerin von einer vollschichtigen Beschäftigung aus. Dem entspricht, dass im Diplom der Universität K dann auch davon die Rede ist, dass die Klägerin im Jahre 1963 immatrikuliert wurde. Der Senat verkennt nicht, dass zwischen dem Arbeitsbuch und dem Diplom ein gewisser Widerspruch besteht. Allerdings erscheinen die Angaben im Arbeitsbuch belastbarer, da in diesem Datum, Angaben über Einstellung und Versetzung mit Angabe von Gründen und die Grundlage der jeweiligen Eintragung ausführlich genannt sind.
Der Senat ist auch der Auffassung, dass die Klägerin nicht darauf beschränkt ist, ihre Rechte auf Anerkennung der Beschäftigungszeit nur beim l Sozialversicherungsträger geltend zu machen. Zweifellos erscheint es dem Senat nach Art. 12 Abs. 4 EG Verordnung Nr. 987/2009 zutreffend, dass der l Versicherungsträger die Beschäftigungszeit anzuerkennen gehabt hätte und dies dann zu einer Verdrängung der Hochschulzeit bei der Beklagten geführt hätte. Dies räumt auch die Beklagte ein, die die Auskunft des l Trägers, eine Anerkennung könne nur erfolgen, wenn keine deutsche Zeit anerkannt sei, für unzutreffend hält.
Die nach Auffassung des Senats unzutreffende Entscheidung des l Versicherungsträgers entbindet die Beklagte aber nicht davon, selbst eine rechtmäßige Entscheidung zu treffen.
Danach kann es aber – wie oben ausgeführt – keinem Zweifel unterliegen, dass die Beschäftigungszeit als Komsomol die Anrechnungszeit der Hochschulausbildung verdrängt und diese in Deutschland nicht anzuerkennen war, weil der l Träger diese Zeit anzuerkennen hat.
Dies ändert zwar nichts daran, dass die Klägerin die Anerkennung der Beschäftigungszeit beim l Versicherungsträger durchsetzen muss. Andererseits hindert dieser Zwang zur Durchsetzung beim l Träger die Klägerin nicht, die unzutreffende Entscheidung der Beklagten in Deutschland anzugreifen.
Der Senat verkennt insoweit nicht, dass es wohl nicht zu einem Rechtsstreit gekommen wäre, wenn der l Träger sich entsprechend der europäischen Norm verhalten hätte. Dies kann aber im Ergebnis ein Vorgehen gegen die Beklagte nicht hindern, wenn auch deren Entscheidung gegen geltendes europäisches Recht verstößt.
Insoweit ist der Situation prozessual Rechnung zu tragen, dass die Klägerin hier nicht beide Träger in einem Rechtsstreit in Anspruch nehmen kann. Dies gilt schon deshalb, weil die deutsche Sozialgerichtsbarkeit nicht über die Rechtmäßigkeit l Bescheide entscheiden kann.
Der Anfechtungsklage war damit stattzugeben. In diesem Zusammenhang ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Anerkennung der Hochschulanrechnungszeit für die Klägerin eine mit der Anfechtungsklage angreifbare Belastung und nicht etwa nur eine Begünstigung darstellt. Denn ob eine Belastung oder eine Begünstigung vorliegt, ist allein anhand der Norm zu entscheiden, auf die die Möglichkeit der Rechtsverletzung gestützt wird. Diese Norm ist vorliegend Art. 12 Abs. 4 EG Verordnung Nr. 987/2009. Und diese Norm schreibt vor, dass eine Hochschulzeit im Falle der Klägerin gerade nicht anzuerkennen ist. In diesem Zusammenhang stellt die Anerkennung nach Auffassung des Senats eine Belastung dar, die mit der Anfechtungsklage anfechtbar sein muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Auch wenn der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, dass Fallgestaltungen wie die hier zugrunde liegende häufiger vorkämen und soweit ersichtlich auch höchstrichterlich noch nicht entschieden seien, begründet dies noch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Denn hier hat der lettische Träger europäisches Recht nach Auffassung des Senats unzutreffend angewandt. Dies kann für vergleichbare Fallgestaltungen nicht unterstellt werden, so dass hier letztlich eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung vorliegt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Herausnahme der Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung vom 1. September 1962 bis 31. August 1963 aus dem Rentenbescheid vom 18. Juni 2015. Sie ist der Auffassung, dass die Anrechnungszeit nicht hätte anerkannt werden dürfen, weil sie im gleichen Zeitraum eine vollschichtige Tätigkeit beim Komsomol der Universität ausgeübt habe, die vom l Versicherungsträger anzuerkennen sei.
