L 3 R 489/17 WA

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 10 R 3145/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 489/17 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Es wird festgestellt, dass das Verfahren durch die im Schriftsatz der Klägerin vom 06. Dezember 2016 enthaltenen Erklärungen beendet ist. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Fortsetzung eines auf die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Erwerbsminderungsrente gerichteten Berufungsverfahrens.

Die 1966 geborene Klägerin arbeitet in der Gebäudereinigung und beantragte bei der Beklagten im August 2011 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte dies nach Einholung des auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin beruhenden Gutachtens der Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin Dr. S vom 09. Januar 2012 (Diagnosen: rezidivierende depressive Störung – aktuell leicht- bis mittelgradig – auf dem Boden einer histrionischen Persönlichkeitsakzentuierung; vollschichtiges Leistungsvermögen (auch als Reinigungskraft) für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Vermeidung von Nachtschichten und Zeitdruck bei uneingeschränkter Wegefähigkeit) mit Bescheid vom 11. Januar 2012 unter Hinweis auf das Fehlen der medizinischen Voraussetzungen ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin, mit welchem sie eine Bescheinigung ihres behandelnden Nervenarztes Avom 15. März 2012 (Erwerbsfähigkeit durch Chronifizierung der Erkrankung in höchstem Maße gefährdet) vorlegte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04. Juli 2012 als unbegründet zurück.

Die bereits damals durch ihren Prozessbevollmächtigten vertretene Klägerin hat ihr Begehren unter Vollmachtsvorlage ("Vollmacht gilt für alle Instanzen") mit der am 06. Juli 2012 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Das SG hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte angefordert, darunter vom Nervenarzt A, der keine Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit erkannt und aufgrund der psychiatrischen Erkrankung eine leichte bis mittelgradige Einschränkung der allgemeinen Leistungsfähigkeit für möglich gehalten hat. Zudem hat es das auf einer neuerlichen ambulanten Untersuchung der Klägerin beruhende schriftliche Sachverständigengutachten der Nervenärztin Dr. K vom 11. Januar 2014 eingeholt, welche u.a. darauf verwiesen hat, dass die Klägerin mittlerweile wieder in der Gebäudereinigung arbeite, und ihr unter der Diagnose eines schizophrenen Residuums unter näher bezeichneten qualitativen Leistungseinschränkungen und bei erhaltener Wegefähigkeit ein vollschichtiges Leistungsvermögen am allgemeinen Arbeitsmarkt bescheinigt hat. Daraufhin hat das SG nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 27. Mai 2014 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass nach den durchgeführten Ermittlungen, insbesondere nach dem schriftlichen Sachverständigengutachten von Dr. K die medizinischen Voraussetzungen für ein Rente wegen Erwerbsminderung nicht vorlägen.

Die Klägerin hat gegen den ihr am 03. Juni 2014 zugestellten Gerichtsbescheid am 13. Juni 2014 Berufung eingelegt, u.a. auf bei ihr bestehende Wirbelsäulenbeschwerden verwiesen und zur Untermauerung ihres Vorbringens u.a. das Attest des Orthopäden Dr. K vom 15. Februar 2013 vorgelegt. Der Senat hat daraufhin das auf einer ambulanten Untersuchung vom 30. Juni 2015 beruhende schriftliche Sachverständigengutachten des Orthopäden Prof. Dr. S vom 01. Juli 2015 eingeholt, welcher der Klägerin unter den Diagnosen geringgradige Übergewichtigkeit und sehr geringe Formveränderung der Wirbelsäule ohne Nervenwurzelreizerscheinungen und geringgradiger Senk-Spreiz-Knickfuß ein vollschichtiges Leistungsvermögen bescheinigt hat. Auf Antrag der Klägerin hat der Senat das schriftliche Sachverständigengutachten des Arztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Dr. B vom 16. März 2016 eingeholt, welches dieser aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 12. Februar 2016 und unter Einbeziehung einer psychologischen Testuntersuchung des Neuropsychologen Dr. Dr. W vom 24. Februar 2016 erstellt hat. Dr. B hat u.a. ausgeführt, dass die Klägerin vier bis sechs Stunden täglich arbeite und dies ihr in gesundheitlicher Hinsicht auch noch möglich sei, und ihr unter der Diagnose einer chronifizierten Schizophrenie ein auf vier bis unter sechs Stunden abgesunkenes Leistungsvermögen bescheinigt. Nach Einholung ergänzender Stellungnahmen von Prof. Dr. S vom 25. Juli 2016, von Dr. Dr. W vom 06. September 2016 und von Dr. B vom 13. September 2016 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 16. November 2016 folgenden Vergleichsvorschlag unterbreitet:

