L 1 KR 25/06 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 KR 154/05 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 25/06 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Verfahren L 1 KR 25/06 ER und L 1 KR 27/06 ER werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Das Verfahren L 1 KR 25/06 ER ist führend.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 20. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Der Antrag der Antragstellerin ist dahingehend auszulegen, dass sie sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen durch den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 20. Dezember 2005 wendet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Fulda den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklagen der Antragstellerin nach den §§ 86b Abs. 1 Nr. 2, 86a Abs. 2 Nr. 1, 86a Abs. 3 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgelehnt. Die Vollziehung der Beitragsbescheide der Beklagten stellt für die Antragstellerin weder eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte dar noch bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Beitragsbescheide. Nach Aktenlage hat die Beklagte bei der Berechnung der Beiträge der Antragstellerin zur gesetzlichen Krankenversicherung zu Recht die Kapitalleistung der D-Lebensversicherung einbezogen, die der Antragstellerin am 31. Dezember 2004 ausgezahlt worden sind. Diese Kapitalleistung ist als Versorgungsbezug beitragspflichtig (§§ 232a Abs. 4, 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V in Verbindung mit § 229 SGB V i.d.F des GKV-Modernisierungsgesetzes - GMG - vom 14. November 2003 – BGBl. I 2003, 2190 -). Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung nimmt der Senat Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren hat ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsbescheide der Antragsgegnerin nicht begründen können. Die Antragstellerin hat sich insbesondere darauf berufen, die ihr von der D. ausgezahlte Kapitalleistung sei kein Versorgungsbezug im Sinne von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 SGB V. Die Leistung sei entgegen der Annahme des Sozialgerichts keine Leistung der betrieblichen Altersversorgung in dem Durchführungsweg einer Direktversicherung. Vielmehr seien die Kriterien für eine Direktversicherung hinsichtlich des im Jahr 1984 abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrages nicht erfüllt. Auch nach den Ermittlungen im Beschwerdeverfahren geht der Senat indes davon aus, dass die von der D. ausgezahlte Kapitalleistung auf einer Direktversicherung durch Gehaltsumwandlung im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung - Betriebsrentengesetz - beruht. Bei einer solchen Direktversicherung schließt der Arbeitgeber aus Anlass des Arbeitsverhältnisses unmittelbar mit der Lebensversicherung einen Vertrag für den Arbeitnehmer als Begünstigten ab; die Beiträge (Prämien) zu der Lebensversicherung werden aus dem insoweit umgewandelten Arbeitsentgelt finanziert und von dem Arbeitgeber an die Versicherung abgeführt. Nach dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Schreiben der D. vom 15. Juni 2005 sowie nach der von dem Senat eingeholten schriftlichen Auskunft der D. vom 26. April 2006 ist vorliegend ein solcher Vertrag im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung in Form einer Kapitalversicherung mit festem Auszahlungszeitpunkt abgeschlossen worden.

Unzutreffend ist die Auffassung der Antragstellerin, eine Direktversicherung durch Gehaltsumwandlung liege nicht vor, da von den Prämien zur Direktversicherung, die aus dem Arbeitsentgelt der Antragsstellerin gezahlt worden seien, Sozialabgaben abgeführt worden seien. Den Gehaltsabrechnungen aus dem Jahr 1985, die die Antragstellerin im Verfahren vorgelegt hat, ist zu entnehmen, dass die monatliche Prämie zur Direktversicherung in Höhe von seinerzeit 200,00 DM nicht als Arbeitsentgelt der Berechnung der Sozialversicherungsabgaben zugrunde gelegt worden ist. Für die Zeit ab dem 1. Januar 1990 sind die Prämien zur Direktversicherung, die aus dem regelmäßigen Arbeitsentgelt der Antragstellerin gezahlt worden sind, indes sozialversicherungspflichtig gewesen. Gemäß § 2 Satz 1 Nr. 3 der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) in der Fassung vom 12. Dezember 1989 (i. V. m. § 40b Einkommenssteuergesetz - EStG -) werden Sozialversicherungsabgaben bei einer Direktversicherung nur noch dann "eingespart", wenn die Prämien zu der Direktversicherung zusätzlich zu Löhnen und Gehältern erbracht werden z. B. bei Entgeltumwandlung aus Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld (vgl. auch Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 14 SGB IV Rdnr. 9).

