L 16 R 1049/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 19 R 26/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 1049/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. November 2016 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Witwenrente (WR) aus der Versicherung des 1941 geborenen und 2013 verstorbenen G L (Versicherter), der zuletzt Altersrente von der Beklagten iH eines mtl Zahlbetrags von 708,99 EUR mtl. bezogen hatte. Ein Rechtsstreit wegen der Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (SGB VII) – ebenfalls wegen Annahme einer "Versorgungsehe" (Bescheid der Berufsgenossenschaft (BG) Bau vom 16. April 2013, Widerspruchsbescheid vom 28. November 2014) – ruht im Hinblick auf das vorliegende Verfahren (SG Berlin – S 163 U 862/14 –).

Die 1943 geborene Klägerin, die Altersrente von der Beklagten bezieht (Zahlbetrag ab 1. Juli 2012: 1.295,54 EUR) und ihrerseits seit 2005 unter einer nicht heilbaren Krebserkrankung leidet, heiratete den Versicherten am 18. September 2012. Nach Bekunden der Klägerin hätten sie und der Versicherte seit 1995 wiederholt eine Liebesbeziehung geführt, wobei der Versicherte seine eigene Wohnung durchgehend bis zum April/Mai 2012 behielt, was auf eine langjährig bestehende Depression und Alkoholerkrankung des Versicherten zurückzuführen sei. Seit 2011/2012 habe die Beziehung bis zum Tode des Versicherten ununterbrochen bestanden. Im Mai 2012 zog der Versicherte zu der Klägerin (Anmeldebestätigung vom 31. Mai 2012).

Bei dem Versicherten wurde anlässlich eines stationären Krankenhausaufenthalts im Januar 2012 insbesondere ein nicht heilbarer, bösartiger Tumor des Brustfells (Mesotheliom) mit einem Befall des linken Lungenflügels ohne Metastasierung diagnostiziert. Nach dem Entlassungsbericht der D Kliniken B M vom 22. Februar 2012 seien alle Befunde ausführlich und wiederholt mit dem Versicherten besprochen worden. Die BG erkannte eine Berufskrankheit an (durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippen- oder Bauchfells) und leistete an den Versicherten Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 vH (Bescheid vom 11. Mai 2012; monatlicher Zahlbetrag ab 1. Juli 2012 = 1.725,73 EUR). Anfang August 2012 (Ambulanzbrief des Lungenkrebszentrums der D Kliniken vom 1. August 2012) wurde von einer operativen Intervention angesichts dessen, dass der Versicherte eher beschwerdearm und die Dyspnoe nur unter Belastung auftrete, bei einer Wundheilungsstörung Abstand genommen. Eine CT-Untersuchung von Juli 2012 zeigte unverändert keinen Befall der rechten Lunge. Eine bereits im März 2012 begonnene palliative, ambulante Chemotherapie musste Anfang September 2012 aufgrund einer erheblichen Verschlechterung des Allgemeinzustands des Versicherten abgebrochen werden. Der CT-Befund von Ende Oktober 2012 wies eine erhebliche Befundprogredienz auf, infolge derer der Versicherte Anfang des Jahres 2013 stationär behandelt wurde (18. Januar 2013 bis 12. Februar 2013; Entlassungsbrief vom 12. Februar 2013). Am 21. Februar 2013 wurde er in einem Hospiz (Haus R) aufgenommen, wo er kurz darauf verstarb.

