Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 254/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 Ar 571/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 29. Februar 1996 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten vor allem über das Ruhen des Anspruchs der Klägerin auf Arbeitslosengeld wegen des Bezugs von vorgezogenem Altersruhegeld für weibliche Versicherte nach § 28 Abs. 6 der Satzung der Versorgungsanstalten der Deutschen Bühnen (VddB) ab 1. September 1993 sowie über die Erstattung von Leistungen.
Die 1933 geborene Klägerin war zuletzt vom 1. August 1979 bis zum 15. August 1993 als Intendanzsekretärin bei der S. G. GmbH beschäftigt. Sie war freiwillig versichert bei der VddB, eine bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die den Zweck hat, den an deutschen Theatern beschäftigten Bühnenangehörigen eine Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung im Wege der Versicherung nach Maßgabe ihrer Satzung und der Tarifordnung für die deutschen Theater zu gewähren (§ 1 der Satzung der VddB vom 12. Dezember 1991 – im folgenden: Satzung). In der Angestellten-Rentenversicherung war die Klägerin nach Art. 2 § 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Juli 1965 befreit, so daß für sie keine Pflichtbeiträge zu entrichten waren.
Am 5. August 1993 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte das Arbeitslosengeld. Diese Leistung bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 22. September 1993 ab 16. August 1993. In Höhe von 436,20 DM wöchentlich wurde das Arbeitslosengeld bis zum 25. November 1993 auch tatsächlich gezahlt.
Als Verwalterin der VddB bewilligte die Bayrische Versicherungskammer der Klägerin auf deren Antrag vom 24. September 1993 das vorgezogene Altersruhegeld für weibliche Versicherte, nach § 28 Abs. 6 der Satzung mit Wirkung vom 1. September 1993 und in Höhe von 763,10 DM monatlich. Nachdem die Beklagte hiervon am 3. Dezember 1993 Kenntnis erlangt hatte, hob sie ihre Entscheidung über die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab 26. November 1993 durch Bescheid vom 20. Dezember 1993 auf.
Hiergegen erhob die Klägerin am 21. Januar 1994 Widerspruch. Mit weiterem Bescheid vom 31. Januar 1994 hob die Beklagte ihre Bewilligungsentscheidung darüber hinaus mit Wirkung vom 1. September 1993 auf. Bei der zu diesem Zeitpunkt bewilligten Rente handele es sich um eine der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ähnliche Leistung öffentlich-rechtlicher Art, die gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 4 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führe. Die eingetretene Überzahlung in Höhe von 5.379,80 DM habe die Klägerin zu erstatten. Auch gegen diesen Bescheid legte die Klägerin – am 11. Februar 1994 – Widerspruch ein, dem sie ein Schreiben der Bayerischen Versicherungskammer vom 2. Februar 1994 beifügte. Darin wurde dargelegt, daß der Ruhegeldanspruch nicht zum Wegfall des Arbeitslosengeldes führen dürfe.
Durch Widerspruchsbescheid vom 14. April 1994 entsprach die Beklagte den Widersprüchen insoweit, als sie den Erstattungsanspruch auf 3.125,60 DM minderte. Im übrigen blieben die Widersprüche ohne Erfolg. Zur Begründung führte sie aus, nach § 152 Abs. 3 AFG sei der Verwaltungsakt vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, sofern die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch – Sozialgesetzbuch (SGB X) für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen hätten. Dies sei vorliegend der Fall, weil die Klägerin nicht unverzüglich das Arbeitsamt darüber informiert habe, daß ihr von der Bayrischen Versicherungskammer vorgezogenes Altersruhegeld zuerkannt worden sei. Während die Bescheiderteilung am 25. Oktober 1993 erfolgt sei, sei die Mitteilung durch die Klägerin erst am 3. Dezember 1993 erfolgt. Die Altersrente, welche die Klägerin beziehe, erfülle die gleichen gemeinsamen typischen Merkmale, wie die nach § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG genannten Altersrenten und Ausgleichsleistungen der gesetzlichen Rentenversicherungen für eine Zeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres. Dabei sei es ohne Bedeutung, ob die Leistung im Einzelfall den Lebensunterhalt sicherstelle oder nicht. Unter Berücksichtigung der Bescheiderteilung am 25. Oktober 1993 sowie des Postweges habe die Klägerin die Arbeitsverwaltung erst am 1. November 1993 über den Rentenbezug informieren können. Dies habe zur Folge, daß sich die Aufhebung und der Erstattungsanspruch für die Zeit vom 1. September bis zum 31. Oktober 1993 nur an der Rentenhöhe orientiere, während ab 1. November 1993 wegen der verspäteten Mitteilung die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld vollständig aufgehoben und der überzahlte Betrag voll erstattet werden müsse. Vom 1. September bis zum 31. Oktober 1993 errechne sich daher ein Erstattungsanspruch von 1.526,20 DM (2 × 763,10 DM) und vom 1. bis zum 25. November 1993 ein solcher von 1.599,40 DM (22 Tage × 72,70 DM), insgesamt also 3.125,60 DM.
