Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 14/13 V 2280/01
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 V 22/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zum "nachweisbar angestrebten Beruf" i.S.d. § 30 Abs. 2 BVG bei einem Jugendlichen, der im Alter von 17 Jahren in der DDR für ca. sechs Jahre rechtsstaatswidrig inhaftiert war und während dieser Haftzeit eine posttraumatische Belastungsstörung erlitt.
2. Die Beweiserleichterung des § 15 Vfg-KOV gilt auch in gerichtlichen Verfahren bez. § 21 StrRehaG. Die Regelung ist nicht nur dann anwendbar, wenn überhaupt keine Unterlagen mehr vorliegen. Ausreichend ist, dass nicht mehr genügend Unterlagen für einen Nachweis vorhanden sind.
2. Die Beweiserleichterung des § 15 Vfg-KOV gilt auch in gerichtlichen Verfahren bez. § 21 StrRehaG. Die Regelung ist nicht nur dann anwendbar, wenn überhaupt keine Unterlagen mehr vorliegen. Ausreichend ist, dass nicht mehr genügend Unterlagen für einen Nachweis vorhanden sind.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichtes Kassel vom 13. Juli 2004 sowie der Bescheid des Beklagten vom 30. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2001 aufgehoben und der Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. Januar 1991 Beschädigtenrente wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit nach einer MdE von 50 % sowie Berufsschadensausgleich nach dem Vergleichseinkommen eines Beamten des höheren Dienstes zu gewähren.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höherbewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit (bbB) sowie die Gewährung eines Berufsschadensausgleiches (BSA) nach dem Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz - StrRehaG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der Kläger stammt aus der ehemaligen DDR. Er wurde 1954 in C-Stadt geboren und wuchs dort auf. Wenige Wochen vor Abschluss der 10. Klasse der dortigen polytechnischen Oberschule wurde er am 3. Mai 1971 wegen Schulbummelei vorzeitig ausgeschult. In der Folgezeit wurde er am 25. Juni 1971 wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten von dem Kreisgericht C-Stadt zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, die zunächst auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Am 29. Juli 1971 wurde die Bewährung widerrufen und der Kläger von diesem Tag bis zum 25. Mai 1972 in Strafhaft genommen. In der Folgezeit wurde durch die Staatsanwaltschaft C-Stadt ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen asozialem Verhalten eingeleitet. Im Zuge dessen befand sich der Kläger in der Zeit vom 29. August 1972 bis 30. Oktober 1972 in Untersuchungshaft. Sodann wurde der Kläger durch Urteil des Kreisgerichts C-Stadt vom 25. Januar 1973 wiederum wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten zur Arbeitserziehung verurteilt und befand sich deswegen in der Zeit vom 5. Januar 1973 bis 4. Januar 1978 in Strafhaft. Die Urteile des Kreisgerichts C-Stadt vom 25. Juni 1971 und 25. Januar 1973 wurden von dem Bezirksgericht Erfurt (I Reha 493/91) mit Beschluss vom 30. November 1992 für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben. Der Kläger wurde rehabilitiert. Die Einleitung und Durchführung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft C-Stadt sowie die Anordnung und der Vollzug der Untersuchungshaft wurden von dem Landgericht Erfurt (I Reha 38/94) durch Beschluss vom 19. Juli 1994 für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben. Der Kläger wurde rehabilitiert.
Nach seiner Haftentlassung im Jahr 1978 war der Kläger zunächst als Hilfsarbeiter in verschiedenen Unternehmen beschäftigt. Zuletzt arbeitete er in einem Holzwerk in einer Bürotätigkeit. Im Rahmen einer betrieblichen Bildungsmaßnahme wurde er zur Weiterbildung vorgeschlagen und absolvierte berufsbegleitend eine Ausbildung zum Wirtschaftskaufmann/Industrie (Urkunde über die Facharbeiterprüfung vom 8. Februar 1990). Am 18. Januar 1990 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland um. Über das Arbeitsamt nahm er an einem mehrwöchigen Anpassungslehrgang teil. In der Zeit vom 1. März 1990 bis 31. März 1990 arbeitete er als selbstständiger Versicherungsvertreter für die "Volksfürsorge Versicherungsgruppe". Eine Qualifizierung für steuerberatende Berufe brach der Kläger bereits nach kurzer Zeit ab, da seine Vorkenntnisse zu mangelhaft waren. In der Zeit vom 1. Oktober 1998 bis 30. September 1999 war er zuletzt in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (Archivierungstätigkeiten) versicherungspflichtig tätig.
Am 11. März 1993 stellte der Kläger einen Antrag auf Versorgung bei dem Beklagten. Dieser holte u. a. ein zahnärztliches Gutachten bei der Zahnärztin B. (versorgungsärztliche Untersuchungsstelle LJ.) vom 20. September 1993 sowie ein ärztliches Gutachten bei dem Neurologen K. (versorgungsärztliche Untersuchungsstelle LJ.) vom 14. September 1993 ein. Auf neurologischem Fachgebiet stellte Herr K. "psychische Störungen im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsreaktion" als Schädigungsfolgen mit einer MdE von 20 % fest. Mit Bescheid vom 27. August 1996 stellte der Beklagte als Gesundheitsschäden fest: 1. Psychische Störungen im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsreaktion; 2. herausnehmbare prothetisch ausgeglichener Zahnverlust der Zähne 13, 11 und 23. Diese Gesundheitsstörungen würden keine MdE von wenigstens 25 % bedingen. Der dagegen eingelegte Widerspruch vom 12. September 1996 wurde von dem Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 1997 zurückgewiesen. Dagegen erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Kassel (S 13 (6 B, D, B) V 235/97). Im Rahmen dieses Klageverfahrens erteilte der Beklagte am 2. März 2000 und am 26. März 2000 Abhilfebescheide, worin eine MdE von 40 % ab 1. Januar 1991 festgestellt wurde. Am 9. Oktober 2000 erklärte der Kläger sodann das Klageverfahren in der Hauptsache für erledigt.
Mit Bescheid vom 30. Juli 2001 lehnte der Beklagte die Erhöhung der MdE wegen einer bbB sowie einen BSA ab. In den Gründen führte der Beklagte aus, dass bei dem Kläger die Freiheitsentziehung am 29. Juli 1971 begonnen habe. Somit könnten die bei ihm anerkannten Schädigungsfolgen nicht vor dem Zeitpunkt des Haftantritts vorgelegen haben und daher auch nicht ursächlich für das Scheitern in der Schule gewesen sein. Auch die Nichtzulassung zum Studium als Voraussetzung für das Erreichen des Berufsziels (Theologiestudium) sei auf die gesellschaftlichen Umstände in der ehemaligen DDR zurückzuführen. Die nach dem 15. Januar 1990 unternommenen Ausbildungs- und Arbeitsversuche seien aus verschiedenen Gründen gescheitert. Es sei nicht erkennbar, inwieweit die anerkannten Schädigungsfolgen für das Scheitern in diesen Ausbildungs- und Arbeitsversuchen ursächlich hätten sein können.
Den dagegen am 20. August 2001 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2001 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 13. Dezember 2001 Klage bei dem Sozialgericht Kassel erhoben. Mit Urteil vom 13. Juli 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, ein möglicher Anspruch des Klägers auf BSA nach § 30 Abs. 3 BVG scheitere bereits daran, dass sein Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit nicht infolge der Schädigungsfolgen gemindert sei. Insoweit sei allein maßgeblich die bei ihm anerkannte psychische Störung im Sinne einer posttraumatischen Belastungsreaktion, die ursächliche Bedeutung für die Minderung des Einkommens erlangt haben müsste. Doch diese psychische Störung sei nicht die wesentliche Ursache dafür gewesen, dass der Kläger seinen nach eigenen Angaben angestrebten Beruf des Pfarrers nicht habe ergreifen können. Ausschlaggebender kausaler Faktor für das Nichtablegen des Abiturs und ein eventuell nicht angetretenes Studium der Theologie sei nicht die anerkannte Schädigungsfolge, sondern die rechtsstaatswidrige Internierung gewesen. Denn erst in dieser Zeit habe sich die persönliche Tragik des Klägers verwirklicht, weil es gerade erst durch den Freiheitsentzug und durch die dort erlittenen Traumatisierungen zu der psychischen Belastungsreaktion gekommen sei. Wesentliche Bedingung für den fehlenden Schulabschluss des Klägers und ein eventuell sich anschließendes Studium sei die Haftzeit gewesen. Seine Argumentation, er habe sich gerade durch die Internierung die psychischen Leiden zugezogen und habe deswegen nicht mehr studieren können, könne insoweit nicht durchgreifen. Zwar sei nicht von der Hand zu weisen, dass zumindest gewisse Indizien für seinen Vortrag sprächen, dass er vor seiner ersten Inhaftierung den Berufswunsch des Pfarrers gehabt habe. Hierfür spreche insbesondere die schriftliche Bescheinigung der damaligen Gemeindeschwester, Frau C ... Aber gerade für die Zeit nach der Haftentlassung Anfang 1978 ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die bei dem Kläger vorliegenden psychischen Schädigungsfolgen als wesentliche Ursache den nach seinen eigenen Angaben erstrebten Berufsweg verhindert hätten. Denn in den Jahren 1978 bis zur Wiedervereinigung sei es dem Kläger aufgrund der in der DDR vorliegenden gesellschaftlichen Verhältnissen verwehrt gewesen, den möglicherweise angestrebten Berufsweg zu verfolgen. Zwar habe er geltend gemacht, nach dieser Zeit psychisch derartig beeinträchtigt gewesen zu sein, dass er allein deswegen sein ursprüngliches Berufsziel nicht wieder habe aufgreifen können. Entscheidend sei jedoch, dass der Kläger selbst unter Überwindung bzw. bei Nichtvorliegen seiner psychischen Leiden seinen möglicherweise angestrebten Berufswunsch in der damaligen DDR nicht hätte umsetzen können. Auch ein Anspruch gemäß § 30 Abs. 2 S. 1 BVG komme nicht in Betracht. In der DDR habe er noch Ende der 80er Jahre erfolgreich eine Ausbildung zum Facharbeiter (Wirtschaftskaufmann/Industrie) erfolgreich beendet. In den 90er Jahren habe er sich nach seinen Angaben zunächst als Versicherungsvertreter betätigt. Diese Tätigkeit habe er nach seinen eigenen Einlassungen jedoch nicht aufgrund der psychischen Schädigung aufgegeben, sondern weil der Verdienst zu unsicher gewesen sei. Die angestrebte Ausbildung zum Steuerfachgehilfen habe er wegen fehlender beruflicher Vorkenntnisse abgebrochen. Auch insoweit sei die Beeinträchtigung durch die posttraumatische Belastungsreaktion nicht maßgebend gewesen. Es würden keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die psychische Beeinträchtigung des Klägers ausschlaggebend für das Scheitern dieser beruflichen Laufbahnen gewesen seien. Im Übrigen würden die Gesichtspunkte bezüglich der Kausalität im Rahmen des Berufsschadensausgleiches entsprechend gelten.
Gegen das dem Kläger am 22. Mai 2004 zugestellte Urteil hat dieser am 23. Juli 2004 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.
