L 1 Ar 628/76

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Ar 628/76
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Beitragspflicht von Vorstandsmitgliedern, die diese Beschäftigung im Rahmen eines Anstellungsvertrages in alleiniger Abhängigkeit von einem der Aktiengesellschaft übergeordneten Arbeitgeber ausüben.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. Mai 1976 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosengeld – Alg – vornehmlich über die Erfüllung der Anwartschaftszeit (§ 104 Arbeitsförderungsgesetz –AFG–).

Der im Jahre 1924 geborene Kläger ist Chemiker. Er stand vom 1. Januar 1964 bis zum 31. März 1973 in den Diensten der Firma R. Werke AG in F ... In Erfüllung des Angestelltenvertrages vom 9. September 1963 war er sowohl als technisches Vorstandsmitglied der Firma Aktiengesellschaft Vereinigte B. Werke – V. – als auch als Geschäftsführer der Baugesellschaft M. GmbH in F. tätig. Im Rahmen des V.-Vorstandes war der Kläger für die technischen Belange der Produktion und Bauausführung einschließlich Forschung und Entwicklung verantwortlich. Die Firma V. befaßt sich in verschiedenen Werken mit der Produktion und dem Vertrieb von bitominösen Dach- und Dichtungsbahnen, Bautenschutzmitteln, Wärmedämmstoffen und Bitomenemmulsionen für den Straßenbau. Die Baugesellschaft M. GmbH, die in Personalunion geleitet wurde, ist eine Bauausführungsgesellschaft mit mehreren Baubetrieben, die i.W. auf den Gebieten der Bauwerksabdichtung gegen Feuchtigkeit und in der Produktion von Gußasphalt tätig wird. Ausweislich des Anstellungsvertrages hatte der Kläger Arbeitsleistungen ausschließlich den R.-Werken und diesen von Fall zu Fall zu bezeichnenden Tochter- und Beteiligungsgesellschaften zu erbringen und deren Interessen zu vertreten. Den seinen Vorgesetzten erlassenen Dienst- und Sicherheitsvorschriften und sonstigen Anordnungen hatte er Folge zu leisten (§ 2 a und b des Anstellungsvertrages). Sein Gehalt betrug anfangs 3.700– DM monatlich zusätzlich einer Tantieme, bezogen auf die Dividende eines bestimmten Aktienanteils. Ferner wurde eine Karenzzeit von zwei Jahren nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses vereinbart. Für den Kläger wurden in der Zeit vom 1. Januar 1968 bis 31. August 1969 Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet, die an den Arbeitgeber einschließlich der Arbeitnehmeranteile antragsgemäß zurückerstattet wurden. Für die Zeit vom 1. September 1969 bis 31. März 1973 wurden – mit kurzer Unterbrechung im Jahre 1970 –gleichfalls Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit entrichtet. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Klägers am 7. September 1972 zum 31. März 1973. Ab 1. April 1973 erhielt er eine monatliche Karenzentschädigung von 7.820,83 DM, vorbehaltlich anderweitiger Einkünfte aus Arbeit.

Am 27. März 1973 meldete sich der Kläger zum 1. April 1973 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. April 1973 ab. Zur Begründung führte sie an, der Kläger habe innerhalb der Rahmenfrist der letzten 3 Jahre vor der Arbeitslosmeldung nicht mindestens 26 Wochen oder 6 Monate in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden; die Ablehnung des Antrages beruhe auf § 104 AFG. Den Widerspruch gegen diesen Bescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 1973 unter Hinweis auf die fehlende Anwartschaftszeit zurück. Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft gehörten gemäß § 3 Abs. 1 a des Angestelltenversicherungsgesetzes –AVG–nicht zu den Angestellten im Sinne des § 3 Abs. 1 AVG, weshalb der Kläger hinsichtlich der von ihm ausgeübten Beschäftigung auch nicht als Arbeitnehmer anzusehen gewesen sei. Gemäß § 168 Abs. 1 AFG seien jedoch nur solche Personen beitragspflichtig, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder in ihrer Berufsausbildung beschäftigt seien.

