Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Ar 1228/71
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgericht Marburg/Lahn vom 15. November 1971 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die 1948 geborene Klägerin, deren Ehemann seit dem 1. September 1970 an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität M. studierte, besuchte vom 16. Oktober 1967 bis zum 14. November 1970 die pädagogische Hochschule N., Abteilung B., an der sie am 17. November 1970 die Prüfung für das Lehramt an der Volksschulen bestand. Da sie trotzt ihrer Bewerbung bei dem Hessischen Kulturminister am 9. April 1970 nach dem Staatsexamen nicht sogleich eine Anstellung im Staatsdienst fand, meldete sie sich am 30. November 1970 bei der Dienstelle der Beklagten in M. arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe. Ab 1. Dezember 1970 zahlte das Sozialamt der Stadt M. der Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt auf Grund des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) von zunächst 161,70 DM monatlich. Am 18. Dezember 1970 erhielt die Klägerin ihre Einberufung zum Schuldienst, den sie seit dem 4. Januar 1971 als außerplanmäßige (Apl.) Lehrerin – unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf – an der Gesamtschule in K. versieht. Durch Bescheid vom 26. März lehnte die Beklagte den Antrag ab, da das Bestreben der Klägerin, im Stadtdienst verwendet zu werden, keine Arbeitnehmertätigkeit begründe. Dem dagegen erhobenen Widerspruch half die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 1971 nicht ab.
Mit ihrer Klage vertrat die Klägerin die Auffassung, sie gehöre zum Kreis der Arbeitnehmer, weil sie nach Abschluß des Hochschule bis zum 14. Januar 1971 beschäftigungslos gewesen sei. Für ihren Anspruch auf Arbeitslosenhilfe könne es keinen Unterschied machen, daß sie als Beamtin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis Verwendung gefunden habe. Andernfalls müsse sie einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung rügen, da ihre wirtschaftliche Lage die gleiche wie die der in einem Beschäftigungsverhältnis tätige Angestellten oder Arbeiterin sei. Das Sozialgericht (SG) holte eine Auskunft des Schulrates S. vom Schulaufsichtsbereich 2 M. ein, nach die Einstellung als Lehrer im Raum von M. regelmäßig zum Ende der Sommer- und Weihnachtsferien stattfindet.
Durch Urteil vom 15. November 1971 wies das SG Marburg die Klage mit der Begründung ab, der Klägerin fehle die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des § 101 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), so daß sie nicht als arbeitslos habe angesehen werden können (vgl. § 134 Abs. 1 Nr. 1 AFG). Wie sich aus dem nur redaktionell geänderten, dem früheren § 75 Abs. 1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) entsprechenden § 101 Abs. 1 AFG ergebe, könne die Klägerin nicht als Arbeitnehmerin angesehen werden Weder im Zeitpunkt der Antragstellung noch für die Zukunft habe eine unselbständige Beschäftigung die Lebensgrundlage der Klägerin bilden sollen, da diese sich um eine Übernahme in das Beamtenverhältnis als Lehrerin beworben habe. Dies läßt den Schluß zu, daß die Klägerin von vornherein den Willen gehabt habe, künftig als Beamtin ihren Lebensunterhalt zu verdienen, weil die Einstellung von Lehrern nach Ablegung der Prüfung für das Lehramt an den Volksschulen durch das Land Hessen mit der Stellung eines Beamten auf Widerruf erfolge. Die Tätigkeit als Beamtin sei aber keine Tätigkeit als Arbeitnehmer im Sinne des § 101 AFG. Ebenso wie das AVAVG sei auch das AFG ein Schutzgesetz für einen bestimmten Kreis von Arbeitnehmern und keine Anwendung auf Beamte wie § 13 AFG (Vermittlung zur Begründung von Arbeitsverhältnissen) und § 168 (Versicherungsfreiheit der Beamten) zeige.
