L 1 KR 575/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 KR 828/16 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 575/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, für welche diese jeweils selbst aufzukommen haben. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht ein Prüfbescheid der Beklagten, mit welchem diese Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 846 311,53 Euro sowie Säumniszuschläge in Höhe von 538 975,50 Euro festgesetzt hat.

Der Kläger war seit 1. Dezember 1996 Inhaber eines Wachschutzunternehmens "Objektservice Z" als Einzelunternehmer.

Er hatte im Jahr 2003 sechs vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer zur Sozialversicherung angemeldet, im Jahr 2004 fünf Vollzeitbeschäftigte und drei geringfügig Beschäftigte. Im Jahr 2005 meldete der Kläger 44 Arbeitnehmer als geringfügig Beschäftigte an, 2006 einen Arbeitnehmer als Vollzeitkraft und 39 Arbeitnehmer als geringfügig Beschäftigte. Für 2007 waren zwei Arbeitnehmer als Vollzeitkräfte gemeldet, 50 als geringfügig Beschäftigte. Im Jahr 2008 waren 28 Arbeitnehmer gemeldet.

Im Jahr 2004 meldete er Lohnsteuer in Höhe von 27,25 Euro an. Er erzielte mit seinem Sicherheitsdienst 2004 einen Gesamtumsatz von 297 930,00 Euro, im Jahr 2005: 609 746,00 Euro, 2006: 561 307,00 Euro sowie 2007: 477 893,00 Euro.

Der Zoll, Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), führte gegen Dritte Ermittlungsverfahren durch, wobei bei Durchsuchungsmaßnahmen Ausgangsrechnungen der Unternehmen S Bau GmbH, W Bewehrungstechnik, Gebäudereinigung, Abbruchservice sowie L Dienstleistungen sichergestellt wurden. Gemäß diesen Rechnungen waren dem Kläger in den Jahren 2004 bis 2006 in erheblichem Umfang Arbeitnehmer für Bewachungstätigkeiten überlassen worden. Diese Rechnungen minderten den Gewinn des Klägers und sind in seine Buchführung eingeschlossen. Die Vorsteuern aus diesen Rechnungen wurden von ihm gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht. Im Rahmen weiterer Ermittlungen der Steuerfahndung ergab sich der Verdacht, dass es sich bei diesen Rechnungen um Scheinrechnungen handelt. Im weiteren Verlauf wurde daher durch das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Steuerfahndungsstelle – ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen den Kläger eingeleitet. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens wurden auf der Grundlage von Durchsuchungsbeschlüssen des Amtsgerichts Tiergarten vom 27. Januar 2008 die Wohnung und die Geschäftsräume des Klägers sowie das von ihm beauftragte Steuerbüro A R durchsucht. Hierbei wurden Stundenaufzeichnungen, Lohnlisten, Abrechnungslisten und Einsatzlisten hinsichtlich der beim Kläger beschäftigten Arbeitnehmer sichergestellt. Nach Sichtung der Unterlagen ergab sich der Verdacht, dass der Kläger Arbeitnehmer bereits früher eingesetzt hatte als er dies der Sozialversicherung meldete und dass die Arbeitnehmer wesentlich mehr Stunden gearbeitet hatten als offiziell vereinbart. Das Finanzamt äußerte den Verdacht, dass der Kläger seine Arbeitnehmer schwarz bezahlt und zur Verschleierung dieser Lohnzahlungen Abdeckrechnungen in die Buchhaltung eingebracht habe. Aufgrund eines durch die Staatsanwaltschaft Berlin beantragten Beschlusses des Amtsgerichts Tiergarten wurden die durch die Steuerfahndungsstelle sichergestellten Unterlagen durch das Hauptzollamt (HZA) Berlin übernommen. Das HZA bat mit Schreiben vom 30. Oktober 2008 die Beklagte um Ermittlung des Beitragsschadens. Es teilte darin u. a. mit, dass die in Kopie vorliegenden Stundenaufzeichnungen und Lohnlisten ausgewertet worden seien. Soweit es sich bei den dort genannten Personen um Arbeitnehmer des Klägers gehandelt habe, seien diese in der Tabelle I tabellarisch erfasst. Für die Monate März und Mai 2005 sowie September 2007 lägen Abrechnungslisten vor. Für die anderen Monate seien die Arbeitsstunden anhand der Einsatzlisten ermittelt worden. Gemäß den Angaben des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen sei bekannt, dass den Arbeitnehmern ein Stundenlohn von 5,00 EUR gezahlt worden sei. Es sei daher in diesen Fällen der Lohn mit diesem Stundenlohn berechnet worden. Zusätzlich seien die Arbeitnehmer tabellarisch erfasst worden, die laut Auszahlungslisten Geld bekommen hätten, aber von den Rentenversicherungsträgern nie beim Kläger erfasst worden seien (Anlage II). Die den Rentenversicherungsträgern bekannten Arbeitnehmer des Klägers seien im Wesentlichen als geringfügig Beschäftigte gemeldet.