Den WR-Antrag der Klägerin von März 2013, mit dem diese darauf verwies, dass die Ehe zur Sicherung der erforderlichen Betreuung bzw Pflege des Versicherten geschlossen worden und der Tod des Ehemanns auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen sei, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juli 2013 unter Verweis auf § 46 Abs. 2a Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) – in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2013 nach Einholung der sozialmedizinischen Beurteilung ihres ärztlichen Dienstes vom 24. September 2013 und eines Befundberichts des behandelnden Onkologen Dr. R vom 31. Oktober 2013 ab. Angesichts des schwerwiegenden Tumorleidens sowie der Tatsache, dass bereits im März 2012 der palliative Charakter der Therapie dem Versicherten vermittelt worden war, sei bei weiterer Verschlimmerung der Befunde in den Sommermonaten 2012 der Tod des Versicherten bei der Eheschließung vorhersehbar gewesen.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat den Onkologen Dr. R als Zeugen vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift vom 21. November 2016 wird Bezug genommen. Mit Urteil vom selben Tag hat es die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin große WR zu zahlen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Klägerin, die das 47. Lebensjahr vollendet und nicht erneut geheiratet habe, sei von dem gegebenen Anspruch auf WR nicht ausgeschlossen, obgleich die Ehe zwischen ihr und dem Versicherten weniger als ein Jahr gedauert habe, weil besondere Umstände vorlägen, aufgrund derer die Annahme nicht gerechtfertigt sei, die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenrente sei der alleinige und überwiegende Zweck der Heirat gewesen. Die Klägerin habe glaubhaft ausgeführt, dass sich ihre seit 1995 unstete Beziehung erst 2011/2012 wieder stabilisiert habe, die Tumordiagnose ein schwerer Schicksalsschlag gewesen sei, sie aber, was glaubhaft beteuert worden sei, davon ausgegangen sei, dass noch einige glückliche Ehejahre vor ihnen gelegen hätten. Die nach ärztlicher Erfahrung kurze Lebenserwartung von unter einem Jahr sei ihnen gegenüber nicht geäußert worden. Diese Angaben seien durch den in der mündlichen Verhandlung vernommenen Onkologen gestützt worden, der geäußert habe, dass zur Lebenserwartung keine genaue Prognose abgegeben werden könne, da es auf den Krankheitsverlauf ankommen. Vereinbar sei die Vorstellung der Klägerin auch mit den erhobenen Krankheitsbefunden, die bis September 2012 keine wesentliche Verschlechterung ergeben hätten. Die Heirat habe sich danach als die Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Krankheit gefassten Entschlusses dargestellt. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe sei hiermit widerlegt.

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte unter Hinweis auf die Stellungnahme seines sozialmedizinischen Dienstes vom 16. Februar 2017, auf die Bezug genommen wird, gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe sei nicht widerlegt. Im Gesprächsprotokoll der BG im Feststellungsverfahren zur beschleunigten Prüfung eines Verdachts auf eine Berufskrankheit vom 10. April 2012 sei ausgeführt, dass der Versicherte über Art und Schwere der Erkrankung aufgeklärt worden sei. Bei dem Pleuramesotheliom handele es sich um eine sehr aggressive bösartige Erkrankung mit einer mittleren Überlebenszeit von 7-10 Monaten. In den Frühstadien erreiche die Drei-Jahres-Überlebensrate ca. 20 % der Erkrankten, in den Spätstadien betrage diese ein bis drei Monate. Aus der Hoffnung auf Heilung und einem Verdrängen der niederschmetternden Tatsache sei nicht auf eine Unkenntnis der Klägerin zu schließen. Die geäußerte Hoffnung auf mehrere glückliche Jahre sei mit den bekannten objektiven Befunden nicht zu vereinbaren, diese legten vielmehr das Gegenteil nahe. Es sei nicht schlüssig, dass eine seit 1995 geplante Liebesheirat insbesondere aufgrund gesundheitlicher Umstände wiederholt verschoben worden sei und im September 2012 in einer Phase verwirklicht worden wäre, in der es beiden gut gegangen sei. Denn die Heirat sei in einer Erholungsphase nach der Chemotherapie erfolgt. Bereits am 10. April 2012 habe der Versicherte ausweislich des Gesprächsprotokolls die BG wegen einer Unterstützung des Umzugs in eine betreute Wohnungseinrichtung oder ein Hospiz kontaktiert.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. November 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie und der Versicherte hätten aufgrund der ärztlichen Mitteilung vom 23. August 2012 und eines stabilen Befundes noch auf ein paar gemeinsame Ehejahre gehofft, insbesondere aufgrund der Erfahrung mit der eigenen, stabilen Tumorerkrankung. Der Zweck der Versorgung habe nie im Vordergrund gestanden. Weder ihr noch dem Versicherten sei die Lebensbedrohlichkeit der Tumorerkrankung bewusst gewesen. Noch im Mai und September 2012 hätten sie gemeinsam Urlaub an der Ostsee gemacht. Als sie nach einem Heiratstermin beim Standesamt nachgefragt hätten, sei es dem Versicherten gut gegangen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, wegen der medizinischen Feststellungen auf die zu dem Verfahren eingeholten Befund- und Entlassungsberichte.