Im Rahmen der Sachermittlungen von Amts wegen hat der Senat die Zulassungsordnung des Kirchlichen Proseminars in N. vom 15. Januar 1965 beigezogen. Weiter hat der Senat Befundberichte bei der Diplom-Psychologin F. (C-Stadt) vom 11. April 2005 und der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie G. (A-Stadt) vom 8. Juni 2005 eingeholt. Im Rahmen eines Erörterungstermins vom 28. September 2005 ist der Kläger wegen seines behaupteten Berufswunsches persönlich angehört worden und außerdem diesbezüglich die Gemeindeschwester C. als Zeugin vernommen worden. Wegen der Einzelheiten dieser Bekundungen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28. September 2005 (Blätter 191 bis 194 Gerichtsakte) Bezug genommen. Schließlich hat der Senat ein psychiatrisches Fachgutachten bei Frau D. (D-Stadt) vom 4. Januar 2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 27. Mai 2006 eingeholt. Die Sachverständige D. hat festgestellt, dass bei dem Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung mit Anzeichen einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung mit chronischem Verlauf vorliege, außerdem eine Agoraphobie mit Panikstörung nach ICD 10 und DSM-IV. Beide Störungsbilder zeigten erhebliche Auswirkungen sowohl auf die soziale Gestaltungsfähigkeit als auch auf die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers. Sie hätten insbesondere zu veränderten Einstellungen der eigenen Person und den Autoritätspersonen gegenüber dem Kläger geführt, einer resignierten, zurückgezogenen Grundhaltung, zu Insuffizienzerleben, zu Vermeidungsverhalten engen Räumen gegenüber oder Menschenmengen, somit auch Hörsälen oder Seminarräumen gegenüber, zu erheblichen Störungen in der Flexibilität, Konzentration, Belastbarkeit, Durchhaltevermögen, was für ausführliche geistige Tätigkeiten notwendig wäre. Sowohl die posttraumatische Belastungsstörung als auch die Agoraphobie mit Panikstörung würden in einem deutlichen inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den politischen Verfolgungszeiten stehen und seien mit großer Wahrscheinlichkeit durch diese als entstanden zu werten. Sie seien mit Wahrscheinlichkeit ursächlich und wenigstens gleichwertig ursächlich dafür anzusehen, dass der Kläger nach den Haftentlassungen seinen angestrebten Beruf, wie den eines Pfarrers, insbesondere mit dem notwendigen Studium dazu, nicht habe ergreifen können.
Der Kläger weist darauf hin, die Annahme des Sozialgerichts, er habe sein angestrebtes Studium aufgrund der politischen Situation in der DDR nicht habe durchführen können, sei nicht zutreffend. Vielmehr sei das Kirchliche Proseminar in N. eine Einrichtung gewesen, in der man sein Abitur hätte ablegen können, um dann an einer kirchlichen Hochschule ein Theologiestudium aufzunehmen beziehungsweise im gehobenen kirchlichen Dienst tätig zu werden. Die Kirche und ihre Ausbildung seien in der DDR autonom gewesen. Die unmittelbar an der Schulzeit anschließende mehrjährige Haftzeit, u. a. mit schwerwiegender Einzelhaft, hätten zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt. Insoweit sei es ihm dann nicht mehr möglich gewesen, ein Abitur und ein Hochschulstudium mit den entsprechenden Beanspruchungen durchzuführen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Juli 2004 sowie den Bescheid des Beklagten vom 30. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab dem 1. Januar 1991 Beschädigtenrente wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit nach einer MdE von 50 v.H. sowie Berufsschadensausgleich nach dem Vergleichseinkommen eines Beamten im höheren Dienst zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass zur Anerkennung einer beruflichen Beeinträchtigung unter Zugrundelegung des Berufes eines Pfarrers die Teilnahme an Bibelgruppen im jugendlichen Alter nicht ausreiche. Der Beruf des Pfarrers sei sicherlich nicht allein geprägt durch religiöse, karitative, seelsorgerische und reformatorische Elemente, die beim Kläger nicht dokumentiert seien, sondern auch durch Intellektualität in Bezug auf Sprachkenntnisse und evangelisch-pastoraler Fachgebiete, die kaum auf das Studium beschränkt sein dürften. Insoweit seien konkrete Anknüpfungspunkte für die Tatsächlichkeit des Pfarrerberufs nicht erkennbar. Insbesondere die bei ihm im Rahmen des Schulbesuchs nur ausreichende Note im Fach Russisch lasse darauf schließen, dass die geistige Leistungsfähigkeit für das Erlernen einer eher schwierigen Sprache doch recht eingeschränkt gewesen sei, was dann wiederum sicherlich als Hindernis für ein Theologiestudium mit der Notwendigkeit, sich in Latein, Altgriechisch und Hebräisch Kenntnisse anzueignen, relevant gewesen wäre. Außerdem sei zu fragen, wieso der Kläger nach der Haft oder zumindest später im "Westen" nie wieder Kontakt zu kirchlichen Kreisen gesucht habe.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten des Beklagten, die Archivakte des Sozialgerichts Kassel (S 13 (6 B, D, B) V 235/97) sowie die Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 30. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2001 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Ihm steht ein Anspruch auf Erhöhung der MdE wegen einer bbB auf 50 % sowie ein BSA zu. Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Juli 2004 war demgemäß aufzuheben.
Ein Anspruch des Klägers auf Erhöhung der MdE von 40 % auf 50 % ergibt sich aus § 21 Abs. 1 StrRehaG in Verbindung mit § 30 Abs. 2 BVG. Ein Betroffener, der infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält gemäß § 21 Abs. 1 StrRehaG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG. Gemäß § 30 Abs. 2 GVG ist die MdE höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Das ist insbesondere der Fall, wenn er infolge der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen oder den nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann (§ 30 Abs. 2 Satz 2 lit. a BVG). Vorliegend ist der Ausgangspunkt des Beklagten und des Sozialgerichts zutreffend. Der Verweis des Klägers von der polytechnischen Oberschule vor Abschluss der 10. Schulklasse und seine rechtsstaatswidrige Inhaftierung ab dem 25. Juni 1971 haben ihre Gründe nicht in den anerkannten Schädigungsfolgen des Klägers sondern, wie dies insbesondere für die Inhaftierungen nach Abschluss der Rehabilitationsverfahren feststeht, in den politischen Verhältnissen der damaligen DDR. Allerdings haben der Beklagte und das Sozialgericht verkannt, dass der Kläger aufgrund der in den Haftzeiten erlittenen posttraumatischen Belastungsstörung und der Agoraphobie nach seiner letzten Entlassung gesundheitlich nicht mehr in der Lage war, den Beruf des Pfarrers zu ergreifen. Insoweit waren die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR hierfür nicht maßgeblich, denn das Ablegen der kirchlichen Abiturprüfung am Proseminar in N. sowie ein Theologiestudium an einer kirchlichen Hochschule waren staatsunabhängig.
Zur Überzeugung des Senats steht aufgrund der Beweisaufnahme fest, dass der Beruf des Pfarrers der von dem Kläger angestrebte Beruf im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG war. Dies ergibt sich zum einen aus der Biografie des Klägers, die insoweit von dem Beklagten nicht bestritten worden ist. Der Kläger wuchs in einem kirchlich geprägten Haushalt auf. Er besuchte einen kirchlichen Kindergarten und wurde konfirmiert. Die Familie besuchte Gottesdienste und beging kirchliche Feiertage entsprechend. Es wurde in der Familie gebetet. Wie sich aus der glaubhaften Zeugenaussage der Gemeindeschwester C. ergibt, besuchte der Kläger regelmäßig seit seinem 14. Lebensjahr die "Junge Gemeinde" und oft auch darüber hinaus das Schwesternhaus. Dabei nahm der Kläger einmal in der Woche an einem Bibelkreis teil, in dessen Rahmen die Bibel ausgelegt sowie gesungen und gebetet wurde. Seine Nähe zu kirchlichen Einrichtungen wird auch dadurch dokumentiert, dass er sich häufig im Schwesternhaus aufhielt und mit den dort lebenden Schwestern viel gesprochen und diskutiert hat, wobei hier allgemeine Themen im Vordergrund standen. Die Zeugin C. hat glaubhaft bestätigen können, dass der Kläger ihr gegenüber oft geäußert hat, er wolle Theologie studieren. Sie hat diesen Berufswunsch für ernsthaft gehalten. Außerdem steht fest, dass der Kläger die Bewerbungsunterlagen für die Aufnahme in das Kirchliche Proseminar in N. angefordert hat. So hat er ein Schreiben des Oberkonstitorialrates BF. vom 8. Mai 1996 vorlegen können, worin anhand der früheren Posttagebücher ein entsprechender Versand von Informationsunterlagen dokumentiert ist. Allerdings ist nicht nachgewiesen, dass es in der Zeit vor der ersten Inhaftierung zu einer Bewerbung gekommen ist. So hat Herr BF. in dem genannten Schreiben weitere den Kläger betreffende Eingänge nicht finden können, allerdings hat Herr BF. eingeräumt, dass der Aktenbestand zum damaligen Zeitpunkt noch nicht archiviert war und es deshalb schwierig sei, bestimmte Aktenvorgänge zu finden. Aus der Auskunft des Herrn F. vom Konsistorium der Kirchenprovinz E. vom 11. März 2003 gegenüber dem Sozialgericht Kassel ergibt sich, dass im Februar 1994 erstmals das Archiv nach Bewerbungsunterlagen des Klägers ohne Erfolg überprüft worden war und ihm die Auskunft gegeben wurde, es sei durchaus denkbar, dass die Bewerbungsunterlagen der nicht berücksichtigten Anträge vernichtet worden seien. Eine weitere Überprüfung im April 1996 ergab, dass Vorgänge in Schulangelegenheiten nur von den Schülern noch vorhanden seien, die tatsächlich am Proseminar immatrikuliert gewesen waren. Mittlerweile seien auch die Posttagebücher des Kirchlichen Proseminars im Zuge der Arbeiten vernichtet worden, so dass sich in der Angelegenheit des Klägers nichts mehr ermitteln lasse. Zwar konnte sich auch der damalige - mittlerweile verstorbene - Gemeindepfarrer K. nicht bestätigen, dass er mit dem Kläger über eine Pfarrerlaufbahn gesprochen und ein Empfehlungsschreiben zur Aufnahme in das Kirchliche Proseminar gefertigt zu haben. Dieser Auskunft steht aber die Zeugenaussage von Frau C. entgegen, die sich sicher war, dass es insoweit zu Gesprächen zwischen dem Kläger und den Gemeindepfarrern gekommen war. Die Tatsache, dass es zu einer Bewerbung des Klägers für das Kirchliche Proseminar gekommen ist, hält der Senat für glaubhaft im Sinne des § 15 Vfg-KOV. Danach sind die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zu Grunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Diese Regelung ist dann anzuwenden, wenn alle anderen Möglichkeiten, den Sachverhalt aufzuklären, erschöpft sind und zu keinem ausreichenden Ergebnis geführt haben. Die Beweiserleichterung des § 15 Vfg-KOV gelten auch im gerichtlichen Verfahren (BSG, Urteil vom 31. Mai 1989, 9 RVg 3/89). Da § 21 StrRehaG allgemein auf die Regelungen des BVG verweist, ist hiervon auch das diesbezügliche Verwaltungsverfahren umfasst (vgl. BSG, a.a.O., zur Geltung für das OEG; HLSG, Urteile vom 18. Oktober 2001, L 5 V 612/98 zum SVG; vgl. auch Rundschreiben des BMA vom 23. Januar 1996 - VI 1-61027/54162, Bundesarbeitsblatt 3/1996, Seite 117). Die Anwendung des § 15 Vfg-KOV hängt nicht, wie der Beklagte meint, davon ab, dass überhaupt keine Unterlagen mehr existieren. Ausreichend ist vielmehr, dass nicht genügend Unterlagen vorhanden sind (vgl. insoweit auch VV Nr. 1 zu § 15 Vfg-KOV). Vorliegend kann anhand der Archive des Kirchlichen Proseminars N. bzw. des Konsistoriums der Kirchenprovinz E. nicht mehr ermittelt werden, ob es zu einer Bewerbung des Klägers gekommen ist. Auch die Auskunft von Herrn BF. bezüglich des Inhalts der Posteingangsbücher kann inhaltlich nicht überprüft werden. So ist nicht auszuschließen, dass er bei Prüfung der Posteingangsbücher einen entsprechenden Eintrag übersehen hat. Da die evangelische Kirche in E. die Bewerbungsunterlagen derjenigen Personen, die später nicht immatrikuliert waren, vernichtet hat, fehlt insoweit eine Möglichkeit, weitere Ermittlungen anzustellen. Auch der ehemalige Gemeindepfarrer K. kann nicht mehr befragt werden, da er verstorben ist. Insoweit ist aber denkbar, dass er sich im Rahmen einer Zeugenvernehmung in Anwesenheit des Klägers doch noch besser an die damaligen Vorgänge erinnert hätte, zumal die Zeugin C. diesbezüglich Erinnerungen hatte und nicht zu verkennen ist, das zwischenzeitlich mehr als 30 Jahre vergangen waren. Die Angaben des Klägers im Rahmen des Erörterungstermins vom 28. September 2005 sind glaubhaft. Er konnte detailliert berichten, dass der damalige Gemeindepfarrer K. für ihn ein Referenzschreiben für die Bewerbung an das Kirchliche Proseminar verfasst hat. Dieses wurde ihm in einem verschlossenen Umschlag ausgehändigt, ohne dass der Inhalt verlesen wurde. Der Kläger hat auch glaubhaft dargelegt, dass er kurze Zeit nach Erhalt der Bewerbungsunterlagen seine Bewerbung postalisch versandt hat. Für die Ernsthaftigkeit des Berufswunsches des Klägers spricht schließlich auch, dass er gegenüber dem Rat des Bezirkes R. am 6. August 1985 - also noch zu DDR-Zeiten - angegeben hat, er habe ursprünglich Theologie studieren wollen ("somit kam es nicht zum angestrebten Theologiestudium").
