L 1 KR 426/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 2412/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 426/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. August 2015 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.805,92 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10. Dezember 2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kosten einer Behandlung im Krankenhaus.

Die Beklagte ist ein zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Krankenhaus. Vom 18. Juli 2006 bis zum 8. August 2006 befand sich der Versicherte der Klägerin J W in ihrer Abteilung Innere Medizin/ Schwerpunkt Rheumatologie zur stationären Behandlung. Die für die Behandlung gestellte Rechnung wurde von der Klägerin am 23. August 2006 zunächst vollständig beglichen.

Die Klägerin beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung der Kodierung und der Behandlungsnotwenigkeit. Der MDK zeigte die Beauftragung der Beklagten durch Schreiben vom 28. September 2006 an. Nach einer Krankenhausbegehung am 18. Januar 2008 stellte der MDK mit Gutachten vom 19. Januar 2008 fest, dass die von der Beklagten zugrunde gelegte Abrechnungs-DRG I97Z medizinisch nicht sachgerecht sei. Die Prozedur 8-983.1 könne nicht bestätigt werden, da die Mindestmerkmale "Standarisierte Befunderhebung, Bestimmung der Krankheitsaktivität, Funktionseinschränkungen am Ende des stationären Aufenthalts nicht erfüllt seien. Zudem sei eine Therapiedichte von mind. 11 Stunden pro Woche nicht belegt. Entsprechend bat die Klägerin die Beklagte durch Schreiben vom 1. Februar 2008 um eine korrigierte Rechnung.

Die Beklagte legte mit Schreiben vom 5. Februar 2008 "Widerspruch" gegen das MDK-Gutachten ein. Die Voraussetzungen für die Prozedur 8.983.1 seien gegeben. Im Hinblick auf die standardisierte Befunderhebung sei darauf zu verweisen, dass Krankheitsaktivitäts- und Funktionsparameter im Arztbrief bei Aufnahme und Entlassung einander gegenübergestellt worden seien. Der Aktivitäts-Score bei rheumatoider Arthritis könne aus der vorhandenen Dokumentation zweifelsfrei rekonstruiert werden. Bei der Berechnung der Therapiedichte seien in der ersten Woche die zeitaufwendigen Beratungen und Einweisungen nicht gewertet worden. Dies sei nicht gerechtfertigt, da dabei auch eine ergotherapeutische Behandlung im engeren Sinne durchgeführt worden sei. Der Therapiebeginn sei auf den 20. Juli 2006 zu legen, da der Versicherte erst nach Besserung des Akutzustandes ab diesem Tag in der Lage gewesen sei, die intensivierte komplexe Rheumatherapie wahrzunehmen. Für die erste Behandlungswoche ergäbe sich dann eine Behandlungszeit von 11,25 Stunden, für die zweite von 12,25 Stunden.

Der von der Klägerin dazu befragte MDK blieb am 10. Juni 2008 bei der Einschätzung aus seinem Erstgutachten. Als Therapiebeginn werde der 19. Juli 2006 gewertet, da an diesem Tag mit der physikalischen Therapie begonnen worden sei.

Mit der am 15. Dezember 2010 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 9.805,92 EUR nebst Zinsen. Dieser Betrag entspreche dem Differenzbetrag zwischen der DRG I97Z und der DRG I69Z. Die Prozedur 8-983.1 dürfe nicht kodiert werden, da einige Mindestmerkmale nicht erfüllt seien. Bei zutreffender Kodierung würde sich die DRG I69Z ergeben.

