Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 1 Ar 1102/90
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 Ar 412/92
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Januar 1992 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf höhere Arbeitslosenhilfe hat.
Der Kläger ist 1931 geboren. Beruflich war er vornehmlich als Kraftfahrer (Lkw) beschäftigt. Seit dem 9. Dezember 1985 bezog er von der Beklagten – mit Unterbrechungen – Arbeitslosengeld; dieser Anspruch war mit dem 19. Dezember 1989 erschöpft. Der Berechnung des Arbeitslosengeldes lag zuletzt als Bemessungsentgelt ein – gerundetes – wöchentliches Arbeitsentgelt von 610,00 DM zugrunde, woraus ein Zahlbetrag in Höhe von 267,60 DM pro Woche resultierte.
Am 25. November 1989 beantragte der Kläger für die Zeit ab 20. Dezember 1989 die Zahlung von Arbeitslosenhilfe. Dabei gab er an, aus gesundheitlichen Gründen nur noch zu leichten Tätigkeiten im Sitzen in der Lage zu sein. Die Beklagte gelangte daraufhin, gestützt auf ein arbeitsamtsärztliches Gutachten vom 22. Februar 1988, zu dem Ergebnis, daß der Kläger aus gesundheitlichen Gründen zwar nicht mehr als Lkw-Fahrer, jedoch noch ganztags eine überwiegend leichte, zeitweise auch mittelschwere Arbeit, in wechselnder Körperhaltung, verrichten könne. Das danach für ihn erzielbare höchste Arbeitsentgelt liege unter Zugrundelegung des Lohn-Rahmen-Tarifvertrages für die Arbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Hessens und einer Einstufung in die Lohngruppe 3 dieses Tarifvertrages bei einem Stundenlohn von 12,94 DM. Von seinem Leistungsvermögen her sei der Kläger an sich nur in die Lohngruppe 2 einzustufen, anerkannte Schwerbehinderte – wie der Kläger – hätten jedoch einen tariflichen Mindestanspruch auf den Grundlohn der Lohngruppe 3.
Auf dieser Grundlage errechnete nunmehr die Beklagte ein – gerundetes – wöchentliches Arbeitsentgelt von 480,00 DM und legte – statt des zuvor für das Arbeitslosengeld maßgeblichen Betrages von 610,00 DM – diesen Betrag der Bemessung der Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 20. Dezember 1989 zugrunde (Bescheide vom 25. Januar 1990 in der Fassung des Bescheides vom 8. März 1990). Daraus ergab sich ein Zahlbetrag für die Zeit ab 20. Dezember 1989 in Höhe von 187,20 DM wöchentlich und für die Zeit ab 1. Januar 1990 ein solcher in Höhe von 196,20 DM wöchentlich.
Mit seinem am 30. Januar 1990 erhobenen Widerspruch begehrte der Kläger eine unverminderte Beibehaltung des Bemessungsentgeltes, welches dem Arbeitslosengeld zugrunde lag; nach 40jähriger Tätigkeit als Lkw-Fahrer und entsprechender Beitragszahlung zur Arbeitslosenversicherung könne ihm nicht entgegengehalten werden, daß er nunmehr am Ende seines Arbeitslebens leistungsgemindert sei. Eine Verweisung auf die Sozialhilfe und ein Abdrängen in die Armut brauche er deshalb nicht klaglos hinzunehmen. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. April 1990 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dabei machte sie geltend, daß bei dem Übergang vom Arbeitslosengeld zur Arbeitslosenhilfe eine sog. Herabbemessung zulässig sei. Bei der Festsetzung der Höhe der Arbeitslosenhilfe habe deshalb nur noch von dem niedrigeren Arbeitsentgelt ausgegangen werden können, welches der Kläger unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Einschränkung auf dem Arbeitsmarkt erzielen könne.
