L 9 KR 424/17 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 7 KR 400/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 424/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Wer (nur) Hilfstätigkeiten ausführt, ist stets abhängig beschäftigt.
2. Widersprüchliches Vorbringen kann keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes i.S.v. § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG begründen.
Die Beschwerde des Antragsstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 12. September 2017 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 18.465,40 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die nach § 172, § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragsstellers gegen den Beitragsnachzahlungsbescheid der Antragsgegnerin vom 11. Juli 2017 anzuordnen, abgelehnt. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Insbesondere ist das Sozialgericht mit Recht davon ausgegangen, dass nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des o.g. Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen können, die einen Erfolg des Widerspruchs überwiegend wahrscheinlich machen.

I. Solche Zweifel hat der Antragsteller auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht vorgebracht.

1. Unbeachtlich ist sämtliches Vorbringen des Antragsstellers, dass auf vertragliche Vereinbarungen zwischen ihm und seinen "Subunternehmern" J und B Bezug nimmt. Denn für beide hat der Antragsteller im "Fragebogen zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status (Auftraggeber)" jeweils verneint, dass (Vertrags-)Bedingungen schriftlich oder mündlich festgelegt wurden. Unter dieser Prämisse hätten überhaupt keine vertraglichen Beziehungen zwischen dem Antragsteller und den "Subunternehmern" bestanden. Davon kann indes nicht ausgegangen werden, da nicht anzunehmen ist, dass der Antragsteller ohne vertragliche Verpflichtung Zahlungen an diese Personen geleistet hätte. Allein schon die darin liegende Widersprüchlichkeit macht das auf vertragliche Vereinbarungen Bezug nehmende Vorbringen des Antragsstellers im gerichtlichen Verfahren unglaubwürdig und daher unverwertbar.

Unabhängig davon hätten vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Antragsteller und seinen o.g. Vertragspartnern nur dann Grundlage einer gerichtlichen Prüfung sein können, wenn er deren Inhalt im Einzelnen dargelegt hätte. Die bloße Behauptung, es sei ein Werkvertrag geschlossen worden, oder der Hinweis auf die "gelebten Beziehungen" – die allenfalls bei einem Abweichen von den vertraglichen Abreden von Bedeutung sein könnten – genügen nicht.

2. Ähnlich widersprüchlich – und daher unverwertbar – sind die Angaben des Antragsstellers zu einer Weisungsgebundenheit seiner o.g. Vertragspartner. Nach seinen Angaben in den beiden o.g. Fragebogen wurden beiden Vertragspartnern "Weisungen hinsichtlich der Ausführung der Arbeit erteilt". Dies ist für den Vertragspartner B, der ausweislich des Fragebogens als "Hilfsarbeiter" tätig war, auch nicht anders denkbar, weil Hilfsarbeiten grundsätzlich nur auf Anweisung verrichtet werden, jedenfalls aber durch ihre Abhängigkeit von einer "Hauptarbeit" immer nur durch eine Eingliederung in fremdbestimmte Arbeitsabläufe möglich sind.

3. Für eine Beschäftigung spricht regelmäßig, dass sich die Vergütung vornehmlich nach dem zeitlichen Umfang des geleisteten Arbeitsaufwandes richtete (hierzu BSG, Urteile vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R – und vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R –; Senat, Urteil vom 15. Dezember 2015 – L 9 KR 82/13 –; jeweils juris, m.w.N.; Rolfs, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16.A., SGB IV § 7 Rn. 14). Es ist arbeitnehmertypisch und spricht für eine Beschäftigung, wenn – wie hier – Erwerbstätigen die Vergütung unabhängig vom Ergebnis ihrer Tätigkeit und unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg des Auftraggebers zusteht.

4. Maßgebend für die Beurteilung der Versicherungspflicht sind nur die einzelnen Rechtsverhältnisse, ggf. unter Berücksichtigung einer – hier wohl nicht geschlossenen – Rahmenvereinbarung. Dies hat zur Folge, dass auf die Verhältnisse abzustellen ist, die nach Annahme des jeweiligen "Auftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden (BSG, Urteile vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R – und vom 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R –, juris). Die Frage, ob die o.g. Vertragspartner des Antragstellers berechtigt waren, einzelne "Aufträge" abzulehnen, ist demnach für die Statusbeurteilung ebenso wenig von Bedeutung wie alle anderen der Annahme der einzelnen Aufträge vorgelagerten Umstände, wie z.B. die Preisgestaltung. Insoweit unterscheidet sich die Situation der Vertragspartner nicht von der eines Arbeitnehmers, der in kurzer Abfolge eine Mehrzahl von auf kurze Zeiträume befristeter Arbeitsverträgen mit demselben oder mit unterschiedlichen Arbeitgebern abschließt: Auch ihm steht es frei, über das Eingehen oder die Ablehnung eines neuen Arbeitsverhältnisses zu entscheiden, ohne dass hierdurch die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung dieses oder der anderen Arbeitsverhältnisse beeinflusst würde (Senat, Urteil vom 14. Juni 2017 – L 9 KR 354/13 –, juris)

5. Die o.g. Vertragspartner des Antragsstellers unterlagen nach dem bisherigen Sachstand keinem unternehmerischen Risiko (zu diesem zuletzt: BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 KR 16/14 R –, juris, m.w.N.). Denn sie haben ihre eigene Arbeitskraft nicht mit der Gefahr eines finanziellen Verlustes eingesetzt. Darüber hinaus standen ihnen auch keine größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen zu. Schließlich folgt aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft nicht verwerten zu können ("Auftragsrisiko"), noch kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze. Dass die ausgeübte Erwerbstätigkeit möglicherweise wirtschaftlich nicht tragfähig ist, unterscheidet Selbständige i.Ü. nicht von Beschäftigten. Nicht zuletzt deshalb stehen beiden Gruppen ggf. ergänzende Leistungen der Grundsicherung zu.

6. Dass die Vertragspartner neben der Beschäftigung beim Antragsteller andere Auftraggeber hatten, ist für die Beurteilung des Vertragsverhältnisses mit dem Antragsteller grundsätzlich unerheblich. Wie § 8 Abs. 2 und 3 SGB IV belegen, geht der Gesetzgeber davon aus, dass mehrere Beschäftigungen und/oder selbständige Tätigkeiten parallel ausgeübt werden können (Senat, Urteil vom 14. Juni 2017 – L 9 KR 354/13 –, juris)

7. Dem Antragsteller ist zuzugeben, dass die Rechnungslegung durch die o.g. Vertragspartner nicht für eine Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch / Viertes Buch (SGB IV) spricht. Solchen formellen Umständen kommt regelmäßig jedoch nur untergeordnete Bedeutung zu.

II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 4, § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz. Hierbei hat der Senat entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung den Streitwert für das Eilverfahren auf die Hälfte des Streitwerts in der Hauptsache festgesetzt.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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