L 3 U 154/05

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 1431/03
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 154/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine 16jährige Schülerin, die auf einer Klassenfahrt nach 22 Uhr während eines Spaziergangs mit einer Freundin beim Überqueren einer Straße verunglückt, steht unter dem Schutz der Unfallversicherung, wenn die Aufsichtspflicht der Lehrer dadurch verletzt wurde, dass diese nicht konkret auf das Ausgehverbot für Schüler aufmerksam gemacht haben.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 18. März 2005 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin am 22. Mai 2000 einen die Leistungspflicht der Beklagten begründenden Arbeitsunfall (Schülerunfall) erlitten hat.

Die 1984 geborene Klägerin nahm als Schülerin der Y-Schule, Gesamtschule des W-Kreises in A-Stadt, an einer Klassenfahrt der Klasse 10 aG zusammen mit der Parallelklasse nach R-Stadt/R-Land teil, die vom 22. Mai 2000 bis 28. Mai 2000 dauerte. Die Schüler waren in der Apartmentanlage Z. in R-Stadt untergebracht. Das Hotel lag am See und war durch eine Straße von Hafen und Strand getrennt. Gegen 19:00 Uhr waren die Schüler nach einer zehnstündigen Fahrt mit dem Reisebus am Hotel angekommen. Anschließend erfolgten Zimmerbelegung und Abendessen. Gegen 22:30 Uhr bis ca. 22:45 Uhr fand eine Besprechung der Lehrer mit den Schülern statt. Danach sollten die Schüler sich zur Nachtruhe begeben. Einige Schüler hielten sich anschließend noch im Restaurant oder der Eisdiele im Bereich des Hotels auf, ein Teil begab sich zum laut Prospekt ca. 100 m entfernt liegenden Seeufer/Strand. Auch die Klägerin war mit ihrer Freundin A. X. zum Strand gegangen, um sich die Füße zu vertreten und frische Luft zu schnappen. Bei der Rückkehr vom Strand wurden die Mädchen gegen 23:30 Uhr beim Überqueren der Straße vor dem Hotel von einem Auto erfasst. Die Klägerin erlitt zahlreiche Brüche, die Freundin Prellungen.

In der Unfallanzeige vom 5. Juni 2000 gab der Schulleiter an, nach Auskunft sei die Schülerin bei einem Vertreten der Beine (Spaziergang) von einem Auto erfasst worden. A. X. erklärte in der sie betreffenden Unfallanzeige vom 5. Juni 2000, ihre Freundin und sie hätten die Straße vom Hafen zum Hotel überqueren wollen und seien dabei von einem schnell sich nähernden Auto erfasst worden. Die Beklagte holte Auskünfte der Schule vom 21. Juni 2000 und 28. September 2000 ein. Der Klassenlehrer der Klasse 10 aG, Studienrat C., erklärte, beide Schülerinnen hätten sich unbemerkt für die Aufsicht und ohne Abmeldung aus der Unterbringung in Richtung See (ca. 50 m) jenseits der Straße entfernt. Die Klasse habe Freizeit im Bereich der Hotelanlage gehabt. Zur zeitlichen Abfolge gab er an, nach der Busankunft in R-Stadt seien gegen 19:15 Uhr Instruktionen durch die Hotelleitung erfolgt, anschließend die Einweisung der Schüler in die Zimmer, dann gegen 20:00 Uhr Beziehen der Zimmer. Gegen 20:30 Uhr seien Mängel gemeldet und gesichtet, um ca. 20:45 Uhr sei die Hotelanlage und die nähere Umgebung inspiziert und ab ca. 21:15 Uhr gegessen worden (Selbstverpflegung). Nach Information und Besprechung für alle Schüler seien die Schüler gegen 22:45 Uhr zur Bettruhe entlassen worden. Gegen 23:30 Uhr sei der Unfall geschehen.