Einer Erhebung des Krankenversicherungsbeitrages aus der von der D. ausgezahlten Kapitalleistung steht auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin die Prämien für die Direktversicherung wirtschaftlich allein getragen hat. Für die Abgrenzung der beitragspflichtigen zu den beitragsfreien Einnahmen ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts allein der Bezug zum früheren Erwerbsleben maßgebend (BSG, Urteile vom 11. Oktober 2001 - B 12 KR 4/00 R - SGb 2001, 754 und vom 26. März 1996 - 12 RK 21/05 - SGb 1997, 379). Versorgungsbezüge im Sinne des § 229 SGB V und damit beitragspflichtig sind die Einnahmen, bei denen ein solcher Bezug besteht oder typischerweise angenommen wird; beitragsfrei sind nur Einnahmen, die ohne Zusammenhang mit einer (früheren) Berufstätigkeit aus privater Vorsorge oder z. B. aus ererbten Vermögen erworben worden sind (vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 3. März 2006 - L 5 KR 89/04 - Juris; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Januar 2006 - L 11 KR 2032/05 -, Juris; BSG, Urteile vom 11. Oktober 2001 und vom 26. März 1996 jeweils a.a.O.). Vorliegend ist dieser Bezug - wie oben ausgeführt - gegeben. Die Antragstellerin hat die Leistung im Zusammenhang mit ihrer früheren beruflichen Tätigkeit bei der Firma V. KG erworben. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Leistung auf einer für die betriebliche Altersversorgung typischen Versicherungsart nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 Betriebsrentengesetz beruht.

Der Bewertung der Leistung aus der hier abgeschlossenen Lebensversicherung als einer Leistung der betrieblichen Altersversorgung steht entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht entgegen, dass sie für die Zeit ihres Krankengeldbezugs von März 2003 bis Dezember 2004 – nach Beendigung ihrer Tätigkeit – die Prämien zu der Direktversicherung selbst ohne Zwischenschaltung ihres Arbeitgebers abgeführt hat. Der Bezug der Direktversicherung zu dem Erwerbsleben der Klägerin geht dadurch nicht verloren; der Charakter der ausgezahlten Kapitalleistung als betriebliche Altersversorgung und damit Versorgungsbezug im Sinne von § 229 SGB V bleibt erhalten (vgl. auch Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 3. März 2006, a.a.O.).

Die zum 1. Januar 2004 mit dem GKV-Modernisierungsgesetz - GMG - vom 14. November 2003 (BGBl. I 2003, 2190) eingeführte Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus der betrieblichen Altersversorgung in der Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V i. d. F. vom 14. November 2003 ist verfassungsgemäß. Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Neuregelung keine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung enthält.

Die gesetzliche Neuregelung verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Sie beinhaltet weder eine - willkürliche - Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte noch die Gleichbehandlung völlig verschiedenartiger Sachverhalte. Mit der Einführung der Beitragspflicht der Versorgungsbezüge durch das Rentenanpassungsgesetz 1982 hatte der Gesetzgeber seinerzeit den Zweck verfolgt, die versicherungspflichtigen Rentner entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an der Finanzierung ihrer Krankenversicherung zu beteiligen. Diese Zielsetzung entspricht dem die gesetzliche Krankenversicherung beherrschenden Solidaritätsprinzip (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 3. März 2006, a.a.O.). Mit der beitragsrechtlichen Erfassung der Abfindungen durch die Neuregelung in § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V, d.h. mit der Erfassung der einmaligen Zahlungen zur Abgeltung an sich zustehender laufender Leistungen, wollte der Gesetzgeber die Gleichbehandlung aller Kapitalabfindungen erreichen, die Versorgungsbezüge sind. Nach der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V waren Versorgungsleistungen, die von vornherein als einmalige Kapitalleistung zu erbringen waren, nicht beitragspflichtig. Die Neuregelung sollte gerade Umgehungsmöglichkeiten bei der Beitragspflicht für Versorgungsbezüge beseitigen (BT-Drucksache 15/1525 S. 139) und demnach zu einer gleichmäßigen Behandlung aller Betroffenen führen. Sie dient also gerade der Gleichbehandlung der Versicherten (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 8. September 2005 - L 4 KR 27/05 -, Juris; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 2005 - L 11 KR 4346/05 -, Juris).

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin stellt auch die unterschiedliche beitragsrechtliche Behandlung von Kapitalleistungen der betrieblichen Altersversorgung wie hier der Leistung aus einer Direktversicherung durch Gehaltsumwandlung gegenüber Leistungen aus rein privaten Lebensversicherungsverträgen keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar. Die Leistungen unterscheiden sich gerade dadurch, dass die Kapitalleistungen der betrieblichen Altersversorgung im Gegensatz zu den Leistungen aus rein privaten Versicherungen einen Bezug zum Erwerbsleben des Versicherten und Einkommensersatzfunktion haben, die Prämien/Beiträge zu der betrieblichen Altersversorgung, auf der die Leistungen beruhen, steuerlich besonders gefördert werden (vgl. § 40b EStG, wonach die Prämien zur Direktversicherung nur einer pauschalen Besteuerung unterliegen) und teilweise - wie oben ausgeführt - auch sozialversicherungsrechtlich besonders behandelt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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