L 10 Ar 920/94

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 1 Ar 2862/91
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 Ar 920/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. August 1994 abgeändert und die Klage in vollem Umfange abgewiesen.

II. Die Klägerin hat der Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt den Ersatz von Sozialhilfe, die sie an die Beigeladene gezahlt hat.

Die zuletzt bis zum 4. Januar 1988 als Näherin beschäftigte Beigeladene bezog vom 5. Januar 1988 bis zum 2. September 1988 von der Beklagten Arbeitslosengeld. Für die anschließende Zeit ab dem 3. September 1988 lehnte die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe mangels Bedürftigkeit der Beigeladenen mit Bescheid vom 15. November 1988 bindend ab.

Am 12. Juni 1989 meldete sich die Beigeladene erneut arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe, die ihr auch mit Bescheid vom 11. Oktober 1989 bis zum 31. Dezember 1989 bewilligt wurde. Zuvor hatte die Klägerin mehrfach der Beklagten angezeigt, daß die Beigeladene (erneut) Sozialhilfe beziehe; zuletzt wurde – ausweislich eines Aktenvermerks vom 9. Oktober 1989 – festgestellt, daß Sozialhilfe für die Zeit vom 12. Juni 1989 bis zum 31. Oktober 1989 gezahlt werde bzw. worden sei und vom Sozialamt der Klägerin im Wege der Erstattung geltend gemacht werde. Die Beklagte teilte daraufhin der Klägerin mit Schreiben vom 10. Oktober 1989 mit, daß sie der Beigeladenen bis voraussichtlich 31. Dezember 1989 Arbeitslosenhilfe in Höhe von 123,– DM wöchentlich bewilligt habe; der geltend gemachte Erstattungsanspruch bestehe daher nur in Höhe von 2.501,– DM. Ab dem 1. November 1989 zahlte die Beklagte an die Beigeladene Arbeitslosenhilfe. Diese Leistung berücksichtigte die Klägerin bei der Erbringung der Sozialhilfe.

Am 8. Dezember 1989 beantragte die Beigeladene die Fortzahlung der Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab dem 1. Januar 1990. Dem entsprach die Beklagte mit Bescheid vom 3. Januar 1990 und bewilligte nunmehr der Beigeladenen Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 1. Januar 1990 in Höhe von 168,60 DM wöchentlich. Die Erhöhung des wöchentlichen Leistungssatzes ergab sich aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Dynamisierung sowie einer geänderten Lohnsteuerklasse. Über den geänderten Zahlungsbetrag unterrichtete die Beklagte die Klägerin nicht. Diese zahlte an die Beigeladene während des gesamten Jahres 1990 Sozialhilfe und brachte weiterhin einen Arbeitslosenhilfe-Zahlungsbetrag in Höhe von lediglich 123,– DM wöchentlich zur Anrechnung. Die Beigeladene bezog die Arbeitslosenhilfe in Höhe von 168,60 DM wöchentlich bis zum 31. Dezember 1990.

Am 14. November 1991 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie von der Beklagten für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 31. Dezember 1990 die Zahlung von 2.371,20 DM begehrt hat. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihr die Bewilligung höherer Arbeitslosenhilfe an die Beigeladene mitzuteilen. Dabei hat sie sich auch auf eine am 3. September 1984 zwischen dem Sozialamt der Klägerin und dem Arbeitsamt Frankfurt am Main getroffene Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Leistungsträger bei Erstattungsansprüchen nach § 104 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützt. Diese Vereinbarung regele zwar nicht den vorliegenden Fall, habe jedoch rechtliche Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen ihr und der Beklagten dem Grunde nach.