Das Sozialgericht hat die Chefärztin der Abteilung Innere Medizin III der SKlinik, Frau Dr. Ri A mit der Anfertigung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In ihrem Gutachten vom 6. Juni 2013 sowie ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 25. September 2014 ist Frau RA jeweils zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen für die Kodierung der OPS 8-983.1 gegeben seien. Der von der Beklagten dazu befragte MDK ist indessen in seinem Gutachten vom 29. August 2013 bei seiner gegenteiligen Einschätzung geblieben

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 20. August 2015 abgewiesen. Der Klägerin stehe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch nicht zu. Die für die Abrechnung einer multimodalen rheumatologischen Komplexbehandlung in der OPS 8-983.1 festgelegten Mindestvoraussetzungen seien erfüllt, auch soweit sie zwischen den Beteiligten im Streit seien. Die erforderliche Therapiedichte sei festzustellen. Es könne dahingestellt bleiben ob die Therapiedichte von 11 Stunden pro Woche bereits in der ersten Woche vom 18. bis zum 24. Juli 2006 erreicht worden sei. Jedenfalls in der zweiten Woche vom 25. bis zum 31. Juli 2006 könne die notwendige Therapiedichte von mindestens 11 Stunden festgestellt werden. In der dritten Woche vom 1. bis 8. August 2006 sei sie auch nach Auffassung des MDK gegeben. Für die zweite Woche habe bereits der MDK 10 Stunden und 30 Minuten Therapie anerkannt. Er habe aber die am 25. Juli 2006 erfolgte Einweisung in die Handgruppe mit einem Zeitaufwand von 30 Minuten nicht berücksichtigt. Aus der vorliegenden Dokumentation sei ersichtlich, dass die Handgruppe ab dem 25. Juli 2006 von Frau Bgeleitet worden sei, wohingegen am 24. Juli 2006, dem ersten Tag der Handgruppe, Frau G noch die Leiterin gewesen sei. Dies lasse es naheliegend erscheinen, dass Frau B am 25. Juli 2006 eine Einweisung gegeben habe. Zumindest aber sei die ebenfalls am 25. Juli 2006 im Umfang von 30 Minuten erfolgende Hilfsmitteleinweisung nicht berücksichtigt worden, ohne dass der MDK dafür eine Begründung gegeben hätte. Die Hilfsmittelberatung durch Ergotherapeuten gehöre aber zu dem rheumatologischen Behandlungskonzept, es handele sich um eine Maßnahme der Ergotherapie, so dass die Behandlung in der zweiten Woche den Umfang von mindestens 11 Stunden erreicht habe. Hinsichtlich des Erfordernisses eines prozessorientierten Behandlungsmanagements und des zureichenden Einsatzes von diagnosebezogenen Instrumenten habe die Gutachterin darauf hingewiesen, dass eine Beurteilung bestimmter Funktionsparameter regelmäßig erst ein halbes Jahr nach Beginn der therapeutischen Intervention sinnvoll sei. Die Mindestmerkmale wiesen selbst darauf hin, dass der Einsatz bestimmter Instrumente nicht zwingend erforderlich sei, wenn er zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht sinnvoll erscheine. Die Gutachterin habe zudem ausgeführt, dass die geführte Patientenakte ausreiche, um den Nachweis eines prozessorientierten Behandlungsmanagements mit standardisierter Befunderhebung zu erfüllen. Nicht überzeugen könne schließlich der Hinweise der Klägerin, dass es an dem unmittelbaren Beginn der Therapie fehle, weil die Versicherte bereits am 18. Juli 2006 aufgenommen worden sei, die Behandlung aber erst am 19. Juli 2006 begonnen habe. Die Gutachterin habe überzeugend darauf hingewiesen, dass nach der Aufnahme zunächst eine sorgfältige Abwägung der Therapie zu erfolgen habe und die Beklagte bereits am Aufnahmetag schmerztherapeutische Maßnahmen eingeleitet habe.

