L 10 Ar 142/94

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 323/93
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 Ar 142/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 18. November 1993 wird zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid vom 12. Oktober 1994 abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Lohnkostenzuschusses (LKZ) im Streit, der der Klägerin für den Arbeitnehmer H. K. gewährt wurde.

Die Klägerin beantragte erstmals am 29. März 1988 die Gewährung eines LKZ für den am 1933 geborenen Arbeitnehmer H. K. Der Arbeitnehmer sollte zum 1. Mai 1988 bis zum 30. April 1991 befristet eingestellt werden. Beantragt wurde der LKZ in Höhe von 70 v.H. des für die Bemessung maßgeblichen Arbeitsentgelts mit Verlängerung auf maximal acht Jahre. Das tarifliche Arbeitsentgelt sollte 2.301,04 DM bei einer Vollzeitbeschäftigung von 40 Stunden wöchentlich betragen.

Auf der Rückseite des Antragsformulars ist ein Vermerk der Beklagten aufgeführt, wonach es nach eingehenden Verhandlungen mit der Klägerin dieser nicht möglich sei, innerhalb der Laufzeit von acht Jahren auf eine Degression hinsichtlich der Zuschußhöhe einzugehen.

Mit Bescheid vom 6. Juni 1988 bewilligte die Beklagte der Klägerin für den o.a. Arbeitnehmer ab 1. Mai 1988 für die Dauer von 12 Monaten 70 v.H. des bei Einstellung maßgeblichen und für die Bemessung zugrunde zulegenden Bruttoarbeitsentgeltes von 2.301,04 DM monatlich. Der Bewilligungsbescheid enthielt den Hinweis, daß eine Weiterbewilligung über diesen Förderungszeitraum hinaus grundsätzlich nur möglich sei, wenn zum Zeitpunkt der Weiterbewilligung die Förderungsvoraussetzungen vorliegen und genügend Haushaltsmittel zur Verfügung stehen würden. Eine Weiterbewilligung sei – ggf. formlos – vor dem Ablauf des Förderungszeitraums bis zum 10. April 1989 zu beantragen. Rechtsgrundlage für die Entscheidung sei § 97 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Der Bewilligungsbescheid enthielt formularmäßig den Hinweis, daß spätestens nach Ablauf jeweils eines Förderungsjahres sich der der Förderung zugrundeliegende Prozentsatz um mindestens 10 Prozentpunkte verringere; dieser Hinweis war im Bescheid vom 6. Juni 1988 durchgestrichen. Mit weiteren Bewilligungsbescheiden vom 18. Mai 1989 (mit Wirkung ab 1. Mai 1989), vom 27. April 1990 (mit Wirkung ab 1. Mai 1990), vom 30. April 1991 (mit Wirkung ab 1. Mai 1991) und vom 25. Mai 1992 (mit Wirkung ab 1. Mai 1992) wurde der Klägerin von der Beklagten 70 v.H. des aktualisierten Bruttoarbeitsentgeltes für jeweils 12 Monate als LKZ gewährt. Vom Wortlaut entsprach der Bescheid vom 18. Mai 1989 dem Bescheid vom 6. Juli 1988. Die weiteren Bescheide vom 27. April 1990, 30. April 1991 und 25. Mai 1992 enthielten darüber hinaus den Hinweis, daß die Förderung spätestens nach acht Jahren ende. Auch hier war der Hinweis in dem formularmäßigen Bewilligungsbescheid "spätestens nach Ablauf jeweils eines Förderungsjahres verringert sich der der Förderung zugrundeliegende Prozentsatz um mindestens 10 Prozentpunkte” jeweils gestrichen.

Mit Bewilligungsbescheid vom 28. Mai 1993 bewilligte die Beklagte der Klägerin einen LKZ für den o.a. Arbeitnehmer ab 1. Mai 1993 für weitere 12 Monate in Höhe von 65 v.H. des Bruttoarbeitsentgeltes sowie zur Weihnachtszuwendung und zum Urlaubsgeld. Darüber hinaus enthielt der Bescheid den Hinweis, daß spätestens nach Ablauf jeweils eines Förderungsjahres sich der der Förderung zugrundeliegende Prozentsatz um mindestens fünf Prozentpunkte verringere. Die Förderung wurde hier auch als spätestens beendet nach acht Jahren angesehen.

