Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 193 AS 10952/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 AS 1907/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. September 2017 aufgehoben.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 24. August 2017 bis zum 31. August 2017 Leistungen i.H.v. 97,06 EUR und für die Zeit ab 1. September 2017 - längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache bzw. bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts - i.H.v. 415,95 EUR zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Einstellung der Zahlung der mit Bescheid vom 13. März 2017 gewährten Leistungen.
Der Antragsgegner bewilligte dem 1967 geborenen Antragsteller auf seinen Antrag vom 10. März 2017 mit Bescheid vom 13. März 2017 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. April 2017 bis zum 31. März 2018. Hierbei gewährte der Antragsgegner einen Regelbedarf, einen Mehrbedarf sowie die Kosten der Unterkunft, denen er das Einkommen des Antragstellers aus Kindergeld für zwei Kinder gegenüberstellte.
Auf einen Hinweis, dass sich der Antragsteller überwiegend bei seiner Familie (Frau und zwei Kinder) in Marokko aufhalte und nicht im Bundesgebiet, stellte der Antragsgegner die Zahlung von Leistungen vorläufig gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 331 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) ein, informierte den Antragsteller hierüber mit Schreiben vom 12. Mai 2017 und teilte gleichzeitig mit, dass die vorläufig eingestellten laufenden Leistungen unverzüglich nachgezahlt würden, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergebe, zwei Monate nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werde.
Mit Bescheid vom 4. Juli 2017 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 13. März 2017 für die Zeit ab 1. Juni 2017 ganz auf und führte zur Begründung unter anderem aus, der Antragsteller sei für den Antragsgegner nicht ausreichend erreichbar, so dass der gewöhnliche Aufenthalt unklar sei. Auf diesem Bescheid ist ein Stempel aufgebracht, in dem mittels Ankreuzen dokumentiert werden könnte, ob dieser lokal oder zentral versandt oder persönlich ausgehändigt worden ist. Der Stempel ist nicht ausgefüllt.
Am 24. August 2017 beantragte der Antragsteller die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Mit Schreiben vom 6. September 2017 bestritt der Antragsteller, eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 13. März 2017 zum 1. Juni 2017 erhalten zu haben.
Mit Beschluss vom 8. September 2017 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen aus dem Bescheid vom 13. März 2017, da der Antragsgegner diesen mit Bescheid vom 4. Juli 2017 aufgehoben habe.
Gegen den ihm am 8. September 2017 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 8. September 2017 Beschwerde bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Er habe zwar die Bewilligungsbescheide und auch die vorläufige Zahlungseinstellung erhalten. Eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides zum 1. Juni 2017 sei ihm dagegen nicht zugegangen.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. September 2017 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig für die Zeit ab Antragstellung bei Gericht bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens für die Dauer von sechs Monaten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zu bewilligen und auszuzahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass der Bescheid vom 13. März 2017 mit bestandskräftigem Aufhebungsbescheid vom 4. Juli 2017 aufgehoben worden sei. Insoweit habe der Antragsteller auch mit Schreiben vom 6. September 2017 eingeräumt, dass er die Post des Antragsgegners erhalten habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und den der Verwaltungsakte des Antragsgegners.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen für die Zeit ab Eingang des Antrags beim Sozialgericht, mithin ab 24. August 2017 im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (sog. Anordnungsanspruch) und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (sog. Anordnungsgrund). Der geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind. Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung, bzw. wenn diese wegen notwendiger Ermittlungen im Eilrechtsschutzverfahren nicht durchführbar ist, eine Folgenabwägung erforderlich, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt (BVerfG Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 Rn 23 - Breith 2005, 803, vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 11. Aufl. 2014, § 86 b Rn. 29, 29a). Dabei ist auch bei Vornahmesachen einstweiliger Rechtsschutz jedenfalls dann zu gewähren, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002, Az. 1 BvR 1586/02, zitiert nach juris, m. w. N.).
Unter Beachtung dieser Vorgaben besteht ein Anspruch des Antragstellers auf die Gewährung einstweiligen Rechtschutzes, denn ihm stehen für die Zeit ab 24. August 2017 Leistungen nach dem SGB II - entsprechend der Leistungsgewährung aus dem Bescheid vom 13. März 2017 - zu.