Die Gerichtsakte, die Gerichtsakte des SG Berlin – S 163 U 862/14 – und die Rentenakte des Versicherten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf WR. Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Witwen, die - wie die Klägerin - nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der – wie hier – die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große WR, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben. Obgleich diese tatbestandlichen Voraussetzungen bei der Klägerin vorliegen, hat sie seit dem 1. März 2012 (vgl § 99 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) keinen Anspruch auf große WR, weil die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat und – anders als das SG entschieden hat – keine besonderen Umstände des Falles die gesetzliche Regelannahme ausschließen, wonach es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (vgl § 46 Abs. 2a SGB VI). Diese Vorschrift wurde durch Artikel 1 Nr. 6b des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom 21. März 2001 (BGBl I S. 403) mit Wirkung vom 1. Januar 2002 in das SGB VI eingefügt. Sie begründet für alle seit ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 2002 (vgl. § 242a Abs. 3 SGB VI) geschlossenen Ehen stets – die – widerlegbare – gesetzliche Vermutung, dass bei einem Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung alleiniger oder überwiegender Zweck der Eheschließung war.

Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI greift vorliegend ein. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert, nämlich vom 18. September 2012 bis zum Tod des Versicherten am 25. Februar 2013. Sie wäre nur widerlegt, wenn zur vollen Überzeugung des Senats erwiesen wäre, dass der Eheschließung zumindest gleichgewichtig (auch) Motive zugrunde lagen, die nicht auf Versorgungsgesichtspunkten beruhen. Diese volle Überzeugung vermochte der Senat indes nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und der persönlichen Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht gewinnen.

Eine gewichtige Bedeutung bei der Gesamtbewertung aller vom Senat feststellbaren inneren und äußeren Ehemotive kommt dem Gesundheits- bzw Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. So kann ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Tod des Versicherten, bei welchem bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt, das heißt plötzlich oder unerwartet eingetreten ist (zB Unfalltod). Auf der anderen Seite ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht erfüllt (vgl hierzu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 6. Mai 2010 – B 13 R 134/08 R – juris Rn 21 ff). Indes ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten im Einzelfall der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war (vgl. BSG aaO). Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besondere Umstände, welche von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme ("Vermutung") einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden. Bei alldem ist der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI nur erfüllt, wenn insoweit nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) der volle Beweis erbracht wird. Dieser erfordert zumindest einen der Gewissheit nahe kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit; die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Hiernach ist eine Tatsache bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Eingedenk des im sozialgerichtlichen Verfahrens gemäß § 103 SGG geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes muss die Klägerin zur Anspruchsbegründung den Sachverhalt zwar nicht darlegen und beweisen. Sie muss allerdings dann mit der Versagung des geltend gemachten Anspruchs auf WR rechnen, wenn nach Ausschöpfung des Amtsermittlungsgrundsatzes "besondere Umstände" im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht festgestellt werden können. Denn die Darlegungs- und Beweislast für ihr Vorliegen als ein den Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, welcher den WR-Anspruch geltend macht (vgl BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 – B 13 R 55/08 R = SozR 4-2600 § 46 Nr 6 mwN). Hiervon ausgehend hat der Senat nicht die volle richterliche Überzeugung gewinnen können, dass im vorliegenden Einzelfall besondere Umstände iSv § 46 Abs. 2a SGB VI vorlagen, aus denen sich ergibt, dass es nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Besondere Umstände im Sinne des Gesetzes lassen sich nicht abschließend typisieren und bewerten (vgl BSG aaO; BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 – B 13 R 134/08 R – Rn 17). Hierbei kommen insbesondere in Betracht der nicht vorhersehbare Tod des Ehepartners, die Nachholung einer nach ausländischem Recht gültig geschlossenen Ehe, die nach deutschem Recht nicht gültig war, das Vorhandensein gemeinsamer leiblicher Kinder, das Vorliegen einer Schwangerschaft, die Erziehung eines minderjährigen Kindes des Verstorbenen durch den Hinterbliebenen, eine Heirat zur Sicherung der erforderlichen Betreuung oder Pflege des anderen Ehegatten (vgl hierzu Kamprad in: Hauck/Heines, SGB VI, Gesetzliche Rentenversicherung, Kommentar, § 46 Rn 38).