Auf die am 10. Mai 1994 erhobene Klage hat das Sozialgericht Marburg (SG) unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Beklagte verurteilt, der Klägerin Leistungen in gesetzlichem Umfang über den 25. November 1993 hinaus zu gewähren. Im Urteil vom 29. Februar 1996 hat es zur Begründung ausgeführt, daß es sich bei dem der Klägerin wegen Vollendung des 60. Lebensjahres zuerkannten Altersruhegeldes nicht um "ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art” im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG handele. Die Leistung werde nämlich – trotz des Wortlautes der Satzung – nicht im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze gewährt. Ruhegeld erhalte gemäß § 28 der Satzung der Versicherte, der dauernd oder vorübergehend berufsunfähig sei (Abs. 1), dessen Arbeitsfähigkeit im bisherigen Beruf wegen Krankheit oder Behinderung dauernd um mehr als die Hälfte herabgesunken sei (Abs. 3) oder das 60. bzw. 65. Lebensjahr vollendet habe (Abs. 4 und 6), keine Erwerbstätigkeit mehr ausübe und die Wartezeit erfüllt habe. Insoweit lasse der Wortlaut klar erkennen, daß es nur ein Ruhegeld mit mehreren in alternativem Verhältnis zueinander stehenden Voraussetzungen gebe, nämlich wegen dauernder oder vorübergehender Berufsunfähigkeit, wegen verminderter Arbeitsfähigkeit oder wegen Erreichens der bezeichneten Altersgrenzen. Der Antragsteller lege deshalb bei Antragstellung fest, ob er Ruhegeld wegen dauernder oder vorübergehender Berufsunfähigkeit, wegen verminderter Arbeitsfähigkeit oder Vollendung des 60. bzw. des 65. Lebensjahres begehre. Erhärtet werde diese Bewertung dadurch, daß kein neuer Versicherungsfall eintrete, wenn während des Bezuges des Ruhegeldes nach § 28 Abs. 1 oder 3 der Satzung wegen verminderter Arbeitsfähigkeit oder dauernder bzw. vorübergehender Berufsunfähigkeit auch die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 oder Abs. 6 der Satzung einträten oder wenn umgekehrt während des Bezuges des Ruhegeldes nach § 28 Abs. 4 oder Abs. 6 der Satzung auch die Voraussetzungen nach Abs. 1 oder 3 dieser Vorschrift verwirklicht würden. Das bereits laufende Ruhegeld sei weder umzuwandeln noch umzurechnen oder neu festzustellen, es verbleibe vielmehr nach der Satzungsregelung beim alten Versicherungsfall. Schließlich sei das vorgezogene Altersruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres seiner Gesamtkonzeption auch nicht so bemessen, daß es im allgemeinen den Lebensunterhalt des Leistungsempfängers sicherstellen könne. Es betrage 16,1 % der für den Versicherten entrichteten Beiträge. Folglich falle es, zumal nur Zeiten berücksichtigt würden, die bei einer deutschen Bühne zurückgelegt worden seien, im allgemeinen deutlich geringer aus, als das Altersruhegeld aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder Angestellten. So beziehe auch die Klägerin bei einer Ruhegeldhöhe von 763,10 DM monatlich weniger als 50 v.H. dessen, was ihr als Arbeitslosengeld monatlich zustehe.
Gegen dieses ihr am 2. April 1996 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 30. April 1996 eingegangenen Berufung. Zur Begründung führt sie aus, daß ähnliche Bezüge im Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG solche seien, die die typischen Merkmale des Altersruhegeldes aufweisen würden. Das seien insbesondere die Abhängigkeit von der Erreichung einer bestimmen Altersgrenze, die Sicherstellung des Lebensunterhaltes und die Gewährung durch einen öffentlich-rechtlichen Träger. Alle diese Merkmale seien vorliegend erfüllt. Denn nach § 28 Abs. 6 der Satzung erhalte Altersruhegeld auch eine Versicherte, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet habe, eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübe und wenn sie sowohl in den letzten zehn Jahren als auch in den letzten zwölf Monaten vor Vollendung des 60. Lebensjahres überwiegend durch ein Mitglied versichert gewesen sei. Ob die Rente bei Eintritt eines anderen Rententatbestandes umgewandelt werde oder nicht, sei unerheblich, zumal sich dadurch die Rentenhöhe nicht ändere. Das vorgezogene Altersruhegeld sei als Lohnersatz gedacht und seiner Gesamtkonzeption nach so bemessen, daß es im allgemeinen den Lebensunterhalt sicherstelle. Dabei sei nicht entscheidend, ob die gewährte Leistung diesen Zweck im Einzelfalle tatsächlich gerecht werde. Insoweit sei zu berücksichtigen, daß die Klägerin lediglich 14 Jahre Beiträge an die Bayrische Versicherungskammer gezahlt habe. Darüber hinaus habe sie noch Beiträge an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gezahlt und Lebensversicherungen für die Altersversorgung abgeschlossen. Entgegen der Ansicht des SG treffe auch nicht zu, daß das der Klägerin gewährte Altersruhegeld zwischen Vollendung des 60. Lebensjahres deutlich geringer ausfalle, als das Altersruhegeld aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Rentenversicherung der Angestellten. Maßgebend sei jeweils die Dauer des Versicherungsverhältnisses.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 29. Februar 1996 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Ihrer Auffassung nach ist § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG nicht erfüllt. Bei den Leistungen der VddB handele es sich – ähnlich einer Betriebsrente – um Leistungen aus einer freiwilligen Zusatzversorgung. § 118 AFG bezwecke den Ausschluß einer Doppelversorgung. Eine solche sei vorliegend nicht gegeben, weil allein die Leistungen der VddB ihren Lebensunterhalt nicht sichern könnten; sie würden nicht einmal ein Drittel des früheren Nettoverdienstes betragen. Auch zusammen mit den Leistungen der Beklagten werde das bisherige Nettoentgelt nicht erreicht.
Im übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Akte der Beklagten und der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Das SG hat die angefochtenen Bescheide zu Unrecht aufgehoben. Entgegen seiner Ansicht hat der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld mit Wirkung vom 1. September 1993 gemäß § 118 AFG geruht. Dies berechtigte die Beklagte zur Aufhebung ihres das Arbeitslosengeld bewilligenden Bescheides sowie zur Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs. Die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Leistungen über den 25. November 1993 hinaus kam im übrigen bereits deshalb nicht in Betracht, weil mit Aufhebung der Bescheide vom 20. Dezember 1993 und 31. Januar 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1994 der Bewilligungsbescheid vom 22. September 1993 ohne weiteres Zutun wieder Rechtsgrundlage für künftige Leistungsgewährungen war. Richtige Klageart wäre daher die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gewesen. Mit ihr hätte der Kläger sein Klageziel erreichen können, ohne daß es der Erhebung auch der Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) bedurft hätte.