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Der Widerspruch richtete sich gegen die Höhe des LKZ. Mit Bescheid vom 6. Juni 1988 sei ein LKZ in Höhe von 70 v.H. des maßgeblichen Bruttoarbeitsentgeltes bewilligt worden und in den weiteren Bescheiden sei diese Höhe auch bestätigt worden. Die nunmehr vorgenommene Kürzung der Förderquote auf 65 v.H. widerspreche den zu Beginn des Jahres 1988 zwischen der Arbeitsverwaltung und dem Magistrat der Stadt Marburg geführten Verhandlungs- und Einführungsgesprächen über die Einstellung älterer Arbeitnehmer im Rahmen eines LKZ-Programmes. Es sei vereinbart worden, daß die Förderquoten konstant gewährt würden. Von daher sei auch der Satz "spätestens nach Ablauf jeweils eines Förderungsjahres verringert sich der der Förderung zugrundeliegende Prozentsatz um mindestens 10 Prozentpunkte” gestrichen worden. Eine Kürzung der Quote sei somit für den gesamten Förderungszeitraum ausdrücklich ausgeschlossen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 1993 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Im Widerspruchsbescheid führte die Beklagte aus, daß keinesfalls vor Einstellung des Arbeitnehmers eine Kürzung der Förderquote seitens der Beklagten ausgeschlossen worden sei. Die mündliche Zusage sei immer unter der Einschränkung erfolgt, daß sich an den gesetzlichen Bestimmungen bzw. an der Haushaltslage der Bundesanstalt keine Änderung ergeben würde. Darüber hinaus hätten die vorangegangenen Bewilligungsbescheide lediglich ausgeschlossen, daß eine automatische Degression des LKZ um 10 v.H. gemäß § 97 Abs. 2 AFG erfolge. Die hier anzuwendende Vorschrift des § 97 Abs. 4 AFG habe jedoch schon immer eine jeweils der Situation angepaßte Minderung zugelassen. Aufgrund der allgemein bekannten angespannten Haushaltslage der Verwaltungsbehörde habe die Förderungshöhe herabgesetzt werden müssen. Dies insbesondere deshalb, damit trotz der angespannten Haushaltslage möglichst eine Vielzahl von älteren Arbeitnehmern in Arbeitsverhältnisse vermittelt werden könnten. Darüber hinaus handele es sich bei dem LKZ um eine sog. Kannleistung. Dies bedeute, daß auf die Leistung kein Rechtsanspruch bestehe. Es bestehe jedoch Rechtsanspruch darauf, daß die Verwaltungsbehörde das ihr zustehende Ermessen unter Beachtung des § 39 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Erstes Buch (SGB I) ermessensfehlerfrei ausübe. Diese gesetzliche Verpflichtung werde im vorliegenden Fall beachtet, weil bei allen vergleichbaren Fällen wegen der Haushaltslage ebenfalls eine Herabsetzung des Zuschusses um fünf Prozentpunkte vorgenommen worden sei. Im übrigen könne die Klägerin auch keine schriftliche Zusage gemäß § 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) hinsichtlich der Förderquote von 70 v.H. geltend machen.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 25. Juni 1993 vor dem Sozialgericht (SG) Marburg Klage erhoben.

Das SG Marburg hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Leiters des Haupt-, Personal- und Organisationsamtes der Klägerin, des Zeugen L. M., durch Vernehmung des im vorgenannten Amt für die Klägerin tätigen Zeugen S. H. durch Vernehmung des Leiters der Abteilung Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung vom Arbeitsamt Marburg, des Zeugen K.-E. V. und des in der vorgenannten Abteilung tätigen Zeugen A. S ...

