L 10 Ar 1369/95

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 9 Ar 789/95
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 Ar 1369/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. November 1995 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 29. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 1996 wird abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen Erstattungsbescheide, die die Beklagte auf der Grundlage des § 128 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) erlassen hat.

Die Klägerin ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Bei ihr war seit dem 15. November 1959 bis zum 30. Juni 1994 der am 28. Dezember 1934 geborene G. B. (B.) als Konstrukteur beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde im Rahmen eines Sozialplans durch Aufhebungsvertrag vom 30. Dezember 1993 mit Wirkung zum 30. Juni 1994 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 4.000,– DM zugunsten des Arbeitnehmers beendet. Am 7. Juni 1994 meldete sich B. arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Diese Leistung bewilligte ihm die Beklagte ab 1. Juli 1994 aufgrund Leistungsverfügung vom 31. August 1994 in Höhe von wöchentlich 635,40 DM, nachdem B. die Möglichkeit des erleichterten Arbeitslosengeldbezuges gemäß § 105 c AFG in Anspruch genommen hatte. Seit dem 1. Juli 1995 bezieht er eine Altersrente.

Nachdem die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 27. Oktober 1994 Gelegenheit gegeben hatte, zu der beabsichtigten Geltendmachung eines Erstattungsanspruches gemäß § 128 AFG Stellung zu nehmen, teilte sie ihr durch Bescheid vom 24. Februar 1995 mit, die Klägerin sei dazu verpflichtet, der Bundesanstalt für Arbeit das an ihren ehemaligen Arbeitnehmer gezahlte Arbeitslosengeld sowie die hierauf entfallenen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung ab 1. Juli 1994 für längstens 624 Tage zu erstatten. Umstände für den Nichteintritt der Erstattungspflicht gemäß § 128 Abs. 1. Satz 2 Nrn. 1–7 bzw. Abs. 2 Nr. 2 AFG seien nicht ersichtlich. Trete hinsichtlich der festgestellten Erstattungspflicht eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen ein, werde darüber in einem besonderen Bescheid entschieden. Die fällig werdenden Erstattungsbeträge würden jeweils in gesonderten Abrechnungsentscheidungen – bezogen auf den kalendermäßig abgelaufenen Zeitraum von 3 Monaten seit der Entstehung des Erstattungsanspruchs – mitgeteilt.

Der gegen den Bescheid am 3. März 1995 erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 26. April 1995). Die Klägerin erhob daraufhin am 22. Mai 1995 Klage zum Sozialgericht Darmstadt. Sie machte geltend, die Befreiungstatbestände des § 128 Abs. 1 Ziff. 4 und Ziff. 5 sowie die Befreiungstatbestände des § 128 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative und § 128 Abs. 1 Satz 2 3. Alternative Ziff. 5 AFG lägen vor.

Das Sozialgericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes Beweis erhoben über den Gesundheitszustand des B. (Beschluss vom 21. Juli 1995). B. gab insoweit u.a. an, gesundheitliche Gründe seien für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht maßgeblich gewesen.

Durch Urteil vom 27. November 1995 hat das Sozialgericht die Klage sodann abgewiesen. Auf die Gründe der Entscheidung wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 5. Dezember 1995 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 22. Dezember 1995 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend zur Begründung aus: im wesentlichen komme es nicht auf die Form der Auflösung des Arbeitsverhältnisses an, sondern auf die Frage, weshalb das Arbeitsverhältnis aufgelöst wurde. Bei ihr bestehe die Notwendigkeit, eine ausgewogene Altersstruktur bei der Belegschaft zu gewährleisten. Eine. Amtsermittlungspflicht bestehe nicht nur bezüglich der Erstellung des Grundlagenbescheides. In Anbetracht der Fehlzeiten des ehemaligen Mitarbeiters hätte die Beklagte eine vorhergehende Anhörung hinsichtlich seiner gesundheitlichen Einschränkungen durchführen müssen.