Die Aufhebung der Arbeitslosengeld-Bewilligung richtet sich hier, wie das SG zutreffend gesehen hat, nach § 48 Abs. 1 SGB X. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. In den rechtserheblichen Verhältnissen, die beim Erlaß der am 22. September 1993 verfügten Leistungsbewilligung vorgelegen haben, ist durch die im Oktober 1993 erfolgte Bewilligung des vorgezogenen Altersruhegeldes durch die Bayrische Versicherungskammer eine wesentliche Änderung eingetreten. Wesentlich sind alle Änderungen, die dazu führen, daß die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen. Welche Änderungen wesentlich sind, ist daher nach dem jeweiligen Leistungsrecht zu beurteilen, im Falle des Arbeitslosengeldes also nach den §§ 100 ff. AFG. Hiernach stellt für das Arbeitslosengeld die Zuerkennung des vorgezogenen Altersruhegeldes an die Klägerin ab 1. September 1993 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse dar. Denn dieser Vorgang führte zum Ruhen ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld für deckungsgleiche Zeiten. Dies hat zur Folge, daß die Arbeitslosengeld-Bewilligung seit dem 1. September 1993 nachträglich unrichtig wurde.
Nach § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Zeit, für die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art zuerkannt ist. Solche Leistungen sind dadurch gekennzeichnet, daß die Rentenleistung durch einen öffentlich-rechtlichen Träger gewährt wird, daß sie die gleichen und typischen Strukturen wie die in § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG aufgezählten Altersrenten oder Knappschaftsausgleichsleistungen aufweist, nämlich bei Eintritt einer bestimmten Altersgrenze zugebilligt wird, sich als Lohnersatzleistung darstellt und so bemessen ist, daß sie im allgemeinen den Lebensunterhalt sicherstellt (vgl. BSG SozR 3-4100 § 118 Nr. 4 m.w.N.). Das der Klägerin zuerkannte vorgezogene Altersruhegeld entspricht diesen Kriterien.
Das vorgezogene Altersruhegeld wird durch einen öffentlich-rechtlichen Träger gewährt. Dies folgt daraus, daß die VddB eine (bundesunmittelbare, rechtsfähige) Anstalt des öffentlichen Rechts ist (vgl. § 1 Abs. 1 der Satzung), die zu dem unter der Rechts- und Versicherungsaufsicht des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung steht (§ 3 der Satzung). Das vorgezogene Altersruhegeld weist auch die gleichen und typischen Strukturen wie die übrigen in § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG aufgezählten Leistungen auf. Insbesondere wird sie bei Eintritt einer bestimmten Altersgrenze zugebilligt. Nach § 28 Abs. 6 der Satzung erhält Altersruhegeld (auch) eine Versicherte, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet hat, eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt und wenn sie sowohl in den letzten zehn Jahren als auch in den letzten zwölf Monaten vor Vollendung des 60. Lebensjahres überwiegend durch ein Mitglied versichert war. Diese Regelung verdeutlicht zunächst, daß für die Leistung das Lebensalter der Begünstigten entscheidend ist. Entgegen der Auffassung des SG ist unerheblich, ob das Altersruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres nur auf besonderen Antrag des Versicherten gewährt wird oder nicht. Gleichfalls ist für die Frage, ob die Rentenleistung bei Eintritt einer bestimmten Altersgrenze zugebilligt wird, ohne Belang, daß bei Eintritt eines weiteren Versicherungsfalles, etwa von Berufsunfähigkeit, das bereits laufende Ruhegeld weder umzuwandeln, noch umzurechnen oder neu festzustellen ist. Maßgebend dafür, ob eine Rentenleistung bei Eintritt einer bestimmten Altersgrenze zugebilligt wird, sind allein die Voraussetzungen, von denen ihre Gewährung abhängig gemacht ist, nicht jedoch etwaige Auswirkungen (vgl. BSG SozR 4100 § 118 Nr. 13).
Das der Klägerin zuerkannte vorgezogene Altersruhegeld stellt des weiteren nach ihrer Konzeption eine Lohnersatzleistung dar. Dies ergibt sich bereits aus ihrer allgemeinen Zielsetzung. Nach § 1 Abs. 2 der Satzung hat die VddB den Zweck, den an deutschen Theatern beschäftigten Bühnenangehörigen u.a. eine Altersversorgung im Wege der Versicherung nach Maßgabe der Satzung und der Tarifordnung für die deutschen Theater zu gewähren. Auch die Art der Berechnung verdeutlicht den Lohnersatzcharakter. Nach § 29 Abs. 1 beträgt das jährliche Ruhegeld 16,1 v.H. der für den Versicherten entrichteten Beiträge. Wenn der Versorgungsfall infolge eines Arbeitsunfalls bei einem Mitglied eintritt, beträgt das jährliche Ruhegeld mindestens 20 v.H. der bei Eintritt des Versorgungsfalles geltenden monatlichen Beitragsbemessungsgrenze. Beleg für eine Charakterisierung des vorgezogenen Altersruhegeldes der VddB als Lohnersatzleistung ist zudem der satzungsgemäß vorgesehene Wegfall der Leistung, wenn der Versicherte Arbeitseinkommen erzielt, welches ein Achtel der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung übersteigt (§ 28 Abs. 6 Satz 2 der Satzung). Es greift außerdem auf die Arbeitsverdienste des Versicherten im Verlaufe des Versicherungslebens zurück, indem vorausgesetzt wird, daß der Versicherte über eine Mindestwartezeit von zehn Jahren (120 Beitragsmonate) verfügt. Damit wird während des Erwerbslebens Vorsorge für das Alter mit dem damit im allgemeinen verbundenen Verlust an Entgelt aus aktueller Arbeit getroffen (BSG SozR 3-4100 § 118 Nr. 4). Diese Konzeption verdeutlicht auch, daß das von den VddB gewährte vorgezogene Altersruhegeld die Funktion der Sicherstellung des Lebensunterhalts besitzt. Mit der grundsätzlichen Leistungsvoraussetzung, daß eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit nicht mehr ausgeübt wird, wird – worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat – das allgemeine Rentenalter gewissermaßen vorverlegt. Dann aber kann das vorgezogene Altersruhegeld nicht lediglich als ein Zuschuß zu anderweitigen für die Sicherung des Lebensunterhalts erforderlichen Einkünften angesehen werden. Unerheblich ist, in weicher Höhe im Einzelfall der Anspruch besteht (BSG a.a.O.). Zu Recht hat in diesem Zusammenhang auch die Beklagte darauf aufmerksam gemacht, daß die relativ geringe Höhe des der Klägerin zustehenden vorgezogenen Altersruhegeldes nicht gegen die dargelegte Funktion der Lebensunterhaltssicherung spricht, sondern Ausdruck dessen ist, daß die Klägerin – bezogen auf das gesamte Erwerbsleben – lediglich für eine begrenzte Zeit (nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung: 17 1/2 Jahre) Beiträge zur VddB geleistet hat.