Die Staatsanwaltschaft Berlin übersandte am 5. Juli 2010 ihre Akten und 17 Beweismittelordner an die Beklagte mit der Bitte um Schadensberechnung. Die Beklagte errechnete den Beitragsschaden, teilte ihn der Staatsanwaltschaft mit und leitete anschließend auf Grundlage ihrer Schadensermittlung ein Prüfverfahren nach § 28 p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ein. Sie teilte dem Kläger mit Schreiben vom 17. Juni 2011 mit zu beabsichtigen, für die Zeit von Januar 2004 bis Januar 2008 Nachforderungen zur Sozialversicherung zu erheben. Sie forderte den Kläger auf, für alle von ihm beschäftigten Arbeitnehmer vollständige und prüffähige Lohnaufzeichnungen geordnet und überschaubar zur Prüfung vorzulegen. Dem kam der Kläger nicht nach. Auf den Hinweis der Beklagten, dass die beschlagnahmten Unterlagen bei der Staatsanwaltschaft Berlin eingesehen werden könnten, teilte sein Bevollmächtigter mit, die Akten seien sehr umfangreich und könnten keineswegs auf der Amtsstelle durchgearbeitet werden. Auch befänden sich Akten bei der Steuerfahndung. Darüber hinaus müsse ein Steuerberater hinzugezogen werden. Diesen könne der Kläger nicht bezahlen.

Mit Bescheid vom 18. November 2011 forderte die Beklagte Beiträge zur Sozialversicherung und Umlagen in Höhe von insgesamt 1 385 287,03 Euro für die Zeit von Januar 2004 bis Januar 2008 nach. In dieser Nachforderung seien Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV in Höhe von 538 975,50 Euro enthalten. Sie führte aus, dass die in der Anlage 1 aufgeführten Arbeitnehmer in der für den Kläger ausgeübten Beschäftigung der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und der Rentenversicherung sowie der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen hätten und für sie entsprechend Beiträge zu entrichten seien. In den Fällen, in denen eine personenbezogene Zuordnung nicht möglich gewesen sei, seien die Sozialversicherungsbeiträge und Umlagebeträge in Form eines Summenbeitragsbescheides nach § 28 f Abs. 2 SGB IV festgesetzt worden. Für die Berechnung seien die Auswertungsergebnisse des HZA Berlin unter Berücksichtigung der Aussagen der Zeugen zu Grunde gelegt worden. Da nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV bei einem vereinbarten Nettoarbeitsentgelt als (beitragspflichtiges) Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung gelten, sei eine Umrechnung der festgestellten Barlöhne zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt bzw. zu beitragspflichtigen Lohnsummen erforderlich gewesen.

Der Kläger erhob Widerspruch: Die Feststellungen seien willkürlich und unrichtig. Dort aufgeführte Beschäftigte seien selbständige Gewerbebetreibende bzw. nur geringfügig Beschäftigte gewesen. Die von der Beklagten bzw. dem HZA ermittelten Arbeitsstunden seien aus der Luft gegriffen. Der Kläger könne sich die Herkunft der angenommenen Arbeitsstunden nicht erklären. Unbekannte Arbeitnehmer seien auch ihm unbekannt.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2012 als unbegründet zurück. Sie führte u. a. aus, dass sich bei der Auswertung der beschlagnahmten Geschäftsunterlagen des Klägers der Verdacht ergeben habe, dass er eine Vielzahl von Arbeitnehmern entgegen der Anmeldung nicht geringfügig, sondern als Vollzeitkräfte angestellt habe. Es sei weiter festgestellt worden, dass er auch Arbeitnehmer beschäftigt habe, die er überhaupt nicht gemeldet habe. Aufgrund der umfangreichen Beweismittel habe zumindest für die Zeiten von Juni 2004 bis September 2005 und August 2007 bis Dezember 2007 für eine Vielzahl seiner Arbeitnehmer eine entsprechende Gegenüberstellung der fiktiven Lohnabrechnungen zu den anhand der Auszahlungsbelege und Stundennachweise tatsächlich geleisteten Zahlungen erfolgen können. Diese Arbeitsstunden hätten auf seinem Computer in Form von Excel Listen sichergestellt werden können. Die in diesen Listen von ihm geführten Arbeitsstunden seien dann den Arbeitsstunden der Ausgangsrechnungsrechnungen gegenübergestellt worden. Für die sich daraus ergebende Differenz sei in der Berechnungsanlage die Zuordnung als unbekannte Arbeitnehmer erfolgt.