Gegen diesen am 24. November 1973 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 21. Dezember 1973 Klage.

Er trug vor, die Beklagte lasse bei ihrer Entscheidung außer Betracht, daß die Firma R.-AG, zu der der Kläger in einem Angestelltenverhältnis gestanden habe, als der eigentliche und alleinige Arbeitgeber anzusehen sei. Die Firma V. sei eine 100 %ige Tochtergesellschaft, deren Aktien sich voll im Besitz der R.-AG befanden. Die Firma V. handele allein im Namen und für Rechnung der R.-Werke AG, F ... Es bestehe ein Organschaftsverhältnis und ein Ergebnisabführungsvertrag mit der R.-AG und die Firma V. sei in die Muttergesellschaft aktienrechtlich eingegliedert. Die Firma. V. besitze keinerlei eigenes Betriebsvermögen und gehöre ausschließlich der R.-AG. Es bestehe ein Betriebsführungsvertrag, durch den die Firma V. beauftragt werde, den Betrieb von R.-AG für diese im Auftrage zu führen. Die Arbeitnehmer stünden ausschließlich zu der R.-AG in einem Anstellungsverhältnis, nicht jedoch zur Firma V ... Für die Beurteilung der Beitragspflicht sei das Verhältnis des Klägers zur R.-AG maßgeblich, zu der er jedoch in keinem Vorstandsverhältnis gestanden habe. Es müsse auch berücksichtigt werden, daß die R.-Gruppe sowohl Aktiengesellschaften wie Gesellschaften mit beschränkter Haftung als Betriebsführungsgesellschaften eingegliedert habe. Hinsichtlich der Arbeitnehmerähnlichkeit und der Schutzbedürftigkeit der Geschäftsführer bzw. der Vorstandsmitglieder dieser Betriebsführungsgesellschaften beständen keinerlei Unterschiede. Sowohl die Geschäftsführer der als GmbH betriebenen Betriebsführungsgesellschaften als auch die Vorstandsmitglieder der als Aktiengesellschaften geführten Betriebsführungsgesellschaften erhielten ihre Weisungen ausschließlich von der Firma R.-AG; diese Weisung hätten sie strikt zu befolgen. Die Geschäftsführer der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die nicht Mitgesellschafter seien, würden jedoch als Arbeitnehmer im sozialversicherungsrechtlichen Sinne behandelt, nicht jedoch die als Vorstandsmitglieder tätigen, der als Aktiengesellschaft betriebenen Betriebsführungsgesellschaften, worin eine nicht zu rechtfertigende unterschiedliche rechtliche Behandlung liege. Zudem habe die AOK F. in ihrem Schreiben vom 7. Mai 1968 für die Zeit ab 1. Januar 1966 die Versicherungspflicht des Klägers bis zur Arbeitslosenversicherung angenommen; sie könne nunmehr keine andere Ansicht vertreten. Daß der Kläger aus gesellschaftsrechtlichen Gründen und zur Erlangung der Vertretungsbefugnis nach außen als Vertretungsorgan in das Handelsregister eingetragen worden sei, andere an seiner abhängigen Stellung gegenüber seiner Arbeitgeberin, der Firma R.-AG, nichts. Für die tatsächlichen Verhältnisse der Arbeitnehmer, vornehmlich der Abhängigkeit der Firma V. von der R.-AG, werde durch das Zeugnis des Vorstandsmitgliedes der R.-AG, Rechtsanwalt Dr. M., Beweis angetreten.