Bereits am 29. März 1990 hat der Kläger bei dem Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main Klage erhoben, mit der er – nach Erlaß des Widerspruchsbescheides – ergänzend geltend machte, daß er zum Zeitpunkt der Herabstufung das 58. Lebensjahr bereits vollendet habe; eine Herabstufung aus gesundheitlichen Gründen sei deshalb nicht mehr möglich.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte am 12. Dezember 1990, 9. Januar 1991, 10. Juli 1991 und 22. Juli 1991 infolge Dynamisierung bzw. Änderungen bei der Zuordnung zur Leistungsgruppe weitere, die Höhe der Arbeitslosenhilfe betreffende Bescheide erlassen. Änderungen hinsichtlich des Ausgangsbetrages von 480,00 DM wöchentlich traten hierdurch indes nicht ein.
Durch Urteil vom 24. Januar 1992 hat das SG Frankfurt am Main die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 25. Januar 1990, 8. März 1990, 12. Dezember 1990, 9. Januar 1991, 10. Juli 1991 und 22. Juli 1991 sowie unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 3. April 1990 verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab 20. Dezember 1989 Anschluß-Arbeitslosenhilfe ohne Minderung des Arbeitsentgelts, nach dem sich zuletzt das Arbeitslosengeld gerichtet hat, zu bewilligen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, daß der Beklagten zwar grundsätzlich die Befugnis eingeräumt sei, auch schon bei der erstmaligen Feststellung des Anspruchs auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe von einem niedrigeren Arbeitsentgelt auszugehen als von dem, nach welchem zuletzt das Arbeitslosengeld bemessen worden sei. Im Falle des Klägers werde jedoch eine Herabbemessung durch § 136 Abs. 2 c Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ausgeschlossen, da dieser zum Zeitpunkt des Übergangs vom Arbeitslosengeld zur Arbeitslosenhilfe bereits das 58. Lebensjahr vollendet habe. Allerdings scheine sich aus dem Wortlaut der Vorschrift zu ergeben, daß in den Fällen, in denen – wie vorliegend – der Arbeitslose vor Entstehung des Anspruchs auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe das 58. Lebensjahr vollendet habe, bei der erstmaligen Bemessung der Leistung eine Herabbemessung nach § 136 Abs. 2 Satz 2 AFG möglich sei. Indes würden nach § 134 Abs. 4 Satz 1 AFG der Anspruch auf Arbeitslosengeld und der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, soweit nichts anderes bestimmt sei, als ein einheitlicher Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit gelten. Hieraus könne umgekehrt gefolgert werden, daß jedenfalls beim nahtlosen Übergang des Arbeitslosengeld-Anspruchs auf den Arbeitslosenhilfe-Anspruch nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen keine – originäre – "Entstehung” des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe im Sinne des § 136 Abs. 2 c AFG, die eine Minderung des Arbeitsentgelts ermögliche, vorliege. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift sollten bei Arbeitslosen, die das 58. Lebensjahr vollendet hätten, Gründe, die in ihrer Person oder in ihren Verhältnissen lägen, oder veränderte Arbeitsmarktverhältnisse nicht mehr das maßgebliche Arbeitsentgelt mindern. Bei diesem privilegierten Personenkreis solle bei fortdauernder Arbeitslosigkeit der Umstand, daß die Arbeitskraft altersbedingt zunehmend entwertet werde, nicht mehr leistungsmindernd berücksichtigt werden dürfen. Insoweit sei, durch § 136 Abs. 2 c AFG rechtlich geschützt, ein sozialpolitischer Bestandsschutz mit dem Erreichen der Altersgrenze von 58 Jahren eingetreten; danach eintretende Entwertungen der Arbeitskraft seien unschädlich. Bezogen auf diesen eindeutigen Schutzzweck der Regelung sei aber der Übergang von Arbeitslosengeld auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe unerheblich. § 136 Abs. 2 AFG sei somit in Verbindung mit § 134 Abs. 4 Satz 1 AFG dahingehend auszulegen, daß auch solche Arbeitslosen privilegiert seien, die beim Übergang vom Arbeitslosengeld auf die Anschluß-Arbeitslosenhilfe bei fortdauernder Arbeitslosigkeit bereits 58 Jahre alt seien. Nur diese Auslegung ergänze im übrigen harmonisch die Parallelvorschrift des § 112 Abs. 10 AFG, wonach, wenn der Arbeitslose das 58. Lebensjahr vollendet habe, das Arbeitsentgelt nach Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nicht mehr nach § 112 Abs. 8 AFG vermindert werde, wobei diese Regelung wiederum im Zusammenhang mit der Regelung des § 105 c AFG stehe, nach der Arbeitslose, die das 58. Lebensjahr vollendet hätten, unter erleichterten Voraussetzungen Arbeitslosengeld erhalten könnten.