1. Die Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin, ausgehend von einem am 12.02.2016 eingetretenen Leistungsfall der teilweisen Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI vom 01.03.2016 an die gesetzlich zustehende Rentenleistung zu gewähren.

2. Die im Vor-. Klage- und Berufungsverfahren entstandenen Kosten trägt die Klägerin selbst.

3. Die Klägerin nimmt dieses Vergleichsangebot an und die Beteiligten sehen den Rechtsstreit als erledigt an. Dem Schriftsatz der Beklagten war eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. S vom 03. November 2016 beigefügt, wonach das postulierte Leistungsvermögen ab dem Gutachten von Dr. B, jedoch nicht retrospektiv akzeptiert werde, weil das Gutachten von Dr. K vom Januar 2014 nicht übergangen werden könne.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 06. Dezember 2016 ausgeführt:

wird der Vergleichsvorschlag nach telefonischer Klärung mit der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (Thema "unbefristete Rente", um die es sich tatsächlich handelt) nach ausführlicher Diskussion mit der Klägerin angenommen und die Klage für erledigt erklärt.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2016 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt, die Gutachterkosten von Dr. B auf die Staatskasse zu übernehmen. Diesem Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 04. Januar 2017 stattgegeben.

Mit Schreiben vom 10. April 2017 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt, hinsichtlich des Vergleichsvorschlags vom 16. November 2016 nach § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 278 Abs. 6 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu verfahren. Hierzu hat der Berichterstatter dem Prozessbevollmächtigten mit Verfügung vom 15. Mai 2017 mitgeteilt, dass nichts weiter zu veranlassen sein dürfte, nachdem der Vergleichsvorschlag der Beklagten vom 16. November 2016 bereits mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 06. Dezember 2016 (außergerichtlich) angenommen worden ist.

Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 15. Juni 2017 ausgeführt, dass ein Berufungsverfahren wegen Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung rechtshängig gewesen sei. Das Verfahren sei durch Vergleich erledigt worden. Der Vergleich werde nun aus allen in Betracht kommenden Umständen angefochten. Die Berufungsklägerin sei von einer vollen Rente ausgegangen. Dies habe gleichermaßen auch den Unterzeichner betroffen. Die Beklagte habe seinerzeit nicht darauf hingewiesen, dass sie nur die halbe Rente zahlen werde. Es handele sich vorliegend um einen totalen Dissens. Renten wegen Erwerbsminderung würden nach § 102 SGB VI grundsätzlich befristet gewährt. Nur in ganz wenigen Ausnahmefällen werde die Rente auf Dauer gewährt. Das sei kurz gefasst der Fall, wenn sämtliche denkbaren Therapiemöglichkeiten erschöpft seien. Diese sei aber nur dann denkbar, wenn tatsächlich keinerlei Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert mehr verrichtet werden könne. Eine Teilrente sei insoweit nicht denkbar. Eine Arbeitsmarktrente könne nicht entfristet sein. Sie führe im Regelfall zur Vollrente. Bei innegehabtem Arbeitsplatz sei es wiederum anders, wobei die Angabe der Arbeitszeiten im Gutachten derart stark schwanke, so dass fraglich sei, ob hier noch von einem regulären Beschäftigungsverhältnis auszugehen sei. Die Beklagte habe mündlich nicht darauf hingewiesen, dass es keine Arbeitsmarktrente sei. Dieser Hinweis sei unterlassen worden. Hätte die Klägerin selber dort angerufen, so wäre dies ein Auskunftsverschulden gewesen. Der Vergleich sei daher erkennbar nicht das, was dem tatsächlichen Willen der Klägerin entsprochen habe. Die Erklärungen seien aneinander vorbeigegangen. Es werde vorsorglich Anfechtung und Widerruf erklärt.