Demgegenüber hielt die Beklagte ihre Auffassung aufrecht, der sich die Beigeladene anschloß. Die Tatsache, daß ein Anstellungsvertrag zwischen der Firma R.-AG und dem Kläger geschlossen worden sei, bleibe ohne rechtliche Auswirkungen. Maßgeblich sei allein die Stellung des Klägers als Vorstandsmitglied. Diese Auffassung stehe zudem mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Einklang.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main wies mit Urteil vom 28. Mai 1976 die Klage ab. Zur Begründung führte es an, der Anspruch auf Alg sei zu Recht abgelehnt worden, da der Kläger in dem maßgeblichen 3-Jahreszeitraum vor Antragstellung (Rahmenfrist) in keiner die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gemäß § 168 AFG gestanden habe. Maßgeblich sei die Bestimmung des § 3 Abs. 1 a AVG, die durch das 3. Rentenversicherungsänderungsgesetz – 3. RVÄndG – vom 28. Juli 1969 eingerührt worden sei, und die festlegte, daß zu den Angestellten im Sinne des § 3 Abs. 1 nicht die Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft – AG –gehörten. Mit dieser Bestimmung habe der Gesetzgeber klargestellt, daß Vorstandsmitglieder einer AG nicht unter den Angestelltenbegriff des Sozialversicherungsrechts fielen. Dieser Personenkreis sei wegen seiner gesicherten wirtschaftlichen Stellung generell außerhalb der Angestelltenversicherung gestellt. Diese gesetzgeberische Entscheidung sei auch für die Auslegung des § 168 Abs. 1 AFG maßgeblich, weil diese Regelung den Begriff des Angestellten voraussetze und damit an das AVG anknüpfe. Daß der Kläger zu den R.-AG in einem Angestelltenverhältnis gestanden habe und weisungsgebunden gewesen sei, stehe dem nicht entgegen.

Gegen dieses dem Kläger am 18. Juni 1976 zugestellte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 16. Juli 1976, eingegangen beim Sozialgericht Frankfurt am Main am selben Tage, eingelegte Berufung des Klägers.

Er trägt vor, soweit das Sozialgericht auf die Regelung des § 3 Abs. 1 a AVG abstelle, werde die Entscheidung den tatsächlichen Gegebenheiten, nämlich der Abhängigkeit der Firma V. von der Firma R.-AG wie auch den Grundsätzen des sozialen Sicherungsbedürfnisses nicht gerecht. Dies zeige auch die Entstehungsgeschichte der Bestimmung des § 3 Abs. 1 a AVG. Diese Regelung sei auf Mitglieder des Vorstandes einer AG beschränkt worden, weil man davon ausgegangen sei, daß nur Vorstandsmitglieder auf Grund ihrer herausgehobenen wirtschaftlichen Stellung selbst in der Lage seien, sich beispielsweise gegen Arbeitsplatzrisiken abzusichern; sie hätten nicht des besonderen Schutzes der Angestelltenversicherung bedurft. Gerade Sinn und Zweck dieser Regelung treffe auf die Rechtsstellung des Klägers wegen der besonderen arbeitsrechtlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit nicht zu. Vornehmlich fehle es hier an der besonderen wirtschaftlich herausgehobenen Position, welche die höchstrichterliche Rechtsprechung maßgeblich veranlaßt habe, die Vorstandsmitglieder aus der Angestelltenversicherung trotz Bestehens eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses herauszunehmen. Es sei auch zu berücksichtigen, daß der Kläger innerhalb der nach § 5 b des Angestelltenversicherungsneuregelungsgesetzes –AnVNG–, nämlich in der Zeit vom 1. Januar 1968 und dem 31. Oktober 1969 in der Annahme von Versicherungspflicht Beiträge zur Angestellten- und zur Arbeitslosenversicherung abgeführt habe, die nicht zurückgefordert worden seien. Deshalb habe er die Anwartschaftszeit nach § 104 Abs. 1 AFG erfüllt.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. Mai 1976 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. April 1973 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 1973 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, auf den Antrag vom 27. März 1973 hin Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Regelung des § 3 Abs. 1 a AVG stelle klar, daß die Mitglieder des Vorstandes einer AG nicht zu den Angestellten im Sinne des AVG zu rechnen seien; die Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung stelle insoweit nach § 168 AFG auf den Angestelltenbegriff des AVG ab. Solange jemand Vorstandsmitglied einer AG sei, stehe er nicht nur in dieser, sondern für seine Person auch in weiteren anhängigen Beschäftigungen außerhalb der Angestelltenversicherung, mögen diese auch sonst ganz oder teilweise versicherungspflichtig sein. Die von dem Arbeitgeber bis zum 31. März 1973 fehlerhaft abgeführten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung seien zu Unrecht geleistet werden und könnten zurückgefordert werden.