Gegen dieses an sie am 13. April 1992 abgesandte Urteil hat die Beklagte am 8. Mai 1992 die – vom SG zugelassene – Berufung eingelegt. Nach ihrer Auffassung steht der Neubemessung der Arbeitslosenhilfe nicht § 136 Abs. 2 c AFG entgegen. Der Wortlaut dieser Vorschrift schließe eine Herabbemessung des Bemessungsentgeltes nur für Zeiten nach Entstehung des Arbeitslosenhilfeanspruchs aus, nicht dagegen eine Neubemessung bei der Entstehung dieses Anspruchs. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten bei Arbeitslosen, die das 58. Lebensjahr vollendet hätten, Gründe, die in ihrer Person oder in ihren Verhältnissen lägen, oder veränderte Arbeitsmarktverhältnisse nicht mehr das maßgebliche Arbeitsentgelt mindern. Lägen die Gründe bei der Entstehung des Anspruchs bereits vor, seien sie jedoch zu berücksichtigen. Die Wortwahl "nach der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe” in § 136 Abs. 2 c AFG stelle somit kein redaktionelles Versehen, sondern entspreche der Absicht des Gesetzgebers, wovon auch das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 14. Februar 1989 – 7 RAr 92/87 – ausgehe. Dieser Auffassung stehe § 134 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz AFG, der die Rechtsnatur des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe als eines einheitlichen Systems gestufter Leistungen zur Sicherung gegen die finanziellen Folgen von Arbeitslosigkeit unterstreiche, nicht entgegen. Tatbestände, die für den Anspruch auf Arbeitslosengeld rechtserheblich seien, sollten auch für den sich anschließenden Anspruch auf Arbeitslosenhilfe rechtserheblich bleiben. Dies gelte vor allem für das Erlöschen des Anspruchs aufgrund des wiederholten Eintritts einer Sperrzeit gemäß § 119 Abs. 3 AFG, aber auch im Zusammenhang mit der für die Zuordnung zur Leistungsgruppe maßgeblichen Lohnsteuerklasse (§ 113 Abs. 1 Satz 1 AFG). Trotz des einheitlichen Systems der Leistungen bei Arbeitslosigkeit beruhten diese Leistungen jedoch auf eigenständigen Anspruchsvoraussetzungen, so daß erst die Erfüllung der besonderen Voraussetzungen des § 134 AFG einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe begründe, für den eigene Bemessungsvorschriften bestünden. Im übrigen gelte der Anspruch auf Arbeitslosengeld und der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nur soweit als einheitlicher Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit, als "nichts anderes bestimmt ist”. Für den Bereich der Arbeitslosenhilfe bestimme jedoch § 136 Abs. 2 c AFG, daß das maßgebliche Arbeitsentgelt nach der Entstehung des Leistungsanspruchs nicht mehr gemindert werde, eine Minderung dementsprechend nicht ausgeschlossen sei, wenn die Gründe hierfür bereits bei der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe vorlägen. Insoweit sei "etwas anderes” bestimmt. Schließlich zöge eine andere Betrachtungsweise eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von Leistungsempfängern nach sich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Januar 1992 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Akten der Beklagten und der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die angefochtenen Bescheide, die, soweit sie nach Rechtshängigkeit der Klage ergangen sind, gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden sind, abgeändert. Der Kläger hat Anspruch darauf, daß ihm die Arbeitslosenhilfe ab 20. Dezember 1989 ohne Minderung des Arbeitsentgelts bewilligt wird, nach dem sich zuletzt sein Arbeitslosengeld gerichtet hat.