Der Kläger hat hiergegen am 8. August 2012 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Die in dem Bescheid in Anlage 1 aufgeführten Personen hätten die dort aufgeführten Arbeitsstunden nicht geleistet. Zum Teil kenne er diese Personen gar nicht. Der Erstgenannte, B, sei selbständig tätig gewesen und habe neben seinem Hauptberuf als Polizeibeamter in gewerbsmäßiger Weise Lehrkurse für Sicherheitsfragen angeboten. Er – der Kläger – habe seine Arbeitnehmer entsprechend dem geleisteten Arbeitsumfang angemeldet und bezahlt und entsprechende Beiträge abgeführt. Der angebliche Mitarbeiter H sei beispielsweise Gastronom im Hauptberuf gewesen und habe an umsatzschwachen Tagen als Subunternehmer für ihn gearbeitet. Als Sicherheitsunternehmer habe er zum Teil selbst Mitarbeiter beschäftigt. Soweit er – der Kläger – in seinen Ausgangsrechnungen Arbeitsstunden für die Zeit von Januar 2004 bis 2007 berechnet habe, bedeute dies nicht, dass solche Arbeitsstunden auch geleistet worden seien. Dies sei ein Problem seiner damaligen Auftraggeber und lasse keine Rückschlüsse auf tatsächlich geleistete Arbeitsstunden zu. Er – der Kläger – habe teilweise Subunternehmer beschäftigt. Die von diesen gelisteten Arbeitsstunden habe er, wie allgemein üblich, mit entsprechendem Aufschlag als eigene Arbeitsstunden gegenüber seinen Auftraggebern abgerechnet. Die Beklagte ziehe angeblich Ermittlungsergebnisse zu ihrer Entscheidungsfindung heran, welche sie nicht substantiiere. Er könne diese nicht identifizieren und sei nicht deren Aussteller. Soweit angeblich Arbeitsstunden auf seinem Computer in Form von Excel Listen sichergestellt worden sein sollen, so seien ihm solche Excel Listen nicht bekannt, auch nicht deren Inhalt. Er könne Excel überhaupt nicht bedienen. Die Beklagte räume selbst ein, dass die angeblichen Arbeitsstunden gemäß Excel Listen nicht mit den Ausgangsrechnungen korrespondierten. Um dieses Dilemma zu lösen, generiere die Beklagte "unbekannte Arbeitnehmer". Bereits in Verfahren gegen tatsächliche oder behauptete Arbeitnehmer vor dem Verwaltungsgericht und dem Strafgericht seien diese als Beweismittel für nicht stichhaltig erachtet worden, insbesondere da diverse ehemalige Arbeitnehmer nachweislich die angeblichen Stunden nicht geleistet hätten. Er – der Kläger – habe für jeden Beschäftigten getrennt nach Kalenderjahren Lohnunterlagen geführt. In seinen damaligen Büroräumen habe seine Frau ein Schreibbüro unterhalten, welches für Fremde u. a. Buchhaltungen gefertigt habe. Was auf dem Computer alles bearbeitet worden sei, wisse er nicht.

Die Beklagte hat u. a. vorgebracht, die Darstellung des Klägers widerspreche den aufgefundenen Stundenaufzeichnungen für die Zeiten von Juni 2004 bis September 2005 sowie August 2007 bis Dezember 2007.