Der Einwand, es habe wegen der Ausschulung vor Abschluss der 10. Klasse nicht zu einer Aufnahme bezüglich des Kirchlichen Proseminares kommen können, ist nach Beiziehung der Zulassungsordnung des Kirchlichen Proseminares in N. vom 15. Januar 1965 entkräftet. Zwar ist dort unter II.1. als Voraussetzung für die Aufnahme die bestandene Abschlussprüfung der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule genannt. Allerdings kann auch in Ausnahmefällen das Abgangszeugnis der achten Klasse ausreichen. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die fehlende Abschlussprüfung bei dem Kläger die Aufnahme in das Kirchliche Proseminar nicht ausgeschlossen hätte. Auch die Tatsache, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, stand der Aufnahme für das Kirchliche Proseminar nicht entgegen, da diese Voraussetzung nur als Sollvoraussetzung formuliert ist. Ein Höchstalter als Ausschlusskriterium sieht die Zulassungsordnung ebenfalls nicht vor, so dass nach der Inhaftierung immer noch eine Aufnahme hätte erfolgen können. Über die Aufnahme des Bewerbers entschied gemäß Ziffer II.2. das Dozentenkollegium aufgrund der vorgelegten Unterlagen und einer persönlichen Vorstellung oder der Verwaltungsausschuss.
Aufgrund des psychiatrischen Sachverständigengutachtens von Frau D. steht weiter zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger nach Verbüßung der Haftzeiten aufgrund der dort erlittenen Schädigungsfolgen gesundheitlich nicht mehr in der Lage war, das kirchliche Abitur abzulegen und anschließend ein Theologiestudium durchzuführen. Dem Umstand, dass der Kläger während der kurzen Zeiträume zwischen den Haftzeiten nicht um die Aufnahme in das Kirchliche Proseminar gekümmert hat, misst der Senat keine Bedeutung zu. Insoweit handelt es sich lediglich um Zeiträume von ca. drei bzw. zwei Monaten, die auch davon geprägt waren, dass ihm Arbeitsstellen zugewiesen worden waren, so dass er erst den Alltag meistern musste, der nach dem glaubhaften Vortrag des Klägers zudem von zahlreichen Schikanen seitens der DDR-Behörden begleitet war. Außerdem ist bedeutsam, dass er nach der ersten Haftentlassung einen Ausreiseantrag gestellt hatte, den zu entscheiden die Behörden in der DDR sich weigerten. Fest steht schließlich aufgrund der Zeugenaussage von Frau C., dass der Kläger in diesen Zeiträumen noch intensiven Kontakt zur Kirche hatte, als er wieder an den Bibelkreisen teilnahm und auch das Schwesternhaus aufsuchte. Die Sachverständige D. hat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass der Kläger nach den Haftentlassungen gesundheitlich nicht in der Lage gewesen ist, eine akademische Ausbildung durchzuführen. Sie hält es für ausgeschlossen, dass es ihm insbesondere nach 1978 möglich gewesen ist, längerfristige geistige Tätigkeiten auszuüben oder über mehrere Jahre täglich zu lernen. Sie hat deutliche Einschränkungen der Belastbarkeit des Klägers festgestellt. Diese ständen zwar nicht im Widerspruch zu den vom Kläger tatsächlich durchgeführten Tätigkeiten, schlössen aber einen Beruf aus, der ein Studium voraussetze. Die Sachverständige hat deutliche Einschränkungen festgestellt, insbesondere Resignation, Anpassungs- und Rückzugsverhalten, deutliche Panikattacken mit deutlichem Vermeidungsverhalten vor Menschenmengen, auch bezüglich Hörsälen oder ähnlichen Räumlichkeiten, deutliche Einschränkungen in der Flexibilität, der Belastbarkeit, im Durchhaltevermögen und bei der Konzentration im geistigen Bereich. Die von der Sachverständigen D. festgestellten Komplexe der posttraumatischen Belastungsstörung sowie der Agoraphobie mit Panikstörung zeigen erhebliche Auswirkungen auf die soziale Gestaltungsfähigkeit sowie auf die berufliche Leistungsfähigkeit. Die Sachverständige hat weiter überzeugend ausgeführt, die Tatsache, dass der Kläger in der Lage gewesen ist, einen Berufsabschluss als Wirtschaftskaufmann zu erreichen und auch andere Tätigkeiten durchzuführen, nicht den Einschränkungen seines beruflichen Leistungsvermögens widerspricht. Denn die Schulausbildung (Wirtschaftskaufmann) habe sich auf einen Tag in der Woche beschränkt. Der Kläger hat insoweit die Art der Ausbildung dergestalt glaubhaft beschrieben, dass er an einem Tag pro Woche Berufsschule mit Unterricht in den Fächern Wirtschaftsrechnen, Staatsbürgerkunde, PC-Grundkenntnisse und sehr einfache Rechenarten gehabt habe. Er habe keinerlei Prüfungen ablegen müssen, nur Hausarbeiten geschrieben. Er sei nie mündlich abgefragt worden und habe nie vor der Klasse auftreten müssen. Im Mündlichen sei er aufgrund seiner massiven Konzentrationsprobleme und auch wegen seiner Insuffizienzgefühle immer eher schlecht gewesen, mit Noten von vier, lediglich die Hausarbeit sei besser benotet worden. Die Sachverständige hat festgestellt, es sei nach dem Gesamteindruck von einer im oberen Normbereich liegenden Intelligenz des Klägers auszugehen. Die Feststellungen der Sachverständigen D. werden nicht, wie der Beklagte meint, durch die Befunde der Diplom-Psychologin F. widerlegt. Vielmehr bestätigen deren Befunde, soweit sie Angaben machen konnte, die Feststellung der Sachverständigen. Frau F. hat den Kläger, wie aus dem psychologischen Kurzbericht vom 3. März 1994 erkennbar ist, lediglich einmalig am 1. Oktober 1984 untersucht. Ihr Befundbericht vom 11. April 2005 muss daher vor diesem Hintergrund gewürdigt werden. Wenn sie in diesem Befundbericht auf die damaligen Befunde Bezug nimmt, können dies denknotwendig nur die Befunde vom 1. Oktober 1984 sein. Diese hat sie dahingehend gewürdigt, dass Einschränkungen sowohl der psychischen Belastbarkeit als auch der geistigen Leistungsfähigkeit bestanden, so dass der Kläger wahrscheinlich den Anforderungen eines Studiums nicht gewachsen war, weil durch die konzentrativen Mängel und dem sehr geringen psychomotorischen Antrieb sowohl die Handlungs- wie auch die Denkabläufe verlangsamt seien. Die Diplom-Psychologin F. hat sich auf die ausdrückliche Frage des Senats nach Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Klägers nach der Haftentlassung 1978 für außer Stande gesehen, zur Frage der Leistungsfähigkeit des Klägers zum damaligen Zeitpunkt Aussagen zu machen, da ihr insoweit keine differenzierten Aufzeichnungen vorlägen. Dann muss dies aber erst Recht für den Zeitpunkt vor der ersten Inhaftierung gelten. Das Verwaltungsgutachten des Neurologen und Psychiaters K. vom 14. September 1993 verneint zwar die Voraussetzungen einer bbB im konkreten Fall, lässt aber jede Begründung hierfür vermissen. Soweit in den versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. B. vom 22. März 2006 und 3. Juli 2006 aus der Tatsache, dass der Kläger im Rahmen seiner Schulausbildung im Fach Russisch nur eine ausreichende Note erreicht habe, Zweifel geäußert werden, dass der Kläger in der Lage gewesen wäre, die alten Sprachen wie Latein, Altgriechisch oder Hebräisch bei einem Theologiestudium zu erlernen, vermag dies nicht zu überzeugen. Zunächst ist festzustellen, dass auch eine ausreichende Note im Fach Russisch nachweist, dass das Klassenziel erreicht worden ist. Weiter handelt es sich bei dem Vortrag um reine Mutmaßungen, die die Feststellungen der Sachverständigen D. nicht erschüttern können, die überzeugend von einer im oberen Normbereich liegenden Intelligenz bei dem Kläger ausgeht. Schließlich sind die Erklärungen des Klägers, dass er sich wegen seiner kritischen Haltung zum Staat der DDR im Fach Russisch keine besondere Mühe gegeben habe, zumindest nachvollziehbar. Soweit von dem Beklagten geäußert wird, die Teilnahme an Bibelgruppen im jugendlichen Alter reiche als Nachweis für die Anerkennung einer beruflichen Beeinträchtigung nicht aus, ist dem zu entgegnen, dass das Interesse des Klägers an einer derartigen Thematik ein deutliches Indiz für einen entsprechenden Berufswunsch darstellt. Soweit der Beklagte darauf hinweist, nach den Haftzeiten seinen keine Anknüpfungspunkte bei dem Kläger erkennbar, die für den Berufswunsch des Klägers als Pfarrer sprächen, weist die Sachverständige D. überzeugend darauf hin, dass bei einer völligen Veränderung der Wertevorstellungen, wie dies auch beim Kläger der Fall gewesen sei und generell häufig bei chronifizierten, komplexen posttraumatischen Störungen auftrete, eine Veränderung in den persönlichen Ansichten, sich selbst und die Welt betreffend, eintrete, so dass hier das Interesse an der Welt und dem Wissen über die Welt verloren gehen könnte. In dieser Änderung der Wertevorstellungen und der Schädigung des Selbstbewusstseins des Klägers liegen danach die Gründe, dass der Kläger frühere Wünsche nicht mehr aufnahm und sich nicht mehr für ein Studium befähigt sah. Die Sachverständige weist ebenfalls überzeugend darauf hin, dass es dem Kläger nach den Inhaftierungen darum ging, eine Nische für sich beruflich zu finden und sich weitgehend anzupassen. Darin lag auch eine Angst vor weiterer Verfolgung, wenn er den Wunsch des Pfarrerberufs weiterverfolgt hätte. Denn dies hätte sicherlich auch zu gewissen Auseinandersetzungen mit dem Staat führen können.