Während des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 29. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 1996 ergangen. Mit ihm hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Juni 1995 einen Erstattungsbetrag von insgesamt 50.304,33 DM für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis zum 30. Juni 1995 geltend gemacht.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. November 1995 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 1995 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 1996 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im vorliegenden Fall hätten sich keine konkreten Anhaltspunkte für eine Verneinung der Erstattungspflicht ergeben.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Beteiligten und des Sachverhalts im einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtakte und der Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. November 1995 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind zu Recht ergangen. Die Beklagte hat gegen die Klägerin Anspruch auf Erstattung von insgesamt 50.304,33 DM.

Vorab ist darauf hinzuweisen, daß der Bescheid vom 29. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 1996 gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Nach der genannten Vorschrift wird, wenn nach Klageerhebung der Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt wird, auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Entsprechendes gilt für das Berufungsverfahren (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 SGG). Über den neuen Verwaltungsakt (Bescheid vom 29. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 1996) hatte der Senat zwar – anders als über den Streit vom 24. Februar 1995 – nicht als Berufungsgericht, – wohl aber – auf den Antrag der Klägerin vom 24. Mai 1996 – erstinstanzlich zu entscheiden. Der Zweck der Regelung des § 96 SGG rechtfertigt dessen Anwendung auch auf das vorliegende Berufungsverfahren. Er besteht vornehmlich darin, eine schnelle und erschöpfende Entscheidung über das gesamte Streitverhältnis möglich zu machen (Meyer-Ladewig, SGG, § 96 Rdnr. 1). Daß der Bescheid vom 29. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 1996 von § 96 SGG erfaßt ist, ist vorliegend nicht zweifelhaft. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist § 96 SGG weit auszulegen bzw. aus prozeßökonomischen Gründen auch dann entsprechend anzuwenden, wenn eine Änderung oder Ersetzung im oben dargestellten Sinne nicht vorliegt. Die entsprechende Anwendung kommt im wesentlichen unter zwei Voraussetzungen in Betracht (s. BSG SozR 1500 § 96 Nr. 13): Der Folgebescheid muß wenigstens den Streitstoff des bereits anhängigen Rechtsstreits beeinflussen oder berühren, so daß immerhin ein innerer Zusammenhang besteht oder der Grundgedanke des § 96 Abs. 1 SGG muß die Einbeziehung des Folgebescheides rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Regelung im Folgebescheid auf den Streitstoff auswirken kann. So liegt der Fall hier.

Die Erstattungspflicht folgt aus § 128 AFG in der seit dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung. Danach ist der Arbeitgeber der Bundesanstalt für Arbeit gegenüber zur Erstattung des Arbeitslosengeldes verpflichtet, wenn der Arbeitslose, der Arbeitslosengeld erhält, bei ihm mindestens 720 Kalendertage beitragspflichtig beschäftigt war, diese Beschäftigung innerhalb einer Frist von 4 Jahren vor dem Tag der Arbeitslosigkeit lag und der arbeitslose frühere Arbeitnehmer zwischen 58 und 65 Jahren alt ist. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht. Der damit verfolgte gesetzgeberische Zweck, die sog. Frühverrentung zu verhindern, ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1990 (BVerfGE 81, 156) legitim, um eine vermehrte Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld und Rentenleistungen zu verhindern. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hält das Bundesverfassungsgericht die Erstattungszahlungen für zumutbar, weil der Arbeitgeber für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein verantwortlich sei. Soweit vorliegend von Bedeutung, hat der Gesetzgeber die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in bezug auf die Vorgängervorschrift postulierten verfassungsrechtlichen Vorgaben beachtet. Dazu zählt insbesondere, daß zu den Tatbestandsvoraussetzungen der Erstattungspflicht nach § 128 AFG auch das Fehlen eines Anspruchs des Arbeitslosen auf eine anderweitige Sozialleistung gehört (§ 128 Abs. 1 Satz 2 AFG).