Die Bewilligung des vorgezogenen Altersruhegeldes der VddB bewirkte ab dem 1. September 1993 nicht nur das Ruhen des Arbeitslosengeldes bis zur Höhe der zuerkannten Rente, sondern in vollem Umfang. Das ergibt sich aus § 118 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b AFG. Danach ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld im Falle des Abs. 1 Nr. 4 nur dann lediglich bis zur Höhe der zuerkannten Rente, wenn die Leistung auch während einer Beschäftigung und ohne Rücksicht auf die Höhe des Arbeitsentgelts gewährt wird. Wie oben ausgeführt, ist letzteres beim vorgezogenen Altersruhegeld nach § 28 Abs. 6 der Satzung nicht der Fall.
Aus alledem folgt, daß die Beklagte aufgrund der durch das Ruhen des Arbeitslosengeld-Anspruchs eingetretenen Änderung der Verhältnisse ohne weiteres berechtigt war, ihre Bewilligungsentscheidung vom 22. September 1993 für die Zukunft aufzuheben. Die von der Beklagten – mit Bescheid vom 31. Januar 1994 – ebenfalls vorgenommene Aufhebung für die Vergangenheit – mit Wirkung vom Eintritt der Änderung der Verhältnisse – ist jedoch vom Vorliegen zusätzlicher Voraussetzungen abhängig. Zwar ist entgegen der Auffassung der Beklagten weder § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X noch § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X erfüllt. In Anbetracht dessen, daß auch die Bayrische Versicherungskammer in ihrem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 2. Februar 1994 die Ansicht vertrat, daß nach ihrer Rechtsauffassung der Ruhegeldanspruch nicht zum Wegfall des Arbeitslosengeldes führe, kann weder davon ausgegangen werden, die Klägerin sei grob fahrlässig ihrer Anzeigepflicht nicht nachgekommen, noch davon, sie habe leicht erkennen können, daß der Anspruch auf Arbeitslosengeld weggefallen sei.
Das Aufhebungsrecht für die Vergangenheit findet vorliegend seine Rechtfertigung jedoch in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AFG. Nach dieser Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlaß des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, gilt dies für Ruhensfälle nach § 118 Abs. 1 Nr. 4 entsprechend (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nrn. 22 und 26). Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ist in den Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitpunkt aufgrund der besonderen Teile des SGB anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (§ 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X), vorliegend also der 1. September 1993. Allerdings kann bei rückwirkender Gewährung von Rente für einen Zeitraum, für den bereits Arbeitslosengeld gezahlt worden ist, die Aufhebung der Arbeitslosengeld-Bewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X allein aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht über die Rentenhöhe (für deckungsgleiche Zeiträume) hinaus erfolgen; gleichzeitig ist so die Höhe des Erstattungsanspruchs nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X beschränkt (BSG, a.a.O.). Diese Grundsätze hat die Beklagte mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 14. April 1994 beachtet.
Die Berechtigung der Beklagten zur rückwirkenden Aufhebung der Arbeitslosengeld-Bewilligung in dem dargestellten Umfange scheitert schließlich nicht an einer fehlenden Ermessensausübung. Eine solche ist bei Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X grundsätzlich erforderlich, wenn ein Sachverhalt gegeben ist, der von der Regel abweichende Besonderheiten aufweist, also atypisch ist. Ob ein derartiger atypischer Fall vorliegt, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn § 152 Abs. 3 AFG in der Fassung des Art. 1 Nr. 50 des 1. Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2353) verpflichtet die Beklagte seit dem 1. Januar 1994 im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X zur Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ohne die Ausübung von Ermessen. Dies gilt für alle Aufhebungsbescheide, die – wie hier – ab 1. Januar 1994, dem Inkrafttreten der genannten Vorschrift, ergangen sind bzw. ergehen (BSG, Urteil vom 28. November 1996 – 7 RAr 56/96).
Dahingestellt bleiben kann vorliegend, ob ein Mitarbeiter der Beklagten dadurch deren Verpflichtung zu verständnisvoller Beratung (vgl. § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch) des Arbeitslosen verletzt hat, daß er – wie dem Berufungsvorbringen zu entnehmen ist – der Klägerin nicht davon abriet, den anspruchsbeschränkenden Antrag auf vorgezogenes Ruhegeld bei der Bayerischen Versicherungskammer zu stellen. Eine diesbezügliche Pflichtverletzung vermag zwar im Einzelfall einen vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu verfolgenden sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu begründen. Mit ihm kann die Beklagte jedoch nicht zu einem rechtswidrigen Verwaltungshandeln verpflichtet werden, also auch nicht dazu, entgegen der gesetzlichen Regelung in § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG Arbeitslosengeld zu gewähren.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten vor allem über das Ruhen des Anspruchs der Klägerin auf Arbeitslosengeld wegen des Bezugs von vorgezogenem Altersruhegeld für weibliche Versicherte nach § 28 Abs. 6 der Satzung der Versorgungsanstalten der Deutschen Bühnen (VddB) ab 1. September 1993 sowie über die Erstattung von Leistungen.