Ein gegen den Kläger geführtes Strafverfahren ist wegen Verhandlungsunfähigkeit nicht betrieben worden bzw. wird nicht betrieben.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 8. November 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe seine Mitarbeiter zumindest teilweise nicht ordnungsgemäß zur Sozialversicherung angemeldet und die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge nicht oder jedenfalls nicht in voller Höhe entrichtet. Das SG halte es für ausgeschlossen, dass die von der Steuerfahndung beschlagnahmten Stundenaufzeichnungen, Lohnlisten, Abrechnungslisten und Einsatzlisten in seinem Computer ohne tatsächliche Grundlage gefertigt worden seien. Der Kläger habe zu keiner Zeit das Missverhältnis zwischen den Gesamtumsätzen seines Gewerbebetriebes und den angemeldeten Arbeitnehmern erklärt oder zu erklären versucht. Während sein Umsatz in Höhe von 297 930,00 EUR im Jahr 2004 noch von vier Vollzeitkräften und drei geringfügig Beschäftig erzielt worden sein solle, solle im Jahr 2005 sein Umsatz in Höhe von 609 746,00 EUR ohne Vollzeitkräfte, dafür aber mit 44 geringfügig Beschäftigten erzielt worden sein. Im Jahr 2006 wolle der Kläger einen Gesamtumsatz von 561 307,00 EUR mit lediglich einer Vollzeitkraft und 39 geringfügig Beschäftigten erzielt haben, im Jahr 2007 einen Gesamtumsatz von 477 893,00 EUR mit zwei Vollzeitkräften und 50 geringfügig Beschäftigten. Nachgewiesen sei, dass der Kläger versucht habe, gegenüber dem Finanzamt mit Scheinrechnungen für angeblich entliehene Arbeitnehmer zu operieren. Deutliche Anhaltspunkte für ein solches Verhalten ergäben sich aus dem steuerstrafrechtlichen Bericht der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen Berlin vom 11. September 2009. Dort werde u. a. angegeben, dass u. a. Ausgangsrechnungen der Firma S Bau GmbH, W Bewehrungstechnik/ Gebäudereinigung/Abbruchservice, sowie L Dienstleistungen aufgefunden worden seien, denen zufolge an den Kläger in den Jahren 2004 bis 2006 Arbeitnehmer überlassen worden sein sollen. Die Rechnungen seien im Zuge von Ermittlungen bei einem Dritten in einer Tüte, die im unteren Schubfach eines Küchenherdes versteckt gewesen sei, gefunden worden. Die einschlägigen Rechnungen der S Bau GmbH hätten im Layout erheblich von anderen Rechnungen der S Bau GmbH abgewichen, die den dortigen Buchhaltungsunterlagen zum Vergleich entnommen worden seien. Außerdem seien in der Buchführung der S Bau GmbH keine Rechnungen an den Kläger vorgefunden worden. In den dortigen Geschäftsunterlagen hätten sich auch keine Hinweise auf eine Geschäftsbeziehung zum Kläger gefunden. Das Wort "Verfügungstellung" sei dort fehlerhaft "Verfügunkstellung" geschrieben worden. Dieser Schreibfehler habe sich auch auf allen von der Steuerfahndung sichergestellten Rechnungen der Firmen E und L Dienstleistungen aus dem Jahr 2006 gefunden. Die Firma W habe im Jahr 2005 insgesamt nur zwei Arbeitnehmer sozialversicherungsrechtlich angemeldet, solle laut den Rechnungen dem Kläger aber bis zu 52 Arbeitnehmer zum Zweck des Objektschutzes überlassen haben. Eine Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung sei dieser Firma zuvor nicht erteilt worden. Auf den Rechnungen sei das Wort "Filialen" fehlerhaft "Fi alen" geschrieben worden. Dieser Schreibfehler habe sich auch auf Rechnungen der Firma L Dienstleistungen gefunden. Diese habe im Jahr 2005 nur insgesamt zwei Arbeitnehmer sozialversicherungsrechtlich angemeldet, solle ausweislich der vorliegenden Eingangsrechnungen aber zwischen fünf und 51 Arbeitnehmer zum Zweck des Objektschutzes an den Kläger überlassen haben. Eine Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung sei auch diesem Unternehmen zuvor nicht erteilt worden. Aus all diesen Umständen sei zu schließen, dass eine Überlassung von Arbeitnehmern an den Kläger durch Fremdfirmen tatsächlich nicht erfolgt sei. Die hohen Umsätze könnten nicht mithilfe von entliehenen Arbeitnehmern erzielt worden sein. Der Kläger habe zwar behauptet, er habe seine Auftraggeber betrogen und ihnen gegenüber Stunden des Objektschutzes abgerechnet, die tatsächlich nicht durch sein Unternehmen erbracht worden seien. Dieser Vortrag sei aber nicht glaubwürdig, zumal hierfür auch keine Beweismittel vorgelegt oder benannt worden seien. Er habe es nicht einmal versucht, diesen Vortrag durch Zeugen oder Unterlagen plausibel erscheinen zu lassen. Insgesamt sei deshalb die Einschätzung der Steuerfahndungsstelle, des HZA und der Beklagten deutlich naheliegender, dass hier schlicht Schwarzarbeit geleistet worden sei. Die Beklagte habe durch Gegenüberstellung der fiktiven, "offiziellen" Lohnabrechnung einerseits mit den im Computer des Klägers aufgefundenen Einsatzlisten, Stundennachweisen und Auszahlungsbelegen andererseits festgestellt, dass mehrere als geringfügig beschäftigt gemeldete Arbeitnehmer des Klägers Löhne erzielt