Mit Urteil vom 18. November 1993 hat das SG Marburg die Klage abgewiesen. Zunächst hat das SG darauf verwiesen, daß es sich bei der Förderung im Rahmen des § 97 AFG um eine Ermessensentscheidung der Arbeitsverwaltung handele. Sodann handele es sich bei der unter Einsparung des Gesichtspunktes durch § 97 Abs. 2 Satz 3 AFG in Verbindung mit § 6 Abs. 4 der Anordnung nach § 99 zwingend vorgeschriebenen jährlichen Herabsetzung des ursprünglichen bewilligten Förderungssatzes um mindestens 10 v.H. um eine Überlegung, die berücksichtige, daß der zugewiesene ältere Arbeitnehmer mit fortschreitender Zeit eine zunehmende Arbeitstüchtigkeit entwickle und damit die von ihm erbrachte Arbeitsleistung derjenigen nicht zugewiesener Arbeitnehmer mehr und mehr gleichwertig sei. Darüber hinaus sei auch eine zeitliche Begrenzung hinsichtlich der Dauer der Gewährung von LKZ nicht vorgesehen. Die zwingende Anordnung einer Degression durch § 97 Abs. 2 Satz 3 AFG zusammen mit der Bestimmung des Förderungsendes bei Erreichen eines Zuschußsatzes von 30 v.H. bzw. 40 v.H. des dem zugewiesenen Arbeitnehmer gewährten Arbeitsentgeltes führe nunmehr jedoch unmittelbar zu einer Befristung der Förderungsleistungen. Der Förderungszeitraum sei danach von der ursprünglich festgesetzten Höhe des Förderungssatzes unter jeweils bestimmten Degressionsraten abhängig. Soweit von der Festsetzung einer Degression entsprechend der Regelung des § 97 Abs. 4 AFG abgesehen werde, könne der Lohnkostenzuschuß aber auch für die Dauer von bis zu acht Jahren gezahlt werden. Dies sei im wesentlichen zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Streitig sei letztlich nur, ob die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden eine Minderung des ursprünglichen Förderungszeitraumes in dem hier strittigen Förderungsjahr um fünf Prozentpunkte vornehmen und darüber hinaus festlegen durfte, daß sich nunmehr spätestens nach Ablauf eines Förderungsjahres der Zuschuß um mindestens fünf Prozentpunkte verringern werde. Nachdem aber kein Rechtsanspruch auf eine Förderung bestehe, sei es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte die Förderung nur im Rahmen der jährlich zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel gewähre. Dies sei nicht ermessensfehlerhaft. Auch bei der Ermessensausübung müsse die Verwaltung finanzielle Erwägung miteinfließen lassen. Von daher sei es auch nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte die verfügbaren Mittel angesichts der Anzahl der Interessenten zu strecken versuche, indem sie Leistungen nach § 97 AFG von kürzerer Dauer und geringerer Höhe gewähre, als das Gesetz es zulasse. Andererseits bedeute dies jedoch nicht, daß die Haushaltslage selbst bei Erschöpfung der Mittel alleiniger Maßstab sein könne, da haushaltsrechtliche Erfordernisse nie dem sachlichen Recht vorgehen könnten. Insoweit sei es Aufgabe der Beklagten sicherzustellen, daß die Inanspruchnahme von LKZ für ältere Arbeitnehmer, auch wenn hierfür nicht zu viele Mittel zur Verfügung stünden, ständig möglich sei. Dies bedeute wiederum, daß die Ablehnung einer Weiterbewilligung allein aufgrund fehlender Haushaltsmittel rechtswidrig gewesen wäre. Dies gelte jedoch nicht auch gleichzeitig für einmalige Kürzungen und auch nicht für die Festlegung einer Degression, soweit sich diese unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze in einem vertretbaren Rahmen halten würde. Die Bescheide würden keinen Anlaß geben, einen Anspruch daraus herzuleiten, daß von einer Verminderung des Zuschusses dauerhaft abzusehen sei. In diesem Zusammenhang müßte auch auf einen Erlaß des Präsidenten der Bundesanstalt an die Landesarbeitsämter vom 31. Januar 1992 hingewiesen werden, aus dem hervorgehe, daß letztlich die Mittel in der Form zu strecken seien, daß dem Förderungsgedanken des § 97 AFG Rechnung getragen werde einerseits, aber auch anderseits genügend Mittel vorhanden blieben. Hierbei sei bei den Neubewilligungen im Rahmen der erweiterten Förderung auf eine nachhaltige Absenkung des Förderungssatzes hinzuwirken und grundsätzlich eine jährliche Degression von mindestens fünf Prozentpunkten vorzusehen. Gleiches sei bei der Verlängerung von LKZ-Fällen