Die 1933 geborene Klägerin war zuletzt vom 1. August 1979 bis zum 15. August 1993 als Intendanzsekretärin bei der S. G. GmbH beschäftigt. Sie war freiwillig versichert bei der VddB, eine bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die den Zweck hat, den an deutschen Theatern beschäftigten Bühnenangehörigen eine Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung im Wege der Versicherung nach Maßgabe ihrer Satzung und der Tarifordnung für die deutschen Theater zu gewähren (§ 1 der Satzung der VddB vom 12. Dezember 1991 – im folgenden: Satzung). In der Angestellten-Rentenversicherung war die Klägerin nach Art. 2 § 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Juli 1965 befreit, so daß für sie keine Pflichtbeiträge zu entrichten waren.
Am 5. August 1993 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte das Arbeitslosengeld. Diese Leistung bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 22. September 1993 ab 16. August 1993. In Höhe von 436,20 DM wöchentlich wurde das Arbeitslosengeld bis zum 25. November 1993 auch tatsächlich gezahlt.
Als Verwalterin der VddB bewilligte die Bayrische Versicherungskammer der Klägerin auf deren Antrag vom 24. September 1993 das vorgezogene Altersruhegeld für weibliche Versicherte, nach § 28 Abs. 6 der Satzung mit Wirkung vom 1. September 1993 und in Höhe von 763,10 DM monatlich. Nachdem die Beklagte hiervon am 3. Dezember 1993 Kenntnis erlangt hatte, hob sie ihre Entscheidung über die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab 26. November 1993 durch Bescheid vom 20. Dezember 1993 auf.
Hiergegen erhob die Klägerin am 21. Januar 1994 Widerspruch. Mit weiterem Bescheid vom 31. Januar 1994 hob die Beklagte ihre Bewilligungsentscheidung darüber hinaus mit Wirkung vom 1. September 1993 auf. Bei der zu diesem Zeitpunkt bewilligten Rente handele es sich um eine der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ähnliche Leistung öffentlich-rechtlicher Art, die gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 4 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führe. Die eingetretene Überzahlung in Höhe von 5.379,80 DM habe die Klägerin zu erstatten. Auch gegen diesen Bescheid legte die Klägerin – am 11. Februar 1994 – Widerspruch ein, dem sie ein Schreiben der Bayerischen Versicherungskammer vom 2. Februar 1994 beifügte. Darin wurde dargelegt, daß der Ruhegeldanspruch nicht zum Wegfall des Arbeitslosengeldes führen dürfe.
Durch Widerspruchsbescheid vom 14. April 1994 entsprach die Beklagte den Widersprüchen insoweit, als sie den Erstattungsanspruch auf 3.125,60 DM minderte. Im übrigen blieben die Widersprüche ohne Erfolg. Zur Begründung führte sie aus, nach § 152 Abs. 3 AFG sei der Verwaltungsakt vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, sofern die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch – Sozialgesetzbuch (SGB X) für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen hätten. Dies sei vorliegend der Fall, weil die Klägerin nicht unverzüglich das Arbeitsamt darüber informiert habe, daß ihr von der Bayrischen Versicherungskammer vorgezogenes Altersruhegeld zuerkannt worden sei. Während die Bescheiderteilung am 25. Oktober 1993 erfolgt sei, sei die Mitteilung durch die Klägerin erst am 3. Dezember 1993 erfolgt. Die Altersrente, welche die Klägerin beziehe, erfülle die gleichen gemeinsamen typischen Merkmale, wie die nach § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG genannten Altersrenten und Ausgleichsleistungen der gesetzlichen Rentenversicherungen für eine Zeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres. Dabei sei es ohne Bedeutung, ob die Leistung im Einzelfall den Lebensunterhalt sicherstelle oder nicht. Unter Berücksichtigung der Bescheiderteilung am 25. Oktober 1993 sowie des Postweges habe die Klägerin die Arbeitsverwaltung erst am 1. November 1993 über den Rentenbezug informieren können. Dies habe zur Folge, daß sich die Aufhebung und der Erstattungsanspruch für die Zeit vom 1. September bis zum 31. Oktober 1993 nur an der Rentenhöhe orientiere, während ab 1. November 1993 wegen der verspäteten Mitteilung die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld vollständig aufgehoben und der überzahlte Betrag voll erstattet werden müsse. Vom 1. September bis zum 31. Oktober 1993 errechne sich daher ein Erstattungsanspruch von 1.526,20 DM (2 × 763,10 DM) und vom 1. bis zum 25. November 1993 ein solcher von 1.599,40 DM (22 Tage × 72,70 DM), insgesamt also 3.125,60 DM.