haben müssten, die oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze gelegen haben. Sie habe bei ihrer Berechnung einen Stundenlohn von 5,00 EUR zugrunde gelegt, weil sich dieser aus den vorgefundenen Arbeitsverträgen und Auszahlungsbelegen ergeben, und darüber hinaus nach den Erkenntnissen des Hauptzollamtes auch den in der Branche üblichen Stundenlöhnen entsprochen habe. Diese Vorgehensweise sei rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gelte auch für die Nachforderung für unbekannte Arbeitnehmer, soweit die sichergestellten Einsatzlisten, Stundennachweise und Auszahlungsbelege nicht hätten zugeordnet werden können. Dies finde seine Grundlage in § 28 f Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB IV. Der Kläger habe seine Aufzeichnungspflichten nach § 28 f Abs. 1 und 1 a SGB IV i. V. m. § 8 der Beitragsverfahrensverordnung (BVV) für die hier streitige Zeit ab Juni 2004 nicht ordnungsgemäß erfüllt. Er habe ab diesem Zeitpunkt Arbeitnehmer und (Schein )Selbständige beschäftigt, ohne dies zu dokumentieren. Auch auf Anforderung der Beklagten seien Aufzeichnungen nicht vorgelegt worden. Auf ein Verschulden komme es insofern nicht an (Bezugnahme auf Bundessozialgericht BSG , Urteil vom 7. Februar 2002 – B 12 KR 12/01 R). Aufgrund dieser Verletzung der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten habe die Beklagte nicht feststellen können, welche Arbeitnehmer der Kläger tatsächlich beschäftigt habe und wie hoch die an diese gezahlten beitragspflichtigen Entgelte gewesen seien. Während im Strafverfahren eine Verurteilung wegen Beitragsvorenthaltung grundsätzlich den Nachweis konkreter Straftaten voraussetze, genüge hier der Nachweis der Verletzung der Aufzeichnungspflicht als Grundlage für die Schätzung. Fehler bei der Berechnung der Höhe der Beitragsforderungen seien weder ersichtlich noch vom Kläger konkret und substantiiert geltend gemacht worden. Die Beklagte habe ihre Beitragsberechnung insbesondere auch zu Recht anhand der Vorgaben des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV vorgenommen. Danach sei bestimmt, dass ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart gelte, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden seien. Diese Fiktion finde auch in Fällen nur teilweiser Schwarzlohnzahlung Anwendung. Die objektiven Voraussetzungen für die Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV seien erfüllt. Neben der objektiven Verletzung der Zahlungs- und der mit ihnen einhergehenden Arbeitgeberpflichten sei Voraussetzung, dass die Pflichtverstöße von einem subjektiven Element in Form eines mindestens bedingten Vorsatzes getragen seien (BSG, Urteil vom 9. November 2011 – B 12 R 18/09 R). Bedingt vorsätzlich handele, wer seine Beitragspflicht für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen habe (Bezugnahme auf BSG, a. a. O.). Von einem bloßen Berechnungsfehler oder einer unzutreffenden Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status und damit bloßer Fahrlässigkeit könne hier jedoch nicht ausgegangen werden. Die Beiträge seien auch noch nicht verjährt, da eine 30 jährige Verjährungsfrist gelte. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjährten Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjährten in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Der Begriff "vorsätzlich" schließe den bedingten Vorsatz ein. Es sei ausreichend, dass der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung aber billigend in Kauf genommen habe. Die 30 jährige Verjährungsfrist sei auch anzuwenden, wenn ein anfänglich gutgläubiger Beitragsschuldner vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist bösgläubig geworden sei. Es genüge, wenn der Beitragsschuldner Kenntnis von der Beitragspflicht und dem Umstand, dass diese nicht (rechtzeitig) gezahlt worden seien, um feststellen zu können, dass die Beiträge zumindest bedingt vorsätzlich vorenthalten werden. Die Rechtspflicht zur Beitragszahlung habe zur Folge, dass das Unterlassen der Zahlung einem aktiven Handeln gleichzustellen sei. Kenntnis bedeute also das sichere Wissen darum, rechtlich und tatsächlich zur Zahlung der Beiträge verpflichtet zu sein. Solche den Vorsatz indizierende Kenntnis von der Beitragspflicht könne nach der Rechtsprechung des BSG regelmäßig angenommen werden, wenn für das gesamte typische Arbeitsentgelt, z. B. bei Schwarzarbeit, überhaupt keine Beiträge entrichtet würden (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R). Von Schwarzarbeit sei dabei nicht nur auszugehen, wenn auf geschuldetes Arbeitsentgelt überhaupt keine Beiträge entrichtet würden, sondern auch bei nur teilweiser Entrichtung. Die Beklagte habe auch zu Recht Säumniszuschläge gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV gefordert. Dem Kläger sei es nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt habe, § 24 Abs. 2 SGB IV.