Zwischenzeitlich führte die Beklagte den Vergleich mit Bescheid vom 28. April 2017 aus. Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 11. Mai 2017 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2017 als unzulässig zurückgewiesen wurde. Die Klägerin erhob hiergegen über die Beklagte Klage.

Die Klägerin beantragt,

das Verfahren fortzusetzen, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 04. Juli 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

festzustellen, dass das Verfahren durch die im Schriftsatz der Klägerin vom 06. Dezember 2016 enthaltenen Erklärungen beendet ist.

Die Beklagte tritt dem Fortsetzungsbegehren der Klägerin unter Hinweis darauf entgegen, dass sich nicht erschließe, weshalb die Klägerseite dem schriftlich vorgelegten Vergleichsangebot vom 16. November 2016 nicht habe entnehmen können, dass es sich um eine teilweise Erwerbsminderungsrente nach § 43 Abs. 1 SGB VI handele. Die Klägerin müsse sich die verfahrenserledigende Erklärung ihres sachkundigen Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Der Widerspruchsbescheid sei gemäß § 96 SGG Gegenstand des laufenden gerichtlichen Verfahrens geworden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Verfahren ist nicht fortzusetzen und dementsprechend festzustellen, dass es beendet ist. Die Klägerin hat den Rechtsstreit nämlich wirksam für erledigt erklärt. Sie hat durch ihren – aufgrund der zu den Akten gereichten Vollmacht vom 17. Januar 2012 gerade auch für das Berufungsverfahren ordnungsgemäß bevollmächtigten - Prozessbevollmächtigten das außergerichtliche Vergleichsangebot der Beklagten vom 16. November 2016 mit Schriftsatz vom 06. Dezember 2016 angenommen und allein schon dadurch den Rechtsstreit schlüssig für erledigt erklärt. Für Prozesserklärungen gelten die allgemeinen Auslegungsregeln. Dabei ist nach dem in § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedanken, der auch im öffentlichen Recht und im Prozessrecht gilt, bei der Auslegung von Erklärungen nicht am Wortlaut zu haften, sondern der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen. Bei der Auslegung sind zudem das aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) abzuleitende Willkürverbot, das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Artikel 19 Abs. 4 S. 1 GG und das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG zu beachten. Das Rechtsstaatsprinzip verbietet es dem Richter, das Verfahrensrecht so auszulegen und anzuwenden, dass den Beteiligten der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelinstanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird. Eine angemessene Auslegung dient also zugleich der Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 15. Juni 2016 - B 4 AS 651/15 B –, zitiert nach juris Rn. 7).