Durch Urteil vom 26. August 1994 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 31. Dezember 1990 der Beigeladenen erbrachte Sozialhilfe in Höhe von 30,40 DM wöchentlich zu ersetzen. Hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 15,20 DM wöchentlich hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Klage sei – auch als Schadensersatzklage – zulässig. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei eröffnet, weil ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werde, der an das zwischen der Klägerin und der Beklagten als zwei öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern bestehende sozialrechtliche gesetzliche Schuldverhältnis anknüpfe und darüber hinaus in einem engen inneren Sachzusammenhang zu einem Erstattungsverhältnis nach §§ 102 ff. SGB X stehe. Letzteres begründe Ansprüche, für deren Geltendmachung die Sozialgerichtsbarkeit zuständig sei. Die Klage sei auch (teilweise) begründet. Zwischen den beiden Leistungsträgern habe zwar für die Zeit ab dem 1. November 1989 keine Erstattungs- bzw. Erstattungsanspruchsbeziehung im Sinne der §§ 102 ff. SGB X mehr bestanden. Diese Beziehung sei bis zum 31. Oktober 1989 ausdrücklich eingestellt und damit beendet worden. Die Erstattung sei nämlich dadurch abgelöst worden, daß die Klägerin den Arbeitslosenhilfebetrag bei der von ihr an die Beigeladene erbrachten Sozialhilfezahlung in Ansatz bzw. Anrechnung gebracht und die Beklagte ihrerseits nunmehr die der Beigeladenen zustehende Arbeitslosenhilfe an diese direkt ausgezahlt habe. Zwischen den beiden beteiligten Leistungsträgern sei jedoch durch die für die Zeit bis zum 31. Oktober 1989 vorgenommene Arbeitslosenhilfe-Erstattung und die diesbezügliche (Rechts-)Beziehung ein gesetzliches – verwaltungsrechtliches bzw. sozialrechtliches – Schuldverhältnis begründet worden. Aus diesem Schuldverhältnis folge vorliegend für die Beklagte – auch vor dem Hintergrund sowohl der gesetzlichen Zusammenarbeitspflicht nach § 86 SGB X als auch der zwischen der Klägerin und der Beklagten dem Grunde nach im Hinblick auf Erstattungsansprüche geschlossenen, wenn auch vorliegend nicht einschlägigen Zusammenarbeitsvereinbarung vom 3. September 1984 – die gesetzliche Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange des anderen Leistungsträgers, hier der Klägerin. Diese Nebenpflicht aus dem Zusammenarbeitsverhältnis sei vorliegend dahin gegangen, daß die Beklagte verpflichtet gewesen sei, der Klägerin die Bewilligung und Zahlung höherer Arbeitslosenhilfe an die Beigeladene für die Zeit ab 1. Januar 1990 von sich aus mitzuteilen. Die Verletzung der der Kooperationsbeziehung immanenten Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Belange des anderen Leistungsträgers führe zu einem Schadensersatzanspruch des geschädigten Leistungsträgers aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis, ohne daß es diesbezüglich einer speziellen Schadensersatznorm bedürfe. Der Schaden der Klägerin bestehe darin, daß sie der Beigeladenen im Jahre 1990 Sozialhilfe in Höhe von wöchentlich 45,60 DM erbracht habe, die sie in dieser Höhe der Beigeladenen nicht erbracht hätte, wenn ihr die Bewilligung und Zahlung der um diesen Betrag höheren Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab dem 1. Januar 1990 durch die Beklagte mitgeteilt worden wäre. Diesen Schaden zu ersetzen, sei die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet. Da andererseits die dem Grunde nach bestehende Verantwortlichkeit der Klägerin als Leistungsträger der Sozialhilfe ebenso wie auch ihr Unterlassen weiteren Nachfragens vor dem Hintergrund des Zusammenarbeitsverhältnisses zu berücksichtigen seien, könne die Beklagte lediglich verpflichtet werden, den Schaden zu 2/3 zu ersetzen.