Gegen das ihr am 25. September 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. Oktober 2015 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin. Die Voraussetzungen für die Kodierung der Prozedur OPS 8-983.1 lägen nicht vor. Die Vergütungsregelungen seien streng nach ihrem Wortlaut auszulegen. Die erforderliche Therapiedichte von 11 Stunden pro Woche werde nicht erreicht. Die OPS 8-983 führe weder Pflege noch Teambesprechungen, Injektionstherapie oder Einweisung Patientenschulung explizit auf. Aus einem Vergleich mit anderen Prozeduren, wo diese Leistungen ausdrücklich genannt seien, ergebe sich, dass sie nicht Gegenstand der rheumatologischen Komplexbehandlung nach 8-983 seien. Die Prozedur erfordere eine Therapiedichte von mindestens 11 Stunden in der Woche. Eine geringere Therapiedichte sei auch in der Anfangswoche nicht vorgesehen. In der ersten Woche seien aber nur 7 Stunden und 50 Minuten Therapie erbracht worden. Damit komme es nicht mehr auf die in den beiden folgenden Wochen erreichten Behandlungszeiten an. In Bezug auf das prozessorientierte Behandlungsmanagement und die Beurteilung der Krankheitsintensität fehle es an einer standardisierten Befunderhebung. Die Bögen für die Dokumentation bei der Aufnahme seien unvollständig, am Ende des stationären Aufenthalts sei keine standardisierte Befunderhebung erfolgt. Einer Standardisierung sei nicht wesensimmanent, dass die Erhebung der Assessment Instrumente stoisch nach Schema F erfolgen müsse. Standardisierung bedeute eine Vereinheitlichung von Maßen, um einen Vorher-/Nachhervergleich zu ermöglichen. Der OPS für das Jahr 2006 enthalte auch nicht die Passage "ist der Einsatz bei einer Diagnose oder zu einem bestimmten Zeitpunkt medizinisch nicht sinnvoll, so braucht dieses Instrument nicht verwendet zu werden", auf die sich das Sozialgericht aber stütze. Es fehle auch an dem unmittelbaren Beginn der Therapie. Nach dem Kodierleitfaden sei für den Beginn der Tag der ersten Leistung maßgeblich. Das sei hier der 19. Juli 2006 gewesen. Damit sei die Voraussetzung der Unmittelbarkeit nicht erfüllt, weil die Aufnahme bereits am 18. Juli 2006 erfolgt sei. Unmittelbarkeit liege nur vor, wenn der Beginn der Behandlung zeitlich nicht von der stationären Aufnahme getrennt sei.

Die Klägerin beantragt (nach dem Sinn ihres Vorbringens),

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. August 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.805,92 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 23. August 2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend, das in Übereinstimmung mit dem eingeholten Sachverständigengutachten entschieden habe. Ein Therapiebeginn innerhalb von 24 Stunden nach Aufnahme erfülle das Kriterium eines unmittelbaren Therapiebeginns. Für die Behandlungseinheiten "Einweisung Handbad", "Einweisung Handgruppe", "ergotherapeutischer Befund" und "Hilfsmittelberatung" handele es sich nach der Stellungnahme der ergotherapeutischen Abteilung eindeutig um Einzelbehandlungen, die auf die Komplextherapie anzurechnen seien. Deswegen sei auch in der ersten Therapiewoche die Behandlungsdichte von 11 Stunden erreicht worden. Teambesprechungen seien zwar fester Bestandteil der rheumatologischen Komplextherapie, würden jedoch zeitlich nicht angerechnet. Die Injektionstherapie sei Teil der Schmerzbehandlung und der rheumatologischen Schmerztherapie, die bei der Berechnung der für die Komplextherapie aufgewandten Zeit mit zu berücksichtigen sei. Patientenschulungen und Behandlungsgruppen seien im Jahr 2006 noch als Teil der rheumatologischen Komplextherapie angerechnet worden. Die Mindesttherapiedichte werde auch ohne die Anrechnung von Schulungen erreicht. Eine standardisierte Befunderhebung unter Einsatz standardisierter und anerkannter Messinstrumente sei sowohl bei Aufnahme als auch bei Entlassung durchaus erfolgt.

Die Beteiligten haben sich beide mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Für die sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Klägerin und die von der Beklagten geführte Patientenakte Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte nach § 124 Abs. 2 SGG im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Vergütung für die stationäre Behandlung des Versicherten der Klägerin in der Zeit vom 18. Juli 2006 bis zum 08. August 2006, die den Betrag von 2.845,39 EUR übersteigt. Da die Klägerin für die Behandlung ihres Versicherten tatsächlich am 23. August 2006 an die Beklagte einen Betrag von 12.651,31 EUR gezahlt hatte, besteht in Höhe der Klageforderung von 9.805,92 EUR ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, aus dem sich die Klageforderung ergibt.

