L 13 SB 18/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 5 SB 356/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 18/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 1. Dezember 2016 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 24. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2013 verpflichtet, bei dem Kläger mit Wirkung ab dem 10. Juni 2013 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen. Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtli-che Kosten des gesamten gerichtlichen Verfahrens in vollem Umfang zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des bei dem Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB).

Der Kläger hatte sich 2012 bei einem Sturz den Ellenbogen verletzt. Auf seinen Antrag vom 10. Juni 2013 stellte der Beklagte bei ihm mit Bescheid vom 24. Juli 2013 für die Behinderung

Funktionsstörung des linken Arms

einen GdB von 30 fest. Hiergeben erhob der Kläger Widerspruch. Nach weiteren Ermittlungen setzte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2013 den GdB mit Wirkung ab Antragstellung auf 40 herauf.

Mit der Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat der Kläger die Feststellung eines GdB von 50 begehrt. Das Sozialgericht hat neben Befundberichten das Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. R vom 16. November 2015 eingeholt, der den Gesamt-GdB auf 40 eingeschätzt hat. Der Sachverständige hat hierbei zugrunde gelegt:

Bewegungseinschränkung / Funktionsdefizit linker Ellenbogen bei unfallbe-dingter Weichteilvernarbung, neuropathisches Schmerzsyndrom linker Arm mit einem Einzel-GdB von 40.

Der Anregung des Sachverständigen folgend hat das Sozialgericht den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. Nach Untersuchung des Klägers hat der Sachverständige im Gutachten vom 20. Juni 2016 mit ergänzender Stellungnahme vom 8. September 2016 als weitere Funktionsein-schränkung eine

psychische Störung im Sinne einer Depression mit einem Einzel-GdB von 20

festgestellt. Mit der Begründung, dass Überschneidungen zwischen den Behinderungen beständen, hat er den Gesamt-GdB weiterhin mit 40 eingeschätzt.

Den Gutachten folgend hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 1. Dezember 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich ein GdB von mehr als 40 bei dem Kläger nicht feststellen ließe.

Mit der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts begehrt der Kläger einen GdB von 50.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 1. Dezember 2016 aufzu-heben sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 24. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2013 zu verpflichten, bei ihm mit Wirkung ab dem 10. Juni 2013 einen Grad der Behin-derung von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält an seiner Entscheidung fest.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 mit Wirkung ab dem 10. Juni 2013.

Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (SGB IX a.F.) bzw. nach § 152 Abs. 1 Sozi-algesetzbuch, Neuntes Buch in der am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Fassung (SGB IX n.F.) sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft zu bewerten. Hierbei sind die in der Anlage zur Ver-sorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) festgelegten "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VMG) heranzuziehen.

Auf der Grundlage der medizinischen Feststellungen der in der ersten Instanz beauf-tragten Sachverständigen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die ortho-pädischen Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers im Funktionssystem der oberen Extremitäten mit einem Einzel-GdB von 40 und das psychische Leiden mit einem Einzel-GdB von 20 anzusetzen sind.

Liegen – wie hier – mehrere Beeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB gemäß § 69 Abs. 3 SGB IX a.F. bzw. § 152 Abs. 3 SGB IX n.F. nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Nach A 3c VMG ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben beträgt bei dem Kläger seit dem 10. Juni 2013 der Gesamt-GdB 50.

Der höchste Einzel-GdB von 40 für die orthopädische Funktionsbeeinträchtigung ist im Hinblick auf die mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewertende psychische Behinderung um einen Zehnergrad auf 50 zu erhöhen. Nach der Überzeugung des Senats sind die Auswirkungen der beiden Funktionsbeeinträchtigungen voneinander unabhängig und betreffen damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Le-bens (vgl. A 3 d aa VMG). Diese Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung ist mit der genannten Erhöhung auf einen Gesamt-GdB von 50 zu würdigen. Die Einschätzung des Sachverständigen Dr. C, es lägen Überschneidungen vor, ist nicht nachvollziehbar. Zwar ist, wie der Gutachter herausgearbeitet hat, die depressive Erkrankung reaktiv durch die Folgen der Verletzung des linken Arms ausgelöst worden. Jedoch ist im Gegensatz zum Grad der Schädigungsfolgen des sozialen Entschädigungsrechts der Grad der Behinderung auf alle Gesundheitsstörungen un-abhängig von ihrer Ursache – also final – bezogen (vgl. A 2a VMG). Vorliegend ist es deshalb für die Bestimmung des Gesamt-GdB irrelevant, dass die somatische Er-krankung kausal für das Entstehen der Depression des Klägers war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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