Auf die am 10. Mai 1994 erhobene Klage hat das Sozialgericht Marburg (SG) unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Beklagte verurteilt, der Klägerin Leistungen in gesetzlichem Umfang über den 25. November 1993 hinaus zu gewähren. Im Urteil vom 29. Februar 1996 hat es zur Begründung ausgeführt, daß es sich bei dem der Klägerin wegen Vollendung des 60. Lebensjahres zuerkannten Altersruhegeldes nicht um "ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art” im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG handele. Die Leistung werde nämlich – trotz des Wortlautes der Satzung – nicht im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze gewährt. Ruhegeld erhalte gemäß § 28 der Satzung der Versicherte, der dauernd oder vorübergehend berufsunfähig sei (Abs. 1), dessen Arbeitsfähigkeit im bisherigen Beruf wegen Krankheit oder Behinderung dauernd um mehr als die Hälfte herabgesunken sei (Abs. 3) oder das 60. bzw. 65. Lebensjahr vollendet habe (Abs. 4 und 6), keine Erwerbstätigkeit mehr ausübe und die Wartezeit erfüllt habe. Insoweit lasse der Wortlaut klar erkennen, daß es nur ein Ruhegeld mit mehreren in alternativem Verhältnis zueinander stehenden Voraussetzungen gebe, nämlich wegen dauernder oder vorübergehender Berufsunfähigkeit, wegen verminderter Arbeitsfähigkeit oder wegen Erreichens der bezeichneten Altersgrenzen. Der Antragsteller lege deshalb bei Antragstellung fest, ob er Ruhegeld wegen dauernder oder vorübergehender Berufsunfähigkeit, wegen verminderter Arbeitsfähigkeit oder Vollendung des 60. bzw. des 65. Lebensjahres begehre. Erhärtet werde diese Bewertung dadurch, daß kein neuer Versicherungsfall eintrete, wenn während des Bezuges des Ruhegeldes nach § 28 Abs. 1 oder 3 der Satzung wegen verminderter Arbeitsfähigkeit oder dauernder bzw. vorübergehender Berufsunfähigkeit auch die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 oder Abs. 6 der Satzung einträten oder wenn umgekehrt während des Bezuges des Ruhegeldes nach § 28 Abs. 4 oder Abs. 6 der Satzung auch die Voraussetzungen nach Abs. 1 oder 3 dieser Vorschrift verwirklicht würden. Das bereits laufende Ruhegeld sei weder umzuwandeln noch umzurechnen oder neu festzustellen, es verbleibe vielmehr nach der Satzungsregelung beim alten Versicherungsfall. Schließlich sei das vorgezogene Altersruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres seiner Gesamtkonzeption auch nicht so bemessen, daß es im allgemeinen den Lebensunterhalt des Leistungsempfängers sicherstellen könne. Es betrage 16,1 % der für den Versicherten entrichteten Beiträge. Folglich falle es, zumal nur Zeiten berücksichtigt würden, die bei einer deutschen Bühne zurückgelegt worden seien, im allgemeinen deutlich geringer aus, als das Altersruhegeld aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder Angestellten. So beziehe auch die Klägerin bei einer Ruhegeldhöhe von 763,10 DM monatlich weniger als 50 v.H. dessen, was ihr als Arbeitslosengeld monatlich zustehe.
Gegen dieses ihr am 2. April 1996 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 30. April 1996 eingegangenen Berufung. Zur Begründung führt sie aus, daß ähnliche Bezüge im Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG solche seien, die die typischen Merkmale des Altersruhegeldes aufweisen würden. Das seien insbesondere die Abhängigkeit von der Erreichung einer bestimmen Altersgrenze, die Sicherstellung des Lebensunterhaltes und die Gewährung durch einen öffentlich-rechtlichen Träger. Alle diese Merkmale seien vorliegend erfüllt. Denn nach § 28 Abs. 6 der Satzung erhalte Altersruhegeld auch eine Versicherte, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet habe, eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübe und wenn sie sowohl in den letzten zehn Jahren als auch in den letzten zwölf Monaten vor Vollendung des 60. Lebensjahres überwiegend durch ein Mitglied versichert gewesen sei. Ob die Rente bei Eintritt eines anderen Rententatbestandes umgewandelt werde oder nicht, sei unerheblich, zumal sich dadurch die Rentenhöhe nicht ändere. Das vorgezogene Altersruhegeld sei als Lohnersatz gedacht und seiner Gesamtkonzeption nach so bemessen, daß es im allgemeinen den Lebensunterhalt sicherstelle. Dabei sei nicht entscheidend, ob die gewährte Leistung diesen Zweck im Einzelfalle tatsächlich gerecht werde. Insoweit sei zu berücksichtigen, daß die Klägerin lediglich 14 Jahre Beiträge an die Bayrische Versicherungskammer gezahlt habe. Darüber hinaus habe sie noch Beiträge an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gezahlt und Lebensversicherungen für die Altersversorgung abgeschlossen. Entgegen der Ansicht des SG treffe auch nicht zu, daß das der Klägerin gewährte Altersruhegeld zwischen Vollendung des 60. Lebensjahres deutlich geringer ausfalle, als das Altersruhegeld aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Rentenversicherung der Angestellten. Maßgebend sei jeweils die Dauer des Versicherungsverhältnisses.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 29. Februar 1996 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Ihrer Auffassung nach ist § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG nicht erfüllt. Bei den Leistungen der VddB handele es sich – ähnlich einer Betriebsrente – um Leistungen aus einer freiwilligen Zusatzversorgung. § 118 AFG bezwecke den Ausschluß einer Doppelversorgung. Eine solche sei vorliegend nicht gegeben, weil allein die Leistungen der VddB ihren Lebensunterhalt nicht sichern könnten; sie würden nicht einmal ein Drittel des früheren Nettoverdienstes betragen. Auch zusammen mit den Leistungen der Beklagten werde das bisherige Nettoentgelt nicht erreicht.
Im übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Akte der Beklagten und der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Das SG hat die angefochtenen Bescheide zu Unrecht aufgehoben. Entgegen seiner Ansicht hat der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld mit Wirkung vom 1. September 1993 gemäß § 118 AFG geruht. Dies berechtigte die Beklagte zur Aufhebung ihres das Arbeitslosengeld bewilligenden Bescheides sowie zur Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs. Die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Leistungen über den 25. November 1993 hinaus kam im übrigen bereits deshalb nicht in Betracht, weil mit Aufhebung der Bescheide vom 20. Dezember 1993 und 31. Januar 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1994 der Bewilligungsbescheid vom 22. September 1993 ohne weiteres Zutun wieder Rechtsgrundlage für künftige Leistungsgewährungen war. Richtige Klageart wäre daher die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gewesen. Mit ihr hätte der Kläger sein Klageziel erreichen können, ohne daß es der Erhebung auch der Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) bedurft hätte.