Nach eigenem Vorbringen führten die Klägerin und der Versicherte seit 1995 eine Beziehung, bei der beide Partner ihre Wohnungen beibehielten. Die Klägerin hat hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie, dh die Klägerin und der Versicherte, seien etwa 1998 übereingekommen, bei beiderseitigem Eintritt ins Rentenalter zu heiraten, was dann zunächst ihre Krankheit, später auch depressive Phasen und Alkoholmissbrauch des Versicherten verhindert hätten. 2008 sei es ihnen dann "gut gegangen". Zu einer Heirat kam es indes weiterhin nicht, weil – so die Klägerin ohne präzise zeitliche Einordnung – der Versicherte dann nicht mehr gewollt habe. Sie seien dann auch kein "Paar" mehr gewesen. 2010/2011 hätten schließlich der Sturz des Versicherten und dessen Folgen einer Heirat entgegengestanden. Ohne dass der Senat überhaupt in der Lage gewesen wäre, diese Angaben hinreichend zu verifizieren, fällt indes auf, dass etliche Jahre verstrichen, in denen die Klägerin und der Versicherte ihren seinerzeit angeblich schon bestehenden Heiratswunsch nicht realisierten, ohne dass hierfür im Einzelnen überzeugende Hinderungsgründe erkennbar wären. Sollte indes ein gemeinsamer Heiratswunsch – wie das Vorbringen der Klägerin auch möglich erscheinen lässt – vor der Diagnosestellung der unheilbaren und äußerst aggressiven Krebserkrankung gar nicht bestanden haben, wofür sprechen könnte, dass die Klägerin und der Versicherte nach der Lebensausrichtung und Beziehungsgestaltung sich zumindest zunächst dauerhaft auf eine nichteheliche Lebensgemeinschaft eingerichtet hatten und sich erst zur Heirat entschlossen, nachdem ihnen das ganze Ausmaß der Erkrankung des Versicherten bekannt und bewusst war, lässt sich auch hieraus ein einer Versorgungsehe entgegen stehendes Ehemotiv nicht herleiten. Es zeigt vielmehr, dass offensichtlich mehr als fünfzehn Jahre lang gerade kein ausreichender Grund für eine Eheschließung vorlag, sondern es sich lediglich Jahre lang um einen losen unverbindlichen Zukunftsplan der Klägerin (und des Versicherten?) handelte. Die Klägerin und der Versicherte haben wohl seit 2011/2012 wieder eine feste Beziehung geführt, ohne indes (auch) zu dieser Zeit bereits einen gemeinsamen Wohnsitz begründet zu haben. Erst nach der Krebsdiagnose und offenbar nach Erkundigungen bei der BG wegen Hilfen zu betreutem Wohnen, wobei der Versicherte auch bereit war, in ein Hospiz zu ziehen (was die Klägerin im Verhandlungstermin wenig glaubhaft so zu erklären versuchte, dass der Versicherte die Vorstellung gehabt habe, in ein "feines Heim" oder ein "Hospital" zu ziehen) zog der Versicherte Ende Mai 2012 angesichts bestehender Dyspnoe zur Klägerin, weil er nicht mehr in der Lage war, seine eigene Wohnung in der 4. Etage aufzusuchen.