Gemäß § 136 Abs. 1 AFG in der vorliegend anwendbaren Fassung des Siebten AFG-Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 (BGBl. I S. 2484) beträgt die Arbeitslosenhilfe für Arbeitslose, denen ein anrechenbares Kind zugeordnet wird, 58 v.H. und für die übrigen Arbeitslosen 56 v.H. des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts. Arbeitsentgelt bei der sog. Anschluß-Arbeitslosenhilfe, die – wie das hier der Fall ist – aufgrund vorhergehenden Arbeitslosengeld-Bezugs gewährt wird, ist nach § 136 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AFG das Arbeitsentgelt, nach dem sich zuletzt das Arbeitslosengeld gerichtet hat oder ohne die Vorschrift des § 112 Abs. 8 AFG gerichtet hätte. Dem Arbeitslosengeld, das der Kläger zuletzt bis zum 19. Dezember 1989 von der Beklagten bezog, lag ein wöchentliches Arbeitsentgelt von 610,00 DM zugrunde. Dieses Arbeitsentgelt war demgemäß auch für die Bemessung der Arbeitslosenhilfe maßgebend.
Allerdings richtet sich abweichend von den vorgenannten Grundsätzen die Arbeitslosenhilfe nach dem Arbeitsentgelt im Sinne von § 112 Abs. 7 AFG, wenn und solange der Arbeitslose aus Gründen, die in seiner Person oder in seinen Verhältnissen liegen, nicht mehr das für die Bemessung der Arbeitslosenhilfe zuletzt maßgebende Arbeitsentgelt erzielen kann. Zutreffend gehen sowohl die Beklagte als auch das SG davon aus, daß diese Vorschrift dem Arbeitsamt die Befugnis einräumt, schon bei der erstmaligen Festsetzung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe von einem niedrigeren Arbeitsentgelt auszugehen als von dem, nach welchem zuletzt das Arbeitslosengeld bemessen worden war. Dies hat das BSG zutreffend sowohl der Gesetzesgeschichte als auch dem Sinngehalt des § 136 Abs. 2 Satz 2 AFG, der vorliegend ebenfalls in der Fassung des Siebten AFG-Änderungsgesetzes anzuwenden ist, entnommen (BSG SozR 4100 § 136 Nr. 7).
Im Falle des Klägers steht der grundsätzlichen Befugnis der Beklagten, von einem niedrigeren Arbeitsentgelt auszugehen, als von dem, welches dem Arbeitslosengeld zugrund lag, indes die Vorschrift des § 136 Abs. 2 c AFG entgegen. Danach wird das Arbeitsentgelt nach der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe nicht mehr nach § 136 Abs. 2 Satz 2 gemindert, wenn der Arbeitslose das 58. Lebensjahr vollendet hat. Der Wortlaut dieser Norm ("nach der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe”) spricht zwar für die Auffassung der Beklagten, daß in Fällen, in denen der Arbeitslose vor Entstehung des Anspruchs auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe das 58. Lebensjahr vollendet hat, eine Minderung des Arbeitsentgelts nach § 136 Abs. 2 Satz 2 AFG möglich bleibt. Diese Auffassung, die offensichtlich auch das BSG (a.a.O.), wenn auch lediglich in einem sog. obiter dictum, ausgesprochen hat, berücksichtigt indes nicht hinreichend die mit § 136 Abs. 2 c AFG im Zusammenhang stehende Vorschrift des § 134 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 AFG und Sinn und Zweck der hier in ihrer Auslegung streitigen Rechtsnorm. Beide Gesichtspunkte sprechen gegen die Rechtsansicht der Beklagten. Vielmehr ist § 136 Abs. 2 c AFG dahingehend auszulegen, daß die Vorschrift auch solche Arbeitslosen privilegiert, die beim Übergang vom Arbeitslosengeld auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe bei fortdauernder Arbeitslosigkeit bereits 58 Jahre alt sind.