Nachdem die Beklagte den Bevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt hatte, die Klägerin sei bei dem Unfall einer privaten Tätigkeit nachgegangen, die Klägerin dies bestritten hatte und als Zeugen ihre Eltern und J. W., angegeben hatte, fragte die Beklagte noch einmal bei der Schule nach und holte telefonische Auskünfte bei den Müttern, Frau X. und Frau W., ein. Frau X. gab der Beklagten gegenüber am 23. Mai 2001 an, Bettruhe sei nicht angeordnet worden. Die Lehrer hätten nach 22:45 Uhr im Restaurant gesessen. Sie hätten die Schüler gebeten, sich bei ihnen abzumelden, wenn sie das Hotel verließen. Fast die gesamte Klasse ihrer Tochter und auch die Parallelklasse hätten am Strand von R-Stadt gesessen. Später seien die Klägerin und A. auch dort hingegangen. Sie hätten sich nicht ohne Abmeldung entfernt. Frau W. erklärte am 6. Juni 2001 gegenüber der Beklagten, von einer absoluten Bettruhe sei an dem Abend nicht die Rede gewesen. Die Schüler hätten nach 22:00 Uhr noch die Möglichkeit zum Ausgang gehabt. Ihre Tochter habe sich zum Unfallzeitpunkt mit einigen Mitschülern im Zimmer aufgehalten und sei nicht zum Strand gegangen. Daraufhin führte die Beklagte am 6. August 2001 eine persönliche Befragung der Lehrer C. und K. in der Schule durch. In den hierzu angefertigten Protokollen heißt es, dass beide Klassen nach der Abschlussbesprechung frei zur Verfügung stehende Zeit im Bereich der Hotelanlage gehabt hätten. Gegen 22:30 Uhr seien die Schüler von ihnen zur Ruhe aufgefordert worden. Den Schülern sei ausdrücklich nicht gestattet worden, die Anlage zu verlassen. Eine Hand voll Schüler aus der Parallelklasse der Klägerin habe sich nach Abmeldung bei den Lehrkräften noch auf dem Gelände der Hotelanlage (Eisdiele/Restaurant) außerhalb der Appartements aufgehalten. Zum Unfallzeitpunkt hätten die Lehrer mit dem Fahrer des Busses noch auf der Terrasse der Appartementanlage gesessen, von wo aus ein großer Teil der von den Schülern bezogenen Zimmern gut einzusehen gewesen sei. Nach ihren Beobachtungen und bei einem abschließenden Kontrollgang habe sich ein Großteil der Schüler in ihren Zimmern befunden. Die Angaben von Frau X., fast die gesamte Klasse und die mitreisende Parallelklasse habe sich nachts am Strand aufgehalten, könne mit Sicherheit nicht zutreffen. Nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich einige wenige Schüler in eigener Verantwortung unbemerkt aus der Hotelanlage entfernt hätten, was aufgrund der örtlichen Verhältnisse ohne weiteres möglich gewesen sei.

Zu den Akten kam ein Protokoll eines Mitschülers über den Anreisetag, den 22. Mai 2000, das Teil einer Hausaufgabe war, und ein von der Klägerin offenbar für die Polizei angefertigtes Protokoll vom 23. Mai 2000. Darin gab die Klägerin an, dass sie sich mit A. X. habe die Füße vertreten und frische Luft schnappen wollen.

Mit Bescheid vom 23. November 2001 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 22. Mai 2000 ab, da es sich nicht um einen Arbeitsunfall handele. Zum Unfallzeitpunkt sei die Klägerin in einer den Schülern frei zur Verfügung stehenden Zeit einer privaten Tätigkeit nachgegangen, die nicht mehr im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule liege.

Hiergegen legte die Klägerin am 27. Dezember 2001 Widerspruch ein. Sie habe Zeugen dafür benannt, dass sie die beiden Lehrer auf der Terrasse gefragt habe, ob sie sich nach der langen Fahrt noch einmal die Beine vertreten dürfe. Dies hätten auch andere Schüler getan. Die Lehrer hätten nach dem Wandererlass des Hessischen Kultusministers vom 15. Mai 1991 und der Verordnung über die Schulaufsicht vom 28. März 1985 die minderjährige Schülerin nicht alleine weggehen lassen dürfen. Das unfallbringende Ereignis sei im Organisations- und Verantwortungsbereich der Schule geschehen, entweder durch mangelnde Aufsicht oder durch Zulassen von schwerwiegendem Fehlverhalten von Schülern nach 20:00 Uhr ohne Aufsicht außerhalb der schulischen Veranstaltung. Die Klägerin habe sich ordnungsgemäß abgemeldet und die Lehrer hätten das Entfernen akzeptiert, ohne dazu berechtigt zu sein. Das Die-Beine-Vertreten gehöre noch zu der versicherten Tätigkeit nach der zehnstündigen Anreise.

Die Beklagte zog den italienischen Polizeibericht vom 26. Juli 2002 bei sowie die Einverständniserklärung der Eltern der Klägerin vom 8. März 2000 für Klassenfahrten, mit welcher diese sich damit einverstanden erklärt hatten, dass sich ihre Tochter bis ungefähr 22:00 Uhr einzeln oder in Gruppen ohne Beaufsichtigung frei bewegen könne. Zu den Akten kam außerdem eine maschinenschriftliche Erklärung, die A. X. am 9. August 2002 unterzeichnet hatte. Danach hätten die Klägerin und sie sich bei beiden Lehrern mit folgenden Worten abgemeldet: "Wir gehen auch noch mal zu dem Rest der Klasse an den Strand".