Gegen das ihr am 22. November 1971 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. Dezember 1971 schriftlich beim Hessischen Landessozialgericht die zugelassene Berufung eingelegt. Sie begründet diese damit, die Auffassung des SG, Beamte nicht wie Arbeitnehmer zu behandeln, führe zu einer Schlechterstellung dieser Personengruppe und bedeute einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (GG). Es widerspreche jedem Rechtsempfinden, diesen Personenkreis von dem sozialen Schutz bei Arbeitslosigkeit auszuschließen und ihr der Willkür zu überlassen. Während ihrer Arbeitslosigkeit habe sie in keinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gestanden, wie sie auch seit ihrem Examen am 17. November 1970 bis zu ihrer Einstellung in der Dienst des Landes Hessen 47 Tage arbeitslos gewesen sei. Da in N. Einstellungen zum 1. Dezember 1970 stattgefunden hätten, habe sie mit ihrer Antragstellung auf Arbeitslosenhilfe bis zum 30. November 1970 gewartet. Nicht übersehen werden könne auch der Umstand, daß das Arbeitsamt G. Frau E. W. S. bei G. in dem gleichen Zeitraum Arbeitslosenhilfe gewährt habe, während man ihr diese Leistung verweigere.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Marburg/Lahn vom 15. November 1971 und den Bescheid der Beklagten vom 26. März 1971 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 1971 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ab Antragstellung Arbeitslosenhilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Klägerin habe während des streitigen Zeitraums weder "vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis (§ 101 Abs. 1 AFG) gestanden noch hätten die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse den Schluß zugelassen, daß Lebensgrundlage der Klägerin im Zeitpunkt der Antragstellung für die Zukunft die einer unselbständigen Beschäftigung gegen Geld bilden werde. Die Tätigkeit eines Beamten vollziehe sich nicht im Namen eines dem Arbeitsrecht zuzuordnenden Vertragsverhältnisse sondern aufgrund eines besonders ausgestalteten hoheitlichen Dienst- und Treuverhältnisses.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Leistungs- und Gerichtsakten Bezug genommen, der in seinen wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die kraft Zulassung statthafte Berufung ist in rechter Form und Frist eingelegt; sie ist jedoch unbegründet.
Gemäß § 134 Abs. 1 Nr. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) hat Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, wer arbeitslos ist. Nach § 101 AFG, der nach § 134 Abs. 2 Satz 1 AFG auch für den Bereich der Arbeitslosenhilfe gilt, ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine geringfügige Beschäftigung ausübt. Wenn auch der "Arbeitnehmerbegriff” durch § 101 AFG nicht näher umschrieben wird, so hat doch dessen Inhalt keine materiell-rechtliche Änderung erfahren (vgl. BA 176/69. vom 6.6.1969 – DBl. A S. 673 zu § 101 Abs. 1 Satz 1), wie ein Vergleich mit dem Regierungsentwurf des § 92 (jetzt: § 101 a.a.O.) zeigt, der noch die Fassung des § 75 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) enthielt. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung war arbeitslos im Sinne des § 74 Abs. 1 AVAVG, wer berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig zu sein pflegte, aber vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand und nicht im Betrieb eines Angehörigen mithalf. Der Ausschuß für Arbeit hat diese Bestimmung neu gefaßt und zur Begründung der von ihm vorgeschlagenen Fassung – die in dieser Formulierung in das AFG vorgenommen ist – ausgeführt, es handle sich um eine "redaktionelle Neufassung zur Verbesserung der Übersicht über die geregelten Tatbestände” (vgl. Berndt-Draeger, Arbeitsvermittlung, Berufsberatung, Arbeitslosenversicherung § 101 Abschnitt E). Geht man von der inhaltlichen Identität des § 75 AVAVG mit § 101 hinsichtlich des "Arbeitnehmerbegriff” aus, so ist es gerechtfertigt, zur Klärung dieses Begriffes auch die zu § 75 AVAVG ergangene Rechtsprechung zu berücksichtigen. Nicht erforderlich ist für die