nach § 97 Abs. 4 AFG vorzusehen. Dies sei notwendig, um eine nachhaltige Absenkung des Förderungsaufwandes bei LKZ zu erreichen. Der Präsident des Landesarbeitsamtes Hessen habe diese Weisung, so das SG Marburg weiter, sodann mit Erlaß vom 18. Februar 1992 an die hessischen Arbeitsämter weitergegeben. Insoweit beruhe die Kürzung und erstmalige Festlegung einer Degression auch im vorliegenden Falle allein darauf, daß die Beklagte hiermit versuche zum einen, die bei LKZ-Fällen gestiegenen Aufwendungen abzufangen und zum anderen, trotz angespannter Haushaltslage und gestiegener Aufwendungen für den Einzelfall insgesamt möglichst viele ältere langzeitarbeitslose Arbeitnehmer zu fördern. Von daher seien die Bescheide vom Grundsatz her nicht zu beanstanden. Ein anderes Ergebnis ergebe sich auch nicht daraus, daß sich die Klägerin auf mündliche Zusagen berufe. Es sei nicht bewiesen, dies hätten die Zeugenaussagen ergeben, daß die Klägerin eine wirklich verbindliche mündliche Auskunft von der Beklagten mit der Folge, daß sich der Prozentsatz nicht verringere, erhalten habe. Aufgrund der Zeugenaussagen stehe fest, daß sicherlich Gespräche und Verhandlungen darüber stattgefunden hätten, in denen die Beklagte nach der Aussage des Zeugen H. vor allem der Klägerin die Gewährung von LKZ für ältere Arbeitnehmer im Rahmen einer achtjährigen Förderung angeboten worden sei. Dies sei durch die anderen Zeugen bestätigt worden. Der Zeuge V. habe die verbindliche Zusage einer ungeminderten achtjährigen Förderung nicht bestätigen können. Letztlich habe man über die Förderung auch nur im Rahmen eines Jahres entschieden, auch wenn das Wollen der Beklagten letztlich darin bestanden habe, acht Jahre ungemindert zu fördern. Vom Willen der Beklagten habe die Klägerin insoweit davon ausgehen können, daß die Beklagte acht Jahre ungemindert habe fördern wollen. Üblicherweise werde bei solchen Gesprächen aber gleichzeitig darauf hingewiesen, daß das Wollen der Beklagten auch von der Weisungslage abhänge. Der Zeuge V. könnte sich dann zwar nicht daran erinnern, ob dies auch vorliegend ausdrücklich geschehen sei. Der Zeuge S., der zunächst die Aussage des Zeugen V. bestätigt und selbst ausgeführt habe, daß die Beklagte das Interesse gehabt habe, der Klägerin soviel ältere Arbeitnehmer wie möglich zu vermitteln und die Klägerin wiederum das Interesse gehabt habe, möglichst viel Zuschuß zu bekommen und man insoweit unstreitig acht Jahre lang ungemindert habe fördern wollen, führe in diesem Zusammenhang aber dann auch aus, daß der Klägerin gegenüber gleichzeitig zum Ausdruck gebracht worden sei, daß immer nur für ein Jahr entschieden werden könne und es bei der Abmachung bzw. Aussage, acht Jahre fördern zu wollen, nur bleiben könne, wenn sich die Voraussetzungen nicht ändern würden. Von daher stelle, wie die Zeugen V. und S. auch bestätigt hätten, das Wollen der Beklagten, acht Jahre lang zu fördern, lediglich eine Absichtserklärung dar, die nicht als mündliche verbindliche Zusage anzusehen sei. Darüber hinaus fehle es an der Verbindlichkeit einer Zusage, da diese nicht im Rahmen des § 34 SGB X, also in schriftlicher Form, erteilt worden sei. Mündliche Zusicherungen, selbst wenn man davon ausginge, daß eine mündliche Zusage trotz Kompetenzüberschreitung der Zeugen V. und S. erfolgt sei, könnten nur insoweit Bedeutung erlangen, als der Verwaltung Ermessen eingeräumt sei, falls man nämlich das Vorliegen einer mündlichen Zusicherung als einen beachtlichen Abwägungsgesichtspunkt im Rahmen einer Ermessensentscheidung ansehe. Schließlich sei auch die Streichung des in den Bescheiden vorgedruckten Satzes, daß sich der der Förderung zugrundeliegende Prozentsatz spätestens nach Ablauf jeweils eines Förderungsjahres von mindestens 10 Prozentpunkten verringere, nicht geeignet, einen Anspruch der Klägerin zu begründen. Die Streichung dieses Satzes stehe allein in dem Zusammenhang, daß von der in § 97 Abs. 2 Satz 3 AFG gesetzlich vorgesehenen automatischen Degression von 10 Prozentpunkten nach dem Willen der Beklagten kein Gebrauch gemacht werden sollte. Daraus leite sich aber kein Anspruch auf ungeminderte Förderung für den gesamten Förderungszeitraum ab.