Infolge der Schädigung kann der Kläger den nachweisbar angestrebten Beruf eines Pfarrers nicht ausüben. Er ist daher durch die Art der Schädigungsfolgen in dem nachweisbar angestrebten Beruf besonders betroffen. Eine rechtserhebliche besondere berufliche Betroffenheit ist nach herrschender Meinung dann gegeben, wenn infolge der Schädigung ein sozial gleichwertiger Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann. Dabei sind nicht nur die Einkommensverhältnisse ausschlaggebend. Auch unabhängig von den Einkommensverhältnissen kann ein Beruf nach seiner gesellschaftlichen Bedeutung einem anderen gegenüber sozial gleichwertig sein. Im Regelfalle begründet eine Einkommensdifferenz von 20 % die Annahme einer besonderen beruflichen Betroffenheit (vgl. Rohr/Sträßer/Dahm, § 30 Anmerkung 3b). Vorliegend ist insoweit im Vergleich zwischen dem angestrebten Beruf des Pfarrers mit dem des Wirtschaftskaufmanns/Industrie festzustellen, dass jener in seiner gesellschaftlichen Bedeutung den ausgeübten Beruf überragt. Der Beruf des Pfarrers gehört seit jeher zu den gesellschaftlich am meisten anerkannten Berufen (vgl. Allensbach-Umfrage in Ärzte Zeitung vom 30. August 2005). Auch der Verdienst eines Pfarrers liegt weit über dem eines Industriekaufmanns. So beträgt z.B. das Bruttoeinkommen eines Pfarrers in der Besoldungsgruppe A 14 in der Dienstaltersstufe 8 ohne Zuschläge ab 1. April 2004 3.856,31 EUR (vgl. BBesG, Anlage IV), während im Jahre 2004 beispielsweise der Gehaltsbereich der mittleren Gruppe im Tarifbereich der Holz und Kunststoffverarbeitenden Industrie W. zwischen 1.977,00 EUR bis 2.326,00 EUR lag, im Garten-, Landschaft- und Sportplatzbau Bundesgebiet West zwischen 1.768,00 EUR bis 2.111,00 EUR und im Tarifbereich Steine-Erden-Industrie Hessen zwischen 1.267,00 EUR bis 2.262,00 EUR (vgl. WSI-Tarifarchiv Stand 31. Dezember 2004 bei www.boeckler.de), wobei die Einkommensentwicklungen in der Zeit von 1991 bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend parallel verliefen (vgl. WSI-Tarifarchiv, Stand 31. Dezember 2000 und aktuell bei www.boeckler.de).
Nach Auffassung des Senats ist eine Erhöhung der MdE um 10 % von 40 % auf 50 % angemessen. Grundsätzlich ist der Grad der Höherbewertung nach Lage des Einzelfalls zu bestimmen. Je mehr eine Gesundheitsstörung die Verwertung der Arbeitskraft behindert, je größer der soziale Abstieg und (oder) die wirtschaftliche Einbuße und je beschränkter das Arbeitsgebiet durch die Schädigungsfolgen geworden ist, umso größer wird der Grad der MdE bemessen (vgl. Rohr/Sträßer/Dahm, § 30 Anmerkung 3e). Nach der Rechtsprechung des BSG ist regelmäßig eine Erhöhung um 10 % zuzubilligen. Nur in Ausnahmefällen, in denen die Härte außergewöhnlich groß war, kann eine Erhöhung um 20 % anerkannt werden (vgl. BSG, Urteil vom 18. Oktober 1995, 9 RV 18/94). Vorliegend ist der Kläger nicht allgemein an der Verwertung seiner Arbeitskraft behindert. So bestehen nach den Feststellungen der Sachverständigen D. keine Anhaltspunkte, dass er in seinem erlernten Beruf als Wirtschaftskaufmann/Industrie oder in einer vergleichbaren Tätigkeit nicht mehr vollschichtig einsatzfähig ist. Die Tatsache, dass er seit einigen Jahren keine Tätigkeit mehr ausübt, steht dieser Annahme nicht entgegen.
Weiter steht dem Kläger ein Anspruch auf Gewährung von BSA noch zu. Nach § 21 Abs. 1 StrRehaG i.V.m. § 30 Abs. 3 BVG erhalten Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch Schädigungsfolgen gemindert ist, nach Anwendung des Abs. 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 % des auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundeten Verlustes oder, falls dies günstiger ist, einen BSA nach Abs. 6. Einkommensverlust ist nach § 30 Abs. 4 der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente und dem höheren Vergleichseinkommen. Wie sich das Vergleichseinkommen berechnet, ist in § 30 Abs. 5 BVG geregelt. Insoweit sind maßgeblich das monatliche Durchschnittseinkommen der Berufs- bzw. Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. Wie der Einkommensverlust in dem Falle, dass die Schädigung vor Beginn der Berufsausbildung eingetreten ist, zu ermitteln ist, ergibt sich aus § 30 Abs. 14 lit. b BVG in Verbindung mit der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 bis 12 und des § 40a Abs. 1 bis 5 des Bundesversorgungsgesetzes (Berufsschadensausgleichsverordnung - BSchAV). Gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 2, 7 Abs. 1 Satz 1 BSchAV entscheidet sich die Einstufung nach der Veranlagung und den Fähigkeiten des Beschädigten, hilfsweise auch unter Berücksichtigung der beruflichen und sozialen Stellung seiner Eltern und sonstiger Lebensverhältnisse des Beschädigten. Sofern die Schädigung nach Abschluss der Schulausbildung, jedoch vor Beginn der Berufsausbildung eingetreten ist, so ist § 7 Abs. 1 BSchAV entsprechend anzuwenden, wenn sich nicht feststellen lässt, welchen Beruf der Beschädigte ohne die Folgen der Schädigung wahrscheinlich angestrebt hätte (§ 7 Abs. 2 BSchAV). Das Durchschnittseinkommen wird nach den Besoldungsgruppen des Bundesbesoldungsgesetzes ermittelt. Bei vermutlichem Abschluss einer Hochschulausbildung ist das in § 4 Abs. 1 BSchAV für Beamte des höheren Dienstes bestimmte Durchschnittseinkommen maßgeblich. Insoweit ist bis zur Vollendung des 37. Lebensjahres die Besoldungsgruppe A 13, Dienstaltersstufe 6, bis zur Vollendung des 47. Lebensjahres die Besoldungsgruppe A 14, Dienstaltersstufe 11 und anschließend die Besoldungsgruppe A 15, Dienstaltersstufe 15, maßgeblich. Zur Ermittlung des Einkommensverlustes und Feststellung des Vergleichsberufes muss der schädigende Vorgang insgesamt weggedacht und der wahrscheinliche Berufsweg des Beschädigten von der Zeit an nachgezeichnet werden, in der die Schädigung stattgefunden hat (vgl. BSG, SozR 3100 § 30 Nr. 74; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Dezember 1996, L 4 V 16/96). Festzustellen ist unter Berücksichtigung aller den Beschädigten betreffenden Lebensumstände, ob mehr für als gegen den hypothetischen, geltend gemachten Berufserfolg spricht. Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass so viel mehr für als gegen die behauptete berufliche Entwicklung spricht, dass sich hierauf die Überzeugung des Senats gründen kann. Unter Berücksichtigung aller den Beschädigten betreffenden Lebensumstände ist somit zu beurteilen, ob mehr für als gegen den hypothetischen, geltend gemachten Berufserfolg spricht (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Wie bereits oben ausgeführt, ist zur Überzeugung des Senats nachgewiesen beziehungsweise - was die Bewerbung für das Proseminar in N. anbelangt - glaubhaft gemacht, dass der Beruf des Pfarrers der von dem Kläger angestrebte Beruf gewesen ist. Wenn es im Rahmen der Inhaftierungen nicht zu den Schädigungsfolgen gekommen wäre, spricht alles dafür, dass der Kläger nach der letzten Haftentlassung Anfang 1978 diesen Berufsweg eingeschlagen und sich bei dem Proseminar in N. beworben hätte, um dort zunächst das kirchliche Abitur abzulegen und dann an den evangelischen Bildungseinrichtungen das Theologiestudium zu beginnen. Aufgrund des Gutachtens der Sachverständigen D. steht fest, dass der Kläger von seiner Intelligenzausstattung hierzu in der Lage gewesen ist. Schädigungsbedingt konnte er dieses Berufsziel nicht mehr erreichen. Der Senat verkennt nicht, dass die gesellschaftlichen und politischen Umstände in der DDR zu dem damaligen Zeitpunkt sicherlich nicht begünstigend für die Durchsetzung dieses Berufswunsches gewirkt hätten. Gleichwohl sind keine Anhaltspunkte erkennbar und wird auch von dem Beklagten nicht behauptet, dass die Staatsmacht in der DDR durch ihren Einfluss auf die evangelische Kirche diese Berufsausbildung des Klägers aus ideologischen oder sonstigen Gründen verhindert hätte. Vielmehr ergibt sich aus der Zulassungsordnung des Kirchlichen Proseminars in N. vom 15. Januar 1965, dass die staatlichen Behörden in der DDR bei der Entscheidung, wer dort Aufnahme finden würde, nicht beteiligt waren.