Die Regelung des § 5 b AnVNG führe zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung, zumal auch – entgegen dem Vortrag des Klägers – die bis zum August 1969 abgeführten Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit an den Arbeitgeber erstattet werden seien.

Die Beigeladene schließt sich dem Antrag der Beklagten an. Sie meint, als ordentliches Vorstandsmitglied der Firma V. habe der Kläger nicht als Angestellter im Sinne der Arbeitslosenversicherung, unabhängig von dem bestehenden Anstellungsvertrag, angesehen werden können.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der Leistungsakte der Beklagten, Stamm-Nr. xxx, Arbeitsamt Frankfurt am Main sowie der Beitragsrückerstattungsakte – Verfahrensakte –B yyy, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (vgl. §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).

Sie ist jedoch unbegründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden; der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg.

Anspruch auf Alg hat nämlich gemäß § 100 Abs. 1 AFG nur derjenige, welcher u.a. die Anwartschaftszeit hierfür erfüllt hat. Diese hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist von 26 Wochen oder 6 Monaten in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 a.a.O.) gestanden hat § 104 Abs. 1 AFG). Die Rahmenfrist geht dem ersten Tage der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind bzw. als erfüllt gelten (§ 104 Abs. 2 AFG). Die Rahmenfrist beträgt 3 Jahre (§ 104 Abs. 3 a.a.O.).

Eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung kann der Kläger innerhalb der maßgeblichen Rahmenfrist jedoch nicht nachweisen. Darunter ist eine Beschäftigung zu verstehen, für die nach § 168 AFG eine Beitragspflicht bestanden hat, ohne Rücksicht darauf, ob tatsächlich Beiträge entrichtet worden sind.

Beitragspflichtig sind Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (Arbeitnehmer), soweit sie nicht nach § 169 oder einer Rechtsverordnung nach § 173 Abs. 1 AFG beitragsfrei sind. Hinsichtlich der Beurteilung der Beitragspflicht ist der Zeitraum maßgeblich, den die Rahmenfrist umfaßt. Deshalb ist es vorliegend unerheblich, welche Folgerungen aus der Regelung des § 56 Abs. 3 AVAVG zu ziehen gewesen wären, wonach Personen mit arbeitgeberähnlichen Funktionen unter bestimmten Voraussetzungen nicht arbeitslosenversicherungspflichtig waren. Eine entsprechende Regelung enthält das AFG nicht. Angestellte unterliegen ohne Rücksicht auf die Höhe des Entgelts und auf ihre Stellung im Betrieb der Versicherungspflicht.

Eine beitragspflichtige Beschäftigung kann der Kläger ebenfalls deshalb nicht nachweisen, weil er trotz seines Beschäftigungsverhältnisses zu der R.-AG nicht als Angestellter i.S. des § 168 Abs. 1 AFG galt. Eine eigene Definition des Begriffs der Beitragspflicht enthält die Regelung des § 168 AFG nicht. Obwohl die Beitragspflicht nicht mehr von der Krankenversicherungspflicht abhängig ist, ist der Regelung des § 169 Abs. 1 AFG zu entnehmen, daß beitragspflichtig nach dem AFG in erster Reihe derjenige ist, welcher auch krankenversicherungspflichtig ist. Weiterhin knüpft die Regelung des § 168 Abs. 1 AFG an den sozialversicherungsrechtlichen Begriff des Angestellten an; insoweit ist die Regelung des § 3 AVG heranzuziehen. Nach § 3 Abs. 1 a.a.O. gehören zu den Angestellten insbesondere solche in leitender Stellung wie auch technische Angestellte in Betrieb, Büro und Verwaltung, Werkmeister und andere Angestellte in einer ähnlich gehobenen und höheren Stellung; dagegen sind die Mitglieder des Vorstandes einer AG keine Angestellten i.S. des § 3 AVG (§ 3 Abs. 1 a AVG). Diese Regelung ist durch das 3. RVÄndG vom 28. Juli 1969 (Bundesgesetzblatt –BGBl.– Teil I S. 956) eingeführt worden und gemäß Art. 5 § 3 Abs. 2 desselben Gesetzes am 1. Januar 1968 in Kraft getreten.