Aus dem russischen Arbeitsbuch der Klägerin ergibt sich, dass sie am 1. September 1962 als Studentin des ersten Studienjahres an der Fakultät für Geschichte und Philologie immatrikuliert wurde. Weiter ergibt sich, dass sie am 25. September 1962 als Leiterin im allgemeinen Sektor des Komitees der Komsomolzen an der K Staatlichen Universität eingestellt wurde. Am 4. November 1963 wurde sie von dieser Dienststelle wegen des Studiums an der Universität befreit. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 8 und 11 der Gerichtsakten verwiesen.
Im Versicherungsverlauf vom 29. November 2004 erkannte die Beklagte die Zeit vom 1. September 1962 bis 31. August 1963 als Zeit der Hochschulausbildung (12 Monate) an. Mit Bescheid vom 13. März 2006 nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch/Sechstes Buch (SGB VI) stellte die Beklagte die streitige Zeit entsprechend fest.
Unter dem 5. Mai 2011 bat die Klägerin um Überprüfung des Versicherungsverlaufes. Während der Zeit vom 1. September 1962 bis 31. August 1963 habe sie gearbeitet und gleichzeitig ein Abendstudium absolviert. In dieser Zeit habe sie von Montag bis einschließlich Samstag jeweils acht Stunden gearbeitet. Ihr Arbeitsweg habe 30 Minuten gedauert. Der zeitliche Aufwand für ihr Abendstudium habe von Montag bis Freitag täglich vier bis fünf Stunden betragen. Hinzu komme eine häusliche Vorbereitungszeit von zirka zehn bis zwölf Stunden wöchentlich. Der Weg zur Universität habe zweieinhalb Stunden wöchentlich in Anspruch genommen. Sie bitte um Übersendung eines Bescheides, dass diese Zeit nicht als Ausbildungszeit anerkannt werde, da nur dann der l Rententräger dieses Jahr der Beschäftigungszeit anerkenne.
Mit Bescheid vom 16. Juni 2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 28. September 1999 ab (das Datum dürfte ein Schreibfehler sein). Die im Schreiben vom 5. Mai 2011 dargelegten Sachverhalte seien nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu treffen. Bei der Rentenberechnung seien alle nachgewiesenen bzw. glaubhaft gemachten Beitragszeiten, Ersatzzeiten und Anrechnungszeiten berücksichtigt worden. Die Berücksichtigung der Anrechnungszeit für den Zeitraum ab 1. September 1962 sei von ihr beantragt und von der Rentenversicherung anerkannt worden. Allein der Wunsch, eine Anrechnungszeit zu löschen, damit ein anderer Versicherungsträger für diesen Zeitraum eine Beitragszeit anerkenne, lasse nicht zu, einen bereits bindend gewordenen Bescheid zurückzunehmen. Zudem habe der l Versicherungsträger auch Beitragszeiten bestätigt, die in dem Zeitraum des Hochschulbesuchs ab dem 1. September 1963 lägen. Dem hiergegen gerichteten Widerspruch blieb mit zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 13. September 2011 der Erfolg versagt. Die Bescheide wurden bestandskräftig.
Unter dem 11. September 2014 sprach die Klägerin erneut bei der Beklagten vor. Sie machte geltend, dass die Angaben im Vermerk vom 5. November 2011 nicht der Wahrheit entsprochen hätten. Eine Fortsetzung des Studiums im Abendstudium sei nicht erfolgt. Als Nachwies diene das Diplom Nr. 174609, aus dem hervorgehe, dass sie erst im Jahre 1963 an der Staatsuniversität von K immatrikuliert worden sei. Beigefügt war das Diplom, aus dem sich ergibt, dass sie im Jahre 1963 an der Staatsuniversität von K immatrikuliert und im Jahre 1967 den vollen Kurs der genannten Universität im Fachbereich Journalistik abgeschlossen habe.