Als Zeitpunkt für den Anspruchsbeginn ist der 1. Januar 1991 anzunehmen. Dies ergibt sich aus § 24 StrRehaG, wonach die Bestimmungen über die entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes und der zu seiner Durchführung erlassenen Vorschriften mit der in Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 aufgeführten Maßgaben gelten. Da der Kläger vor dem 31. Dezember 1993 seinen Antrag auf Versorgungsleistungen gestellt hat, werden danach Leistungen ab dem 1. Januar 1991 bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen erbracht. Der Kläger hat sein 37. Lebensjahr am 31. Mai 1991 vollendet, sein 47. Lebensjahr am 31. Mai 2001. Entsprechend ist ab dem 1. Januar 1991 bis zum 31. Mai 1991 von einem Vergleichseinkommen nach der Besoldungsgruppe A 13 Dienstaltersstufe 6, für die Zeit vom 1. Juni 1991 bis 31. Mai 2001 von der Besoldungsgruppe A 14, Dienstaltersstufe 11, und anschließend von der Besoldungsgruppe A 15, Dienstaltersstufe 15, auszugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höherbewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit (bbB) sowie die Gewährung eines Berufsschadensausgleiches (BSA) nach dem Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz - StrRehaG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der Kläger stammt aus der ehemaligen DDR. Er wurde 1954 in C-Stadt geboren und wuchs dort auf. Wenige Wochen vor Abschluss der 10. Klasse der dortigen polytechnischen Oberschule wurde er am 3. Mai 1971 wegen Schulbummelei vorzeitig ausgeschult. In der Folgezeit wurde er am 25. Juni 1971 wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten von dem Kreisgericht C-Stadt zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, die zunächst auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Am 29. Juli 1971 wurde die Bewährung widerrufen und der Kläger von diesem Tag bis zum 25. Mai 1972 in Strafhaft genommen. In der Folgezeit wurde durch die Staatsanwaltschaft C-Stadt ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen asozialem Verhalten eingeleitet. Im Zuge dessen befand sich der Kläger in der Zeit vom 29. August 1972 bis 30. Oktober 1972 in Untersuchungshaft. Sodann wurde der Kläger durch Urteil des Kreisgerichts C-Stadt vom 25. Januar 1973 wiederum wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten zur Arbeitserziehung verurteilt und befand sich deswegen in der Zeit vom 5. Januar 1973 bis 4. Januar 1978 in Strafhaft. Die Urteile des Kreisgerichts C-Stadt vom 25. Juni 1971 und 25. Januar 1973 wurden von dem Bezirksgericht Erfurt (I Reha 493/91) mit Beschluss vom 30. November 1992 für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben. Der Kläger wurde rehabilitiert. Die Einleitung und Durchführung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft C-Stadt sowie die Anordnung und der Vollzug der Untersuchungshaft wurden von dem Landgericht Erfurt (I Reha 38/94) durch Beschluss vom 19. Juli 1994 für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben. Der Kläger wurde rehabilitiert.
Nach seiner Haftentlassung im Jahr 1978 war der Kläger zunächst als Hilfsarbeiter in verschiedenen Unternehmen beschäftigt. Zuletzt arbeitete er in einem Holzwerk in einer Bürotätigkeit. Im Rahmen einer betrieblichen Bildungsmaßnahme wurde er zur Weiterbildung vorgeschlagen und absolvierte berufsbegleitend eine Ausbildung zum Wirtschaftskaufmann/Industrie (Urkunde über die Facharbeiterprüfung vom 8. Februar 1990). Am 18. Januar 1990 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland um. Über das Arbeitsamt nahm er an einem mehrwöchigen Anpassungslehrgang teil. In der Zeit vom 1. März 1990 bis 31. März 1990 arbeitete er als selbstständiger Versicherungsvertreter für die "Volksfürsorge Versicherungsgruppe". Eine Qualifizierung für steuerberatende Berufe brach der Kläger bereits nach kurzer Zeit ab, da seine Vorkenntnisse zu mangelhaft waren. In der Zeit vom 1. Oktober 1998 bis 30. September 1999 war er zuletzt in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (Archivierungstätigkeiten) versicherungspflichtig tätig.
Am 11. März 1993 stellte der Kläger einen Antrag auf Versorgung bei dem Beklagten. Dieser holte u. a. ein zahnärztliches Gutachten bei der Zahnärztin B. (versorgungsärztliche Untersuchungsstelle LJ.) vom 20. September 1993 sowie ein ärztliches Gutachten bei dem Neurologen K. (versorgungsärztliche Untersuchungsstelle LJ.) vom 14. September 1993 ein. Auf neurologischem Fachgebiet stellte Herr K. "psychische Störungen im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsreaktion" als Schädigungsfolgen mit einer MdE von 20 % fest. Mit Bescheid vom 27. August 1996 stellte der Beklagte als Gesundheitsschäden fest: 1. Psychische Störungen im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsreaktion; 2. herausnehmbare prothetisch ausgeglichener Zahnverlust der Zähne 13, 11 und 23. Diese Gesundheitsstörungen würden keine MdE von wenigstens 25 % bedingen. Der dagegen eingelegte Widerspruch vom 12. September 1996 wurde von dem Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 1997 zurückgewiesen. Dagegen erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Kassel (S 13 (6 B, D, B) V 235/97). Im Rahmen dieses Klageverfahrens erteilte der Beklagte am 2. März 2000 und am 26. März 2000 Abhilfebescheide, worin eine MdE von 40 % ab 1. Januar 1991 festgestellt wurde. Am 9. Oktober 2000 erklärte der Kläger sodann das Klageverfahren in der Hauptsache für erledigt.
Mit Bescheid vom 30. Juli 2001 lehnte der Beklagte die Erhöhung der MdE wegen einer bbB sowie einen BSA ab. In den Gründen führte der Beklagte aus, dass bei dem Kläger die Freiheitsentziehung am 29. Juli 1971 begonnen habe. Somit könnten die bei ihm anerkannten Schädigungsfolgen nicht vor dem Zeitpunkt des Haftantritts vorgelegen haben und daher auch nicht ursächlich für das Scheitern in der Schule gewesen sein. Auch die Nichtzulassung zum Studium als Voraussetzung für das Erreichen des Berufsziels (Theologiestudium) sei auf die gesellschaftlichen Umstände in der ehemaligen DDR zurückzuführen. Die nach dem 15. Januar 1990 unternommenen Ausbildungs- und Arbeitsversuche seien aus verschiedenen Gründen gescheitert. Es sei nicht erkennbar, inwieweit die anerkannten Schädigungsfolgen für das Scheitern in diesen Ausbildungs- und Arbeitsversuchen ursächlich hätten sein können.
Den dagegen am 20. August 2001 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2001 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 13. Dezember 2001 Klage bei dem Sozialgericht Kassel erhoben. Mit Urteil vom 13. Juli 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, ein möglicher Anspruch des Klägers auf BSA nach § 30 Abs. 3 BVG scheitere bereits daran, dass sein Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit nicht infolge der Schädigungsfolgen gemindert sei. Insoweit sei allein maßgeblich die bei ihm anerkannte psychische Störung im Sinne einer posttraumatischen Belastungsreaktion, die ursächliche Bedeutung für die Minderung des Einkommens erlangt haben müsste. Doch diese psychische Störung sei nicht die wesentliche Ursache dafür gewesen, dass der Kläger seinen nach eigenen Angaben angestrebten Beruf des Pfarrers nicht habe ergreifen können. Ausschlaggebender kausaler Faktor für das Nichtablegen des Abiturs und ein eventuell nicht angetretenes Studium der Theologie sei nicht die anerkannte Schädigungsfolge, sondern die rechtsstaatswidrige Internierung gewesen. Denn erst in dieser Zeit habe sich die persönliche Tragik des Klägers verwirklicht, weil es gerade erst durch den Freiheitsentzug und durch die dort erlittenen Traumatisierungen zu der psychischen Belastungsreaktion gekommen sei. Wesentliche Bedingung für den fehlenden Schulabschluss des Klägers und ein eventuell sich anschließendes Studium sei die Haftzeit gewesen. Seine Argumentation, er habe sich gerade durch die Internierung die psychischen Leiden zugezogen und habe deswegen nicht mehr studieren können, könne insoweit nicht durchgreifen. Zwar sei nicht von der Hand zu weisen, dass zumindest gewisse Indizien für seinen Vortrag sprächen, dass er vor seiner ersten Inhaftierung den Berufswunsch des Pfarrers gehabt habe. Hierfür spreche insbesondere die schriftliche Bescheinigung der damaligen Gemeindeschwester, Frau C ... Aber gerade für die Zeit nach der Haftentlassung Anfang 1978 ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die bei dem Kläger vorliegenden psychischen Schädigungsfolgen als wesentliche Ursache den nach seinen eigenen Angaben erstrebten Berufsweg verhindert hätten. Denn in den Jahren 1978 bis zur Wiedervereinigung sei es dem Kläger aufgrund der in der DDR vorliegenden gesellschaftlichen Verhältnissen verwehrt gewesen, den möglicherweise angestrebten Berufsweg zu verfolgen. Zwar habe er geltend gemacht, nach dieser Zeit psychisch derartig beeinträchtigt gewesen zu sein, dass er allein deswegen sein ursprüngliches Berufsziel nicht wieder habe aufgreifen können. Entscheidend sei jedoch, dass der Kläger selbst unter Überwindung bzw. bei Nichtvorliegen seiner psychischen Leiden seinen möglicherweise angestrebten Berufswunsch in der damaligen DDR nicht hätte umsetzen können. Auch ein Anspruch gemäß § 30 Abs. 2 S. 1 BVG komme nicht in Betracht. In der DDR habe er noch Ende der 80er Jahre erfolgreich eine Ausbildung zum Facharbeiter (Wirtschaftskaufmann/Industrie) erfolgreich beendet. In den 90er Jahren habe er sich nach seinen Angaben zunächst als Versicherungsvertreter betätigt. Diese Tätigkeit habe er nach seinen eigenen Einlassungen jedoch nicht aufgrund der psychischen Schädigung aufgegeben, sondern weil der Verdienst zu unsicher gewesen sei. Die angestrebte Ausbildung zum Steuerfachgehilfen habe er wegen fehlender beruflicher Vorkenntnisse abgebrochen. Auch insoweit sei die Beeinträchtigung durch die posttraumatische Belastungsreaktion nicht maßgebend gewesen. Es würden keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die psychische Beeinträchtigung des Klägers ausschlaggebend für das Scheitern dieser beruflichen Laufbahnen gewesen seien. Im Übrigen würden die Gesichtspunkte bezüglich der Kausalität im Rahmen des Berufsschadensausgleiches entsprechend gelten.
Gegen das dem Kläger am 22. Mai 2004 zugestellte Urteil hat dieser am 23. Juli 2004 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.