Gegen das am 19. Januar 1994 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 14. Februar 1994.

Die Berufung wird im wesentlichen damit begründet, daß im Rahmen des § 97 Abs. 4 AFG das Sozialgericht verkannt habe, daß in den Bewilligungsbescheiden der Beklagten grundsätzlich zwischen dem "ob” und dem "wie” der Bewilligung zu unterscheiden sei. Die Frage des "ob” werde in der Formulierung in den Bewilligungsbescheiden "eine Weiterbewilligung über diesen Förderungszeitraum hinaus ist grundsätzlich nur möglich, wenn zum Zeitpunkt der Weiterbewilligung die Förderungsvoraussetzungen vorliegen und genügend Haushaltsmittel zur Verfügung stehen” geregelt. Diese Aussage enthalte aber keine Regelung über die Höhe der Förderung. Von daher sei sicherlich die Weiterbewilligungsfrage von der Frage der zur Verfügungsstellung von Haushaltsmitteln abhängig, jedoch sei gerade hinsichtlich der Höhe des LKZ der formularmäßige Hinweis, wonach spätestens nach Ablauf eines Förderungsjahres sich der der Förderung zugrundeliegende Prozentsatz um mindestens 10 Prozentpunkte verringere, gestrichen worden. Auch was die Verbindlichkeit der Zusage anbelange, so habe das SG die Zeugenaussagen nicht richtig gewertet. In diesem Zusammenhang sei auch zu bemängeln, daß der Verfasser des Vermerks, der Zeuge K. S., nicht in der mündlichen Verhandlung geladen worden sei. Letztlich ergebe sich somit, daß die Degression aufgrund der verbindlichen Zusage ausgeschlossen war; nur gegen einen völligen Wegfall der Förderung habe sich die Klägerin in ihren Arbeitsverträgen mit einer vorzeitigen Kündigungsmöglichkeit abgesichert, weil insoweit keine Zusage von der Beklagten bestand.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 18. November 1993 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28. Mai 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 1993 sowie des Bescheides vom 12. Oktober 1994 zu verurteilen,

1) der Klägerin den ab 1. Mai 1993 für 24 Monate bewilligten Lohnkostenzuschuß in Höhe von 70 v.H. des Bruttoarbeitsentgelts sowie zur Weihnachtszuwendung und zum Urlaubsgeld zu gewähren und

2) diesen vom-Hundertsatz – soweit die gesetzlichen Förderungsvoraussetzungen dem Grunde nach weiterhin vorliegen – ohne Minderung auch noch den bis zum Ablauf der auf acht Jahre festgesetzten Förderungshöchstdauer zu gewährenden Lohnkostenzuschüssen zugrunde zu legen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, daß das erstinstanzliche Urteil rechtsfehlerfrei ergangen sei. Die Beklagte weist darauf hin, daß ihrer Auffassung nach die Streichung des maßgeblichen Satzes hinsichtlich des Förderungssatzes von 10 Prozentpunkten ohne Belang sei, da ohnehin die Förderung jeweils nur auf ein Jahr befristet gewesen sei. Es könne auch aus dem gestrichenen Satz nicht hergeleitet werden, daß damit eine Situation geschaffen werde, die es aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht zulasse, die Förderung prozentual abzusenken. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin durch die jeweiligen Bescheide auch darauf aufmerksam gemacht worden sei, daß eine Weiterbewilligung über diesen Förderungszeitraum hinaus grundsätzlich nur möglich sei, wenn zum Zeitpunkt der Weiterbewilligung die Förderungsvoraussetzungen vorliegen würden. Es sei auch kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben erkennbar. Die Zeugenaussagen seien von dem SG rechtlich korrekt bewertet worden. Eine verbindliche Zusage für eine unveränderte Förderungsquote in Höhe von 70 v.H. sei nicht abzuleiten.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 1994 hat auf den Antrag der Klägerin die Beklagte einen LKZ ab 26. August 1994 für die Dauer von 12 Monaten in Höhe von 60 v.H. des Bruttoarbeitsentgeltes sowie zur Weihnachtszuwendung und zum Urlaubsgeld bewilligt. Eine Weiterbewilligung sei vor dem Ablauf des Förderungszeitraums bis zum 10. August 1995 zu beantragen. Die Förderung ende spätestens nach acht Jahren Gesamtförderzeit. Spätestens nach Ablauf jeweils eines Förderungsjahres verringere sich der der Förderung zugrundeliegende Prozentsatz um mindestens 5 Prozentpunkte.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig und statthaft, jedoch unbegründet.