Gegen dieses ihm am 22. November 2016 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 22. Dezember 2016. Zur Berufungsbegründung hat der Kläger sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Die Beiladung der Beigeladenen erster Instanz werde anheimgestellt. Die Entscheidung des Sozialgerichtes gründe auf unzutreffenden Annahmen. Seine Überzeugung habe es ins Blaue hinein getroffen. Die vom SG angenommene Diskrepanz zwischen Umsätzen und eingesetzten Mitarbeitern widerspräche den Denkgesetzen. Die Umsatzsteigerungen von 2004 mit vier Vollzeitkräften und drei geringfügig Beschäftigten korrespondiere zur Umsatzsteigerung für die Folgejahre mit entsprechend 44 geringfügig Beschäftigten. Unstreitig habe der Kläger mit Subunternehmern gehandelt, an deren genauen Firmennamen er sich nicht mehr erinnere. Ob bei diesen Unternehmen steuer- und sozialversicherungsrechtlich alles mit rechten Dingen zugegangen sei, wisse er nicht. Dies gelte für angebliche Geschäftspapiere in einem Schubfach des Küchenherdes und Schreibfehler in den Rechnungen. Richtig gut schreiben könne er allerdings auch nicht. Es handele sich um türkischstämmige Unternehmer aus K, welche ihre Arbeitnehmer je nach Bedarf aus ihrem Migrantenkollegium rekrutierten. Die Tätigkeit der Arbeitnehmer habe kaum einer Qualifikation bedurft. Das Stehen vor einer Tür oder das Abschreiten eines Zaunes bedürfe keiner großen Ausbildung. Es handele sich auch nicht um Arbeitnehmerüberlassung, vielmehr habe er Aufträge an Subunternehmer weitergereicht. Die Aufgabe habe sich aus dem Auftrag ergeben und habe von den Subunternehmen selbständig erledigt werden können. Die Subunternehmer hätten ihn aufgesucht mit der Bitte um Aufträge, diese seien ihnen erteilt und von diesen auch ordnungsgemäß erledigt worden. Diese Aufträge hatten mit angeblich sichergestellten Einsatzlisten, Stundennachweisen und Auszahlungsbelegen nichts zu tun. Das Büro des Klägers sei auch von seiner Frau benutzt worden, die selbständig ein Schreib- und Lohnbüro unterhalten und auch den Computer benutzt habe. Dass die namentlich Erwähnten Bund H persönlich abhängig gewesen seien und ihnen ein unternehmerisches Risiko abgesprochen werde, sei eine willkürliche Feststellung. Der Summenbescheid sei im Übrigen nicht verhältnismäßig, denn es fehlten weder Aufzeichnungen über beschäftigte Personen noch seien diese unvollständig oder offensichtlich unrichtig. Nunmehr solle er fiktive Lohnaufzeichnungen für Mitarbeiter erstellen, welche bei ihm nicht beschäftigt gewesen seien. Vorsatz scheide aus, wenn der Tatbestand nicht verwirklicht sei. In einer Reihe von Fällen hätte das SG Berlin Klagen von angeblich beschäftigten Schwarzarbeitnehmern gegen Rückforderungsbescheide aufgrund angeblich zu Unrecht bezogener Sozialleistungen stattgegeben. Auch habe das Amtsgericht Tiergarten wiederholt Freisprüche ausgesprochen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. November 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 18. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter alleine entschieden werden. Alle Beteiligten haben sich mit einer solchen Vorgehensweise einverstanden erklärt, §§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Weitere Beiladungen nach § 75 Abs. 2 oder 1 SGG waren nicht vorzunehmen bzw. geboten, da der streitgegenständliche Prüfbescheid auf Grundlage einer Schätzung ergangen ist (vgl. dazu näher unten).