Arbeitnehmereigenschaft eine vorherige Arbeitnehmertätigkeit oder gar die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung vielmehr wird die "Arbeitnehmereigenschaft” im Sinne von § 75 Abs. 1 AVAVG durch den Entschluß zur Aufnahme oder Wiederaufnahme abhängiger Arbeit begründet (vgl. BSG 20, 190 ff.). Entscheidend ist jedoch darauf abzustellen (so BSG, Urteil vom 21.4.1961, 7 Rar 40/59 sowie Urteil vom 18.2.64 11/RA 239) ob die Gesamtschau der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers den Schluß zuläßt, daß seine Lebensgrundlage in Zeitpunkt der Antragstellung und für die Zukunft die unselbständige Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des AFG bildet (Draeger-Buchwitz-Schönefelder, Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, § 145 Rz. 12). Wahrend der hier in Betracht kommenden Zeit vom 30. November 1970 bis zum 2. Januar 1971 stand die Klägerin weder "vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis” (§ 101 Abs. 1 AFG), noch ließ ihre zum Ausdruck gebrachte Zielsetzung der weiteren Ausbildung die Schlußfolgerung zu, daß ihre Lebensgrundlage im Zeitpunkt der Antragstellung und für eine absehbare Zukunft die unselbständige Beschäftigung gegen Entgelt bilden sollte. So hatte sie sich bereits im April 1970, also vor Ablegung ihres Staatsexamens am 17. November 1970, um eine Verwendung im Schuldienst des Landes Hessen beworben und deshalb späterhin auch einen Freistellungsbeschluß des Kulturministers des Landes N. mit Nachreichung des Examensbescheinigung zur Bewerbung im Monat November 1970 erwirkt. In ihrer Widerspruchsbegründung hatte die Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sie nach dem Vorbereitung dienst noch das zweite Staatsexamen habe ablegen wollen. Ihr Ziel war also eindeutig auf die weitere Ausbildung gerichtet. Eine solche vollzieht sich für Bewerber um eine Anstellung als Lehrer an Grund- und Hauptschulen zwischen dem ersten und zweiten Staatsexamen für die Dauer von zwei bis vier Jahren im allgemeinen in allen Bundesländern im Rahmen eines Beamtenverhältnisses auf Widerruf (vgl. Blätter zur Berufskunde – Lehrer an Grund – zur Hauptschulen, Bertelmann-Verlag KG Bielefeld, 4. Aufl. 1969). In ähnlicher Weise ist auch der Vorbereitungsdienst im Lande Hessen geregelt, in dem der Bewerber im allgemein als Beamter auf Widerruf in den Landesdienst übernommen wird (vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt – BVBl. – 1961, 101). Eine solche Tätigkeit unterfällt jedoch nicht dem "Arbeitnehmerbegriff”, da das Beamtenverhältnis durch hoheitlichen Verwaltungsakt begründet wird, wie auch die bestehenden Rechte und Pflichten hoheitlicher Natur sind (BSG, Urteil vom 20. Oktober 1960 – 7 Rar 26/59).
Es liegt aber auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Grundgesetz (GG) vor, wenn der Klägerin in Anwendung des Arbeitsförderungsgesetz und der zu dem "Arbeitnehmerbegriff” ergangenen Rechtsprechung keine Leistungen aus der Arbeitslosenhilfe gewährt werden können. Gehört es doch nicht zu den sozialpolitischen und versicherungsrechtlichen Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit (vgl. Draeger-Buchwitz-Schönefelder a.a.O. § 37 Rz. 39; Hennig-Köhl-Heuer, Arbeitsförderungsgesetz, § 13 Anm ...) Antragsteller, die nicht zum versicherungspflichtigen Personenkreis gehören, Leistungen aus den Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit zu gewähren. Diese Konsequenz beinhaltet keine Schlechterstellung der Klägerin, die damals auch noch keine Beamtin war. Sie trifft auch andere Personengruppen wie z.B. die Selbständigen (Gewerbetreibende), die bei Aufrechterhaltung ihres Status im Falle der Arbeitslosigkeit gleicherweise keine Leistungen nach dem AFG beanspruchen können. Diese unterschiedliche Behandlung ist aber sachgerecht und verstößt auch nicht gegen das Willkürverbot (vgl. Bundesverfassungsgericht BVerfGE 12, 354, 367; 15, 167, 201). Der Klägerin ist auch nicht der "soziale Schutz” versagt worden, sie bis zu Einberufung in den Schuldienst Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) erhalten hat.
Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf den Fall der Frau H. W. aus S. berufen, die bei angeblich Sachverhalt vom Arbeitsamt Gießen die beantragte Arbeitslosenhilfe erhalten haben soll. Eine derartige Praxis entspräche – bei vergleichbarem Sachverhalt nicht den gesetzlichen Bestimmungen und begründet keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Wiederholung. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. u.a. Urteil vom 24. November 1971 – L-1/Ar – 909/71) führt selbst eine ständige rechtswidrige Verwaltungsübung weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz und dem Vertrauensgrundsatz zu einer anspruchsbegründenden Selbstbindung der Verwaltung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die 1948 geborene Klägerin, deren Ehemann seit dem 1. September 1970 an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität M. studierte, besuchte vom 16. Oktober 1967 bis zum 14. November 1970 die pädagogische Hochschule N., Abteilung B., an der sie am 17. November 1970 die Prüfung für das Lehramt an der Volksschulen bestand. Da sie trotzt ihrer Bewerbung bei dem Hessischen Kulturminister am 9. April 1970 nach dem Staatsexamen nicht sogleich eine Anstellung im Staatsdienst fand, meldete sie sich am 30. November 1970 bei der Dienstelle der Beklagten in M. arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe. Ab 1. Dezember 1970 zahlte das Sozialamt der Stadt M. der Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt auf Grund des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) von zunächst 161,70 DM monatlich. Am 18. Dezember 1970 erhielt die Klägerin ihre Einberufung zum Schuldienst, den sie seit dem 4. Januar 1971 als außerplanmäßige (Apl.) Lehrerin – unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf – an der Gesamtschule in K. versieht. Durch Bescheid vom 26. März lehnte die Beklagte den Antrag ab, da das Bestreben der Klägerin, im Stadtdienst verwendet zu werden, keine Arbeitnehmertätigkeit begründe. Dem dagegen erhobenen Widerspruch half die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 1971 nicht ab.
Mit ihrer Klage vertrat die Klägerin die Auffassung, sie gehöre zum Kreis der Arbeitnehmer, weil sie nach Abschluß des Hochschule bis zum 14. Januar 1971 beschäftigungslos gewesen sei. Für ihren Anspruch auf Arbeitslosenhilfe könne es keinen Unterschied machen, daß sie als Beamtin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis Verwendung gefunden habe. Andernfalls müsse sie einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung rügen, da ihre wirtschaftliche Lage die gleiche wie die der in einem Beschäftigungsverhältnis tätige Angestellten oder Arbeiterin sei. Das Sozialgericht (SG) holte eine Auskunft des Schulrates S. vom Schulaufsichtsbereich 2 M. ein, nach die Einstellung als Lehrer im Raum von M. regelmäßig zum Ende der Sommer- und Weihnachtsferien stattfindet.
Durch Urteil vom 15. November 1971 wies das SG Marburg die Klage mit der Begründung ab, der Klägerin fehle die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des § 101 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), so daß sie nicht als arbeitslos habe angesehen werden können (vgl. § 134 Abs. 1 Nr. 1 AFG). Wie sich aus dem nur redaktionell geänderten, dem früheren § 75 Abs. 1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) entsprechenden § 101 Abs. 1 AFG ergebe, könne die Klägerin nicht als Arbeitnehmerin angesehen werden Weder im Zeitpunkt der Antragstellung noch für die Zukunft habe eine unselbständige Beschäftigung die Lebensgrundlage der Klägerin bilden sollen, da diese sich um eine Übernahme in das Beamtenverhältnis als Lehrerin beworben habe. Dies läßt den Schluß zu, daß die Klägerin von vornherein den Willen gehabt habe, künftig als Beamtin ihren Lebensunterhalt zu verdienen, weil die Einstellung von Lehrern nach Ablegung der Prüfung für das Lehramt an den Volksschulen durch das Land Hessen mit der Stellung eines Beamten auf Widerruf erfolge. Die Tätigkeit als Beamtin sei aber keine Tätigkeit als Arbeitnehmer im Sinne des § 101 AFG. Ebenso wie das AVAVG sei auch das AFG ein Schutzgesetz für einen bestimmten Kreis von Arbeitnehmern und keine Anwendung auf Beamte wie § 13 AFG (Vermittlung zur Begründung von Arbeitsverhältnissen) und § 168 (Versicherungsfreiheit der Beamten) zeige.