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts (SG) Marburg vom 18. November 1993 hat rechtsfehlerfrei einen Anspruch der Klägerin auf Beibehaltung der Höhe des Lohnkostenzuschusses (LKZ), wie im Erstbescheid bewilligt, verneint, so daß auch die Klage gegen den Bescheid vom 12. Oktober 1994 abzuweisen war.

Auf die Wiedergabe der Anspruchsnorm des § 97 Abs. 1 bis Abs. 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), wie vom Erstgericht dargestellt, wird hier verzichtet.

Zunächst folgt aus § 97 Abs. 1 AFG, und zwar aus dem Wort "kann”, daß die Gewährung des LKZ in das Ermessen der Beklagten gestellt ist. Der Umfang des LKZ ist hierbei im Gesetz nicht abschließend geregelt, die weitere rechtssatzmäßige Ausgestaltung der Förderung durch LKZ hat der Gesetzgeber dem Rechtssetzungsermessen der Beklagten überlassen, indem diese ermächtigt worden ist, zur Durchführung der Förderung das Nähere über Voraussetzung, Art und Umfang durch Anordnung zu bestimmen (§ 99 Satz 1 AFG). Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte Gebrauch gemacht und die Anordnung über Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung für ältere Arbeitnehmer erlassen. Diese liegt dem Senat in der Fassung vom 1. Juli 1990 vor.

Das Ermessen der Beklagten erstreckt sich nur auf die Festlegung der Höhe des Prozentsatzes innerhalb der gezogenen Grenzen, nicht aber auf die Bestimmung der Bemessungsgrundlage (BSG vom 27. Juli 1989, 11/7 RAr 45/87 in SozR 4100 Nr. 3). Dennoch hat die Beklagte erhebliche Spielräume bei der Anwendung des § 97 AFG. So kann sie die Höhe des Anfangfördersatzes, der nur durch das Maximum verbindlich festgeschrieben wird und im Einzelfall auch das Minimum unterscheiden darf, den Zeitraum der Degression, den Prozentsatz der Degression und dadurch die Ausgestaltung der Förderdauer im Rahmen fehlerfreien Ermessens bestimmen. Darüber hinaus hat die Beklagte, da bei der verstärkten Förderung eine Degression nicht zwingend vorgeschrieben ist, volle Freiheit bei der Ausgestaltung, wobei hier die Untergrenzen der Degression flexibel sind (siehe hierzu Gagel-Bieback, Kommentar zum AFG, § 97 Anm. 51).

Bei der Frage der Ermessensausübung im Einzelnen ist festzustellen, daß die Beklagte ihr Ermessen entsprechend dem Zweck des LKZ auszuüben hat. Umgekehrt hat die Klägerin auch einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens im Rahmen des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I, nicht aber einen Rechtsanspruch auf Gewährung des LKZ in bestimmter Höhe. Ein solcher stünde ihr allein unter der Voraussetzung zu, daß sich der der Beklagten eingeräumte Ermessensspielraum so stark eingeengt hätte, daß nur noch eine einzige richtige Entscheidung möglich wäre (sog. Ermessensreduzierung auf Null).

Was den Zweck und Inhalt des LKZ im Rahmen des § 97 anbelangt, so hat hierzu das SG erschöpfende Ausführungen gemacht.