Im Rahmen der Sachermittlungen von Amts wegen hat der Senat die Zulassungsordnung des Kirchlichen Proseminars in N. vom 15. Januar 1965 beigezogen. Weiter hat der Senat Befundberichte bei der Diplom-Psychologin F. (C-Stadt) vom 11. April 2005 und der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie G. (A-Stadt) vom 8. Juni 2005 eingeholt. Im Rahmen eines Erörterungstermins vom 28. September 2005 ist der Kläger wegen seines behaupteten Berufswunsches persönlich angehört worden und außerdem diesbezüglich die Gemeindeschwester C. als Zeugin vernommen worden. Wegen der Einzelheiten dieser Bekundungen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28. September 2005 (Blätter 191 bis 194 Gerichtsakte) Bezug genommen. Schließlich hat der Senat ein psychiatrisches Fachgutachten bei Frau D. (D-Stadt) vom 4. Januar 2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 27. Mai 2006 eingeholt. Die Sachverständige D. hat festgestellt, dass bei dem Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung mit Anzeichen einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung mit chronischem Verlauf vorliege, außerdem eine Agoraphobie mit Panikstörung nach ICD 10 und DSM-IV. Beide Störungsbilder zeigten erhebliche Auswirkungen sowohl auf die soziale Gestaltungsfähigkeit als auch auf die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers. Sie hätten insbesondere zu veränderten Einstellungen der eigenen Person und den Autoritätspersonen gegenüber dem Kläger geführt, einer resignierten, zurückgezogenen Grundhaltung, zu Insuffizienzerleben, zu Vermeidungsverhalten engen Räumen gegenüber oder Menschenmengen, somit auch Hörsälen oder Seminarräumen gegenüber, zu erheblichen Störungen in der Flexibilität, Konzentration, Belastbarkeit, Durchhaltevermögen, was für ausführliche geistige Tätigkeiten notwendig wäre. Sowohl die posttraumatische Belastungsstörung als auch die Agoraphobie mit Panikstörung würden in einem deutlichen inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den politischen Verfolgungszeiten stehen und seien mit großer Wahrscheinlichkeit durch diese als entstanden zu werten. Sie seien mit Wahrscheinlichkeit ursächlich und wenigstens gleichwertig ursächlich dafür anzusehen, dass der Kläger nach den Haftentlassungen seinen angestrebten Beruf, wie den eines Pfarrers, insbesondere mit dem notwendigen Studium dazu, nicht habe ergreifen können.
Der Kläger weist darauf hin, die Annahme des Sozialgerichts, er habe sein angestrebtes Studium aufgrund der politischen Situation in der DDR nicht habe durchführen können, sei nicht zutreffend. Vielmehr sei das Kirchliche Proseminar in N. eine Einrichtung gewesen, in der man sein Abitur hätte ablegen können, um dann an einer kirchlichen Hochschule ein Theologiestudium aufzunehmen beziehungsweise im gehobenen kirchlichen Dienst tätig zu werden. Die Kirche und ihre Ausbildung seien in der DDR autonom gewesen. Die unmittelbar an der Schulzeit anschließende mehrjährige Haftzeit, u. a. mit schwerwiegender Einzelhaft, hätten zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt. Insoweit sei es ihm dann nicht mehr möglich gewesen, ein Abitur und ein Hochschulstudium mit den entsprechenden Beanspruchungen durchzuführen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Juli 2004 sowie den Bescheid des Beklagten vom 30. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab dem 1. Januar 1991 Beschädigtenrente wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit nach einer MdE von 50 v.H. sowie Berufsschadensausgleich nach dem Vergleichseinkommen eines Beamten im höheren Dienst zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass zur Anerkennung einer beruflichen Beeinträchtigung unter Zugrundelegung des Berufes eines Pfarrers die Teilnahme an Bibelgruppen im jugendlichen Alter nicht ausreiche. Der Beruf des Pfarrers sei sicherlich nicht allein geprägt durch religiöse, karitative, seelsorgerische und reformatorische Elemente, die beim Kläger nicht dokumentiert seien, sondern auch durch Intellektualität in Bezug auf Sprachkenntnisse und evangelisch-pastoraler Fachgebiete, die kaum auf das Studium beschränkt sein dürften. Insoweit seien konkrete Anknüpfungspunkte für die Tatsächlichkeit des Pfarrerberufs nicht erkennbar. Insbesondere die bei ihm im Rahmen des Schulbesuchs nur ausreichende Note im Fach Russisch lasse darauf schließen, dass die geistige Leistungsfähigkeit für das Erlernen einer eher schwierigen Sprache doch recht eingeschränkt gewesen sei, was dann wiederum sicherlich als Hindernis für ein Theologiestudium mit der Notwendigkeit, sich in Latein, Altgriechisch und Hebräisch Kenntnisse anzueignen, relevant gewesen wäre. Außerdem sei zu fragen, wieso der Kläger nach der Haft oder zumindest später im "Westen" nie wieder Kontakt zu kirchlichen Kreisen gesucht habe.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten des Beklagten, die Archivakte des Sozialgerichts Kassel (S 13 (6 B, D, B) V 235/97) sowie die Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 30. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2001 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Ihm steht ein Anspruch auf Erhöhung der MdE wegen einer bbB auf 50 % sowie ein BSA zu. Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Juli 2004 war demgemäß aufzuheben.
Ein Anspruch des Klägers auf Erhöhung der MdE von 40 % auf 50 % ergibt sich aus § 21 Abs. 1 StrRehaG in Verbindung mit § 30 Abs. 2 BVG. Ein Betroffener, der infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält gemäß § 21 Abs. 1 StrRehaG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG. Gemäß § 30 Abs. 2 GVG ist die MdE höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Das ist insbesondere der Fall, wenn er infolge der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen oder den nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann (§ 30 Abs. 2 Satz 2 lit. a BVG). Vorliegend ist der Ausgangspunkt des Beklagten und des Sozialgerichts zutreffend. Der Verweis des Klägers von der polytechnischen Oberschule vor Abschluss der 10. Schulklasse und seine rechtsstaatswidrige Inhaftierung ab dem 25. Juni 1971 haben ihre Gründe nicht in den anerkannten Schädigungsfolgen des Klägers sondern, wie dies insbesondere für die Inhaftierungen nach Abschluss der Rehabilitationsverfahren feststeht, in den politischen Verhältnissen der damaligen DDR. Allerdings haben der Beklagte und das Sozialgericht verkannt, dass der Kläger aufgrund der in den Haftzeiten erlittenen posttraumatischen Belastungsstörung und der Agoraphobie nach seiner letzten Entlassung gesundheitlich nicht mehr in der Lage war, den Beruf des Pfarrers zu ergreifen. Insoweit waren die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR hierfür nicht maßgeblich, denn das Ablegen der kirchlichen Abiturprüfung am Proseminar in N. sowie ein Theologiestudium an einer kirchlichen Hochschule waren staatsunabhängig.
Zur Überzeugung des Senats steht aufgrund der Beweisaufnahme fest, dass der Beruf des Pfarrers der von dem Kläger angestrebte Beruf im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG war. Dies ergibt sich zum einen aus der Biografie des Klägers, die insoweit von dem Beklagten nicht bestritten worden ist. Der Kläger wuchs in einem kirchlich geprägten Haushalt auf. Er besuchte einen kirchlichen Kindergarten und wurde konfirmiert. Die Familie besuchte Gottesdienste und beging kirchliche Feiertage entsprechend. Es wurde in der Familie gebetet. Wie sich aus der glaubhaften Zeugenaussage der Gemeindeschwester C. ergibt, besuchte der Kläger regelmäßig seit seinem 14. Lebensjahr die "Junge Gemeinde" und oft auch darüber hinaus das Schwesternhaus. Dabei nahm der Kläger einmal in der Woche an einem Bibelkreis teil, in dessen Rahmen die Bibel ausgelegt sowie gesungen und gebetet wurde. Seine Nähe zu kirchlichen Einrichtungen wird auch dadurch dokumentiert, dass er sich häufig im Schwesternhaus aufhielt und mit den dort lebenden Schwestern viel gesprochen und diskutiert hat, wobei hier allgemeine Themen im Vordergrund standen. Die Zeugin C. hat glaubhaft bestätigen können, dass der Kläger ihr gegenüber oft geäußert hat, er wolle Theologie studieren. Sie hat diesen Berufswunsch für ernsthaft gehalten. Außerdem steht fest, dass der Kläger die Bewerbungsunterlagen für die Aufnahme in das Kirchliche Proseminar in N. angefordert hat. So hat er ein Schreiben des Oberkonstitorialrates BF. vom 8. Mai 1996 vorlegen können, worin anhand der früheren Posttagebücher ein entsprechender Versand von Informationsunterlagen dokumentiert ist. Allerdings ist nicht nachgewiesen, dass es in der Zeit vor der ersten Inhaftierung zu einer Bewerbung gekommen ist. So hat Herr BF. in dem genannten Schreiben weitere den Kläger betreffende Eingänge nicht finden können, allerdings hat Herr BF. eingeräumt, dass der Aktenbestand zum damaligen Zeitpunkt noch nicht archiviert war und es deshalb schwierig sei, bestimmte Aktenvorgänge zu finden. Aus der Auskunft des Herrn F. vom Konsistorium der Kirchenprovinz E. vom 11. März 2003 gegenüber dem Sozialgericht Kassel ergibt sich, dass im Februar 1994 erstmals das Archiv nach Bewerbungsunterlagen des Klägers ohne Erfolg überprüft worden war und ihm die Auskunft gegeben wurde, es sei durchaus denkbar, dass die Bewerbungsunterlagen der nicht berücksichtigten Anträge vernichtet worden seien. Eine weitere Überprüfung im April 1996 ergab, dass Vorgänge in Schulangelegenheiten nur von den Schülern noch vorhanden seien, die tatsächlich am Proseminar immatrikuliert gewesen waren. Mittlerweile seien auch die Posttagebücher des Kirchlichen Proseminars im Zuge der Arbeiten vernichtet worden, so dass sich in der Angelegenheit des Klägers nichts mehr ermitteln lasse. Zwar konnte sich auch der damalige - mittlerweile verstorbene - Gemeindepfarrer K. nicht bestätigen, dass er mit dem Kläger über eine Pfarrerlaufbahn gesprochen und ein Empfehlungsschreiben zur Aufnahme in das Kirchliche Proseminar gefertigt zu haben. Dieser Auskunft steht aber die Zeugenaussage von Frau C. entgegen, die sich sicher war, dass es insoweit zu Gesprächen zwischen dem Kläger und den Gemeindepfarrern gekommen war. Die Tatsache, dass es zu einer Bewerbung des Klägers für das Kirchliche Proseminar gekommen ist, hält der Senat für glaubhaft im Sinne des § 15 Vfg-KOV. Danach sind die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zu Grunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Diese Regelung ist dann anzuwenden, wenn alle anderen Möglichkeiten, den Sachverhalt aufzuklären, erschöpft sind und zu keinem ausreichenden Ergebnis geführt haben. Die Beweiserleichterung des § 15 Vfg-KOV gelten auch im gerichtlichen Verfahren (BSG, Urteil vom 31. Mai 1989, 9 RVg 3/89). Da § 21 StrRehaG allgemein auf die Regelungen des BVG verweist, ist hiervon auch das diesbezügliche Verwaltungsverfahren umfasst (vgl. BSG, a.a.O., zur Geltung für das OEG; HLSG, Urteile vom 18. Oktober 2001, L 5 V 612/98 zum SVG; vgl. auch Rundschreiben des BMA vom 23. Januar 1996 - VI 1-61027/54162, Bundesarbeitsblatt 3/1996, Seite 117). Die Anwendung des § 15 Vfg-KOV hängt nicht, wie der Beklagte meint, davon ab, dass überhaupt keine Unterlagen mehr existieren. Ausreichend ist vielmehr, dass nicht genügend Unterlagen vorhanden sind (vgl. insoweit auch VV Nr. 1 zu § 15 Vfg-KOV). Vorliegend kann anhand der Archive des Kirchlichen Proseminars N. bzw. des Konsistoriums der Kirchenprovinz E. nicht mehr ermittelt werden, ob es zu einer Bewerbung des Klägers gekommen ist. Auch die Auskunft von Herrn BF. bezüglich des Inhalts der Posteingangsbücher kann inhaltlich nicht überprüft werden. So ist nicht auszuschließen, dass er bei Prüfung der Posteingangsbücher einen entsprechenden Eintrag übersehen hat. Da die evangelische Kirche in E. die Bewerbungsunterlagen derjenigen Personen, die später nicht immatrikuliert waren, vernichtet hat, fehlt insoweit eine Möglichkeit, weitere Ermittlungen anzustellen. Auch der ehemalige Gemeindepfarrer K. kann nicht mehr befragt werden, da er verstorben ist. Insoweit ist aber denkbar, dass er sich im Rahmen einer Zeugenvernehmung in Anwesenheit des Klägers doch noch besser an die damaligen Vorgänge erinnert hätte, zumal die Zeugin C. diesbezüglich Erinnerungen hatte und nicht zu verkennen ist, das zwischenzeitlich mehr als 30 Jahre vergangen waren. Die Angaben des Klägers im Rahmen des Erörterungstermins vom 28. September 2005 sind glaubhaft. Er konnte detailliert berichten, dass der damalige Gemeindepfarrer K. für ihn ein Referenzschreiben für die Bewerbung an das Kirchliche Proseminar verfasst hat. Dieses wurde ihm in einem verschlossenen Umschlag ausgehändigt, ohne dass der Inhalt verlesen wurde. Der Kläger hat auch glaubhaft dargelegt, dass er kurze Zeit nach Erhalt der Bewerbungsunterlagen seine Bewerbung postalisch versandt hat. Für die Ernsthaftigkeit des Berufswunsches des Klägers spricht schließlich auch, dass er gegenüber dem Rat des Bezirkes R. am 6. August 1985 - also noch zu DDR-Zeiten - angegeben hat, er habe ursprünglich Theologie studieren wollen ("somit kam es nicht zum angestrebten Theologiestudium").