Gegen das ihr am 22. November 1971 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. Dezember 1971 schriftlich beim Hessischen Landessozialgericht die zugelassene Berufung eingelegt. Sie begründet diese damit, die Auffassung des SG, Beamte nicht wie Arbeitnehmer zu behandeln, führe zu einer Schlechterstellung dieser Personengruppe und bedeute einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (GG). Es widerspreche jedem Rechtsempfinden, diesen Personenkreis von dem sozialen Schutz bei Arbeitslosigkeit auszuschließen und ihr der Willkür zu überlassen. Während ihrer Arbeitslosigkeit habe sie in keinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gestanden, wie sie auch seit ihrem Examen am 17. November 1970 bis zu ihrer Einstellung in der Dienst des Landes Hessen 47 Tage arbeitslos gewesen sei. Da in N. Einstellungen zum 1. Dezember 1970 stattgefunden hätten, habe sie mit ihrer Antragstellung auf Arbeitslosenhilfe bis zum 30. November 1970 gewartet. Nicht übersehen werden könne auch der Umstand, daß das Arbeitsamt G. Frau E. W. S. bei G. in dem gleichen Zeitraum Arbeitslosenhilfe gewährt habe, während man ihr diese Leistung verweigere.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Marburg/Lahn vom 15. November 1971 und den Bescheid der Beklagten vom 26. März 1971 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 1971 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ab Antragstellung Arbeitslosenhilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Klägerin habe während des streitigen Zeitraums weder "vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis (§ 101 Abs. 1 AFG) gestanden noch hätten die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse den Schluß zugelassen, daß Lebensgrundlage der Klägerin im Zeitpunkt der Antragstellung für die Zukunft die einer unselbständigen Beschäftigung gegen Geld bilden werde. Die Tätigkeit eines Beamten vollziehe sich nicht im Namen eines dem Arbeitsrecht zuzuordnenden Vertragsverhältnisse sondern aufgrund eines besonders ausgestalteten hoheitlichen Dienst- und Treuverhältnisses.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Leistungs- und Gerichtsakten Bezug genommen, der in seinen wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die kraft Zulassung statthafte Berufung ist in rechter Form und Frist eingelegt; sie ist jedoch unbegründet.
Gemäß § 134 Abs. 1 Nr. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) hat Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, wer arbeitslos ist. Nach § 101 AFG, der nach § 134 Abs. 2 Satz 1 AFG auch für den Bereich der Arbeitslosenhilfe gilt, ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine geringfügige Beschäftigung ausübt. Wenn auch der "Arbeitnehmerbegriff” durch § 101 AFG nicht näher umschrieben wird, so hat doch dessen Inhalt keine materiell-rechtliche Änderung erfahren (vgl. BA 176/69. vom 6.6.1969 – DBl. A S. 673 zu § 101 Abs. 1 Satz 1), wie ein Vergleich mit dem Regierungsentwurf des § 92 (jetzt: § 101 a.a.O.) zeigt, der noch die Fassung des § 75 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) enthielt. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung war arbeitslos im Sinne des § 74 Abs. 1 AVAVG, wer berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig zu sein pflegte, aber vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand und nicht im Betrieb eines Angehörigen mithalf. Der Ausschuß für Arbeit hat diese Bestimmung neu gefaßt und zur Begründung der von ihm vorgeschlagenen Fassung – die in dieser Formulierung in das AFG vorgenommen ist – ausgeführt, es handle sich um eine "redaktionelle Neufassung zur Verbesserung der Übersicht über die geregelten Tatbestände” (vgl. Berndt-Draeger, Arbeitsvermittlung, Berufsberatung, Arbeitslosenversicherung § 101 Abschnitt E). Geht man von der inhaltlichen Identität des § 75 AVAVG mit § 101 hinsichtlich des "Arbeitnehmerbegriff” aus, so ist es gerechtfertigt, zur Klärung dieses Begriffes auch die zu § 75 AVAVG ergangene Rechtsprechung zu berücksichtigen. Nicht erforderlich ist für die Arbeitnehmereigenschaft eine vorherige Arbeitnehmertätigkeit oder gar die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung vielmehr wird die "Arbeitnehmereigenschaft” im Sinne von § 75 Abs. 1 AVAVG durch den Entschluß zur Aufnahme oder Wiederaufnahme abhängiger Arbeit begründet (vgl. BSG 20, 190 ff.). Entscheidend ist jedoch darauf abzustellen (so BSG, Urteil vom 21.4.1961, 7 Rar 40/59 sowie Urteil