Nachdem somit feststeht, daß grundsätzlich ein Rechtsanspruch der Klägerin auf eine bestimmte Höhe des LKZ nicht besteht, ist nur im Rahmen der Beurteilung der Ausübung des Ermessens seitens der Beklagten ein Anspruch auf Förderung in dem Rahmen, den der Erstbescheid festgelegt hat, möglich. Dies wäre bei Ermessensfehlgebrauch der Fall. Der Ermessensfehlgebrauch ergibt sich nicht möglicherweise schon daraus, worauf das SG zu Recht hingewiesen hat, daß in den angefochtenen Bescheiden die Förderung bzw. der Umfang der Förderung von der Bereitstellung von Haushaltsmitteln abhängig gemacht wird. Die zur Ermessensausübung berufene Verwaltung kann immer finanzielle Erwägungen in Form des Bezugs auf die Haushaltslage anstellen (BSG, Urteil vom 25. Oktober 1990, 7 RAr 14/90 in SozR 3/4100 § 55 a AFG). Insoweit wird auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils verwiesen. Sicherlich ist auch hierbei zu beachten, daß die Haushaltslage allein nicht alleiniger Maßstab und Grundlage der Ermessensausübung sein darf, sondern daß letztlich nur nach Maßgabe des sachlichen Rechts zu entscheiden ist (BSG, a.a.O.).

Darüber hinaus ergibt sich auch kein Ermessensfehlgebrauch dadurch, daß möglicherweise, wie von der Klägerin auch vorgetragen, besondere Umstände des Einzelfalls nicht berücksichtigt wurden. Bei den Ermessensentscheidungen über die Gewährung von Überbrückungsgeld im Rahmen des § 55 a AFG hat das BSG in seiner Entscheidung vom 11. November 1993 – 7 RAr 52/93 in SozR 3/4100 § 55 a AFG darauf hingewiesen, daß bei derartigen Ermessensentscheidungen zwar nach ermessenslenkenden Richtlinien zu verfahren sei, jedoch darüber hinaus auch Raum für die Ausübung von Ermessen im Einzelfall bleiben muß. Es hat von daher eine Abwägung der Interessen der Klägerin und der Beklagten unter Berücksichtigung des Sinnes und Zweckes der Zahlung von Lohnkostenzuschüssen zu erfolgen. Sicherlich kann sich hierbei auch die Beklagte auf die Anweisung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Hessen vom 18. Februar 1992 Ic1-5598/3313 berufen, worin die Weisung an die hessischen Arbeitsämter in der Form weitergegeben wurde, daß die Haushaltsmittel bzw. die Aufwendungen für Lohnkostenzuschüsse wegen der angespannten Haushaltslage und der gestiegenen Aufwendungen zu strecken seien, und zwar in der Form, daß die Arbeitsämter ermächtigt blieben, sämtliche Ausgaben im notwendigen Umfange für bereits im Vorjahr bewilligte Maßnahmen und die Verlängerung von Maßnahmen zu leisten, wobei sich die zugeteilten Kopfzahlkontingente als Obergrenzen verstünden, die zwingend einzuhalten seien. Hierbei wurde mit Sicherheit auch berücksichtigt, daß Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld mit in die Lohnkostenzuschüsse einbezogen wurden und sich daher ein größerer Aufwand bzw. höhere Kosten ergaben. Dies allein kann wiederum nicht ausschließlich die Grundlage für die Ermessensentscheidung der Beklagten sein, eine Degression um 5 Prozentpunkte ab einem bestimmten Zeitpunkt einzuführen. Vielmehr muß erkennbar werden, daß sowohl unter Berücksichtigung der Haushaltslage als auch unter Berücksichtigung des Erlasses der Bundesanstalt für Arbeit individuelle Erwägungen zu dieser Entscheidung geführt haben. Hierbei ergibt sich aus den Widerspruchsbescheiden der Beklagten, daß durchaus diese individuellen Ermessenserwägungen angestellt wurden. Unter Hinweis auf § 39 Abs. 1 SGB I wird von der Beklagten darauf hingewiesen, daß bei allen vergleichbaren Fällen eine Herabsetzung des Zuschusses um 5 Prozentpunkte vorgenommen wurde und somit eine Gleichbehandlung aller hier zu entscheidenden Fälle vorgenommen wurde. Darüber hinaus ist zu bedenken, daß die Beklagte bei der Förderung im Einzelnen jeweils auf die individuellen Voraussetzungen beim einzustellenden Arbeitnehmer Rücksicht genommen hat und hierbei die Grenzen des § 97 Abs. 4 AFG voll ausgeschöpft hat. Dies führte dazu, daß je nach Dauer der vorangegangenen Arbeitslosigkeit die Höhe des Zuschusses individuell an den Arbeitnehmer angepaßt war, so daß insofern die Beklagte ihre Möglichkeiten im Rahmen des § 97 AFG in Verbindung auch mit § 6 der Anordnung III/78 ausgeschöpft hat. § 6 Abs. 3 der Anordnung sieht hierbei vor, daß bei der Festsetzung des Zuschusses das Arbeitsamt in der Person des Arbeitslosen liegende Umstände und die besonderen Verhältnisse des für ihn erreichbaren Arbeitsmarktes zu berücksichtigen hat. Dies hat die Beklagte getan und insofern Abwägungen vorgenommen, die auch den Maßstab des im Zusammenhang mit Überbrückungsgeld ergangenen Urteils des BSG vom 11. November 1993 erfüllt.