Der Zahlungsanspruch eines Krankenhauses für die Behandlung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung entsteht dem Grunde nach durch die in Übereinstimmung mit dem Leistungs- und Leistungserbringerrecht des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V) erfolgte Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. Juni 2009 – B 1 KR 24/08 R – juris Rn 15). Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass der Versicherte in der genannten Zeit einer Behandlung im Krankenhaus bedurfte.

Der Höhe nach bestimmt sich der Anspruch der Beklagten nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Gemäß § 7 Satz 1 KHEntgG werden die Leistungen der Krankenhäuser (u.a.) durch die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog abgerechnet. Diese Entgelte vergüten nach § 7 Satz 2 KHEntgG alle allgemeinen Krankenhausleistungen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen bzw. seit dem 1. Januar 2008 der Spitzenverband Bund der Krankenkassen haben dazu nach §§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG, 17b Abs. 2 KHG Fallpauschalen und ein Vergütungssystem zu vereinbaren, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage der Diagnosis Related Groups (DRG) orientiert und jährlich weiterzuentwickeln und anzupassen ist. Das Vergütungssystem der allgemeinen Krankenhausleistungen soll nach § 17 b Abs. 1 Satz 1 KHG durchgängig, leistungsorientiert und pauschalierend sein. Dieses auf Vereinbarungen zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der der Deutschen Krankenhausgesellschaft beruhende Vergütungssystem wurde nach § 17b Abs. 6 Satz 1 KHG verbindlich für alle Krankenhäuser zum 1. Januar 2004 eingeführt.

Der in Ausführung dieser gesetzlichen Verpflichtung vereinbarte Fallpauschalenkatalog einschließlich der Operation- und Prozedurenschlüssel sowie der Kodierrichtlinien ist für die Vertragsparteien bindend und streng nach dem Wortlaut auszulegen (Urteil des BSG vom 22. November 2012 – B 3 KR 1/12 R – Rn 11 mit Bezugnahme auf Urteil vom 18. September 2008 – B 3 KR 15/07 R–). Eine Vergütungsregelung, die für routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen lässt.

Die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG hat in zwei Schritten zu erfolgen: Zunächst ist die durchgeführte Behandlung entsprechend ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen nach den vorgenannten Regelungen zu verschlüsseln. Der sich ergebende Kode ist in zu diesen Zwecken entwickelte Computerprogramme (sog. Grouper) einzugeben, die dann nach bestimmten vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Kriterien die Zuordnung zu einer bestimmten DRG vornehmen. Aus dieser wird dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von dem Krankenhaus zu zahlende Vergütung berechnet (vgl. Urteil des BSG vom 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rn17-21, Urt. v. 18. September 2008 – B 3 KR 15/07 R – juris Rn16). Streitig ist zwischen den Beteiligten ausschließlich, ob für die Behandlung des Versicherten der Klägerin in der Zeit vom 18. Juli 2006 bis zum 08. August 2006 der OPS-Code 8-983.1 (Multimodale rheumatologische Komplexbehandlung, mindestens 14 bis höchstens 20 Behandlungstage) zu codieren war. Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit, dass nur wenn der OPS-Code 8-983.1 zu codieren war, der Behandlungsfall nach der DRG I97Z abzurechnen war und die Beklagte damit Anspruch auf die von ihr geltend gemachte Vergütung hatte, die von der Klägerin zunächst in voller Höhe bezahlt worden ist.