Nach § 134 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 AFG gelten der Anspruch auf Arbeitslosengeld und der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, soweit nichts anderes bestimmt ist, als ein einheitlicher Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Zu Recht hat das SG hieraus abgeleitet, daß jedenfalls beim nahtlosen Übergang des Anspruchs auf Arbeitslosengeld auf den Anspruch auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen keine – originäre – "Entstehung” des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe im Sinne des § 136 Abs. 2 c AFG vorliegt. Bei Anwendung des § 134 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 AFG ist vielmehr ausreichend, daß der Anwendungsfall des § 136 Abs. 2 c AFG nach der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld liegt (Ebsen in: Gagel, AFG, § 136 Rdnr. 66). Zu Unrecht wendet demgegenüber die Beklagte ein, in § 136 Abs. 2 c AFG sei im Sinne des § 134 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AFG "etwas anderes” bestimmt. Davon kann deshalb keine Rede sein, weil es vorliegend gerade um die Auslegung von § 136 Abs. 2 c AFG und damit um die Frage geht, ob tatsächlich diese Vorschrift im Verhältnis zu der fraglichen Regelung in § 134 Abs. 4 AFG eine anderweitige Bestimmung enthält.
Für eine Privilegierung auch solcher Arbeitslosen, die beim Übergang vom Arbeitslosengeld auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe das 58. Lebensjahr vollendet haben, durch § 136 Abs. 2 c AFG sprechen entscheidend Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Die Bundesregierung hat in ihrer Begründung des Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes ausgeführt, daß bei Arbeitslosen, die das 58. Lebensjahr vollendet haben (nicht nur in den Fällen des § 105 c AFG), Gründe, die in ihrer Person oder in ihren Verhältnissen liegen, oder veränderte Arbeitsmarktverhältnisse nicht mehr das maßgebliche Arbeitsentgelt mindern sollen (Bundestags-Drucksache 10/4211 S. 26 zu Nr. 30 Abs. 2 d). Dieselbe Begründung findet sich in dem Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (Bundestags-Drucksache 10/3923, S. 25 zu Nr. 30 Buchst. d Abs. 2 d). Daraus ist als Sinn der Privilegierung der über 58jährigen arbeitslosen Arbeitnehmer zu entnehmen, daß die altersbedingt zunehmende Entwertung der Arbeitskraft bei fortdauernder Arbeitslosigkeit nicht mehr leistungsmindernd zu berücksichtigen ist. Dieser Sinn kommt auch deutlich durch den Hinweis in den jeweiligen Gesetzesbegründungen auf § 105 c AFG zum Ausdruck, wonach ältere Arbeitnehmer (nach Vollendung des 58. Lebensjahres), bei Arbeitslosigkeit auch dann Arbeitslosengeld beanspruchen können sollen, wenn sie nicht mehr bereit sind, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Diese Regelung sollte berücksichtigen, daß für den genannten Personenkreis im allgemeinen kein Arbeitsplatz mehr vermittelt werden kann, der ihrer bisherigen – in der Regel durch langjährige Betriebszugehörigkeit geprägten – Tätigkeit annähernd gleichwertig ist (Bundestags-Drucksache 10/3923 S. 21 zu Nr. 17).
Dieser aus der Begründung des Gesetzesentwurfs ergebende Gesetzeszweck wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Bundesregierung und die Fraktionen von CDU/CSU und FDP in den jeweiligen Gesetzesbegründungen weiter ausgeführt haben, daß Gründe, die bei "Entstehung des Anspruches” bereits vorliegen, zu berücksichtigen seien. Zu Recht hat das SG darauf hingewiesen, daß daraus für die Auslegung des § 136 Abs. 2 c AFG nichts gewonnen werden kann, weil mit der "Entstehung des Anspruchs” nicht zwingend der Arbeitslosenhilfeanspruch isoliert vom Arbeitslosengeldanspruch gemeint sein muß, sondern auch der einheitliche Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit im Sinne des § 134 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 AFG gemeint sein kann.