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei rein persönlichen, von der unter Versicherung stehenden schulischen Veranstaltung nicht mehr beeinflussten Tätigkeiten entfalle der Versicherungsschutz. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Schüler dieser rein persönlichen Tätigkeit mit Erlaubnis der Lehrer oder ohne Erlaubnis der Lehrer nachgehe. Allein die Erlaubnis, sich unbeaufsichtigt bewegen zu können, stelle keinen ursächlichen Zusammenhang mit dem organisatorischen Einflussbereich der Schule her.

Mit der am 28. Juli 2003 beim Sozialgericht Gießen (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, mit der Genehmigung der Lehrer, sich die Beine vertreten zu dürfen, sei dokumentiert, dass der direkte Zusammenhang zur schulischen Veranstaltung gegeben sei. Es sei jedenfalls typisch, dass Kinder und Jugendliche dem natürlichen Gruppenmechanismus unterlägen und sich anderen aus der Klasse anschließen würden, auch wenn sie eine verbotene Aktion starteten. Unglaubhaft sei der Vortrag der Lehrer, dass den Schülern ausdrücklich untersagt worden sei, die Hotelanlage zu verlassen. Schüler der 10. Klasse dürften sich im Inland oder Ausland ohne Beaufsichtigung der Lehrer nur bis 22:00 Uhr frei bewegen. Wenn sich tatsächlich einige Schüler in eigener Verantwortung unbemerkt von der Hotelanlage zum Strand entfernt hätten, so bestehe die Möglichkeit bei grobem Verschulden, die Schüler von der Veranstaltung auszuschließen. Nichts dergleichen sei geschehen, so dass der Vortrag der Lehrer widerlegt sei. Außerdem hätten die Lehrer sich auf der Terrasse der Appartementanlage befunden, so dass sie auch Einfluss auf die angeblich verbotene Verhaltsweise hätten nehmen können. Daraus folge, dass die Lehrer die Aktivitäten am Strand genehmigt, jedenfalls aber geduldet hätten. Es sei jedermann bekannt, dass man sich nach einer langen Reise im Bus bis 19:00 Uhr die Füße noch einmal vertreten möchte.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Gang zum Strand, wo sich einige Schüler befunden hätten, sei eigenwirtschaftlicher Natur. Unerheblich sei, ob die Schüler erlaubt oder unerlaubt dort gewesen seien, da die Tätigkeit in der Freizeit nicht in den Verantwortungsbereich der Schule falle und nicht im inneren Zusammenhang mit dieser stehe.

In der mündlichen Verhandlung am 18. März 2005 hat das SG die Klägerin persönlich gehört, sowie die Lehrer C. und K. als Zeugen vernommen. Der Zeuge C. hat angeben, dass er ebenso wie sein Kollege K. die Kinder bei der abendlichen Besprechung zur Bettruhe aufgefordert hätten. Sie hätten im Restaurant so gesessen, dass sie die Schlafräume beobachten konnten. Bei seinem Kontrollgang gegen 23:00 Uhr habe er festgestellt, dass viele der Schüler sich auf ihren Zimmern oder im Restaurant befunden hätten. Der Zeuge K. hat angegeben, dass er mit dem Zeugen C. noch einmal einen Kontrollgang gegen 24:00 Uhr machen wollte. Wegen der weiteren Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18. März 2005 verwiesen.

Mit Urteil vom 18. März 2005 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dass Ereignis vom 25. Mai 2005 (richtig: 22. Mai 2000) als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der rechtlich wesentliche innere Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall auf der Straße vor dem Hotel sei gegeben. Fest stehe zu seiner Überzeugung, dass die Klägerin und die Mitschülerin X. die Hotelanlage unerlaubt verlassen hätten, um zum Strand zu gehen. Aufgrund der Aussage des Zeugen C. stehe fest, dass dieser zuvor zwei anderen Schülern erlaubt habe, zum See zu gehen. Dies habe zur Folge gehabt, dass mehrere Schüler sich auch dort aufhielten. Dieses Verhalten der Schüler sei durch die besonderen Gefahren der Klassenfahrt ausgelöst worden. Das Hotel, das die Schulleitung ausgesucht habe, habe in unmittelbarer Nähe zum See gelegen. Dies habe bei den Schülern aufgrund des Spiel- und Nachahmungstriebes dazu geführt, ebenfalls das Seeufer aufzusuchen. Ein besonderer gruppendynamischer Prozess sei dadurch entstanden, dass die aufsichtsführenden Lehrer es zwei Schülern erlaubt hätten, das Seeufer aufzusuchen. Dies habe zwangsläufig dazu führen müssen, dass sich andere Schüler veranlasst sahen, diesen zu folgen. Dadurch, dass die aufsichtsführenden Lehrer diesem einen Schüler mit seiner Freundin das Verlassen des Geländes erlaubt hatten, sei der gruppendynamische Prozess ausgelöst worden. Dies habe eine besondere Gefahr dieser Schulfahrt dargestellt, so dass ein innerer Zusammenhang anzunehmen sei. Der Rückweg vom See sei daher auch der versicherten Tätigkeit zuzurechnen.