Gegen dieses ihr am 3. September 1994 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 30. September 1994 eingegangen – und vom SG zugelassenen – Berufung. Sie führt im wesentlichen aus, es sei nicht zulässig, zwischen ihr und der Beklagten ein Rechtsverhältnis zu konstruieren, aus welchem sich ein Schadensersatzanspruch des einen Leistungsträgers gegen den anderen ergeben solle. Ein solches ergebe sich insbesondere nicht aus § 86 SGB X. Das in dieser Vorschrift normierte Gebot der engen Zusammenarbeit bezwecke primär die Verwirklichung öffentlicher Interessen; es sei nicht auch der Befriedigung von Einzelinteressen zu dienen bestimmt. Daraus folge, daß der Leistungsberechtigte kein subjektives Recht auf Realisierung der Verpflichtung zur Zusammenarbeit habe. Die Klägerin habe im übrigen gewußt, daß die Arbeitslosenhilfe für die Beigeladene befristet bewilligt worden sei; ihr hätte es oblegen, sich vor einer weiteren Zahlung von ergänzender Sozialhilfe von der Beigeladenen den Bewilligungsbescheid für die Arbeitslosenhilfe ab 1. Januar 1990 vorlegen zu lassen. Darüber hinaus hätte die Klägerin bei der Beklagten nachfragen können, ob und in welcher Höhe weiterhin Arbeitslosenhilfe an die Beigeladene gezahlt werde. Nachdem der Erstattungsanspruch der Klägerin befriedigt worden sei und sie der Beigeladenen laufend Arbeitslosenhilfe gezahlt habe, sei es keinesfalls Aufgabe der Beklagten, die Klägerin über die geänderte Höhe der an die Beigeladene gezahlten Arbeitslosenhilfe zu unterrichten.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. August 1994 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, daß trotz der Nachrangigkeit von Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes – BSHG) sich diese Leistung viel einfacher und rascher durchsetzen lasse. Insbesondere kenne das Sozialgerichtsgesetz (SGG) keinen der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vergleichbaren einstweiligen Rechtsschutz. Dies habe zur Folge, daß Hilfeempfänger beim Gang zum Sozialamt bzw. zum Verwaltungsgericht wesentlich schneller die Sicherung eines finanziellen Existenzminimums erzielen könnten als durch Vorsprachen auf dem Arbeitsamt. Da dies so sei, treffe die Beklagte eine besondere Pflicht zur Berücksichtigung der Interessen des Sozialhilfeträgers. Konkret bedeutet dies, daß immer dann, wenn der Klient zweifelsfrei Anspruch auf ergänzende Sozialhilfeleistungen besitze, eine Änderung der Leistungshöhe der Arbeitslosenhilfe (namentlich deren Anhebung) rechtzeitig dem Sozialhilfeträger angezeigt werden müsse. Anderenfalls seien Doppelzahlungen unvermeidbar. Die Pflicht zur Zusammenarbeit gemäß § 86 SGB X könne nicht nur als bloßer unverbindlicher Allgemeinplatz mißverstanden werden. Vielmehr seien aus der Vorschrift konkrete Verhaltenspflichten für die Beklagte abzuleiten, deren Verletzung zu einem Schadensersatzanspruch führen könne.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und auch nichts vorgetragen.

Im übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Akte der Beklagten und der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 31. Dezember 1990 der Beigeladenen erbrachte Sozialhilfe in Höhe von 30, 40 DM wöchentlich zu ersetzen. Für einen entsprechenden Anspruch besteht keine Rechtsgrundlage.

Zutreffend hat das SG den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit bejaht, so daß der Senat an einer Entscheidung in der Sache nicht gehindert ist. Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch wurzelt in der behaupteten Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten in Angelegenheiten der Sozialversicherung (§ 51 Abs. 1 SGG); ein anderweitiger Rechtsweg scheidet deshalb aus (vgl. zur Rechtswegfrage bei Schadensersatzansprüchen sozialrechtlicher Prägung BSG SozR 3–4100 § 155 Nr. 1). Der Klage mangelt es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Die Klägerin hat ihre Forderung zutreffend im Wege der Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) geltend gemacht. Sie konnte ihr Begehren mangels eines Über-Unterordnungsverhältnisses gegenüber der Beklagten nicht durch Verwaltungsakt verfolgen.

Der Klägerin steht entgegen der Auffassung der Vorinstanz der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu. Hierfür fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Insbesondere kann eine solche nicht aus § 86 SGB X hergeleitet werden.

Nach dieser Vorschrift sind die Leistungsträger, ihre Verbände und die im SGB X genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen verpflichtet, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz eng zusammenzuarbeiten. Eine spezielle Schadensersatzregelung für den Fall, daß ein Leistungsträger der Verpflichtung zur Zusammenarbeit nicht nachkommt, sieht das Gesetz nicht vor. Sie ergibt sich auch nicht im Wege der Auslegung oder der Analogie.