Die Stellung des Klägers als Vorstandsmitglied der Firma V. die er auch innerhalb der Rahmenfrist innehatte, führt dazu, daß er schlechthin nicht mehr als Angestellter i.S. des § 3 AVG und damit auch i.S. des § 168 AFG angesehen werden kann. Der klare Gesetzeswortlaut erlaubt keine andere Auslegung dieser Regelung (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts –BSG– vom 22. November 1973 – Az.: 12/3 RK 20/71). Vorstandsmitglieder einer AG sind nach dieser Entscheidung hinsichtlich ihrer weiteren Vorstandstätigkeiten bei sog. größeren Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit nicht sozialversicherungspflichtig. Besteht neben der Vorstandsmitgliedschaft noch ein Angestelltenverhältnis, so berechtigt dies nicht dazu, den Betroffenen als Angestellten im sozialversicherungsrechtlichen Sinne einzustufen. Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 a AVG stellt insoweit nicht auf die Frage der Versicherungspflicht ab, sondern legt allein fest, daß die Mitglieder des Vorstandes einer AG nicht zu den Angestellten zu rechnen sind. Damit wird klargestellt, daß das Vorstandsmitglied einer AG nicht nur im Rahmen dieser Beschäftigung, sondern für seine Person auch in zusätzlichen abhängigen Beschäftigungen außerhalb der Angestelltenversicherung – folglich hier auch außerhalb der Arbeitslosenversicherung – gestellt ist, mögen diese auch sonst ganz oder teilweise versicherungspflichtig sein. Insoweit schließt sich der erkennende Senat den Gründen der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 22. November 1973 (a.a.O.) an. Wie den Gesetzesmaterialien zu entnehmen ist, ist der Gesetzgeber erkennbar davon ausgegangen, daß die Mitglieder des Vorstandes einer AG nicht zu dem schutzwürdigen Kreis der in § 3 AVG aufgezählten Angestellten gehören. Grund hierfür war, daß sie wegen ihrer herausragenden und starken wirtschaftlichen Stellung nicht als des Schutzes und der Sicherheit durch die Rentenversicherung bedürftig erscheinen.

Diese gesetzgeberischen Überlegungen kennen jedoch nicht dazu führen, im Einzelfalle dennoch die Versicherungspflicht zu bejahen, wenn die tatsächliche Stellung, die das Vorstandsmitglied innehatte, mit der vom Gesetzgeber der Regelung zugrunde gelegten typischen Fallgestaltung nicht übereinstimmt. Vielmehr hätte der Gesetzgeber insoweit eine ausdrückliche Regelung treffen müssen. Es ist deshalb nicht erheblich, daß die Firma V. in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht in besonderem Maße an die R.-AG gebunden war und als Betriebsführungsgesellschaft nur in sehr beschränktem Umfange tätig werden konnte. Etwas anderes hätte nur dann gelten können, wenn die Firma V. auf Grund ihrer besonderen Abhängigkeit von der R. AG den Anforderungen des Aktiengesetzes nicht entsprochen hatte und gegen ihren Bestand als eigene juristische Person insoweit Bedenken bestanden hätten. Derartigen Bedenken, die im übrigen selbst von den Beteiligten nicht vorgetragen worden sind, stände jedoch die registergerichtliche Erfassung der Firma V. entgegen. Die Versicherungspflicht des Klägers vermag ferner nicht der Umstand zu begründen, daß der Kläger Gehalt und Dividendenbeteiligung allein von der Firma R.-Werke AG erhielt. Die gesetzliche Regelung stellt nicht darauf ab, welche Größenordnung die AG hat, ob und in welchem Umfange für die Vorstandstätigkeit Leistungen erbracht und von welcher Stelle diese zur Verfügung gestellt werden. Der Gesetzgeber knüpft allein an die Stellung als Vorstandsmitglied an. Der Kläger mag sich zwar im Verhältnis zu der R.-AG hinsichtlich der ihm tatsächlich übertragenem Befugnisse nicht von dem Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung unterschieden haben. Als Geschäftsführer einer derartigen Gesellschaft wäre das Beschäftigungsverhältnis, zumindest bei fehlender Beteiligung an der Gesellschaft, als versicherungspflichtig aufgefaßt worden. Insoweit läßt das Gesetz jedoch ebenfalls eine unterschiedliche Bewertung nicht zu.