Gegen das der Beklagten am 21. Juli 2005 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 27. Juli 2005 beim Hessischen Landessozialgericht (HLSG) eingegangene Berufung. Zu Unrecht meine das SG, dass die unfallbringende Tätigkeit der Klägerin einem gruppendynamischen Prozess zuzurechnen sei. Diese Schlussfolgerung stünde im Gegensatz zu den Erstangaben der Klägerin, die nur angegeben habe, sich noch einmal die Füße vertreten und frische Luft schnappen zu wollen. Inwieweit diese Tätigkeit nach offizieller Beendigung der Schulveranstaltung noch einem irgendwie gearteten gruppendynamischen Prozess zuzurechnen sei, sei nicht erkennbar. Das eigeninitiative Spazierengehen nach Abschluss einer Schulveranstaltung stelle gerade eine solche von schulischen Belangen nicht mehr beeinflusste Tätigkeit dar. Das SG unterstelle, dass die durch die aufsichtführenden Lehrer für zwei Schüler ausgesprochene Genehmigung, das Seeufer aufzusuchen, den angesprochenen gruppendynamischen Prozess ausgelöst habe. Die Klägerin selbst habe aber zu keinem Zeitpunkt - auch nicht während der mündlichen Verhandlung – angegeben, dass sie durch diese genehmigte Abwesenheit zweier Schüler im Hotel besonders für ihren Spaziergang motiviert worden sei. Es sei nicht einmal bekannt, ob die Klägerin hiervon überhaupt Kenntnis gehabt habe. Auch der Aufenthalt weiterer Schüler am Strand sei auf diese bezogen eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Andernfalls wäre jedes private Entfernen nach Abschluss einer Schulveranstaltung versichert, was nicht den Intentionen des Gesetzgebers entspreche, zumal der Schutzbereich der Schülerunfallversicherung enger als in der gewerblichen Unfallversicherung sei. Wenn die Klägerin im Übrigen einem unkontrollierten Drang nachgegeben habe, hätte sie sich sicherlich nicht - wie dies nach ihren Angaben der Fall gewesen sein soll - bei den aufsichtführenden Lehrkräften abgemeldet. Auch dies spreche gegen einen schulbezogenen gruppendynamischen Prozess als Ursache für das Unfallgeschehen. Im Übrigen habe sich mit dem Unfall im öffentlichen Verkehrsraum kein schultypisches Risiko aus einem gruppendynamischen Prozess verwirklicht. Die Schülerin habe sich einer ordnungsgemäßen schulischen Aufsicht entzogen. Eine im Spieltrieb oder typischem Gruppenverhalten von Schülern liegende Motivation für den Spaziergang habe die Klägerin nicht angegeben. Auch ein Imponiergehabe der Klägerin als Ursache für ihren Spaziergang sei nicht aktenkundig. Die unfallbringende Gefahrenquelle sei der öffentliche Straßenverkehr gewesen und nicht die Bestimmung des Hotels durch die Schule.

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 18. März 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Lehrer K. und C. ergänzend dazu zu befragen, wie sie am 22. Mai 2000 die Schulaufsicht durchgeführt haben.

Der Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, A. X., J. W., S. Q. und S. MC. zu der Frage der Ausübung der Schulaufsicht als Zeugen zu hören.

Die Klägerin hält das Urteil des SG für zutreffend. Es könne dahinstehen, ob sie und ihre Freundin sich bei den aufsichtführenden Lehrern abgemeldet hätten oder nicht, denn es sei jedenfalls zwei Schülern erlaubt worden, zum See zu gehen. Dies habe einen gruppendynamischen Prozess ausgelöst. Mehrere Schüler und Schülerinnen seien mit oder ohne Erlaubnis am See gewesen. Das am See liegende Hotel sei von der Schulleitung bestimmt worden. Damit habe diese eine Gefahrenquelle geschaffen.

Der Senat hat die Klägerin persönlich gehört. Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 21. November 2006 wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte und auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin am 22. Mai 2000 einen Arbeitsunfall erlitten.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 des Siebenten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) begründenden Tätigkeit. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe b SGB VII sind kraft Gesetzes versichert Schüler während des Besuchs von allgemeinen- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor und nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen.