Die Voraussetzungen für die Codierung der OPS 8-983.1 lagen vorliegend nicht vor. Die für das Behandlungsjahr 2006 geltende Fassung des Operationen und Prozedurenschlüssels nennt Prozedur 8-983 Multimodale rheumatologische Komplexbehandlung mit den Mindestmerkmalen • Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung (Facharzt für Rheumatologie, Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Rheumatologie oder Facharzt für Orthopädie mit der Zusatzweiterbildung orthopädische Rheumatologie) • Einsatz von mindestens 3 Therapiebereichen: Physiotherapie/ Physikalische Therapie, Ergotherapie, Schmerztherapie, kognitive Verhaltenstherapie, Gesprächspsychotherapie in patientenbezogenen unterschiedlichen Kombinationen mit einer Therapiedichte von mindestens 11 Stunden pro Woche • Prozessorientiertes Behandlungsmanagement mit standardisierter Befunderhebung, Bestimmung der Krankheitsaktivität, der Funktionseinschränkung und des Schmerzausmaßes zu Beginn und am Ende des stationären Aufenthaltes • Zur Beurteilung der Krankheitsintensität sind diagnosebezogen folgende Instrumente einzusetzen: Disease activity score 28 (DAS 28), Funktionsfragebogen Hannover, Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index (BASDAI) oder Bath Ankylosing Spondylitis Functional Index (BASFI) • Zur Beurteilung der Schmerzintensität sind die Numerische Rating-Skala/Visuelle Analog-Skala(NRS/VAS) als Schmerzscore zu verwenden • Der unmittelbare Beginn der Schmerztherapie, Physiotherapie oder physikalischen Therapie muss gewährleistet sein

8.983.1 Mindestens 7 bis höchstens 13 Behandlungstage 8-983.1 Mindestens 14 bis höchstens 20 Behandlungstage 8-983.2 Mindestens 21 Behandlungstage

Die von der Beklagten erbrachte Behandlung war jedenfalls deswegen nicht nach 8-983-1 zu codieren, weil sie weder die Voraussetzung eines prozessorientiertes Behandlungsmanagement mit standardisierter Befunderhebung, Bestimmung der Krankheitsaktivität, der Funktionseinschränkung und des Schmerzausmaßes zu Beginn und am Ende des stationären Aufenthaltes noch die des Einsatz von mindestens drei Therapien aus den Bereichen: Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie, Schmerztherapie, kognitive Verhaltenstherapie und Gesprächspsychotherapie mit einer Therapiedichte von mindestens 11 Stunden pro Woche erfüllte. Welche Voraussetzungen eine standardisierte Befunderhebung mit Bestimmung der Krankheitsaktivität, der Funktionseinschränkung und des Schmerzausmaßes zu Beginn und am Ende des stationären Aufenthalts erfüllen muss, ergibt sich aus der OPS selbst. Diese gibt nämlich vor, dass zur Beurteilung der Krankheitsintensität zu Beginn und zum Ende des stationären Aufenthalts diagnosebezogen folgende Instrumente einzusetzen sind: Disease activity score 28 (DAS 28), Funktionsfragebogen Hannover, Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index (BASDAI) oder Bath Ankylosing Spondylitis Functional Index (BASFI) Zur Beurteilung der Schmerzintensität sind die Numerische Rating-Skala/Visuelle Analog-Skala(NRS/VAS) als Schmerzscore zu verwenden. Diesen Anforderungen genügt die von der Beklagten vorgelegte Dokumentation nicht. Die von der Beklagten vorgelegten Patientenakte enthält einen Funktionsfragebogen Hannover nur für den Tag der Entlassung. Angaben nach dem DAS 28 oder dem Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index bzw. Bath Ankylosing Spondylitis Functional Index fehlen vollständig. Auch die vom Sozialgericht beauftragte Gutachterin Dr. A bestätigt der Sache nach, dass die in der OPS 9-983 vorausgesetzte Dokumentation nur eingeschränkt vorliegt. Sie meint allerdings, dass es ausreiche, wenn die Kriterien aus der Patientenakte herausgelesen werden könnten. Zudem sei eine Beurteilung bestimmter Funktionsparameter regelmäßig ohnehin erst ein halbes Jahr nach der therapeutischen Intervention sinnvoll. Die dezidierte Erwähnung aller möglichen Funktions- und Aktivitätsparameter sei generell nicht notwendig. Damit verkennt die Sachverständige indessen die für die Prüfung der Voraussetzungen der Codierung einer bestimmten OPS maßgeblichen Maßstäbe. Es kommt auf die Einhaltung der durch den Wortlaut der OPS vorgegebenen Bedingungen an, ohne dass von diesen deswegen abgewichen werden könnte, weil die Bedingungen in der Sache nicht als medizinisch sinnvoll anzusehen sind oder ihrem Zweck auch auf andere Weise genüge getan werden kann.