Das fehlen der Voraussetzungen für den Bezug einer anderen Sozialleistung, bei deren Zuerkennung kein Anspruch auf Auszahlung von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bestehen würde, hat die Beklagte in ausreichender Weise festgestellt und damit der ihr obliegenden Amtsermittlungspflicht. (§ 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X –) genügt. Für die Beklagte waren – ausgehend den Angaben des B. im Antrag auf Arbeitslosengeld – keine Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs auf eine anderweitige Sozialleistung ersichtlich. Auch dessen Angaben ließen nicht den Schluß zu, er erfülle die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs. 1 Satz Nrn. 2–4 AFG genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Nur bei insoweit bestehenden Zweifeln wäre aber die Beklagte zu weitergehenden Ermittlungen verpflichtet gewesen. Im Regierungsentwurf der Neuregelung des § 128 AFG ist ausdrücklich davon die Rede, daß die Bundesanstalt für Arbeit eine weitergehende Feststellungspflicht nur treffe, wenn begründete Anhaltspunkte für einen anderen Sozialleistungsanspruch sprächen. Die Voraussetzungen, etwa für die Erwerbsunfähigkeit des Arbeitslosen, seien deshalb nicht in jedem Fall zu prüfen; es genüge, wenn sie im Zusammenhang mit der Prüfung des Arbeitslosengeldes getroffen würden (BT-Drucks. 12/3211, S. 25). Für gesundheitliche Einschränkungen in der Person des ehemaligen Arbeitnehmers hat schließlich auch das Bundesverfassungsgericht eine besondere Ermittlungspflicht nur dann für geboten erachtet, wenn diesbezügliche Anhaltspunkte vorliegen (BVerfGE a.a.O., 203).

Die Klägerin ist auch nicht aufgrund eines der übrigen in § 128 Abs. 1 Satz 2 AFG genannten Tatbestandes von der Erstattungspflicht ausgenommen. Weder ist das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres des Arbeitslosen B. beendet worden, noch hat die Klägerin nachgewiesen, daß einer der Fälle des Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1–7 von § 128 AFG gegeben ist. Die Klägerin beruft sich zwar auf § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AFG, wonach die Erstattungspflicht entfällt, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat, außerdem beruft sie sich auf § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5. AFG, der die Erstattungspflicht ausschließt, wenn der Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Diese Voraussetzungen sind aber nicht erfüllt. Das zu B. bestehende Arbeitsverhältnis wurde nicht durch, sozial gerechtfertigte Kündigung beendet, sondern durch einen Aufhebungsvertrag. Außerdem ist nicht ersichtlich, daß die Klägerin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund berechtigt gewesen sein soll. Ihr Interesse an der Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur jedenfalls rechtfertigt eine außerordentliche Kündigung nicht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der vorliegend gebotenen verfassungskonformen Auslegung des Begriffs des wichtigen Grundes. Auch wenn Arbeitnehmer im Rahmen eines Sozialplans "freigesetzt” werden, so beseitigt dies nicht die die Erstattungspflicht begründende Verantwortung des Arbeitgebers für die Freisetzung des Arbeitnehmers und damit für die Aufwendungen der Arbeitslosenversicherung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer – wie vorliegend – aus gesundheitlichen Gründen nicht daran gehindert ist, die von ihm vertraglich übernommene Arbeit auf Dauer zu verrichten. Dem stehen die von der Klägerin im Schriftsatz vom 12. März 1996 genannten Fehlzeiten des B. nicht entgegen. Zwar kann auch Krankheit ein personenbedingter Kündigungsgrund sein, wie sich aus § 616 Abs. 2 Satz 4 BGB unmittelbar ergibt. Ab wann eine länger dauernde Krankheit eine Kündigung rechtfertigt, läßt sich jedoch nicht in festen Zahlen ausdrücken, auch die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers und die Ursache der Krankheit können eine Rolle spielen. Vorliegend hat B. zwischen 1990 und 1994 durchschnittlich 23,1 Fehltage pro Jahr vorzuweisen gehabt. Eine krankheitsbedingte Kündigung wäre jedoch nur bei einer Mindestfehlzeit von 13 v.H. der Jahresarbeitszeit zulässig. Im vorliegenden Fall hätte B. also pro Jahr im Schnitt an 28,6 Tagen krankheitsbedingt fehlen müssen, damit die Klägerin aus diesem Grund hätte rechtmäßig kündigen können.