Dem Versicherungsschutz unterliegen in erster Linie Betätigungen während des Unterrichts, in den dazwischen liegenden Pausen und solche im Rahmen sog. Schulveranstaltungen sowie bei Betreuungsmaßnahmen. Der Schutzbereich dieser "Schüler-Unfallversicherung" ist allerdings enger als der Versicherungsschutz von Beschäftigten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, weil er auf den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule beschränkt ist (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts –BSG– z.B. in SozR 2200 § 539 Nr. 16; SozR 3-2200 § 539 Nrn. 22, 34; Urteil vom 7. November 2000, Az.: B 2 U 40/99 R, NJW 2001, 2909; Urteil vom 26. Oktober 2004, Az.: 2 B U 41/03 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 7 zu § 2 SGB VII). Außerhalb dieses Verantwortungsbereichs besteht in der Regel kein Versicherungsschutz bei Verrichtungen, die durch den Schulbesuch wesentlich bedingt sind und ihm deshalb an sich nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zuzuordnen wären (BSG in SozR 2200 § 539 Nr. 16; SozR 2200 § 548 Nr. 55).

Zu den vom organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule erfassten Veranstaltungen gehören auch die unter schulischer Aufsicht durchgeführten Klassenfahrten (ständige Rechtsprechung: u.a. BSG SozR Nr. 3 zu § 548 Reichsversicherungsordnung -RVO-; SozR 3-2200 § 539 Nr. 34; Urteil vom 26. Oktober 2004, Az.: 2 B U 41/03 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 7 zu § 2 SGB VII) wie die, an der die Klägerin teilnahm. Der Versicherungsschutz auf Klassenfahrten umfasst jedoch nicht jedwede Betätigung während der gesamten Dauer der Klassenfahrt. Vielmehr ist die Rechtsprechung des BSG zum Versicherungsschutz auf Dienst- oder Geschäftsreisen unter Beachtung der Besonderheiten für Klassenfahrten entsprechend heranzuziehen und zu entscheiden, ob die Verrichtung zur Zeit des Unfalls in sachlichem Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit als Schüler steht (BSG SozR Nr. 3 zu § 548 RVO; SozR 3-2200 § 539 Nr. 34). Der Versicherungsschutz ist zu verneinen, wenn sich die betreffende Person zur Unfallzeit rein persönlichen, von der versicherten Tätigkeit nicht mehr beeinflussten Bedürfnissen und Belangen widmet wie Essen, Trinken und Schlafen oder einem privaten Spaziergang (BSG SozR Nr. 3 zu § 550 RVO m.w.N. – Schlafen; Urteil vom 25. Januar 1977, 2 RU 50/76, USK 2/1977, Nr. 7711 – verbotswidriger Privatausflug; BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004, SozR 4-2700 § 8 Nr. 7).

Neben den auch bei Dienstreisen von erwachsenen Beschäftigten zu berücksichtigenden besonderen Gefahren z.B. der Unterkunft sind im Rahmen der Schüler-Unfallversicherung als weitere Besonderheit die Gefahren zu berücksichtigen, die sich aus unzureichender Beaufsichtigung (BSG, Urteil vom 20. Mai 1976, SozR 2200 § 550 Nr. 14 = BSGE 42, 42, 45) oder dem typischen Gruppenverhalten von Schülern oder Jugendlichen ergeben (BSG, Urteil vom 5. Oktober 1995, SozR 3-2200 § 539 Nr. 34, jeweils m.w.N.). Insbesondere kann eine von der Schulaufsicht verbotene, private Zwecken dienende und folglich regelmäßig nicht versicherte Betätigung von Schülern während einer Klassenfahrt aufgrund unzureichender Aufsicht der Lehrer unfallversichert sein (BSG, Urteil vom 25. Januar 1977, Az.: 2 RU 50/76, USK 2/1977, Nr. 7711).

