L 10 Ar 554/94

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 1 Ar 161/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 Ar 554/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. April 1995 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligen ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Teilnahme des Klägers an der beruflichen Bildungsmaßnahme "Meister im Elektrohandwerk”, die das Berufsbildungszentrum der Handwerkskammer in vom 1. September 1993 bis zum 29. April 1994 durchführte, durch Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu fördern.

Der im Jahre 1967 geborene Kläger, der die Ausbildung zum Elektroinstallateur mit dem Ablegen der Gesellenprüfung im Januar 1989 erfolgreich abgeschlossen hat, war anschließend bis August 1993, nur unterbrochen durch das Ableisten der gesetzlichen Wehrpflicht, als Elektroinstallateur abhängig beschäftigt.

Am 26. März 1993 beantragte der Kläger bei dem Arbeitsamt die Förderung seiner Teilnahme an der Bildungsmaßnahme "Meister im Elektrohandwerk” ab 1. September 1993.

Das Arbeitsamt Frankfurt am Main traf am 20. Juli 1993 die Feststellung, daß bei ihm 1 Angebot einer offenen Stelle für Elektromeister vorlag und 8 Elektroinstallateurmeister und 1 Elektromechaniker als arbeitsuchend gemeldet waren. Der Direktor des Arbeitsamts teilte dem Maßnahmeträger daraufhin mit, der von ihm ab 1. September 1993 vorgesehene Vorbereitungslehrgang auf die Meisterprüfung im Elektroinstallateurhandwerk könne nicht als unter Berücksichtigung von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig nach § 34 AFG anerkannt werden. Ergänzend wies der Direktor des Arbeitsamts in einem weiteren Schreiben an die Handwerkskammer auf die angespannte Haushaltssituation der Beklagen hin, die bei der Anerkennung von Maßnahmen der Aufstiegsfortbildung die Anlegung strengerer Kriterien als früher erfordere; entscheidungserheblich sei dabei auf die dem Arbeitsamt gemeldeten offenen Meisterstellen abzustellen.

Durch Bescheid vom 29. Oktober 1993 lehnte das Arbeitsamt den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, nach Mitteilung des Arbeitsamtes sei der von dem Kläger begonnene Lehrgang nicht als förderungsfähig gemäß § 34 AFG anerkannt worden. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 1993).

Mit seiner Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Ferner begehrte er, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, seine Teilnahme an der Bildungsmaßnahme zu fördern (Sozialgericht Frankfurt am Main, Az.: S-1/Ar-511/94 –A–).

Zur Begründung seiner Klage trug der Kläger vor, es bestehe auf dem Arbeitsmarkt ein ausgesprochener Bedarf an Elektro- bzw. Elektroinstallateurmeistern. Die von der Beklagten vorgelegten Zahlen über die Arbeitsmarktsituation seien realitätsfern.

Das Sozialgericht hat in dem Verfahren S-1/Ar-511/94 –A– zur Arbeitsmarktlage für Meister im Elektrohandwerk Beweis erhoben durch Vernehmung der Arbeitsvermittlerin vom Arbeitsamt in den mündlichen Verhandlung vom 8. März 1994 und 20. April 1994 und des Verwaltungsamtsrats beim Landesarbeitsamt Hessen in der mündlichen Verhandlung vom 20. April 1994 als sachverständige Zeugen. Zu dem Inhalt der Aussagen wird auf die Sitzungsniederschriften des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. März 1994 und 20. April 1994 verwiesen; die Aussagen der Zeugen sind zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht worden.