Die Erstattungspflicht entfällt auch nicht nach § 128 Abs. 2 Nr. 2 AFG. Es ist nämlich nicht nachgewiesen, daß die Erstattung für die Klägerin eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, weil durch die Erstattung der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet werden. Dem steht entgegen, daß die Klägerin – wie vorliegend in Höhe von 4.000,– DM – in der Lage gewesen ist, Abfindungen zu zahlen. In diesem Fall ist davon auszugehen, daß sie auch ihrer Erstattungspflicht nach § 128 AFG nachkommen kann. Die "Freisetzung” älterer Arbeitnehmer mag zwar geeignet sein, die Arbeitsplätze der jüngeren Arbeitnehmer zu sichern. Dies rechtfertigt die Anwendung der 2. Alternative des Absatzes 2 von § 128 AFG aber nicht. Erst wenn die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze durch die Erstattung des Arbeitslosengeldes gefährdet wären, könnte die die Klägerin grundsätzlich treffende Erstattungspflicht entfallen. Dieser Ursachenzusammenhang zwischen Erstattung einerseits und Arbeitsplatzgefährdung andererseits ist jedoch nicht nachgewiesen.

Auch gegen den Abrechnungsbescheid vom 29. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 1996 bestehen keine Bedenken. Wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Begrenzung der Erstattungspflicht auf vierteljährliche Abrechnungszeiträume ist es erforderlich, daß die Bundesanstalt für Arbeit nicht nur bei ihrer Entscheidung über den Grundbescheid, sondern auch jeweils über jede Abrechnungsentscheidung für das letzte Vierteljahr zumindest zu überprüfen hat, ob für die Erstattungspflicht bedeutsame Sozialleistungen entstanden sind oder nicht (Gagel, AFG, § 128 Rdnr. 129). Die anderweitige Berechtigung zum Bezug einer Sozialleistung im Sinne des § 128 Abs. 1 Satz 2 AFG kann nämlich nicht nur zum Zeitpunkt des erstmaligen Eintritts der Erstattungspflicht, sondern auch zu einem späteren Zeitpunkt eintreten; mit einem solchen Eintritt muß sogar im Hinblick auf den betroffenen Personenkreis älterer, oft leistungsgeminderter Arbeitnehmer gerechnet werden.

Der erneute Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist nur zu rechtfertigen, wenn ermittelt worden ist, daß die Voraussetzungen der Erstattungsforderungen gegeben sind. Hierzu gehört, daß die Beklagte bei dem bei ihr im Leistungsbezug stehenden arbeitslosen früheren Arbeitnehmer Nachforschungen anstellt. Sie muß deshalb grundsätzlich von sich aus tätig werden und ermitteln, ob ein anderweitiger Sozialleistungsanspruch des Arbeitslosen zwischenzeitlich begründet worden ist.

Ausweislich der Akten hat zwar vorliegend nicht die Beklagte diesbezüglich eine Überprüfung durchgeführt. Insoweit ist aber zu beachten, daß ausweislich des Beweisbeschlusses des Sozialgerichts vom 21. Juli 1995 vor Erlaß des Abrechnungsbescheides vom 29. Februar 1996 eine entsprechende Überprüfung erfolgt ist. Eine erneute Überprüfung durch die Beklagte selbst war insoweit überflüssig und hätte lediglich zusätzlichen Verwaltungsaufwand bedeutet. Dies gilt insbesondere deshalb, weil zusätzliche und ergänzende Feststellungen zum Sachverhalt nicht mehr möglich waren und die Beklagte selbst keine zusätzlichen Tatsachen hätte ermitteln können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG erfüllt sind; die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.
Rechtskraft
Aus
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