Mit Bescheid vom 18. Dezember 2014 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 13. September 2011 ab. Die Überprüfung dieses Bescheides habe ergeben, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die bei der Vorsprache am 11. September 2014 dargelegten Sachverhalte seien nicht geeignet, eine günstigere Entscheidung zu treffen. In der Zeit vom 1. September 1962 bis 31. August 1963 habe sich die Klägerin in Hochschulausbildung befunden. Bei ihrer Vorsprache in der Auskunfts- und Beratungsstelle B habe sie Angaben zum zeitlichen Umfang der Ausbildung gemacht, aus denen hervorgehe, dass der wöchentliche Aufwand mehr als 20 Stunden betragen habe. Damit seien diese Zeiten korrekt als Zeiten der Hochschulausbildung im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI berücksichtigt worden. Eine Herausnahme einer Zeit aus einem bereits bindend gewordenen Bescheid mit dem Ziel, dass ein ausländischer Versicherungsträger diese Zeiten als Beitragszeiten berücksichtige, sei nicht möglich.
Dem hiergegen gerichteten Widerspruch blieb mit zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015 der Erfolg versagt. Zur Begründung ist zusätzlich ausgeführt, dass die Berücksichtigung der streitigen Zeit auch als Beitragszeit nicht möglich sei, da die Klägerin nicht zum berechtigten Personenkreis des § 1 Fremdrentengesetz gehöre. Außerdem fehle es an der Voraussetzung nach § 1 Buchstabe b Fremdrentengesetz, nach der der Versicherungsträger des Herkunftslandes aufgrund der Kriegsauswirkungen nicht mehr in Anspruch genommen werden könne. Die Klägerin habe Ansprüche gegen den l Versicherungsträger.
Mit der hiergegen zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und eine Auskunft der Staatlichen Versicherungsagentur in L, Abteilung der Internationalen Dienste, Rentenabteilung, vom 4. September 2015 vorgelegt. Darin wird die Auffassung vertreten, dass gemäß der Verordnung des Europäischen Parlaments und Rates (EG) 987/2009 und der Verordnung (EG) 883/2004 zur Koordinierung der Sozialversicherungssysteme bei der Bewilligung der staatlichen Rente jegliche Versicherungszeiträume nicht berücksichtigt würden, wenn diese bei der Rentenbewilligung eines anderen Staates schon berücksichtigt worden seien. Daher gebe es keine Grundlage, den Versicherungszeitraum zu vervollständigen und den Arbeitszeitraum vom 1. September 1962 bis 31. August 1963 anzuerkennen. Die Beklagte machte demgegenüber geltend, dass Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 das Zusammentreffen von Beitragszeiten mit gleichgestellten Versicherungszeiten (hier der Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung) regele. In diesen Fällen werde nur die Beitragszeit berücksichtigt, während die gleichgestellte Zeit unberücksichtigt bleibe. Die Auskunft des l Versicherungsträgers vom 4. September 2015 sei aus diesem Grunde entweder unzutreffend oder es lägen gar keine verdrängenden Beitragszeittatbestände vor.
Unter dem 18. Juni 2015 erließ die Beklagte einen Rentenbescheid, in dem sie die hier angegriffene Regelung wiederholte.
Mit Gerichtsbescheid vom 1. März 2016 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei unzulässig. Die Klägerin habe vor dem Hintergrund von Art. 12 Abs. 4 der Verordnung des Europäischen Parlaments und Rates (EG) 987/2009 vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit kein Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage. Die genannte Vorschrift regele das Zusammentreffen von Beitragszeiten mit gleichgestellten Versicherungszeiten – hier Anrechnungszeiten – und laute wie folgt:
Fällt eine nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates zurückgelegte Versicherungs- oder Wohnzeit, die keine gleichgestellte Zeit ist, mit einer gleichgestellten Zeit zusammen, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedsstaates zurückgelegt wurde, so werde nur die Zeit berücksichtigt, die keine gleichgestellte Zeit sei.
Aus der Erfassung der Anrechnungszeit vom 1. September 1962 bis 31. August 1963 in dem Versicherungsverlauf der Beklagten erwüchsen der Klägerin damit auch in Bezug auf Rentenansprüche gegen den l Rentenversicherungsträger keine Nachteile. Die Kammer halte die von der Klägerin vertretene Rechtsauffassung, wonach der l Rentenversicherungsträger die Beschäftigungszeit der Klägerin beim Komsomol nur dann berücksichtigen könne, wenn diese Zeit nicht in dem bei der Beklagten geführten Versicherungsverlauf erscheine, für unzutreffend. Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung durch den deutschen Rentenversicherungsträger verdrängten gerade nicht eine zeitgleiche Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten durch den l Rentenversicherungsträger.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 4. März 2016 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung vom 10. März 2016.
Einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung vom 1. April 2016 im Hinblick auf den vom Sozialgericht beschiedenen Antrag hat dieses mit Beschluss vom 2. Mai 2016 abgelehnt.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Klageverfahren und beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 1. März 2016 und den Bescheid vom 18. Dezember 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2015 aufzuheben sowie den Rentenbescheid vom 18. Juni 2015 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 28. September 1999 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Juni 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2011 die als Anrechnungszeit erfasste Zeit vom 1. September 1962 bis zum 31. August 1963 aus dem Versicherungsverlauf der Klägerin herauszunehmen, hilfsweise den Versicherungsverlauf dahingehend zu korrigieren, dass die Zeit vom 1. September 1962 bis zum 31. August 1963 als ausländische Pflichtbeitragszeit ggf. ohne Anrechnung festgestellt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, der unter dem 18. Juni 2015 im Klageverfahren erlassene Bescheid über die Gewährung von Regelaltersrente, der nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei, sei auch im Hinblick auf die Berücksichtigung der streitigen Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung nicht zu beanstanden.
Aus einem Beschluss vom 14. August 2009 der Staatlichen Versicherungsagentur, Abteilung der Internationalen Dienste L, R, ergibt sich, dass die Rente 103 Lati und 20 Santimi betrage. Der beigefügten Berechnung der Versicherungsdauer ist zu entnehmen, dass die fragliche Zeit nicht als Beschäftigungszeit anerkannt wurde.
Der Senat hat eine Probeberechnung der Beklagten über die Folgen der Herausnahme der streitigen Zeit aus dem Versicherungsverlauf angefordert. Aus der Probeberechnung vom 9. Dezember 2016 ergaben sich dadurch eine geringfügige Minderung der laufenden Rente und eine Überzahlung für die Zeit vom 1. Mai 2015 bis zum 31. Dezember 2016 in Höhe von 4,16 Euro.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und die Gerichtsakten verwiesen. Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist allein noch der im Klageverfahren ergangene Rentenbescheid vom 18. Juni 2015 mit der darin erfolgten Anerkennung des Zeitraums vom 1. September 1962 bis 31. August 1963. Der Rentenbescheid hat die bescheidmäßig erteilten Versicherungsverläufe ersetzt (§ 96 SGG). Der Regelungsgehalt der Bescheide nach § 149 Abs. 5 SGB VI hat sich damit erledigt. Angefochten bleibt allein der ersetzende Rentenbescheid.
Der Bescheid vom 18. Juni 2015 erweist sich im Hinblick auf die Anerkennung der Zeit vom 1. September 1962 bis 31. August 1963 als rechtswidrig. Er verletzt auch eigene Rechte der Klägerin aus Art. 12 Abs. 4 der Verordnung des Europäischen Parlaments und Rates (EG) 987/2009 vom 16. September 2009.
Die erhobene Klage ist als Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG zulässig, insbesondere ist die Klägerin klagebefugt.
Die Klagebefugnis zur Anfechtungsklage ist nach der sogenannten Möglichkeitstheorie (ständige Rechtsprechung, BSGE 84, 67, 69) dann gegeben, wenn die Verletzung eigener Rechte (formelle Beschwer) geltend gemacht wird. Diese formelle Beschwer setzt die Behauptung eines Klägers voraus, der Verwaltungsakt sei rechtswidrig und er sei durch diesen in seinen rechtlich geschützten Interessen verletzt. Es genügt, dass der Kläger die Beseitigung einer in seine Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme anstrebt, von der er behauptet, sie sei nicht rechtmäßig. Im Hinblick auf die notwendige Geltendmachung der Verletzung eigener rechtlich geschützter Interessen darf die einschlägige in Bezug genommene Rechtsnorm nicht nur dem allgemeinen Interesse dienen, sondern muss auch den Schutz der Rechtssphäre des einzelnen bezwecken (Schutznormtheorie). Ein Eingriff in sogenannte Reflexrechte, die auf Normen beruhen, welche ausschließlich dem öffentlichen Interesse dienen sollen und nur als Nebenwirkung dem Individualinteresse zugute kommen, ohne dass die Norm dies beabsichtige, reicht nicht aus. Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Klage genügt es insoweit aber, dass eine rechtlich anerkannte Rechtsposition des Klägers nicht ausgeschlossen werden kann.