Durch Urteil vom 20. April 1994 wies das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage ab. In seinen Entscheidungsgründen führte das Gericht u.a. aus, es bestünden keine hinreichenden Gesichtspunkte für die Bejahung einer arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit der Maßnahme als solcher, an der der Kläger teilnehme. Vielmehr habe sich ergeben, daß die Maßnahme arbeitsmarktpolitisch nicht zweckmäßig im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AFG sei, weil sie – als solche und für Elektroinstallateurmeister generell betrachtet – auf berufliche (Meister) Tätigkeiten vorbereite, für die innerhalb angemessener Zeit auf dem in Betracht kommenden Arbeitsmarkt voraussichtlich – allgemein und über-individuell – keine (hinreichenden) Beschäftigungsmöglichkeiten vorhanden seien, so daß die von der Beklagten angestellte Prognose rechtlich nicht zu beanstanden sei. Im übrigen wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe (Blätter 57–69 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Gegen das ihm am 13. Mai 1994 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. Juni 1994 beim Sozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung seiner Berufung trägt er vor, die Arbeitsmarktprognose der Beklagten und auch die dazu getroffenen Feststellungen des Sozialgerichts entsprächen nicht der tatsächlichen Arbeitsmarktlage. Zwischen Juli 1993 und April 1994 habe sich die Zahl der offenen Stellen im Bereich der Elektroinstallateurmeister verdreifacht. Darüber hinaus sei nach der Aussage der Zeugin glaubhaft gemacht, daß nur 20–25 % der offenen Stellen vom Arbeitsmarkt erfaßt würden. Deshalb müsse die Zahl der offenen Stellen mit dem Faktor 4 bis 5 multipliziert werden. Demnach seien im Arbeitsamtsbezirk Frankfurt am Main im April 1994 etwa 12 bis 15 offene Stellen vorhanden gewesen. Bei den Arbeitsuchenden seien auf der anderen Seite die Langzeitarbeitslosen, die etwa 25 bis 50 % ausmachten, in Abzug zu bringen, da hier Sonderprobleme, bedingt durch Alter, Motivation, Akzeptanz und gesundheitliche Belastbarkeit vorlägen. Gut ein Drittel der Arbeitslosen sei deshalb in Abzug zu bringen. Das ergebe eine veränderte Statistik (20.7.93 = 4–5:5, 8.3.94 = 8–10:10, 15.4.94 = 12–15:5). Das Gericht mute dem Kläger eine aussichtslose Beweislage zu. Obwohl er glaubhaft machen könne, daß die Zahl der offenen Stellen um das Vier- bis Fünffache die registrierten Zahlen übersteige, verwerte das Gericht diese offen zutagetretende Erkenntnis nicht, weil es auch nicht registrierte arbeitslose Meister geben könne, über diese aber keinerlei Zahlen existieren. Dies sei rechtsstaatlich sehr bedenklich. Es sei zudem unwahrscheinlich, daß die Zahl der nicht gemeldeten Elektromeister nennenswert sei. Die Prognoseentscheidung des Arbeitsamts müsse auch in Rechnung stellen, daß die Wirtschaft angesichts der Massenarbeitslosigkeit und verschärfter Konkurrenz die Qualifikationsprofile anhebe. Das bedeute, daß der Kläger mit dem Meisterabschluß deutlich verbesserte relative Vermittlungschancen habe.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. April 1994 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Oktober 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 1993 zu verurteilen, die Teilnahme des Klägers an dem Vorbereitungslehrgang zur Meisterprüfung im Elektroinstallateurhandwerk ab 1. September 1993 in gesetzlichem Umfang zu fördern,
hilfsweise,
ein Sachverständigengutachten einzuholen bei dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zu dem Thema, daß im Zeitpunkt der Antragstellung durch die Massenarbeitslosigkeit die Anforderungsprofile auf dem Arbeitsmarkt in der Weise gehoben worden sind, daß vielfach statt Facharbeiter Meister vorrangig gesucht werden und daß die Vermittlungschancen des Klägers sich durch die Fortbildungsmaßnahme objektiv deutlich verbessert haben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich vollinhaltlich den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils an. Ergänzend trägt sie vor, bei der Beurteilung der arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit einer Bildungsmaßnahme habe das Maßnahme-Arbeitsamt je nach Bedeutung der Maßnahme (Belegung überwiegend aus dem eigenen Amtsbezirk oder überregionale Beteiligung) die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt einzubeziehen. Die Beurteilung des örtlichen Arbeitsmarktes habe im Falle des Klägers zum Zeitpunkt der Bewerbung – gestützt auf das Verhältnis der gemeldeten offenen Stellen und der gemeldeten Arbeitslosen aus dem gesamten Bereich – eine außerordentlich schlechte Beschäftigungsprognose für das Jahr 1994 (Maßnahmeende) ergeben. Auch die Einbeziehung des Arbeitsmarktes im Einzugs- und Pendelbereich führe zu dem Ergebnis, daß die Durchführung der Maßnahme unter Berücksichtigung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes nicht zweckmäßig gewesen sei. Die Zeugin habe überzeugend und wohlabgewogen dargestellt, daß der Arbeitsmarkt in dem betroffenen Berufsbereich derzeit und auch auf absehbare Zeit ungünstig sei. Auch seien die Voraussetzungen des § 36 Nr. 3 AFG im Falle des Klägers nicht gegeben. Die Auffassung des Klägers, daß auf dem Arbeitsmarkt eindeutig eine Aufwertung der Qualifikationsprofile stattfinde und sich daraus verbesserte Einmündungschancen für Meister ergäben, werde von ihr nicht geteilt.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakten einschließlich der beigezogenen Gerichtsakten des Sozialgerichts Frankfurt am Main S-1/Ar-511/94 – A – und die Verwaltungsakten der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Im Einverständnis der Beteiligten hat der Vorsitzende anstelle des Senats entschieden.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte und in rechter Form und Frist eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da die Berufung des Klägers aus den Gründen des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. April 1994 als unbegründet zurückzuweisen ist (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–). Zu der von dem Kläger in seiner Berufungsbegründung entwickelten Berechnungsmethode des Verhältnisses von offenen Stellen und Stellengesuchen im Bereich des Elektroinstallateurmeisterhandwerks hat das erstinstanzliche Gericht bereits Stellung genommen und zu Recht darauf hingewiesen, daß das von der Beklagten gewonnene Ergebnis auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß nur etwa 20 bis höchstens 25 Prozent der arbeitsmarktmäßig relevanten Stellen über die Arbeitsämter erfaßt werden, keine entscheidende Änderung erfährt.

Dem von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung am 3. März 1995 hilfsweise gestellten Beweisantrag war nicht stattzugeben, da die Beweisfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erheblich war.

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
Aus
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