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin folgt zunächst nicht aus der entsprechenden Anwendung der Grundsätze über die positive Vertragsverletzung (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 53. Aufl. 1994, § 276 Rdz. 105 f und 130 f). Ob diese Grundsätze im Verhältnis zwischen den zur Zusammenarbeit verpflichteten Sozialleistungsträgern einen Anspruch rechtfertigen können, bedarf keiner näheren Prüfung. Die Grundsätze über die positive Vertragsverletzung können allenfalls in öffentlich-rechtlichen Sonderbeziehungen anerkannt werden. Das BSG (SozR 3–4100 § 98 Nr. 1) hat deshalb unter Hinweis auf die zivilgerichtliche Rechtsprechung (BGHZ 21, 214, 218; 59, 303, 305) die sinngemäße Anwendung des vertraglichen Schuldrechts als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken auch auf öffentlich-rechtliche Verhältnisse nur für solche Fälle befürwortet, in denen "ein besonders enges Verhältnis” des Einzelnen zur Verwaltung besteht und mangels gesetzlicher Regelung ein Bedürfnis zu einer angemessenen Verteilung der Verantwortung innerhalb des öffentlichen Rechts vorliegt. Im Verhältnis zwischen Sozialleistungsträgern kann nichts anderes gelten. Die sie nach § 86 SGB X treffende allgemeine Verpflichtung zur Zusammenarbeit begründet keine öffentlich-rechtliche Sonderbeziehung, welche die sinngemäße Heranziehung der Grundsätze über die positive Vertragsverletzung rechtfertigen könnte. Eine solche Sonderbeziehung ist auch nicht vor dem Hintergrund der am 3. September 1984 zwischen dem Sozialamt der Klägerin und dem Arbeitsamt Frankfurt am Main getroffenen Vereinbarung anzuerkennen. Diese regelt lediglich die Zusammenarbeit der Leistungsträger bei Erstattungsansprüchen nach § 104 SGB X und bei der Arbeitsvermittlung nach § 18 BSHG. In ihrem letzten Abschnitt (IV) läßt sie zudem erkennen, daß die beteiligten Behörden Störungen der Vereinbarung nicht besonders, insbesondere nicht mit Schadensersatzansprüchen sanktionieren wollten. Bestehende Probleme und Schwierigkeiten im Arbeitsablauf sollten nämlich künftig in einer gemeinsamen Gesprächsgruppe, die aus je 2 Vertretern der beteiligten Ämter besteht und vierteljährlich zusammentritt, lediglich besprochen und ausgeräumt werden. Aus denselben Erwägungen kann entgegen der Auffassung des SG vorliegend nicht von einem zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis ausgegangen werden.

Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, wonach derjenige schadensersatzpflichtig ist, der gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt, ist ebenfalls zu verneinen. § 86 SGB X ist kein Schutzgesetz im Sinne dieser Vorschrift. Sie bezweckt allenfalls den Schutz und die Förderung einzelner Bürger, nicht jedoch der Leistungsträger, die mit dem Gebot der generellen Zusammenarbeit nach § 86 SGB X lediglich faktisch in die Lage gesetzt werden sollen, ihrer Verpflichtung zur Gewährung von Sozialleistungen wirkungsvoll gerecht zu werden oder im Einzelfall eine mögliche Hilfe sicherzustellen (vgl. Burdenski/von Maydell/Schellhorn, Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch – Allgem. Teil, 2. Aufl. 1981, § 17 Rdnr. 21; Grüner, Kommentar zum Verwaltungsverfahren – SGB X – 1996, § 86 Anm. III). Deshalb wird einhellig die Ansicht vertreten, daß der Einzelne keinen klagbaren Anspruch darauf hat, daß die in § 86 SGB X normierte Verpflichtung zur Zusammenarbeit eingehalten wird und – bei einer etwaigen Verletzung dieser Verpflichtung – auch keinen Schadensersatzanspruch hat (vgl. Pickl SGb 1997, 206, 208 m.w.N.). Steht aber schon dem einzelnen Bürger, zu dessen Nutzen die Zusammenarbeit der Leistungsträger erfolgen soll, ein Schadensersatzanspruch nicht zu, so gilt dies erst recht für den im Einzelfall betroffenen Leistungsträger. Scheidet mithin eine Anwendung des § 823 Abs. 2 BGB aus, kann vorliegend letztlich dahingestellt bleiben, inwieweit überhaupt im Bereich des öffentlichen Rechts eine (entsprechende) Anwendung der Vorschrift in Betracht kommt.