Zwar hat auch der Senat erhebliche Zweifel daran, dass sich der Antragsteller tatsächlich im Bundesgebiet aufhält, auch wenn der Antragsgegner die zunächst geplanten Ermittlungen seines Außendienstes soweit ersichtlich jedenfalls bisher nicht durchgeführt hat. Indiz dafür, dass der Antragsteller sich tatsächlich nicht im Bundesgebiet aufgehalten hat, könnte beispielsweise sein, dass die von ihm auf Aufforderung des Senats überreichten Kontoauszüge keinerlei Abhebungen oder Kartenzahlungen enthalten, die - jedenfalls einen gewissen - Aufschluss über seinen tatsächlichen Aufenthaltsort geben könnten. Insofern könnte es gegebenenfalls gerechtfertigt sein, weitere Ermittlungen zum tatsächlichen Aufenthaltsort des Antragstellers durchzuführen, um zu klären, ob ihm Leistungen in der Zukunft zustehen oder in der Vergangenheit zugestanden haben.
Diese Zweifel des Senats ändern jedoch nichts daran, dass der Antragsgegner nicht innerhalb der in § 331 Abs. 2 SGB III vorgesehenen Frist von zwei Monaten nach vorläufiger Zahlungseinstellung den Bescheid vom 13. März 2017 aufgehoben hat. Soweit er dies mit dem Bescheid vom 4. Juli 2017 getan hat, fehlt es hinsichtlich dieses Bescheides an dem Nachweis einer Bekanntgabe an den Antragsteller.
Gemäß § 37 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Das heißt grundsätzlich hätte der Antragsgegner dem Antragsteller den Bescheid vom 4. Juli 2017 bekannt geben müssen. Gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt jedoch gemäß S. 3 dieser Vorschrift nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
Der Antragsteller hat den Zugang des Bescheides vom 4. Juli 2017 bestritten. Soweit der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren vorgetragen hat, der Antragsteller habe den Zugang eingeräumt, irrt er. Zwar hat der Antragsteller eingeräumt, die Bewilligungsbescheide und das Schreiben hinsichtlich der vorläufigen Zahlungseinstellung erhalten zu haben. Dass er auch den Aufhebungsbescheid vom 4. Juli 2017 erhalten habe, hat er jedoch im erstinstanzlichen Verfahren gerade nicht eingeräumt und im Beschwerdeverfahren ausdrücklich bestritten.
Vorliegend greift auch nicht die Fiktionswirkung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X. Voraussetzung für das Eingreifen der Bekanntgabefiktion ist die Feststellung des Zeitpunktes, zu dem der maßgebende Verwaltungsakt zur Post gegeben wurde. Regelmäßig erfolgt die Dokumentation durch einen Vermerk in den Verwaltungsakten, wann der Bescheid zur Post gegeben worden ist. Fehlt ein entsprechender Vermerk über den Tag der Postaufgabe, tritt grundsätzlich keine Bekanntgabefiktion ein (vgl. BSG, Urteil vom 03. März 2009, B 4 AS 37/08 R, zitiert nach juris).
Vorliegend ist kein Vermerk angebracht worden. Der auf dem Bescheid angebrachte Stempel hinsichtlich der Frage, ob dieser lokal oder zentral versandt oder persönlich übergeben worden ist, ist vielmehr nicht ausgefüllt, nicht mit einem Datum und auch nicht mit einem Kürzel versehen worden. Es befindet sich somit bereits kein Vermerk über die Aufgabe des Bescheides zur Post auf diesem, so dass vorliegend die Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X nicht greift.
Der Senat nimmt wegen der Unwägbarkeiten des Sachverhalts im Hinblick auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens in Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in vergleichbaren Fällen regelmäßig einen Abschlag in Höhe von 20 % vor, so dass sich ausgehend hiervon für die Zeit vom 24. August 2017 bis zum 31. August 2017 Leistungen i.H.v. 97,06 EUR (519,94 EUR: 30 Tage x 7 Tage:100 x 80) und für die Zeit ab 1. September 2017 - längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache bzw. bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts - i.H.v. 415,95 EUR (519,95 EUR: 100 x 80) ergeben.
Nach alledem ist auf die Beschwerde des Antragsgegners der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. September 2017 aufzuheben. Ihm sind Leistungen wie aus dem Tenor ersichtlich zu gewähren.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zum Bundessozialgericht nicht statthaft (§ 177 SGG).
Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 24. August 2017 bis zum 31. August 2017 Leistungen i.H.v. 97,06 EUR und für die Zeit ab 1. September 2017 - längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache bzw. bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts - i.H.v. 415,95 EUR zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Einstellung der Zahlung der mit Bescheid vom 13. März 2017 gewährten Leistungen.
Der Antragsgegner bewilligte dem 1967 geborenen Antragsteller auf seinen Antrag vom 10. März 2017 mit Bescheid vom 13. März 2017 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. April 2017 bis zum 31. März 2018. Hierbei gewährte der Antragsgegner einen Regelbedarf, einen Mehrbedarf sowie die Kosten der Unterkunft, denen er das Einkommen des Antragstellers aus Kindergeld für zwei Kinder gegenüberstellte.
Auf einen Hinweis, dass sich der Antragsteller überwiegend bei seiner Familie (Frau und zwei Kinder) in Marokko aufhalte und nicht im Bundesgebiet, stellte der Antragsgegner die Zahlung von Leistungen vorläufig gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 331 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) ein, informierte den Antragsteller hierüber mit Schreiben vom 12. Mai 2017 und teilte gleichzeitig mit, dass die vorläufig eingestellten laufenden Leistungen unverzüglich nachgezahlt würden, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergebe, zwei Monate nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werde.
Mit Bescheid vom 4. Juli 2017 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 13. März 2017 für die Zeit ab 1. Juni 2017 ganz auf und führte zur Begründung unter anderem aus, der Antragsteller sei für den Antragsgegner nicht ausreichend erreichbar, so dass der gewöhnliche Aufenthalt unklar sei. Auf diesem Bescheid ist ein Stempel aufgebracht, in dem mittels Ankreuzen dokumentiert werden könnte, ob dieser lokal oder zentral versandt oder persönlich ausgehändigt worden ist. Der Stempel ist nicht ausgefüllt.
Am 24. August 2017 beantragte der Antragsteller die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Mit Schreiben vom 6. September 2017 bestritt der Antragsteller, eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 13. März 2017 zum 1. Juni 2017 erhalten zu haben.
Mit Beschluss vom 8. September 2017 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen aus dem Bescheid vom 13. März 2017, da der Antragsgegner diesen mit Bescheid vom 4. Juli 2017 aufgehoben habe.
Gegen den ihm am 8. September 2017 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 8. September 2017 Beschwerde bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Er habe zwar die Bewilligungsbescheide und auch die vorläufige Zahlungseinstellung erhalten. Eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides zum 1. Juni 2017 sei ihm dagegen nicht zugegangen.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. September 2017 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig für die Zeit ab Antragstellung bei Gericht bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens für die Dauer von sechs Monaten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zu bewilligen und auszuzahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass der Bescheid vom 13. März 2017 mit bestandskräftigem Aufhebungsbescheid vom 4. Juli 2017 aufgehoben worden sei. Insoweit habe der Antragsteller auch mit Schreiben vom 6. September 2017 eingeräumt, dass er die Post des Antragsgegners erhalten habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und den der Verwaltungsakte des Antragsgegners.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen für die Zeit ab Eingang des Antrags beim Sozialgericht, mithin ab 24. August 2017 im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (sog. Anordnungsanspruch) und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (sog. Anordnungsgrund). Der geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind. Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung, bzw. wenn diese wegen notwendiger Ermittlungen im Eilrechtsschutzverfahren nicht durchführbar ist, eine Folgenabwägung erforderlich, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt (BVerfG Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 Rn 23 - Breith 2005, 803, vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 11. Aufl. 2014, § 86 b Rn. 29, 29a). Dabei ist auch bei Vornahmesachen einstweiliger Rechtsschutz jedenfalls dann zu gewähren, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002, Az. 1 BvR 1586/02, zitiert nach juris, m. w. N.).
Unter Beachtung dieser Vorgaben besteht ein Anspruch des Antragstellers auf die Gewährung einstweiligen Rechtschutzes, denn ihm stehen für die Zeit ab 24. August 2017 Leistungen nach dem SGB II - entsprechend der Leistungsgewährung aus dem Bescheid vom 13. März 2017 - zu.