Der Einwand, es habe wegen der Ausschulung vor Abschluss der 10. Klasse nicht zu einer Aufnahme bezüglich des Kirchlichen Proseminares kommen können, ist nach Beiziehung der Zulassungsordnung des Kirchlichen Proseminares in N. vom 15. Januar 1965 entkräftet. Zwar ist dort unter II.1. als Voraussetzung für die Aufnahme die bestandene Abschlussprüfung der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule genannt. Allerdings kann auch in Ausnahmefällen das Abgangszeugnis der achten Klasse ausreichen. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die fehlende Abschlussprüfung bei dem Kläger die Aufnahme in das Kirchliche Proseminar nicht ausgeschlossen hätte. Auch die Tatsache, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, stand der Aufnahme für das Kirchliche Proseminar nicht entgegen, da diese Voraussetzung nur als Sollvoraussetzung formuliert ist. Ein Höchstalter als Ausschlusskriterium sieht die Zulassungsordnung ebenfalls nicht vor, so dass nach der Inhaftierung immer noch eine Aufnahme hätte erfolgen können. Über die Aufnahme des Bewerbers entschied gemäß Ziffer II.2. das Dozentenkollegium aufgrund der vorgelegten Unterlagen und einer persönlichen Vorstellung oder der Verwaltungsausschuss.
Aufgrund des psychiatrischen Sachverständigengutachtens von Frau D. steht weiter zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger nach Verbüßung der Haftzeiten aufgrund der dort erlittenen Schädigungsfolgen gesundheitlich nicht mehr in der Lage war, das kirchliche Abitur abzulegen und anschließend ein Theologiestudium durchzuführen. Dem Umstand, dass der Kläger während der kurzen Zeiträume zwischen den Haftzeiten nicht um die Aufnahme in das Kirchliche Proseminar gekümmert hat, misst der Senat keine Bedeutung zu. Insoweit handelt es sich lediglich um Zeiträume von ca. drei bzw. zwei Monaten, die auch davon geprägt waren, dass ihm Arbeitsstellen zugewiesen worden waren, so dass er erst den Alltag meistern musste, der nach dem glaubhaften Vortrag des Klägers zudem von zahlreichen Schikanen seitens der DDR-Behörden begleitet war. Außerdem ist bedeutsam, dass er nach der ersten Haftentlassung einen Ausreiseantrag gestellt hatte, den zu entscheiden die Behörden in der DDR sich weigerten. Fest steht schließlich aufgrund der Zeugenaussage von Frau C., dass der Kläger in diesen Zeiträumen noch intensiven Kontakt zur Kirche hatte, als er wieder an den Bibelkreisen teilnahm und auch das Schwesternhaus aufsuchte. Die Sachverständige D. hat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass der Kläger nach den Haftentlassungen gesundheitlich nicht in der Lage gewesen ist, eine akademische Ausbildung durchzuführen. Sie hält es für ausgeschlossen, dass es ihm insbesondere nach 1978 möglich gewesen ist, längerfristige geistige Tätigkeiten auszuüben oder über mehrere Jahre täglich zu lernen. Sie hat deutliche Einschränkungen der Belastbarkeit des Klägers festgestellt. Diese ständen zwar nicht im Widerspruch zu den vom Kläger tatsächlich durchgeführten Tätigkeiten, schlössen aber einen Beruf aus, der ein Studium voraussetze. Die Sachverständige hat deutliche Einschränkungen festgestellt, insbesondere Resignation, Anpassungs- und Rückzugsverhalten, deutliche Panikattacken mit deutlichem Vermeidungsverhalten vor Menschenmengen, auch bezüglich Hörsälen oder ähnlichen Räumlichkeiten, deutliche Einschränkungen in der Flexibilität, der Belastbarkeit, im Durchhaltevermögen und bei der Konzentration im geistigen Bereich. Die von der Sachverständigen D. festgestellten Komplexe der posttraumatischen Belastungsstörung sowie der Agoraphobie mit Panikstörung zeigen erhebliche Auswirkungen auf die soziale Gestaltungsfähigkeit sowie auf die berufliche Leistungsfähigkeit. Die Sachverständige hat weiter überzeugend ausgeführt, die Tatsache, dass der Kläger in der Lage gewesen ist, einen Berufsabschluss als Wirtschaftskaufmann zu erreichen und auch andere Tätigkeiten durchzuführen, nicht den Einschränkungen seines beruflichen Leistungsvermögens widerspricht. Denn die Schulausbildung (Wirtschaftskaufmann) habe sich auf einen Tag in der Woche beschränkt. Der Kläger hat insoweit die Art der Ausbildung dergestalt glaubhaft beschrieben, dass er an einem Tag pro Woche Berufsschule mit Unterricht in den Fächern Wirtschaftsrechnen, Staatsbürgerkunde, PC-Grundkenntnisse und sehr einfache Rechenarten gehabt habe. Er habe keinerlei Prüfungen ablegen müssen, nur Hausarbeiten geschrieben. Er sei nie mündlich abgefragt worden und habe nie vor der Klasse auftreten müssen. Im Mündlichen sei er aufgrund seiner massiven Konzentrationsprobleme und auch wegen seiner Insuffizienzgefühle immer eher schlecht gewesen, mit Noten von vier, lediglich die Hausarbeit sei besser benotet worden. Die Sachverständige hat festgestellt, es sei nach dem Gesamteindruck von einer im oberen Normbereich liegenden Intelligenz des Klägers auszugehen. Die Feststellungen der Sachverständigen D. werden nicht, wie der Beklagte meint, durch die Befunde der Diplom-Psychologin F. widerlegt. Vielmehr bestätigen deren Befunde, soweit sie Angaben machen konnte, die Feststellung der Sachverständigen. Frau F. hat den Kläger, wie aus dem psychologischen Kurzbericht vom 3. März 1994 erkennbar ist, lediglich einmalig am 1. Oktober 1984 untersucht. Ihr Befundbericht vom 11. April 2005 muss daher vor diesem Hintergrund gewürdigt werden. Wenn sie in diesem Befundbericht auf die damaligen Befunde Bezug nimmt, können dies denknotwendig nur die Befunde vom 1. Oktober 1984 sein. Diese hat sie dahingehend gewürdigt, dass Einschränkungen sowohl der psychischen Belastbarkeit als auch der geistigen Leistungsfähigkeit bestanden, so dass der Kläger wahrscheinlich den Anforderungen eines Studiums nicht gewachsen war, weil durch die konzentrativen Mängel und dem sehr geringen psychomotorischen Antrieb sowohl die Handlungs- wie auch die Denkabläufe verlangsamt seien. Die Diplom-Psychologin F. hat sich auf die ausdrückliche Frage des Senats nach Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Klägers nach der Haftentlassung 1978 für außer Stande gesehen, zur Frage der Leistungsfähigkeit des Klägers zum damaligen Zeitpunkt Aussagen zu machen, da ihr insoweit keine differenzierten Aufzeichnungen vorlägen. Dann muss dies aber erst Recht für den Zeitpunkt vor der ersten Inhaftierung gelten. Das Verwaltungsgutachten des Neurologen und Psychiaters K. vom 14. September 1993 verneint zwar die Voraussetzungen einer bbB im konkreten Fall, lässt aber jede Begründung hierfür vermissen. Soweit in den versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. B. vom 22. März 2006 und 3. Juli 2006 aus der Tatsache, dass der Kläger im Rahmen seiner Schulausbildung im Fach Russisch nur eine ausreichende Note erreicht habe, Zweifel geäußert werden, dass der Kläger in der Lage gewesen wäre, die alten Sprachen wie Latein, Altgriechisch oder Hebräisch bei einem Theologiestudium zu erlernen, vermag dies nicht zu überzeugen. Zunächst ist festzustellen, dass auch eine ausreichende Note im Fach Russisch nachweist, dass das Klassenziel erreicht worden ist. Weiter handelt es sich bei dem Vortrag um reine Mutmaßungen, die die Feststellungen der Sachverständigen D. nicht erschüttern können, die überzeugend von einer im oberen Normbereich liegenden Intelligenz bei dem Kläger ausgeht. Schließlich sind die Erklärungen des Klägers, dass er sich wegen seiner kritischen Haltung zum Staat der DDR im Fach Russisch keine besondere Mühe gegeben habe, zumindest nachvollziehbar. Soweit von dem Beklagten geäußert wird, die Teilnahme an Bibelgruppen im jugendlichen Alter reiche als Nachweis für die Anerkennung einer beruflichen Beeinträchtigung nicht aus, ist dem zu entgegnen, dass das Interesse des Klägers an einer derartigen Thematik ein deutliches Indiz für einen entsprechenden Berufswunsch darstellt. Soweit der Beklagte darauf hinweist, nach den Haftzeiten seinen keine Anknüpfungspunkte bei dem Kläger erkennbar, die für den Berufswunsch des Klägers als Pfarrer sprächen, weist die Sachverständige D. überzeugend darauf hin, dass bei einer völligen Veränderung der Wertevorstellungen, wie dies auch beim Kläger der Fall gewesen sei und generell häufig bei chronifizierten, komplexen posttraumatischen Störungen auftrete, eine Veränderung in den persönlichen Ansichten, sich selbst und die Welt betreffend, eintrete, so dass hier das Interesse an der Welt und dem Wissen über die Welt verloren gehen könnte. In dieser Änderung der Wertevorstellungen und der Schädigung des Selbstbewusstseins des Klägers liegen danach die Gründe, dass der Kläger frühere Wünsche nicht mehr aufnahm und sich nicht mehr für ein Studium befähigt sah. Die Sachverständige weist ebenfalls überzeugend darauf hin, dass es dem Kläger nach den Inhaftierungen darum ging, eine Nische für sich beruflich zu finden und sich weitgehend anzupassen. Darin lag auch eine Angst vor weiterer Verfolgung, wenn er den Wunsch des Pfarrerberufs weiterverfolgt hätte. Denn dies hätte sicherlich auch zu gewissen Auseinandersetzungen mit dem Staat führen können.