Eine Regelung in dem von ihm behaupteten Sinne kann der Kläger schließlich nicht aus der Bestimmung des § 5 b AnVNG herleiten. Haben nach dieser Bestimmung Mitglieder des Vorstandes einer AG für Zeiten zwischen dem 1. Januar 1968 und dem 31. Juli 1969 wenigstens einen Beitrag in der Annahme einer bestehenden Versicherungspflicht entrichtet und bis zum 31. Dezember 1969 nicht zurückgefordert, stehen nach der genannten Bestimmung diese Beiträge Pflichtbeiträgen gleich. Diese Personen gelten für die Zeiten nach dem 31. Juli 1969, in denen sie Mitglied des Verstandes einer AG sind, als versicherungspflichtig (Art. 2 § 5 b AnVNG, eingefügt durch das 3. RVÄndG). Es mag zwar zutreffen, daß der Kläger seine zur Rentenversicherung geleisteten Beiträge nicht zurückgefordert hat und deshalb der Tatbestand der Versicherungspflicht bezüglich der Rentenversicherung erfüllt ist. Maßgeblich ist insoweit jedoch auf die Rechtslage in der Arbeitslosenversicherung abzustellen. Es erscheint bereits fraglich, ob die Regelung des § 5 b AnVNG auf die Rechtslage in der Arbeitslosenversicherung übertragen werden kann und Einfluß auf die Beurteilung der Beitragspflicht hat. Diese Frage kann aber hier letztlich dahinstehen, da wenigstens die zur Arbeitslosenversicherung abgeführten Beiträge ausweislich der Beitragsrückerstattungsakte der Beklagten seitens des Arbeitgebers mit Einverständnis des Arbeitnehmers durch Schreiben vom 9. September 1969 zurückgefordert wurden und diesem Antrag entsprochen wurde. Die Beitragspflicht des Klägers kann letztlich nicht daraus abgeleitet werden, daß über das Jahr 1969 und damit innerhalb der Rahmenfrist Beiträge an die Arbeitslosenversicherung abgeführt worden sind. Die Umstände, die zu dieser Beitragsabführung führten, bedurften keiner weiteren Klärung. Denn die Bejahung der Beitragspflicht in einem Beitragsstreitverfahren schafft keine Bindung für ein Verfahren, in dem um Leistungen gestritten wird, weil es sich hierbei um einen anderen Streitgegenstand handelt. Ob eine Beitragspflicht besteht, haben bei Einzug von Beiträgen die Einzugsstellen und bei Gewährung von Leistungen die Bundesanstalt für Arbeit selbständig zu prüfen (vgl. Krebs, Kommentar zum AFG, § 168 Rdz. 11). Die Entrichtung von Beiträgen ohne das Bestehen einer Beitragspflicht begründet kein Versicherungsverhältnis, weil das AFG keine Formalversicherung und keine durch die Beitragsabführung geschützte Rechtsposition, wie beispielsweise die Krankenversicherung, kennt. Es bedurfte auch keiner weiteren Prüfung, welchen Einfluß die Erklärungen der Krankenkasse gegenüber dem früheren Arbeitgeber des Klägers oder diesem gegenüber haben. Eine schützenswerte Rechtsposition hätte insoweit allenfalls durch die Beklagte selbst herbeigeführt werden können; zu der Annahme, daß diese eine entsprechende, den Kläger begünstigende Erklärung abgegeben hat, besteht kein Anlaß.

Die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG); höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, wie die Beitragspflicht von Vorstandsmitgliedern zu beurteilen ist, die diese Beschäftigung im Rahmen eines Anstellungsvertrages in alleiniger Abhängigkeit von einem der AG übergeordneten Arbeitgeber ausüben, liegt bisher noch nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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