Schließlich ergibt sich auch kein Anspruch auf Förderung in der im Erstbescheid zugesagten Höhe aus einer möglichen Zusage der Beklagten, die jeweils im Erstbescheid gewährte Höhe des Zuschusses für die Gesamtdauer von acht Jahren beizubehalten. Die Zeugenaussagen in erster und zweiter Instanz haben ergeben, daß Übereinstimmung in der Frage der Dauer der Förderung (acht Jahre) bestand. Zudem sollte wohl auch angestrebt werden, eine ungeminderte Förderung über acht Jahre beizubehalten, wobei dies die Absicht aller Beteiligten war, jedoch die Beibehaltung dieser ungeminderten Förderung von der Weisungs- bzw. Gesetzeslage abhängig gemacht wurde. Zudem war auch jeweils eine Förderung für zunächst ein Jahr vereinbart mit der Möglichkeit der Verlängerung. Die Beklagte war daher in den Bescheiden jeweils daran gebunden, daß der formularmäßige Hinweis, daß spätestens nach Ablauf eines Förderungsjahres sich der der Förderung zugrundeliegende Prozentsatz um mindestens 10 Prozentpunkte verringere, durchgestrichen war. Mit Erlaß der angefochtenen Bescheide war sie jedoch hieran nicht mehr gebunden, da dieser Hinweis nicht mehr durchgestrichen wurde, sondern nunmehr auf die Degression von mindestens 5 Prozentpunkte hingewiesen wurde. Zudem hat die Beklagte in all ihren Bescheiden auf die Abhängigkeit von der Haushaltslage hingewiesen. Die Beklagte war keinesfalls befugt, von vornherein Zusagen in der Form zu machen, daß keine Degression für die Dauer des gesamten Förderungszeitraumes von acht Jahren eintrete. Die Aussage des im Termin vernommenen Zeugen K. Sch. diente der Abrundung dieser Auffassung. Hieraus ergibt sich letztlich zweifelsfrei, daß eine verbindliche Zusage seitens der Beklagten nicht erfolgte. Man war sich zwischen den Beteiligten einig in der Absicht, eine Förderung im höchstmöglichen Rahmen und auf möglichst lange Dauer zu gewährleisten, aber natürlich immer unter dem Weisungs- und Gesetzesvorbehalt.

Abgesehen davon hat das erstinstanzliche Urteil auch zu Recht darauf hingewiesen, daß diese Zusagen ohnehin nur im Rahmen des § 34 SGB X nämlich in schriftlicher Form erteilt werden können, um Grundlage für einen Rechtsanspruch zu sein. Von daher kann die Klägerin keinen Anspruch auf Beibehaltung der erstmalig zugesagten Höhe des Zuschusses auch nicht im Rahmen einer Zusicherung seitens der Beklagten geltend machen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision hat der Senat zugelassen, da er dem Rechtsstreit nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG grundsätzliche Bedeutung beimißt.
Rechtskraft
Aus
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