Der Berufung muss Erfolg versagt bleiben. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid vom 18. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nach § 28 p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag entstehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28 a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28 h Abs. 2 SGB IV sowie § 93 SGB IV i. V. m. § 89 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch nicht (§ 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV).

Nach § 28 d Sätze 1 und 2 SGB IV werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag aus Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten.

Bemessungsgrundlage für die Höhe der Beiträge abhängig Beschäftigter ist in der Kranken-, Pflege-, Renten- sowie Arbeitslosenversicherung jeweils das Arbeitsentgelt des Beschäftigten, § 226 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 75 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch i. V. m. § 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 162 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, § 342 Sozialgesetzbuch Drittes Buch.

Der gesetzliche Auftrag der Beitragsüberwachung schließt auch die Prüfung der Umlagen U1 (Krankheitsaufwendungen) / U2 (Mutterschaftsgeld), geregelt in der Zeit bis 31. Dezember 2005 in § 10 Lohnfortzahlungsgesetz. Diese gehören zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen, weil sie aufgrund § 17 Lohnfortzahlungsgesetz a. F. (nunmehr § 10 AAG) den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt sind, die ihrerseits Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages waren (vgl. Sehnert in: Hauck/Noftz, SGB, 03/14, § 28 p SGB IV Rdnr. 6 mit Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 30. Oktober 2002 – B 1 KR 19/01 R). Nach der Intension des Gesetzgebers sind diese Umlagen auch Gegenstand der Betriebsprüfung durch die Rentenversicherungsträger (Scheer in: Schlegel/Voelzke, juris PK SGB IV, 3. Auflage 2016, § 28 p SGB IV Rdnr. 153 mit Bezugnahme auf BT Drs. 13/1205 Seite 6).

Nach § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen.

Dieser hat aufgrund § 28 f Abs. 1 SGB IV für jeden Beschäftigten, getrennt nach Kalenderjahren, Entgeltunterlagen im Geltungsbereich dieses Gesetzes in deutscher Sprache zu führen und bis zum Ablauf des auf die letzte Prüfung folgenden Kalenderjahres geordnet aufzubewahren. Hat ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt und können dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden, kann der prüfende Träger der Rentenversicherung nach § 28 f Abs. 2 S. 1 SGB IV den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen. Soweit der prüfende Träger der Rentenversicherung die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese zu schätzen, § 28 f Abs. 2 S. 3 SGB IV. Dabei ist für das monatliche Arbeitsentgelt eines Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mit zu berücksichtigen.