In diesem Zusammenhang greift es nach Auffassung des Senates zu kurz, die Verletzung eigener Rechte durch einen belastenden Verwaltungsakt nur im Hinblick auf die nationale Norm für die Anerkennung von Anrechnungszeiten (§ 58 SGB VI) zu prüfen. Insoweit ist zuzugeben, dass die angefochtene von der Beklagten getroffene Entscheidung über die Anerkennung einer Anrechnungszeit allein eine Begünstigung darstellt, so dass zunächst die Verletzung eigener Rechte durch einen belastenden Verwaltungsakt auszuscheiden scheint. Der Umstand, dass allein eine Begünstigung vorliegt, ergibt sich aus der Probeberechnung, die der Senat angefordert hat, und die bei Herausnahme der streitigen Zeit eine geringere Rentenzahlung und einen Erstattungsbetrag von 4,16 Euro ergibt.
Allerdings kann die Verletzung eigener Rechte nicht nur auf nationalen Normen, sondern auch auf internationalen Normen beruhen. Art. 12 Abs. 4 der Verordnung des Europäischen Parlaments und Rates (EG) Nr. 987/2009 vom 16. September 2009 schreibt vor diesem Hintergrund aber eindeutig vor, dass eine Beschäftigungszeit eine sogenannte Gleichstellungszeit hier eine Anrechnungszeit verdrängt. Diese Rechtsansicht teilt auch die Beklagte. Sie ist aber anscheinend der Auffassung, dass die Anrechnung der Hochschulzeit hier deshalb erfolgen könne, weil der insoweit für die Beschäftigungszeit zuständige l Versicherungsträger diese Zeit nicht anerkennt, während der l Träger wiederum der Ansicht ist, er könne die Beschäftigungszeit nicht anerkennen, weil der deutsche Träger die Hochschulzeit anerkannt habe.
Der Senat ist der Auffassung, dass die genannte Norm nicht nur internationales "Ordnungsrecht" darstellt, sondern auch Rechtspositionen des einzelnen Versicherten in Rentenbezugsfällen im internationalen Zusammenhang regeln will. Im Rahmen des Zusammenwachsens der Europäischen Union ergibt sich gerade auch im Hinblick auf in verschiedenen Staaten zurückgelegte Versicherungszeiten ständig Regelungsbedarf. Geregelt werden soll dabei nach Auffassung des Senats aber nicht nur staatliche Ordnung, vielmehr geht es um den Schutz sozialer Rechte in Sachverhalten mit internationalen Bezügen. Vor diesem Hintergrund hat der Senat keinen Zweifel, dass sich auch die Klägerin auf die Norm des Art. 12 Abs. 4 EG Verordnung Nr. 987/2009 berufen kann.
Damit steht für den Senat fest, dass durch die Anerkennung der Hochschulausbildung als Anrechnungszeit durch die Beklagte die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte der Klägerin gegeben ist.
Die Anfechtungsklage ist vor diesem Hintergrund zulässig.
Die Klage ist auch begründet.
Der Beklagten ist zunächst zuzugeben, dass die Anerkennung der Hochschulzeit vom 1. September 1962 bis 31. August 1963 nach nationalem Recht keinen Bedenken begegnet. Soweit die Beklagte in den zunächst angefochtenen Bescheiden ausgeführt hatte, die Anerkennung einer Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI erscheine rechtmäßig, ist dies nicht zu beanstanden. Auch der Senat geht davon aus, dass die Voraussetzungen der Anerkennung der Anrechnungszeit nach nationalem Recht vorliegen. Dies ergibt sich bereits aus dem r Arbeitsbuch, in dem festgehalten ist, dass die Klägerin als Studentin des ersten Studienjahres zum 1. September 1962 immatrikuliert wurde. Die Exmatrikulation erfolgte erst zum 1. August 1967. Soweit die Klägerin im späteren Verlauf geltend gemacht hat, sie habe in diesem Jahr entgegen ihrem bisherigen Vortrag nicht studiert, sondern nur gearbeitet, erscheint dies dem Senat als Schutzbehauptung zur Durchsetzung ihrer allerdings begründeten Rechte. Denn weder dem Arbeitsbuch noch den früheren Angaben der Klägerin ist zu entnehmen, dass das Studium nicht neben der Tätigkeit beim Komsomol durchgeführt wurde. Die Befreiung zum 4. November 1963 spricht vielmehr dafür, dass hier letztendlich eine Doppelbelastung vorgelegen hat, der durch Aufgabe der Tätigkeit entgegengewirkt werden sollte.