Dass die Erklärung der Klägerin vom 06. Dezember 2016 als prozessbeendende Erklärung auszulegen ist, kann nach den vorstehenden Auslegungsregeln nicht in Frage stehen. Dafür spricht hier auch der Gesamtzusammenhang, in dem diese Erklärung steht. Denn allein schon diese Erklärung der Klägerin hat sich unmissverständlich auch auf Ziff. 3 des Vergleichsangebots der Beklagte vom 16. November 2016 bezogen, wonach die Beteiligten den Rechtsstreit als erledigt ansehen. Zudem hat sie im Schriftsatz vom 06. Dezember 2016 ausdrücklich und unmissverständlich "die Klage für erledigt erklärt". Auch die zum Vergleichsangebot der Beklagte hinführende Vorgeschichte lässt keinen Raum für eine anderweitige Auslegung. Denn dem Vergleichsangebot der Beklagten war die von Dr. B in seinem Gutachten vom 16. März 2016 vorgenommene Leistungsbeurteilung auf vier bis unter sechs Stunden vorausgegangen, wobei er auf die tatsächlich ausgeübte Beschäftigung der Klägerin als Reinigungskraft sowie darauf hingewiesen hat, dass diese ihr in gesundheitlicher Hinsicht noch möglich ist. Eben hieran hat die beratungsärztliche Einschätzung vom 03. November 2016 angeknüpft, welche dann die Beklagte ihrem Vorschlag zugrunde gelegt hat, hier ab der Begutachtung bei Dr. B vom 12. Februar 2016 den Leistungsfall einer teilweisen Erwerbsminderung anzuerkennen.

Die Erledigungserklärung der Klägerin hat zur Folge, dass die Rechtshängigkeit und damit das Verfahren beendet ist (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG – Kommentar, 12. Aufl. 2017, § 94 Rn. 4), und zwar ungeachtet dessen, ob nun wirklich eine übereinstimmende oder eine einseitige Erledigungsklärung der Klägerin vorliegt, die jedenfalls in gemäß § 183 SGG gerichtskostenfreien Verfahren wie dem vorliegenden ohne Weiteres als Klagerücknahme ausgelegt werden kann, die gemäß § 102 Abs. 1 S. 2 SGG - ebenso wie die übereinstimmende Erledigungserklärung – den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (vgl. Keller, a.a.O., § 125 Rn. 10).

Die Klägerin kann sich von ihrer verfahrensbeendenden Erklärung auch nachträglich nicht mehr lösen (vgl. grundlegend etwa zur erklärten Klagerücknahme: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Februar 2017 – L 25 AS 931/16 –, zitiert nach juris Rn. 21 ff.). Sie kann, weil sie eine Prozesshandlung ist, mit der der Erklärende den Prozess unmittelbar gestaltet, nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BSG, Beschluss vom 04. November 2009 - B 14 AS 81/08 B –, zitiert nach juris Rn. 6), der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, grundsätzlich nicht nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (vgl. §§ 119 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)) angefochten werden. So kommt insbesondere von vornherein keine Irrtumsanfechtung mit der Folge der Aufhebung der verfahrensbeenden Wirkung ihrer Prozesserklärung in Betracht.

Insbesondere liegt kein Prozessvergleich i.S.v. § 101 Abs. 1 SGG vor, von welchem aufgrund seiner Doppelnatur sich ein Beteiligter unter Umständen im Wege der Irrtumsanfechtung gemäß § 58 Abs. 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) i.V.m. §§ 119 ff. BGB lösen kann (vgl. Schmidt, a.a.O., § 101 Rn. 13). Der vorliegende Vergleichsschluss entspricht nämlich nicht den in § 101 Abs. 1 SGG geregelten Formanforderungen. Nach § 101 Abs. 1 S. 1 SGG können die Beteiligten, um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen, zu Protokoll des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können. Nach § 101 Abs. 1 S. 2 SGG kann in gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden, dass die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters schriftlich gegenüber dem Gericht annehmen. Vorliegend hat die Beklagte unter dem 16. November 2016 schriftsätzlich lediglich in einer den vorgenannten Formvorschriften des § 101 Abs. 1 SGG gerade nicht entsprechenden Weise ein Vergleichsangebot unterbreitet, dessen Annahme mit Schriftsatz vom 06. Dezember 2016 mithin nur zum Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs führte (vgl. Schmidt, a.a.O., §101 Rn. 9a), der also keine unmittelbar prozessbeendende Wirkung hatte. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob die Klägerin den in der Annahme des Vergleichsangebots zustande gekommenen öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag (vgl. §§ 53 f. SGB X) anficht oder nicht. Dies kann von vornherein nichts an der prozessbeendenden Wirkung ihrer Erledigungserklärung ändern.