vom 18.2.64 11/RA 239) ob die Gesamtschau der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers den Schluß zuläßt, daß seine Lebensgrundlage in Zeitpunkt der Antragstellung und für die Zukunft die unselbständige Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des AFG bildet (Draeger-Buchwitz-Schönefelder, Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, § 145 Rz. 12). Wahrend der hier in Betracht kommenden Zeit vom 30. November 1970 bis zum 2. Januar 1971 stand die Klägerin weder "vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis” (§ 101 Abs. 1 AFG), noch ließ ihre zum Ausdruck gebrachte Zielsetzung der weiteren Ausbildung die Schlußfolgerung zu, daß ihre Lebensgrundlage im Zeitpunkt der Antragstellung und für eine absehbare Zukunft die unselbständige Beschäftigung gegen Entgelt bilden sollte. So hatte sie sich bereits im April 1970, also vor Ablegung ihres Staatsexamens am 17. November 1970, um eine Verwendung im Schuldienst des Landes Hessen beworben und deshalb späterhin auch einen Freistellungsbeschluß des Kulturministers des Landes N. mit Nachreichung des Examensbescheinigung zur Bewerbung im Monat November 1970 erwirkt. In ihrer Widerspruchsbegründung hatte die Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sie nach dem Vorbereitung dienst noch das zweite Staatsexamen habe ablegen wollen. Ihr Ziel war also eindeutig auf die weitere Ausbildung gerichtet. Eine solche vollzieht sich für Bewerber um eine Anstellung als Lehrer an Grund- und Hauptschulen zwischen dem ersten und zweiten Staatsexamen für die Dauer von zwei bis vier Jahren im allgemeinen in allen Bundesländern im Rahmen eines Beamtenverhältnisses auf Widerruf (vgl. Blätter zur Berufskunde – Lehrer an Grund – zur Hauptschulen, Bertelmann-Verlag KG Bielefeld, 4. Aufl. 1969). In ähnlicher Weise ist auch der Vorbereitungsdienst im Lande Hessen geregelt, in dem der Bewerber im allgemein als Beamter auf Widerruf in den Landesdienst übernommen wird (vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt – BVBl. – 1961, 101). Eine solche Tätigkeit unterfällt jedoch nicht dem "Arbeitnehmerbegriff”, da das Beamtenverhältnis durch hoheitlichen Verwaltungsakt begründet wird, wie auch die bestehenden Rechte und Pflichten hoheitlicher Natur sind (BSG, Urteil vom 20. Oktober 1960 – 7 Rar 26/59).
Es liegt aber auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Grundgesetz (GG) vor, wenn der Klägerin in Anwendung des Arbeitsförderungsgesetz und der zu dem "Arbeitnehmerbegriff” ergangenen Rechtsprechung keine Leistungen aus der Arbeitslosenhilfe gewährt werden können. Gehört es doch nicht zu den sozialpolitischen und versicherungsrechtlichen Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit (vgl. Draeger-Buchwitz-Schönefelder a.a.O. § 37 Rz. 39; Hennig-Köhl-Heuer, Arbeitsförderungsgesetz, § 13 Anm ...) Antragsteller, die nicht zum versicherungspflichtigen Personenkreis gehören, Leistungen aus den Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit zu gewähren. Diese Konsequenz beinhaltet keine Schlechterstellung der Klägerin, die damals auch noch keine Beamtin war. Sie trifft auch andere Personengruppen wie z.B. die Selbständigen (Gewerbetreibende), die bei Aufrechterhaltung ihres Status im Falle der Arbeitslosigkeit gleicherweise keine Leistungen nach dem AFG beanspruchen können. Diese unterschiedliche Behandlung ist aber sachgerecht und verstößt auch nicht gegen das Willkürverbot (vgl. Bundesverfassungsgericht BVerfGE 12, 354, 367; 15, 167, 201). Der Klägerin ist auch nicht der "soziale Schutz” versagt worden, sie bis zu Einberufung in den Schuldienst Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) erhalten hat.
Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf den Fall der Frau H. W. aus S. berufen, die bei angeblich Sachverhalt vom Arbeitsamt Gießen die beantragte Arbeitslosenhilfe erhalten haben soll. Eine derartige Praxis entspräche – bei vergleichbarem Sachverhalt nicht den gesetzlichen Bestimmungen und begründet keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Wiederholung. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. u.a. Urteil vom 24. November 1971 – L-1/Ar – 909/71) führt selbst eine ständige rechtswidrige Verwaltungsübung weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz und dem Vertrauensgrundsatz zu einer anspruchsbegründenden Selbstbindung der Verwaltung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
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