Für das Vorliegen einer Versorgungsehe spricht vorliegend entscheidend die zum Zeitpunkt der Eheschließung bestehende schwere und ganz offenkundig lebensbedrohliche Erkrankung des Versicherten mit infauster Verlaufsprognose. Die Lebenserwartung des Versicherten lag prognostisch im Zeitpunkt der Eheschließung deutlich unter einem Jahr. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen über die Versicherte und einer vertieften Befassung mit ihrer Erkrankung fest (vgl auch Einschätzung des vom SG Zeugen gehörten behandelnden Onkologen). Ausweislich des vorläufigen Entlassungsbriefes der DRK Kliniken B vom 22. Februar 2012 war insbesondere der Tumorbefund ausführlich und wiederholt mit dem Versicherten besprochen worden. Nachdem die Klägerin im WR-Antragsverfahren erklärt hat, die Eheschließung habe auch das Ziel gehabt, den Versicherten gegebenenfalls zu pflegen und habe dem besseren Informationsaustausch mit den Ärzten gedient, dürfte es naheliegend sein, dass die Schwere der Diagnose nicht nur dem Versicherten, sondern auch der Klägerin bekannt war. Die Chemotherapie war ab März 2012 palliativ zwecks Linderung bei fehlender Heilungsmöglichkeit begonnen worden; auch dies war nach dem Zeugnis des behandelnden Onkologen sowohl der Klägerin als auch dem Versicherten bekannt. Nachvollziehbar ist zwar, dass – wie die Klägerin vorträgt – die behandelnden Ärzte keine präzisen zeitlichen Angaben zu der dem Versicherten verbleibenden Lebenszeit machten (was Dr. R für seine Person auch bestätigt hat), was naturgemäß entsprechende Hoffnungen bei dem Versicherten selbst und der Klägerin auf eine längere Überlebenszeit genährt haben mag. Fest steht indes, dass für den Versicherten und auch die Klägerin die Schwere der Erkrankung offenkundig gewesen sein musste, ebenso, dass die Prognose infaust und eine Heilung bzw ein Langzeitüberleben in dieser Situation sehr unwahrscheinlich, ja letztlich ausgeschlossen war. Wäre insoweit eine Heirat zur Pflege des Versicherten bzw um besseren Informationszugang zu den Ärzten zu erhalten im Vordergrund gestanden, ist auch insoweit nicht nachvollziehbar, warum die Eheschließung dann nicht in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Diagnosestellung und den sich anschließenden Behandlungen bzw zumindest mit der Aufgabe der Wohnung des Versicherten im April/Mai 2012 stattfand. Eine entsprechende Anfrage beim Standesamt nach den benötigten Unterlagen erfolgte frühestens am 31. Mai 2012, ohne dass die Heirat sich dann aber in engerem zeitlichem Zusammenhang anschloss. Die Ehe schlossen der Versicherte und die Klägerin schließlich erst zu einem Zeitpunkt, als sich der Allgemeinzustand des Versicherten nach der glaubhaften Zeugenaussage des behandelnden Onkologen Dr. R Anfang September 2012 so verschlechtert hatte, dass die Chemotherapie abgebrochen wurde. Auch dies konnte dem Versicherten und der Klägerin nicht entgangen sein. Hinzu kommt, dass aus objektiver Sicht auch die Gewährung einer nicht unerheblichen zusätzlichen Hinterbliebenenversorgung aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erwarten war. Dass die Hochzeit am 18. September 2012 ein schönes Ereignis war sowie der feierliche Rahmen belegen ein anderes ebenso nicht. Die vorgelegten Bilder vermitteln den Eindruck eines glücklichen und zufriedenen Brautpaares im Kreise von Angehörigen bzw Freunden. Für die hier entscheidende Frage der Beweggründe für die Heirat sind sie jedoch nicht aussagekräftig.

Angesichts einer mittleren Überlebenszeit von sieben bis zehn Monaten nach der Diagnose eines Pleuramesothelioms (vgl sozialmedizinische Stellungnahme L/Dr. A-S vom 16. Februar 2017) bedarf es erheblicher, vom Versorgungsgedanken unabhängiger (höchst-)persönlicher Gründe, um die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe zu entkräften. Die vom hinterbliebenen Ehegatten, wie von der Klägerin, behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind nicht nur für sich – isoliert – zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung einzubeziehen (vgl BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 – B 13 R 55/08 R – Rn 24). Solche, angesichts der evidenten Lebensbedrohlichkeit der Krankheit besonders gewichtigen inneren oder äußere Umstände erkennt der Senat hier im erforderlichen Vollbeweis nicht, zumal – worauf nochmals zu verweisen ist - von der Klägerin mitgeteilte Heiratsabsichten über einen langjährigen Zeitraum offenbar wiederholt aus unterschiedlichen, teilweise auch nicht bzw nicht in Gänze nachvollziehbaren Gründen verschoben worden sind. Anhaltspunkte dafür, dass konkrete Eheschließungsabsichten schon vor der Krankheitsdiagnose etwa durch entsprechende Nachfragen beim Standesamt, nähere Planung der Feierlichkeiten , zB durch Reservierung eines Restaurants oä, nach außen getreten sind, sich mithin die Eheschließung – wie das SG gemeint hat - als konsequente Verwirklichung eines bereits zuvor getroffenen Heiratsentschlusses erwiesen hätte, bestehen nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Angesichts der vorliegenden medizinischen Unterlagen und der bereits erfolgten Vernehmung des die Chemotherapie seinerzeit durchführenden Onkologen drängen sich dem Senat auch keine weiteren Möglichkeiten der Ermittlung auf (vgl § 103 SGG). Das Berufungsgericht ist im Rahmen der erforderlichen Gesamtbewertung aller Umstände im Ergebnis nicht in der Lage, im Wege des Vollbeweises die Feststellung zu treffen, dass vorliegend besondere Umstände vorlagen, aus denen sich ergibt, dass es nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast geht dies zu Lasten der Klägerin.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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