Gemäß Abschnitt IV Nr. 3 der Anlage 1 der Hessischen Verordnung über die Aufsicht über Schüler vom 28. März 1985 (ABl. S. 185, geändert durch Verordnung vom 14. September 1998, ABl. S. 683), die gemäß § 3 Abs. 4 dieser Verordnung bei der Ausübung der Aufsicht zu beachten ist, muss der Lehrer während einer Veranstaltung von mehrtägiger Dauer die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen treffen und deren Befolgung überwachen. Bei Übernachtungen hat sich der aufsichtsführende Lehrer (oder eine Hilfskraft) davon zu überzeugen, dass alle Schüler in den Unterkünften sind und die ihnen zugewiesenen Schlafräume aufgesucht haben. Eine Überwachung der Anwesenheit der Schüler in den Schlafräumen während der Nacht ist nur erforderlich, wenn hierzu ein besonderer Anlass besteht. Will ein Schüler die Klasse oder Gruppe während der Veranstaltung ausnahmsweise zeitweilig verlassen, so bedarf er der Genehmigung des aufsichtsführenden Lehrers (Nr. 5 der o.g. Anlage). Schülern der Klassen/Jahrgangsstufen 10 und 11 kann unter bestimmten Voraussetzungen gestattet werden, sich einzeln oder in Gruppen bis ungefähr 22:00 Uhr ohne Beaufsichtigung durch Lehrer frei zu bewegen, wenn die Erziehungsberechtigten sich hiermit vor Beginn der Veranstaltung schriftlich einverstanden erklären (Nr. 7 der o.g. Anlage). Die Aufsichtspflicht der Lehrer endet, wenn der Schüler sich unerlaubt von der Klasse entfernt (§ 2 Abs. 5 Ziffer 1 der vorgenannten Verordnung).

Hiervon ausgehend hat die Klägerin am 22. Mai 2000 einen versicherten Arbeitsunfall erlitten, als sie als Teilnehmerin der Klassenfahrt auf dem Rückweg vom See bzw. vom Strand gegen 23:30 Uhr verunglückte.

Der Senat geht von folgendem Sachverhalt aus: Nach einer zehnstündigen Busfahrt kamen die 50 Schüler an der Apartmentanlage am R-See gegen 19:00 Uhr an. Es erfolgten organisatorische Maßnahmen, das Abendessen und eine schulische Besprechung von 22:30 bis ca. 22:45 Uhr, an welcher auch die Klägerin sowie ihre Freundin A. X. teilnahmen. Dabei wurden die Schüler aufgefordert, ihre Zimmer zur Nachruhe aufzusuchen. Sie sollten sich ruhig verhalten, um andere Hotelgäste nicht weiter zu stören. Gegen 23:00 Uhr war die Mehrheit der Schüler in ihren Zimmern und im Hotelrestaurant. Eine nicht genau bezifferbare Anzahl von Schülern war am Strand. Die Klägerin war ebenso wie andere Schüler zum Strand gegangen. Auf dem Rückweg erlitt die Klägerin zusammen mit ihrer Freundin auf der Straße vor dem Hotel gegen 23:30 Uhr einen Unfall, als ein schnell sich nähernder Pkw sie erfasste.

Da der Spaziergang an den Strand nicht von den Lehrkräften organisiert war, handelt es sich um einen privaten Spaziergang der Klägerin, die sich die Füße vertreten und frische Luft schnappen wollte. Gleichwohl bestand unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles Versicherungsschutz, als die Klägerin als Fußgängerin im Straßenverkehr verletzt wurde, da sie sich nicht unerlaubt entfernt hatte und eine unzureichende Aufsicht der Lehrer vorlag.