Dies kann letztlich aber dahingestellt bleiben, da die Anerkennung dieser Zeit durch die Beklagte europäischem Recht widerspricht. Nach dem vorgelegten Arbeitsbuch kann nicht zweifelhaft sein, dass die Klägerin vom 25. September 1962 bis zum 3. November 1963 als Leiterin im allgemeinen Sektor des Komitees der Komsomolzen an der K Staatlichen Universität eingestellt war. Auch wenn dem Arbeitsbuch keine Zeiten zu entnehmen sind, geht der Senat entsprechend den Angaben der Klägerin von einer vollschichtigen Beschäftigung aus. Dem entspricht, dass im Diplom der Universität K dann auch davon die Rede ist, dass die Klägerin im Jahre 1963 immatrikuliert wurde. Der Senat verkennt nicht, dass zwischen dem Arbeitsbuch und dem Diplom ein gewisser Widerspruch besteht. Allerdings erscheinen die Angaben im Arbeitsbuch belastbarer, da in diesem Datum, Angaben über Einstellung und Versetzung mit Angabe von Gründen und die Grundlage der jeweiligen Eintragung ausführlich genannt sind.
Der Senat ist auch der Auffassung, dass die Klägerin nicht darauf beschränkt ist, ihre Rechte auf Anerkennung der Beschäftigungszeit nur beim l Sozialversicherungsträger geltend zu machen. Zweifellos erscheint es dem Senat nach Art. 12 Abs. 4 EG Verordnung Nr. 987/2009 zutreffend, dass der l Versicherungsträger die Beschäftigungszeit anzuerkennen gehabt hätte und dies dann zu einer Verdrängung der Hochschulzeit bei der Beklagten geführt hätte. Dies räumt auch die Beklagte ein, die die Auskunft des l Trägers, eine Anerkennung könne nur erfolgen, wenn keine deutsche Zeit anerkannt sei, für unzutreffend hält.
Die nach Auffassung des Senats unzutreffende Entscheidung des l Versicherungsträgers entbindet die Beklagte aber nicht davon, selbst eine rechtmäßige Entscheidung zu treffen.
Danach kann es aber – wie oben ausgeführt – keinem Zweifel unterliegen, dass die Beschäftigungszeit als Komsomol die Anrechnungszeit der Hochschulausbildung verdrängt und diese in Deutschland nicht anzuerkennen war, weil der l Träger diese Zeit anzuerkennen hat.
Dies ändert zwar nichts daran, dass die Klägerin die Anerkennung der Beschäftigungszeit beim l Versicherungsträger durchsetzen muss. Andererseits hindert dieser Zwang zur Durchsetzung beim l Träger die Klägerin nicht, die unzutreffende Entscheidung der Beklagten in Deutschland anzugreifen.
Der Senat verkennt insoweit nicht, dass es wohl nicht zu einem Rechtsstreit gekommen wäre, wenn der l Träger sich entsprechend der europäischen Norm verhalten hätte. Dies kann aber im Ergebnis ein Vorgehen gegen die Beklagte nicht hindern, wenn auch deren Entscheidung gegen geltendes europäisches Recht verstößt.
Insoweit ist der Situation prozessual Rechnung zu tragen, dass die Klägerin hier nicht beide Träger in einem Rechtsstreit in Anspruch nehmen kann. Dies gilt schon deshalb, weil die deutsche Sozialgerichtsbarkeit nicht über die Rechtmäßigkeit l Bescheide entscheiden kann.
Der Anfechtungsklage war damit stattzugeben. In diesem Zusammenhang ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Anerkennung der Hochschulanrechnungszeit für die Klägerin eine mit der Anfechtungsklage angreifbare Belastung und nicht etwa nur eine Begünstigung darstellt. Denn ob eine Belastung oder eine Begünstigung vorliegt, ist allein anhand der Norm zu entscheiden, auf die die Möglichkeit der Rechtsverletzung gestützt wird. Diese Norm ist vorliegend Art. 12 Abs. 4 EG Verordnung Nr. 987/2009. Und diese Norm schreibt vor, dass eine Hochschulzeit im Falle der Klägerin gerade nicht anzuerkennen ist. In diesem Zusammenhang stellt die Anerkennung nach Auffassung des Senats eine Belastung dar, die mit der Anfechtungsklage anfechtbar sein muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Auch wenn der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, dass Fallgestaltungen wie die hier zugrunde liegende häufiger vorkämen und soweit ersichtlich auch höchstrichterlich noch nicht entschieden seien, begründet dies noch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Denn hier hat der lettische Träger europäisches Recht nach Auffassung des Senats unzutreffend angewandt. Dies kann für vergleichbare Fallgestaltungen nicht unterstellt werden, so dass hier letztlich eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung vorliegt.
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