Die Aufhebung der Arbeitslosengeld-Bewilligung richtet sich hier, wie das SG zutreffend gesehen hat, nach § 48 Abs. 1 SGB X. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. In den rechtserheblichen Verhältnissen, die beim Erlaß der am 22. September 1993 verfügten Leistungsbewilligung vorgelegen haben, ist durch die im Oktober 1993 erfolgte Bewilligung des vorgezogenen Altersruhegeldes durch die Bayrische Versicherungskammer eine wesentliche Änderung eingetreten. Wesentlich sind alle Änderungen, die dazu führen, daß die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen. Welche Änderungen wesentlich sind, ist daher nach dem jeweiligen Leistungsrecht zu beurteilen, im Falle des Arbeitslosengeldes also nach den §§ 100 ff. AFG. Hiernach stellt für das Arbeitslosengeld die Zuerkennung des vorgezogenen Altersruhegeldes an die Klägerin ab 1. September 1993 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse dar. Denn dieser Vorgang führte zum Ruhen ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld für deckungsgleiche Zeiten. Dies hat zur Folge, daß die Arbeitslosengeld-Bewilligung seit dem 1. September 1993 nachträglich unrichtig wurde.
Nach § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Zeit, für die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art zuerkannt ist. Solche Leistungen sind dadurch gekennzeichnet, daß die Rentenleistung durch einen öffentlich-rechtlichen Träger gewährt wird, daß sie die gleichen und typischen Strukturen wie die in § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG aufgezählten Altersrenten oder Knappschaftsausgleichsleistungen aufweist, nämlich bei Eintritt einer bestimmten Altersgrenze zugebilligt wird, sich als Lohnersatzleistung darstellt und so bemessen ist, daß sie im allgemeinen den Lebensunterhalt sicherstellt (vgl. BSG SozR 3-4100 § 118 Nr. 4 m.w.N.). Das der Klägerin zuerkannte vorgezogene Altersruhegeld entspricht diesen Kriterien.
Das vorgezogene Altersruhegeld wird durch einen öffentlich-rechtlichen Träger gewährt. Dies folgt daraus, daß die VddB eine (bundesunmittelbare, rechtsfähige) Anstalt des öffentlichen Rechts ist (vgl. § 1 Abs. 1 der Satzung), die zu dem unter der Rechts- und Versicherungsaufsicht des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung steht (§ 3 der Satzung). Das vorgezogene Altersruhegeld weist auch die gleichen und typischen Strukturen wie die übrigen in § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG aufgezählten Leistungen auf. Insbesondere wird sie bei Eintritt einer bestimmten Altersgrenze zugebilligt. Nach § 28 Abs. 6 der Satzung erhält Altersruhegeld (auch) eine Versicherte, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet hat, eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt und wenn sie sowohl in den letzten zehn Jahren als auch in den letzten zwölf Monaten vor Vollendung des 60. Lebensjahres überwiegend durch ein Mitglied versichert war. Diese Regelung verdeutlicht zunächst, daß für die Leistung das Lebensalter der Begünstigten entscheidend ist. Entgegen der Auffassung des SG ist unerheblich, ob das Altersruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres nur auf besonderen Antrag des Versicherten gewährt wird oder nicht. Gleichfalls ist für die Frage, ob die Rentenleistung bei Eintritt einer bestimmten Altersgrenze zugebilligt wird, ohne Belang, daß bei Eintritt eines weiteren Versicherungsfalles, etwa von Berufsunfähigkeit, das bereits laufende Ruhegeld weder umzuwandeln, noch umzurechnen oder neu festzustellen ist. Maßgebend dafür, ob eine Rentenleistung bei Eintritt einer bestimmten Altersgrenze zugebilligt wird, sind allein die Voraussetzungen, von denen ihre Gewährung abhängig gemacht ist, nicht jedoch etwaige Auswirkungen (vgl. BSG SozR 4100 § 118 Nr. 13).
Das der Klägerin zuerkannte vorgezogene Altersruhegeld stellt des weiteren nach ihrer Konzeption eine Lohnersatzleistung dar. Dies ergibt sich bereits aus ihrer allgemeinen Zielsetzung. Nach § 1 Abs. 2 der Satzung hat die VddB den Zweck, den an deutschen Theatern beschäftigten Bühnenangehörigen u.a. eine Altersversorgung im Wege der Versicherung nach Maßgabe der Satzung und der Tarifordnung für die deutschen Theater zu gewähren. Auch die Art der Berechnung verdeutlicht den Lohnersatzcharakter. Nach § 29 Abs. 1 beträgt das jährliche Ruhegeld 16,1 v.H. der für den Versicherten entrichteten Beiträge. Wenn der Versorgungsfall infolge eines Arbeitsunfalls bei einem Mitglied eintritt, beträgt das jährliche Ruhegeld mindestens 20 v.H. der bei Eintritt des Versorgungsfalles geltenden monatlichen Beitragsbemessungsgrenze. Beleg für eine Charakterisierung des vorgezogenen Altersruhegeldes der VddB als Lohnersatzleistung ist zudem der satzungsgemäß vorgesehene Wegfall der Leistung, wenn der Versicherte Arbeitseinkommen erzielt, welches ein Achtel der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung übersteigt (§ 28 Abs. 6 Satz 2 der Satzung). Es greift außerdem auf die Arbeitsverdienste des Versicherten im Verlaufe des Versicherungslebens zurück, indem vorausgesetzt wird, daß der Versicherte über eine Mindestwartezeit von zehn Jahren (120 Beitragsmonate) verfügt. Damit wird während des Erwerbslebens Vorsorge für das Alter mit dem damit im allgemeinen verbundenen Verlust an Entgelt aus aktueller Arbeit getroffen (BSG SozR 3-4100 § 118 Nr. 4). Diese Konzeption verdeutlicht auch, daß das von den VddB gewährte vorgezogene Altersruhegeld die Funktion der Sicherstellung des Lebensunterhalts besitzt. Mit der grundsätzlichen Leistungsvoraussetzung, daß eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit nicht mehr ausgeübt wird, wird – worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat – das allgemeine Rentenalter gewissermaßen vorverlegt. Dann aber kann das vorgezogene Altersruhegeld nicht lediglich als ein Zuschuß zu anderweitigen für die Sicherung des Lebensunterhalts erforderlichen Einkünften angesehen werden. Unerheblich ist, in weicher Höhe im Einzelfall der Anspruch besteht (BSG a.a.O.). Zu Recht hat in diesem Zusammenhang auch die Beklagte darauf aufmerksam gemacht, daß die relativ geringe Höhe des der Klägerin zustehenden vorgezogenen Altersruhegeldes nicht gegen die dargelegte Funktion der Lebensunterhaltssicherung spricht, sondern Ausdruck dessen ist, daß die Klägerin – bezogen auf das gesamte Erwerbsleben – lediglich für eine begrenzte Zeit (nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung: 17 1/2 Jahre) Beiträge zur VddB geleistet hat.