Hier ist aufgrund der sichergestellten und ausgewerteten Unterlagen davon auszugehen, dass der Kläger in der streitgegenständlichen Zeit eine Vielzahl von Beschäftigten als Arbeitnehmer entweder gar nicht oder nur als geringfügig beschäftigt angemeldet hat und ganz oder teilweise schwarz bezahlt hat. Auf die ausführlichen Darlegungen im angegriffenen Urteil des SG wird zur Vermeidung bloßer Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen. Soweit der Bescheid Beiträge für einzelne genannte Beschäftigte nachfordert, handelt es sich um solche des Klägers, auch wenn dieser von Beschäftigungsverhältnissen bei Subunternehmen oder von selbständigen Unternehmern ausgeht. Auch insoweit kann auf die Begründung des SG verwiesen werden. Jedenfalls für Zeiten Juni 2004 bis September 2005 und August 2007 bis Dezember 2007 konnte die Beklagte durch Gegenüberstellung der fiktiven Lohnabrechnungen gegenüber den gemeldeten Abrechnungen Beiträge nachfordern. Sie durfte und musste die Berechnungen des HZA übernehmen. Diese fußen aus den aufgrund der Arbeits- und Stundennachweise ermittelten geleisteten Arbeitsstunden unter Zugrundelegung eines Stundenlohnes von 5,- EUR. Der Schluss von den beim Kläger sichergestellten Unterlagen für bestimmte Zeiträume erlaubt eine Schätzung für den gesamten Zeitraum. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Verwaltungsakt verwiesen, §§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Soweit die aufgrund dieser Schätzung hinsichtlich einzelner Arbeitnehmer oder -weil eine Zuordnung zu einer Person nicht möglich war- allgemein als Beitragssummenbescheid nachgeforderten Beiträge nicht den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden entsprochen haben sollten, kann sich die Klägerin hierauf nicht berufen: Nach § 28 f Abs. 2 Satz 5 SGB IV hat der prüfende Versicherungsträger einen aufgrund der Sätze 1, 3 und 4 des § 28f Abs. 2 SGB IV ergangenen Bescheid insoweit zu widerrufen, als nachträglich Versicherungs- oder Beitragspflicht bzw. Versicherungsfreiheit festgestellt und die Höhe des Arbeitsentgelts nachgewiesen werden. Erfolgt dies nicht, hängt die Rechtmäßigkeit der Schätzung (nur) davon ab, ob die Beitragshöhe nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt bzw. Arbeitsentgelt einem bestimmten Arbeitnehmer zugeordnet werden kann (vgl. § 28 f Abs. 2 S. 2 SGB IV). Diese Verhältnismäßigkeit des Schätzbescheides kann zwar auch im gerichtlichen Verfahren überprüft werden. Für eine Beanstandung durch ein Gericht ist es jedoch erforderlich, dass die Schätzung im Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens als unverhältnismäßig erscheinen muss (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 8. Juli 2016 -L 1 KR 405/14, Urteil vom 8. April 2016 -L 1 KR 325/15 KR; ferner z. B. Urt. vom 14. November 2014 -L 1 KR 380/12- juris-Rdnr 48; vom 26.April 2013 -L 1 KR 98/11-mit Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 7. Februar 2002 -B 12 KR 12/01 R- zu einem Beitragssummenbescheid, juris-Rdnr. 28; ebenso Werhahn in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht § 28 f SGB IV Rdnr. 11). Der Arbeitgeber, der – wie hier der Kläger – nicht ordnungsgemäß nach § 28 f SGB IV aufgezeichnet hat, trägt die objektive Beweislast, dass statt einer Schätzung der eigentlich richtige Betrag ohne unverhältnismäßigen Aufwand der festgestellt werden könnte (Werhahn, a. a. O. § 28 f SGB IV Rdnr. 9 mit Nachweisen der BSG-Rechtsprechung).

Die Anhörung bzw. zuvor Hinzuziehung weiterer Personen, insbesondere der namentlich genannten Arbeitnehmer, welche der Kläger teilweise für Selbständige bzw. zu Recht nur als geringfügig Beschäftigte ansieht, hatte nicht zu erfolgen. § 75 Abs. 2 SGG ist in diesem Einzelfall auch nicht einschlägig, soweit der Bescheid personenbezogen und kein Beitragssummenbescheid ist (vgl. zur üblichen Differenzierung z. B. BSG, Urt. v. 23. Mai 2017 -B 12 KR 9/16 R). Weil die Beiträge im Verhältnis zum Kläger als Arbeitgeber nur geschätzt werden, sind uneinheitliche Feststellungen für den eher theoretischen Fall, dass ein Beschäftigter bei der Einzugsstelle die Festsetzung höherer Beiträge begehrt oder -umgekehrt- die Feststellung der Beitragsfreiheit, per se nicht ausgeschlossen. Der genannte Personenkreis wird durch den streitgegenständlichen Prüfbescheid nicht in eigenen Rechten verletzt, sondern nur begünstigt. Angesichts des besonderen Überprüfungsmaßstabes eines Schätzbescheides ist damit gleichzeitig ausgeschlossen, dass sich durch eine Anhörung der Arbeitnehmer Mängel des Bescheides zeigen könnten, auf die sich der Kläger berufen könnte.

Dem Kläger ist es im gerichtlichen Verfahren also im Ergebnis verwehrt, Versäumnisse des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens noch zu korrigieren. Er kann insbesondere nicht mit Erfolg ins Blaue hinein vortragen, er habe gesamte Aufträge an Unternehmen oder Einzelpersonen weitervermittelt und deshalb die erzielten Umsätze mit den offiziell angemeldeten Personen erzielen können. Dass sich strafrechtliche Vorwürfe gegen ehemalige Arbeitnehmer teilweise nicht bestätigt haben und Rückforderungsbescheide nicht bestandskräftig wurden, ist im Verhältnis Prüfbehörde zu ihm ohne Belang. Ergänzend wird auf das angefochtene Urteil verwiesen. Dies gilt insbesondere für die Ausführungen des SG zur fehlenden Verjährung und zum Entstehen von Säumniszuschlägen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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