Mit Rücksicht auf § 134 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 AFG und auf Sinn und Zweck der Vorschrift begründet § 136 Abs. 2 c AFG auch nach Auffassung des erkennenden Senats einen Bestandsschutz mit dem Erreichen der Altersgrenze von 58 Jahren; danach eintretende Entwertungen der Arbeitskraft sind grundsätzlich unschädlich und dürfen insbesondere nicht mehr leistungsmindernd berücksichtigt werden (ebenso Ebsen, a.a.O.). Das gilt bei fortdauernder Arbeitslosigkeit auch beim Übergang vom Arbeitslosengeld auf die Anschluß-Arbeitslosenhilfe. Zu Unrecht wendet die Beklagte dagegen ein, diese Betrachtungsweise zöge eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von Leistungsempfängern nach sich. 58jährige und ältere Arbeitslose wären beim Übergang vom Arbeitslosengeld- in den Anschluß-Arbeitslosenhilfebezug insoweit privilegiert, als wegen der Anspruchseinheit dieser Leistungen eine Neufestsetzung des Bemessungsgeldes ausgeschlossen wäre. Ein 58jähriger oder älterer Arbeitsloser hingegen, der keinen Arbeitslosengeldanspruch erworben habe, sondern unmittelbar einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erwerbe, müsse mit einem nach § 136 Abs. 2 Satz 2 AFG festzusetzenden (geminderten) Arbeitsentgelt vom Beginn des Leistungsbezuges an rechnen. In dieser unterschiedlichen Behandlung liegt indes schon deshalb keine ungerechtfertigte (und deshalb auch nicht verfassungswidrige) Ungleichbehandlung, weil der erstgenannte Personenkreis die für den Anspruch auf Arbeitslosengeld viel weitergehenden Leistungsvoraussetzungen erfüllt, insbesondere durch die mehrjährige Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung die Anwartschaftszeit für das Arbeitslosengeld (§ 104 AFG) zurückgelegt hat. Dieser Umstand rechtfertigt dessen Privilegierung gegenüber Personen, die lediglich die Voraussetzungen für die originäre Arbeitslosenhilfe (§ 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 b AFG) erfüllt haben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf höhere Arbeitslosenhilfe hat.
Der Kläger ist 1931 geboren. Beruflich war er vornehmlich als Kraftfahrer (Lkw) beschäftigt. Seit dem 9. Dezember 1985 bezog er von der Beklagten – mit Unterbrechungen – Arbeitslosengeld; dieser Anspruch war mit dem 19. Dezember 1989 erschöpft. Der Berechnung des Arbeitslosengeldes lag zuletzt als Bemessungsentgelt ein – gerundetes – wöchentliches Arbeitsentgelt von 610,00 DM zugrunde, woraus ein Zahlbetrag in Höhe von 267,60 DM pro Woche resultierte.
Am 25. November 1989 beantragte der Kläger für die Zeit ab 20. Dezember 1989 die Zahlung von Arbeitslosenhilfe. Dabei gab er an, aus gesundheitlichen Gründen nur noch zu leichten Tätigkeiten im Sitzen in der Lage zu sein. Die Beklagte gelangte daraufhin, gestützt auf ein arbeitsamtsärztliches Gutachten vom 22. Februar 1988, zu dem Ergebnis, daß der Kläger aus gesundheitlichen Gründen zwar nicht mehr als Lkw-Fahrer, jedoch noch ganztags eine überwiegend leichte, zeitweise auch mittelschwere Arbeit, in wechselnder Körperhaltung, verrichten könne. Das danach für ihn erzielbare höchste Arbeitsentgelt liege unter Zugrundelegung des Lohn-Rahmen-Tarifvertrages für die Arbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Hessens und einer Einstufung in die Lohngruppe 3 dieses Tarifvertrages bei einem Stundenlohn von 12,94 DM. Von seinem Leistungsvermögen her sei der Kläger an sich nur in die Lohngruppe 2 einzustufen, anerkannte Schwerbehinderte – wie der Kläger – hätten jedoch einen tariflichen Mindestanspruch auf den Grundlohn der Lohngruppe 3.
Auf dieser Grundlage errechnete nunmehr die Beklagte ein – gerundetes – wöchentliches Arbeitsentgelt von 480,00 DM und legte – statt des zuvor für das Arbeitslosengeld maßgeblichen Betrages von 610,00 DM – diesen Betrag der Bemessung der Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 20. Dezember 1989 zugrunde (Bescheide vom 25. Januar 1990 in der Fassung des Bescheides vom 8. März 1990). Daraus ergab sich ein Zahlbetrag für die Zeit ab 20. Dezember 1989 in Höhe von 187,20 DM wöchentlich und für die Zeit ab 1. Januar 1990 ein solcher in Höhe von 196,20 DM wöchentlich.