Infolge der Schädigung kann der Kläger den nachweisbar angestrebten Beruf eines Pfarrers nicht ausüben. Er ist daher durch die Art der Schädigungsfolgen in dem nachweisbar angestrebten Beruf besonders betroffen. Eine rechtserhebliche besondere berufliche Betroffenheit ist nach herrschender Meinung dann gegeben, wenn infolge der Schädigung ein sozial gleichwertiger Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann. Dabei sind nicht nur die Einkommensverhältnisse ausschlaggebend. Auch unabhängig von den Einkommensverhältnissen kann ein Beruf nach seiner gesellschaftlichen Bedeutung einem anderen gegenüber sozial gleichwertig sein. Im Regelfalle begründet eine Einkommensdifferenz von 20 % die Annahme einer besonderen beruflichen Betroffenheit (vgl. Rohr/Sträßer/Dahm, § 30 Anmerkung 3b). Vorliegend ist insoweit im Vergleich zwischen dem angestrebten Beruf des Pfarrers mit dem des Wirtschaftskaufmanns/Industrie festzustellen, dass jener in seiner gesellschaftlichen Bedeutung den ausgeübten Beruf überragt. Der Beruf des Pfarrers gehört seit jeher zu den gesellschaftlich am meisten anerkannten Berufen (vgl. Allensbach-Umfrage in Ärzte Zeitung vom 30. August 2005). Auch der Verdienst eines Pfarrers liegt weit über dem eines Industriekaufmanns. So beträgt z.B. das Bruttoeinkommen eines Pfarrers in der Besoldungsgruppe A 14 in der Dienstaltersstufe 8 ohne Zuschläge ab 1. April 2004 3.856,31 EUR (vgl. BBesG, Anlage IV), während im Jahre 2004 beispielsweise der Gehaltsbereich der mittleren Gruppe im Tarifbereich der Holz und Kunststoffverarbeitenden Industrie W. zwischen 1.977,00 EUR bis 2.326,00 EUR lag, im Garten-, Landschaft- und Sportplatzbau Bundesgebiet West zwischen 1.768,00 EUR bis 2.111,00 EUR und im Tarifbereich Steine-Erden-Industrie Hessen zwischen 1.267,00 EUR bis 2.262,00 EUR (vgl. WSI-Tarifarchiv Stand 31. Dezember 2004 bei www.boeckler.de), wobei die Einkommensentwicklungen in der Zeit von 1991 bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend parallel verliefen (vgl. WSI-Tarifarchiv, Stand 31. Dezember 2000 und aktuell bei www.boeckler.de).
Nach Auffassung des Senats ist eine Erhöhung der MdE um 10 % von 40 % auf 50 % angemessen. Grundsätzlich ist der Grad der Höherbewertung nach Lage des Einzelfalls zu bestimmen. Je mehr eine Gesundheitsstörung die Verwertung der Arbeitskraft behindert, je größer der soziale Abstieg und (oder) die wirtschaftliche Einbuße und je beschränkter das Arbeitsgebiet durch die Schädigungsfolgen geworden ist, umso größer wird der Grad der MdE bemessen (vgl. Rohr/Sträßer/Dahm, § 30 Anmerkung 3e). Nach der Rechtsprechung des BSG ist regelmäßig eine Erhöhung um 10 % zuzubilligen. Nur in Ausnahmefällen, in denen die Härte außergewöhnlich groß war, kann eine Erhöhung um 20 % anerkannt werden (vgl. BSG, Urteil vom 18. Oktober 1995, 9 RV 18/94). Vorliegend ist der Kläger nicht allgemein an der Verwertung seiner Arbeitskraft behindert. So bestehen nach den Feststellungen der Sachverständigen D. keine Anhaltspunkte, dass er in seinem erlernten Beruf als Wirtschaftskaufmann/Industrie oder in einer vergleichbaren Tätigkeit nicht mehr vollschichtig einsatzfähig ist. Die Tatsache, dass er seit einigen Jahren keine Tätigkeit mehr ausübt, steht dieser Annahme nicht entgegen.
Weiter steht dem Kläger ein Anspruch auf Gewährung von BSA noch zu. Nach § 21 Abs. 1 StrRehaG i.V.m. § 30 Abs. 3 BVG erhalten Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch Schädigungsfolgen gemindert ist, nach Anwendung des Abs. 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 % des auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundeten Verlustes oder, falls dies günstiger ist, einen BSA nach Abs. 6. Einkommensverlust ist nach § 30 Abs. 4 der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente und dem höheren Vergleichseinkommen. Wie sich das Vergleichseinkommen berechnet, ist in § 30 Abs. 5 BVG geregelt. Insoweit sind maßgeblich das monatliche Durchschnittseinkommen der Berufs- bzw. Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. Wie der Einkommensverlust in dem Falle, dass die Schädigung vor Beginn der Berufsausbildung eingetreten ist, zu ermitteln ist, ergibt sich aus § 30 Abs. 14 lit. b BVG in Verbindung mit der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 bis 12 und des § 40a Abs. 1 bis 5 des Bundesversorgungsgesetzes (Berufsschadensausgleichsverordnung - BSchAV). Gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 2, 7 Abs. 1 Satz 1 BSchAV entscheidet sich die Einstufung nach der Veranlagung und den Fähigkeiten des Beschädigten, hilfsweise auch unter Berücksichtigung der beruflichen und sozialen Stellung seiner Eltern und sonstiger Lebensverhältnisse des Beschädigten. Sofern die Schädigung nach Abschluss der Schulausbildung, jedoch vor Beginn der Berufsausbildung eingetreten ist, so ist § 7 Abs. 1 BSchAV entsprechend anzuwenden, wenn sich nicht feststellen lässt, welchen Beruf der Beschädigte ohne die Folgen der Schädigung wahrscheinlich angestrebt hätte (§ 7 Abs. 2 BSchAV). Das Durchschnittseinkommen wird nach den Besoldungsgruppen des Bundesbesoldungsgesetzes ermittelt. Bei vermutlichem Abschluss einer Hochschulausbildung ist das in § 4 Abs. 1 BSchAV für Beamte des höheren Dienstes bestimmte Durchschnittseinkommen maßgeblich. Insoweit ist bis zur Vollendung des 37. Lebensjahres die Besoldungsgruppe A 13, Dienstaltersstufe 6, bis zur Vollendung des 47. Lebensjahres die Besoldungsgruppe A 14, Dienstaltersstufe 11 und anschließend die Besoldungsgruppe A 15, Dienstaltersstufe 15, maßgeblich. Zur Ermittlung des Einkommensverlustes und Feststellung des Vergleichsberufes muss der schädigende Vorgang insgesamt weggedacht und der wahrscheinliche Berufsweg des Beschädigten von der Zeit an nachgezeichnet werden, in der die Schädigung stattgefunden hat (vgl. BSG, SozR 3100 § 30 Nr. 74; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Dezember 1996, L 4 V 16/96). Festzustellen ist unter Berücksichtigung aller den Beschädigten betreffenden Lebensumstände, ob mehr für als gegen den hypothetischen, geltend gemachten Berufserfolg spricht. Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass so viel mehr für als gegen die behauptete berufliche Entwicklung spricht, dass sich hierauf die Überzeugung des Senats gründen kann. Unter Berücksichtigung aller den Beschädigten betreffenden Lebensumstände ist somit zu beurteilen, ob mehr für als gegen den hypothetischen, geltend gemachten Berufserfolg spricht (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Wie bereits oben ausgeführt, ist zur Überzeugung des Senats nachgewiesen beziehungsweise - was die Bewerbung für das Proseminar in N. anbelangt - glaubhaft gemacht, dass der Beruf des Pfarrers der von dem Kläger angestrebte Beruf gewesen ist. Wenn es im Rahmen der Inhaftierungen nicht zu den Schädigungsfolgen gekommen wäre, spricht alles dafür, dass der Kläger nach der letzten Haftentlassung Anfang 1978 diesen Berufsweg eingeschlagen und sich bei dem Proseminar in N. beworben hätte, um dort zunächst das kirchliche Abitur abzulegen und dann an den evangelischen Bildungseinrichtungen das Theologiestudium zu beginnen. Aufgrund des Gutachtens der Sachverständigen D. steht fest, dass der Kläger von seiner Intelligenzausstattung hierzu in der Lage gewesen ist. Schädigungsbedingt konnte er dieses Berufsziel nicht mehr erreichen. Der Senat verkennt nicht, dass die gesellschaftlichen und politischen Umstände in der DDR zu dem damaligen Zeitpunkt sicherlich nicht begünstigend für die Durchsetzung dieses Berufswunsches gewirkt hätten. Gleichwohl sind keine Anhaltspunkte erkennbar und wird auch von dem Beklagten nicht behauptet, dass die Staatsmacht in der DDR durch ihren Einfluss auf die evangelische Kirche diese Berufsausbildung des Klägers aus ideologischen oder sonstigen Gründen verhindert hätte. Vielmehr ergibt sich aus der Zulassungsordnung des Kirchlichen Proseminars in N. vom 15. Januar 1965, dass die staatlichen Behörden in der DDR bei der Entscheidung, wer dort Aufnahme finden würde, nicht beteiligt waren.
Als Zeitpunkt für den Anspruchsbeginn ist der 1. Januar 1991 anzunehmen. Dies ergibt sich aus § 24 StrRehaG, wonach die Bestimmungen über die entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes und der zu seiner Durchführung erlassenen Vorschriften mit der in Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 aufgeführten Maßgaben gelten. Da der Kläger vor dem 31. Dezember 1993 seinen Antrag auf Versorgungsleistungen gestellt hat, werden danach Leistungen ab dem 1. Januar 1991 bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen erbracht. Der Kläger hat sein 37. Lebensjahr am 31. Mai 1991 vollendet, sein 47. Lebensjahr am 31. Mai 2001. Entsprechend ist ab dem 1. Januar 1991 bis zum 31. Mai 1991 von einem Vergleichseinkommen nach der Besoldungsgruppe A 13 Dienstaltersstufe 6, für die Zeit vom 1. Juni 1991 bis 31. Mai 2001 von der Besoldungsgruppe A 14, Dienstaltersstufe 11, und anschließend von der Besoldungsgruppe A 15, Dienstaltersstufe 15, auszugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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