Die fehlende spezielle Schadensersatzregelung kann schließlich nicht im Wege der Analogie begründet werden. Eine solche setzt eine planwidrige Gesetzeslücke voraus, die angesichts vorhandener Regelungen zur Wahrung der Interessen von Sozialleistungsträgern, in denen unterschiedliche Sanktionen enthalten sind, nicht vorliegt. Von einem dem Gesetz zugrundeliegenden Plan oder Konzept kann deshalb insoweit nicht ausgegangen werden.

So hat etwa der Gesetzgeber in § 28 r des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) festgelegt, daß die die Krankenversicherung durchführende Krankenkasse als Einzugsstelle dem Träger der Rentenversicherung und der Bundesanstalt für Arbeit schadensersatzpflichtig ist, wenn sie schuldhaft eine ihr nach dem 3. Abschnitt des SGB IV auferlegte Pflicht schuldhaft verletzt. Die Schadensersatzpflicht wegen entgangener Zinsen hat eine besondere Regelung erfahren. Werden Beiträge, Zinsen auf Beiträge oder Säumniszuschläge schuldhaft nicht rechtzeitig weitergeleitet, so hat die Einzugsstelle Zinsen in Höhe von 2 v.H. über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zu zahlen (§ 28 r Abs. 2 SGB IV). Verletzt der Rentenversicherungsträger seinerseits schuldhaft eine ihm nach § 28 t SGB IV auferlegte Pflicht, so haftet er der Krankenkasse, der Pflegekasse und der Bundesanstalt für Arbeit für einen diesen zugefügten Schaden; für entgangene Beiträge sind Zinsen in Höhe von 2 v.H. über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zu zahlen (§ 28 r Abs. 3 SGB IV).

Demgegenüber findet sich in dem die Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten regelnden dritten Kapitel des SGB X keine die Schadensersatzpflicht eines Leistungsträgers gegenüber einem anderen Leistungsträger statuierende Norm. Dies gilt nicht einmal für die §§ 88–93 SGB X, in denen eine besondere Form der Zusammenarbeit zwischen Leistungsträgern geregelt ist. Es handelt sich um Vorschriften zum Auftragsrecht. In Anlehnung an die zivilrechtlichen Auftragsvorschriften der §§ 662–676 BGB hat der Gesetzgeber das Auftragsrecht der Sozialleistungsträger hinsichtlich der Voraussetzungen und bestimmter Durchführungsfragen einheitlich geregelt. Erbringt ein Beauftragter Sozialleistungen für einen Auftraggeber, so ist dieser zur Erstattung verpflichtet (§ 91 Abs. 1 SGB X). Desgleichen sind die bei der Ausführung des Auftrags entstehenden Kosten zu erstatten (§ 91 Abs. 2 SGB X). Hierbei handelt es sich um den § 670 BGB nachgebildete Aufwendungsersatzansprüche (vgl. von Maydell, SGB X, § 91 Rdz. 6), von einem Schadensersatzanspruch hat der Gesetzgeber selbst bei den Auftragsverhältnissen, die durch noch engere Zusammenarbeit gekennzeichnet sind, abgesehen. Dem entspricht, daß auch das bürgerlich-rechtliche Auftragsrecht keinen eigenständigen Schadensersatzanspruch kennt. Vor diesem Hintergrund unterschiedlich ausgestalteter Schadensersatzansprüche und Aufwendungsersatzansprüche erscheint es ausgeschlossen, die fehlende spezielle Schadensersatzregelung im SGB X dadurch zu ersetzen, daß vorliegend eine gesetzlich nicht normierte Schadensersatzpflicht im Wege der Analogie begründet wird.

Da nach alledem für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch eine Rechtsgrundlage nicht vorhanden ist, kann offenbleiben, ob die Beklagte ihre Verpflichtung zur Zusammenarbeit überhaupt verletzt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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