Der Versicherungsschutz entfällt nicht unter dem Aspekt, dass der Unfall sich außerhalb des Bereichs jeder Einwirkungsmöglichkeiten einer ordnungsgemäßen schulischen Aufsicht ereignet hat. Denn die aufsichtsführenden Lehrer hätten darauf hinwirken müssen, dass Schüler sich nicht aus der Apartmentanlage entfernen, sich nach der gemeinsamen Besprechung in ihre Schlafräume begeben und dort die Nacht über verbleiben. Soweit Aufsichtskräfte bei einer Klassenfahrt nach Entlassung der Schüler zur Nachtruhe die Anwesenheit der Schüler in der Übernachtungsstelle/dem Hotel nicht ständig kontrollieren bzw. auch nicht die zahlreichen Ausgänge einer Hotelanlage überwachen können, müssen sie bei minderjährigen Schülern durch eine eindeutige Regelung bzw. durch ein ausdrückliches Verbot Sorge dafür tragen, dass die Schüler das Hotel spät abends nicht verlassen. Ein solches ausdrückliches Verbot, die Hotelanlage zu verlassen, ist jedoch nicht ergangen. Zwar ist nach der von der Beklagten protokollierten Anhörung der Lehrer am 6. August 2001 das Verlassen der Anlage ausdrücklich nicht gestattet gewesen. Mit welchen Worten dies geschehen sein soll, ist aus dem Protokoll jedoch nicht zu entnehmen. Die Lehrer C. und K. haben bei ihrer Vernehmung als Zeugen vor dem SG weder ausgesagt, dass das Verlassen der Hotelanlage nicht gestattet war, noch gar, dass es ausdrücklich verboten war. Sie erklärten vielmehr, dass die Schüler gegen 22:30 Uhr zusammengerufen worden waren, weil es Beschwerden anderer Hotelgäste über das relativ laute Verhalten der Schüler gegeben hatte, den Schülern dann die Planung für den nächsten Tag bekannt gegeben und sie aufgefordert worden waren, sich ab jetzt ruhig zu verhalten und sich zur Bettruhe zu begeben. Der Zeuge K. hat den Schülern dann noch gesagt, es sei am besten, "wenn von ihnen nichts zu hören und zu sehen sei". Den Lehrern ging es ersichtlich darum, dass die ca. 50 Schüler die anderen Hotelgäste nicht mehr störten und sie sich auf ihre Zimmer zur Nachtruhe begeben sollten. Ein ausdrückliches Verbot, nach der abendlichen Besprechung ohne Aufsicht die Hotelanlage zu verlassen, hat die Beweisaufnahme somit nicht ergeben. Ein solches Verbot ergibt sich auch nicht aus dem Protokoll eines Mitschülers über den 22. Mai 2000, das Teil einer Hausaufgabe war und auf das die Beklagte sich bezieht. Letztlich haben die Lehrer nur darauf vertraut, dass die Schüler sich nicht aus dem Hotel entfernten. Der Zeuge C. war enttäuscht darüber, dass eine Reihe von Schülern – so auch die Klägerin – dieses Vertrauen gebrochen hatten. Der Zeuge K. hat sich nachträglich nur gewundert, dass Schüler am Strand waren. Aus der nach der Besprechung von den auf der Terrasse sitzenden Lehrkräften drei Schülern erteilten Erlaubnis, sich noch in die Eisdiele der Apartmentanlage zu begeben, dem von den Lehrern nicht beanstandeten Aufenthalt von Schülern im Restaurant gegen 23:00 Uhr, der Tatsache, dass zwei Schüler zum See gehen durften, sowie dem Vortrag der Klägerin, sie habe den Lehrern gesagt, sie gehe noch zum Strand oder sie wolle sich die Füße vertreten, woran sich die Zeugen nicht erinnern können, lässt sich nur der Schluss ziehen, dass sich nicht alle Teilnehmer der Klassenfahrt sofort nach der Besprechung in ihre Zimmer begaben, nicht aber dass ein Verlassen der Apartmentanlage ausdrücklich verboten war. Für eine ordnungsgemäße Aufsicht seitens der Lehrkräfte war unter Berücksichtigung der gesamten Umstände der Klassenfahrt am ersten Abend ein ausdrückliches Verbot, die Apartmentanlage ohne Aufsicht zu verlassen, jedoch geboten. Nach der zehnstündigen Busfahrt bis 19:00 Uhr, den anschließenden organisatorischen Maßnahmen, dem Abendessen und der abendlichen Besprechung bis 22:45 Uhr verspürten offenbar nicht nur die 16jährige Klägerin und ihre Freundin sondern auch andere Schüler einen Bewegungsdrang. Bei der Lage der Apartmentanlage am XX. war dabei ein Gang an der frischen Luft zum Strand jenseits der Straße nahe liegend. Das Verlassen des Hotels nach 22:45 Uhr hätten die Lehrkräfte durch eine eindeutige Regelung verhindern müssen, zumal auch wegen der örtlichen Verhältnisse nicht alle Hotelausgänge von den Lehrern überwacht werden konnten.

Stattdessen hat die Schulaufsicht trotz entgegenstehender Verordnungslage nach der Bekundung des Zeugen C. zwei Schülern erlaubt, nach 22:00 Uhr ohne Aufsicht zum jenseits der Straße gelegenen Seeufer zu gehen. Dass diese beiden Schüler der Klasse 10 schon volljährig waren, haben die Zeugen nicht bekundet und ist von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem HLSG verneint worden. Vielmehr wurde die Erlaubnis allein deshalb erteilt, weil einer der beiden ein problematischer Schüler war. Auch hat die Schulaufsicht bei einem Kontrollgang des Zeugen C. gegen 23:00 Uhr bemerkt, dass noch nicht alle Schüler in ihren Zimmern waren, ohne Erkundigungen nach deren Verbleib einzuholen. Ferner begab sich kein Lehrer vom Hotel aus zum in der Dunkelheit nicht überblickbaren Seeufer, wo sich die nicht mehr konkret bestimmbare Anzahl von Schülern – laut Angaben der Klägerin zehn bis 15, nach Aussage des Zeugen C. bestimmt nicht die Mehrheit der Schüler – aufhielt. Die Lehrer konnten bei fehlendem ausdrücklichem Verbot die Hotelanlage allein zu verlassen nicht davon ausgehen, dass außer dem als problematisch bezeichneten Schüler und seiner Freundin kein weiterer Schüler sich zum Seeufer begeben würde. Denn ihnen war bekannt, dass, wenn einem Schüler etwas erlaubt wird, andere immer dasselbe wollen, wie der Zeuge K. bezogen auf den Gang zur Eisdiele ausgesagt hat.