Nicht erfüllt ist auch die Voraussetzung einer Therapiedichte von 11 Stunden in der Woche. Bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, dass als anzurechnende Therapien nur Behandlungen aus den Bereichen Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie, Schmerztherapie, kognitive Verhaltenstherapie und Gesprächspsychotherapie anzusehen sind. Die allgemeinen Pflegeleistungen, Vor- und Nachbesprechungen sowie Teamsitzungen können entgegen der Auffassung der Sachverständigen Dr. A ebenso wenig wie Befunderhebungen sowie Punktion und Injektion nicht als Therapieeinheiten in diesem Sinne angesehen werden. Denn es fehlt diesen Leistungen entweder die Qualität als unmittelbare Behandlung des Patienten oder die Zugehörigkeit zu den besonderen Therapieformen. Der Senat kann dem Sozialgericht auch nicht in seiner Auffassung folgen, dass es unerheblich sei, dass in der ersten Behandlungswoche die nach der OPS vorausgesetzte Behandlungsdichte von 11 Stunden in der Woche noch nicht erreicht sei. Der Wortlaut der OPS 8-983 sieht eine solche Einschränkung des Erfordernisses nicht vor. Sollte sich das Sozialgericht darauf beziehen, dass für die Abrechnung der 8-983.1 nur eine Behandlungszeit von mindestens 14 Tagen erforderlich sei, verkennt es, dass die OPS keine bestimmte Mindestdauer von Therapiestunden je Krankenhausaufenthalt vorgibt, sondern die erforderliche Behandlungsintensität an den Wochen des Aufenthalts im Krankenhaus ausrichtet. Insoweit ist aber nicht ersichtlich, inwieweit die Beklagte während der ersten Woche des stationären Aufenthalts des Versicherten Behandlungen in dem geforderten Umfang von mindestens 11 Stunden erbracht haben könnte. Das Sozialgericht hat dazu – von seinem Standpunkt aus zu Recht – nichts festgestellt, weil es der Auffassung war, dass es auf die erste Woche nicht ankomme.

Jedenfalls in der ersten Woche wird die erforderliche Behandlungsintensität nicht erreicht. Die vom Sozialgericht beauftragte Gutachterin Dr. A konnte nur deswegen eine Behandlungsdauer von 12,8 Stunden in der Woche vom 18. Juli 2006 bis zum 24. Juli 2007 bzw. 13,3 Stunden für die Woche vom 19. Juli 2006 bis zum 25. Juli 2007 feststellen, weil sie auch 135 Minuten Pflege (30 Minuten Pflegeanamnese und Einweisung durch Pflege am 18. Juli 2006 sowie vom 18. Juli 2006 bis zum 24. Juli 2006 durchschnittlich täglich 15 Minuten Patientenschulung durch drei Schichten Pflege berücksichtigt hat. Dies widerspricht aber – wie oben bereits ausgeführt – den Vorgaben der OPS 9-893. Auch die ärztliche rheumatologische Befunderhebung als solche sowie die Punktion und Injektion können nicht als besondere Behandlungen im Sinne der 8.983.1 anerkannt werden. Damit bleibt die Dauer der Behandlung unter den erforderlichen 11 Stunden, selbst wenn zusätzlich zu den vom MDK anerkannten Zeiten auch die Einweisung in das Handbad, die ergotherapeutische Patientenschulung und die Einweisung in die Handgruppe berücksichtigt werden würden.

Nach alledem war auf die Berufung der Klägerin hin das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung zu verurteilen. Zinsen sind dagegen erst ab Rechtshängigkeit zu zahlen, da nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin ihre Forderung vorher gegenüber der Beklagten bereits beziffert hätte.

Die Kostenentscheidung folgt auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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