Zwar hat auch der Senat erhebliche Zweifel daran, dass sich der Antragsteller tatsächlich im Bundesgebiet aufhält, auch wenn der Antragsgegner die zunächst geplanten Ermittlungen seines Außendienstes soweit ersichtlich jedenfalls bisher nicht durchgeführt hat. Indiz dafür, dass der Antragsteller sich tatsächlich nicht im Bundesgebiet aufgehalten hat, könnte beispielsweise sein, dass die von ihm auf Aufforderung des Senats überreichten Kontoauszüge keinerlei Abhebungen oder Kartenzahlungen enthalten, die - jedenfalls einen gewissen - Aufschluss über seinen tatsächlichen Aufenthaltsort geben könnten. Insofern könnte es gegebenenfalls gerechtfertigt sein, weitere Ermittlungen zum tatsächlichen Aufenthaltsort des Antragstellers durchzuführen, um zu klären, ob ihm Leistungen in der Zukunft zustehen oder in der Vergangenheit zugestanden haben.
Diese Zweifel des Senats ändern jedoch nichts daran, dass der Antragsgegner nicht innerhalb der in § 331 Abs. 2 SGB III vorgesehenen Frist von zwei Monaten nach vorläufiger Zahlungseinstellung den Bescheid vom 13. März 2017 aufgehoben hat. Soweit er dies mit dem Bescheid vom 4. Juli 2017 getan hat, fehlt es hinsichtlich dieses Bescheides an dem Nachweis einer Bekanntgabe an den Antragsteller.
Gemäß § 37 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Das heißt grundsätzlich hätte der Antragsgegner dem Antragsteller den Bescheid vom 4. Juli 2017 bekannt geben müssen. Gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt jedoch gemäß S. 3 dieser Vorschrift nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
Der Antragsteller hat den Zugang des Bescheides vom 4. Juli 2017 bestritten. Soweit der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren vorgetragen hat, der Antragsteller habe den Zugang eingeräumt, irrt er. Zwar hat der Antragsteller eingeräumt, die Bewilligungsbescheide und das Schreiben hinsichtlich der vorläufigen Zahlungseinstellung erhalten zu haben. Dass er auch den Aufhebungsbescheid vom 4. Juli 2017 erhalten habe, hat er jedoch im erstinstanzlichen Verfahren gerade nicht eingeräumt und im Beschwerdeverfahren ausdrücklich bestritten.
Vorliegend greift auch nicht die Fiktionswirkung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X. Voraussetzung für das Eingreifen der Bekanntgabefiktion ist die Feststellung des Zeitpunktes, zu dem der maßgebende Verwaltungsakt zur Post gegeben wurde. Regelmäßig erfolgt die Dokumentation durch einen Vermerk in den Verwaltungsakten, wann der Bescheid zur Post gegeben worden ist. Fehlt ein entsprechender Vermerk über den Tag der Postaufgabe, tritt grundsätzlich keine Bekanntgabefiktion ein (vgl. BSG, Urteil vom 03. März 2009, B 4 AS 37/08 R, zitiert nach juris).
Vorliegend ist kein Vermerk angebracht worden. Der auf dem Bescheid angebrachte Stempel hinsichtlich der Frage, ob dieser lokal oder zentral versandt oder persönlich übergeben worden ist, ist vielmehr nicht ausgefüllt, nicht mit einem Datum und auch nicht mit einem Kürzel versehen worden. Es befindet sich somit bereits kein Vermerk über die Aufgabe des Bescheides zur Post auf diesem, so dass vorliegend die Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X nicht greift.
Der Senat nimmt wegen der Unwägbarkeiten des Sachverhalts im Hinblick auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens in Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in vergleichbaren Fällen regelmäßig einen Abschlag in Höhe von 20 % vor, so dass sich ausgehend hiervon für die Zeit vom 24. August 2017 bis zum 31. August 2017 Leistungen i.H.v. 97,06 EUR (519,94 EUR: 30 Tage x 7 Tage:100 x 80) und für die Zeit ab 1. September 2017 - längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache bzw. bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts - i.H.v. 415,95 EUR (519,95 EUR: 100 x 80) ergeben.
Nach alledem ist auf die Beschwerde des Antragsgegners der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. September 2017 aufzuheben. Ihm sind Leistungen wie aus dem Tenor ersichtlich zu gewähren.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zum Bundessozialgericht nicht statthaft (§ 177 SGG).
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