Zur Überzeugung des Senats steht aufgrund der glaubhaften Angaben der Klägerin und der gesamten Umstände auch fest, dass die Klägerin nicht unerlaubt, sondern mit zumindest stillschweigender Zustimmung des Zeugen C. an den Strand gegangen ist. So hat die Klägerin bereits im Widerspruchsverfahren vorgetragen, dass sie die Lehrer gefragt hat, ob sie sich nach der langen Fahrt noch einmal die Beine vertreten dürfe. Vor dem SG hat sie angegeben, dass nach ihrer Erinnerung sie und ihre Freundin sich bei den Lehrern abgemeldet haben, weil sie "nämlich eine liebe Schülerin war". In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin sicher angeben können, dass sie die Lehrer gefragt haben, ob es okay ist, wenn sie zum Strand gehen und die Lehrer dies nicht verboten, sondern als in Ordnung betrachtet haben. A. X. hat der Beklagten gegenüber am 9. August 2002 ebenfalls erklärt, dass sie sich bei den Lehrern abgemeldet haben. Für die Annahme einer zumindest stillschweigenden Zustimmung seitens des Klassenlehrers sprechen darüber hinaus auch die sonstigen Umstände. So haben die Lehrer ausweislich ihrer Angaben vor dem SG anderen Schülern erlaubt, sich an den Strand zu begeben, obgleich sie im Verwaltungsverfahren den Eindruck erweckt haben, dass kein Schüler erlaubt zum Strand gegangen ist und sich lediglich einige Schüler nach entsprechender Abmeldung auf dem Gelände der Hotelanlage (Eisdiele/Restaurant) befunden haben. Es wurde angegeben, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich einige Schüler in eigener Verantwortung unbemerkt aus der Hotelanlage entfernten, was erwiesenermaßen hinsichtlich des problematischen Schülers und seiner Freundin unrichtig ist. Vor diesem Hintergrund steht das fehlende Erinnerungsvermögen des Zeugen C. in der mündlichen Verhandlung vor dem SG hinsichtlich der Abmeldung der Klägerin und deren Freundin A. X. den glaubhaften Angaben der Klägerin nicht entgegen. Vielmehr spricht das fehlende Verbot gegenüber den Klassen und speziell gegenüber der Klägerin und ihrer Freundin, nachdem diese von ihrem Zimmer aus zu dem Klassenlehrer zurückgegangen waren, für die Richtigkeit des Vortrags der Klägerin.

Durch die unzureichende Aufsicht bzw. die Versäumnisse der Schulaufsicht ist die Klägerin in die Lage versetzt worden, sich bei bestehendem Drang nach Bewegung und frischer Luft nach einem langen Tag sich den besonderen Gefahren des nächtlichen Straßenverkehrs auszusetzen. Der im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Spaziergang der Klägerin wurde kausal für den Unfall. Da die Klägerin nicht gegen ein ausdrückliches Verbot der Lehrer verstoßen hat, sondern zumindest stillschweigend erlaubt weggegangen ist, kommt es nicht darauf an, ob – wie das SG meint – gruppendynamische Vorgänge wirksam geworden sind. Bei der Tätigkeit im Verantwortungsbereich der Schule/dem Spaziergang der Klägerin an der frischen Luft realisierte sich gegen 23:30 Uhr eine besondere Gefahr, gegen die § 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe b SGB VII Versicherungsschutz bieten soll. Die Verletzungen, die die Klägerin bei dieser Gelegenheit erlitt, sind somit Folge eines Schulunfalls, den die Beklagte als zuständiger Träger der Unfallversicherung zu entschädigen hat.

Einer Beweisaufnahme durch die erneute Vernehmung der Zeugen C. und K. – wie von der Beklagten beantragt - bedurfte es nicht, da Beklagte und SG die Zeugen zur Durchführung von Aufsichtsmaßnahmen hinreichend befragt und deren Aussagen insgesamt protokolliert haben. Eine nicht ordnungsgemäße Aufsicht durch diese Zeugen konnte der Senat aufgrund deren Angaben gegenüber der Beklagten und im Rahmen der Vernehmung vor dem SG eindeutig feststellen. Welche Fragen an die vom SG vernommenen Zeugen noch offen geblieben sein sollen, hat die Beklagte nicht aufgezeigt. Solche sind auch nicht ersichtlich. Damit konnte auch der Hilfsantrag der Beklagten keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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