Abgesehen von alldem liegt (bzgl. des außergerichtlichen Vergleichsvertragsschlusses) auch kein Dissens vor. Ein solcher wäre nur anzunehmen, wenn der Erklärungsgehalt zweier Willenserklärungen unter Zugrundelegung eines verobjektivierten Empfängerhorizonts nicht korrespondiert, wofür hier nichts ersichtlich ist. Denn die Beklagte hat unter dem 16. November 2016 unmissverständlich, d.h. nicht einmal auslegungsbedürftig erklärt, nunmehr nach einem am 12. Februar 2016 eingetretenen Leistungsfall der teilweisen Erwerbsminderung die zustehenden Rentenleistungen zu gewähren. Und dieses Angebot hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 06. Dezember 2016 vorbehaltlos angenommen, so dass in der Tat nichts für ein inhaltliches Auseinanderklaffen der Erklärungen vorliegt.

Selbst einen anfechtbaren Vergleich zugrunde gelegt, läge im Übrigen nichts für ein Anfechtungsrecht der Klägerin gemäß § 58 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 119 Abs. 1 BGB vor. Denn es ist weder für einen Inhalts- noch einen Erklärungsirrtum der Klägerin etwas ersichtlich. Denn zum Einen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gewusst, dass er mit seiner Erklärung vom 06. Dezember 2016 das Vergleichsangebot angenommen und eine verfahrensbeendende Erklärung abgegeben hat, und sich zum Anderen insbesondere auch nicht verschrieben. Soweit die Klägerseite nunmehr einen Irrtum über die rechtliche Tragweite der Erklärung anführt, ist dies ein von § 119 Abs. 1 BGB nicht erfasster, rechtlich unbeachtlicher Motivirrtum.

Nachdem nun bereits mit der Erklärung der Klägerin vom 06. Dezember 2016 das Verfahren endgültig beendet war, war aufgrund des erst nachträglichen Antrags der Klägerin vom 16. April 2017 im Übrigen auch kein Raum mehr für ein Vorgehen nach § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO, wonach ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden kann, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen, wobei nach der Einfügung von § 101 Abs. 1 S. 2 SGG, wonach ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden kann, dass die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters schriftlich gegenüber dem Gericht annehmen, wohl von vornherein nur noch Raum für die Anwendung von § 278 Abs. 6 S. 1 1. Alt. ZPO gewesen wäre (vgl. Schmidt, a.a.O., § 101 Rn. 9).

Auch für einen Widerruf der Prozesserklärung der Klägerin ist im vorliegenden Fall kein Raum. Denn der Widerruf etwa einer Klagerücknahme kommt entsprechend der Rechtsprechung des BSG ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn Gründe vorliegen, die gemäß § 179 SGG i.V.m. §§ 579, 580 ZPO zur Wiederaufnahme eines rechtskräftig beendeten Verfahrens berechtigen würden (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 1980 - 9 RV 16/79 –, zitiert nach juris Rn. 18). Derartige Gründe liegen hier offenkundig nicht vor. Dies gilt zum einen für die Fälle des § 579 Abs. 1 ZPO, der die Nichtigkeitsklage regelt, aber auch für den die Restitutionsklage regelnden § 580 ZPO.

Da das Verfahren mithin durch die prozessbeendende Erklärung der Klägerin vom 06. Dezember 2016 beendet ist, kommt es nicht auf die Frage an, ob die nachgehenden, die Ausführung des Vergleichs betreffenden Bescheide gemäß § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden wären.

Soweit nach alldem das Verfahren durch die prozessbeendende Erklärung der Klägerin erledigt worden ist, kommt hier keine von Amts wegen zu treffende Kostenentscheidung in Betracht, vgl. § 193 Abs. 1 S. 3 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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