Die Bewilligung des vorgezogenen Altersruhegeldes der VddB bewirkte ab dem 1. September 1993 nicht nur das Ruhen des Arbeitslosengeldes bis zur Höhe der zuerkannten Rente, sondern in vollem Umfang. Das ergibt sich aus § 118 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b AFG. Danach ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld im Falle des Abs. 1 Nr. 4 nur dann lediglich bis zur Höhe der zuerkannten Rente, wenn die Leistung auch während einer Beschäftigung und ohne Rücksicht auf die Höhe des Arbeitsentgelts gewährt wird. Wie oben ausgeführt, ist letzteres beim vorgezogenen Altersruhegeld nach § 28 Abs. 6 der Satzung nicht der Fall.
Aus alledem folgt, daß die Beklagte aufgrund der durch das Ruhen des Arbeitslosengeld-Anspruchs eingetretenen Änderung der Verhältnisse ohne weiteres berechtigt war, ihre Bewilligungsentscheidung vom 22. September 1993 für die Zukunft aufzuheben. Die von der Beklagten – mit Bescheid vom 31. Januar 1994 – ebenfalls vorgenommene Aufhebung für die Vergangenheit – mit Wirkung vom Eintritt der Änderung der Verhältnisse – ist jedoch vom Vorliegen zusätzlicher Voraussetzungen abhängig. Zwar ist entgegen der Auffassung der Beklagten weder § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X noch § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X erfüllt. In Anbetracht dessen, daß auch die Bayrische Versicherungskammer in ihrem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 2. Februar 1994 die Ansicht vertrat, daß nach ihrer Rechtsauffassung der Ruhegeldanspruch nicht zum Wegfall des Arbeitslosengeldes führe, kann weder davon ausgegangen werden, die Klägerin sei grob fahrlässig ihrer Anzeigepflicht nicht nachgekommen, noch davon, sie habe leicht erkennen können, daß der Anspruch auf Arbeitslosengeld weggefallen sei.
Das Aufhebungsrecht für die Vergangenheit findet vorliegend seine Rechtfertigung jedoch in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AFG. Nach dieser Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlaß des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, gilt dies für Ruhensfälle nach § 118 Abs. 1 Nr. 4 entsprechend (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nrn. 22 und 26). Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ist in den Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitpunkt aufgrund der besonderen Teile des SGB anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (§ 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X), vorliegend also der 1. September 1993. Allerdings kann bei rückwirkender Gewährung von Rente für einen Zeitraum, für den bereits Arbeitslosengeld gezahlt worden ist, die Aufhebung der Arbeitslosengeld-Bewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X allein aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht über die Rentenhöhe (für deckungsgleiche Zeiträume) hinaus erfolgen; gleichzeitig ist so die Höhe des Erstattungsanspruchs nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X beschränkt (BSG, a.a.O.). Diese Grundsätze hat die Beklagte mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 14. April 1994 beachtet.
Die Berechtigung der Beklagten zur rückwirkenden Aufhebung der Arbeitslosengeld-Bewilligung in dem dargestellten Umfange scheitert schließlich nicht an einer fehlenden Ermessensausübung. Eine solche ist bei Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X grundsätzlich erforderlich, wenn ein Sachverhalt gegeben ist, der von der Regel abweichende Besonderheiten aufweist, also atypisch ist. Ob ein derartiger atypischer Fall vorliegt, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn § 152 Abs. 3 AFG in der Fassung des Art. 1 Nr. 50 des 1. Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2353) verpflichtet die Beklagte seit dem 1. Januar 1994 im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X zur Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ohne die Ausübung von Ermessen. Dies gilt für alle Aufhebungsbescheide, die – wie hier – ab 1. Januar 1994, dem Inkrafttreten der genannten Vorschrift, ergangen sind bzw. ergehen (BSG, Urteil vom 28. November 1996 – 7 RAr 56/96).
Dahingestellt bleiben kann vorliegend, ob ein Mitarbeiter der Beklagten dadurch deren Verpflichtung zu verständnisvoller Beratung (vgl. § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch) des Arbeitslosen verletzt hat, daß er – wie dem Berufungsvorbringen zu entnehmen ist – der Klägerin nicht davon abriet, den anspruchsbeschränkenden Antrag auf vorgezogenes Ruhegeld bei der Bayerischen Versicherungskammer zu stellen. Eine diesbezügliche Pflichtverletzung vermag zwar im Einzelfall einen vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu verfolgenden sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu begründen. Mit ihm kann die Beklagte jedoch nicht zu einem rechtswidrigen Verwaltungshandeln verpflichtet werden, also auch nicht dazu, entgegen der gesetzlichen Regelung in § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG Arbeitslosengeld zu gewähren.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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