Mit seinem am 30. Januar 1990 erhobenen Widerspruch begehrte der Kläger eine unverminderte Beibehaltung des Bemessungsentgeltes, welches dem Arbeitslosengeld zugrunde lag; nach 40jähriger Tätigkeit als Lkw-Fahrer und entsprechender Beitragszahlung zur Arbeitslosenversicherung könne ihm nicht entgegengehalten werden, daß er nunmehr am Ende seines Arbeitslebens leistungsgemindert sei. Eine Verweisung auf die Sozialhilfe und ein Abdrängen in die Armut brauche er deshalb nicht klaglos hinzunehmen. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. April 1990 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dabei machte sie geltend, daß bei dem Übergang vom Arbeitslosengeld zur Arbeitslosenhilfe eine sog. Herabbemessung zulässig sei. Bei der Festsetzung der Höhe der Arbeitslosenhilfe habe deshalb nur noch von dem niedrigeren Arbeitsentgelt ausgegangen werden können, welches der Kläger unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Einschränkung auf dem Arbeitsmarkt erzielen könne.
Bereits am 29. März 1990 hat der Kläger bei dem Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main Klage erhoben, mit der er – nach Erlaß des Widerspruchsbescheides – ergänzend geltend machte, daß er zum Zeitpunkt der Herabstufung das 58. Lebensjahr bereits vollendet habe; eine Herabstufung aus gesundheitlichen Gründen sei deshalb nicht mehr möglich.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte am 12. Dezember 1990, 9. Januar 1991, 10. Juli 1991 und 22. Juli 1991 infolge Dynamisierung bzw. Änderungen bei der Zuordnung zur Leistungsgruppe weitere, die Höhe der Arbeitslosenhilfe betreffende Bescheide erlassen. Änderungen hinsichtlich des Ausgangsbetrages von 480,00 DM wöchentlich traten hierdurch indes nicht ein.
Durch Urteil vom 24. Januar 1992 hat das SG Frankfurt am Main die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 25. Januar 1990, 8. März 1990, 12. Dezember 1990, 9. Januar 1991, 10. Juli 1991 und 22. Juli 1991 sowie unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 3. April 1990 verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab 20. Dezember 1989 Anschluß-Arbeitslosenhilfe ohne Minderung des Arbeitsentgelts, nach dem sich zuletzt das Arbeitslosengeld gerichtet hat, zu bewilligen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, daß der Beklagten zwar grundsätzlich die Befugnis eingeräumt sei, auch schon bei der erstmaligen Feststellung des Anspruchs auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe von einem niedrigeren Arbeitsentgelt auszugehen als von dem, nach welchem zuletzt das Arbeitslosengeld bemessen worden sei. Im Falle des Klägers werde jedoch eine Herabbemessung durch § 136 Abs. 2 c Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ausgeschlossen, da dieser zum Zeitpunkt des Übergangs vom Arbeitslosengeld zur Arbeitslosenhilfe bereits das 58. Lebensjahr vollendet habe. Allerdings scheine sich aus dem Wortlaut der Vorschrift zu ergeben, daß in den Fällen, in denen – wie vorliegend – der Arbeitslose vor Entstehung des Anspruchs auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe das 58. Lebensjahr vollendet habe, bei der erstmaligen Bemessung der Leistung eine Herabbemessung nach § 136 Abs. 2 Satz 2 AFG möglich sei. Indes würden nach § 134 Abs. 4 Satz 1 AFG der Anspruch auf Arbeitslosengeld und der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, soweit nichts anderes bestimmt sei, als ein einheitlicher Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit gelten. Hieraus könne umgekehrt gefolgert werden, daß jedenfalls beim nahtlosen Übergang des Arbeitslosengeld-Anspruchs auf den Arbeitslosenhilfe-Anspruch nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen keine – originäre – "Entstehung” des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe im Sinne des § 136 Abs. 2 c AFG, die eine Minderung des Arbeitsentgelts ermögliche, vorliege. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift sollten bei Arbeitslosen, die das 58. Lebensjahr vollendet hätten, Gründe, die in ihrer Person oder in ihren Verhältnissen lägen, oder veränderte Arbeitsmarktverhältnisse nicht mehr das maßgebliche Arbeitsentgelt mindern. Bei diesem privilegierten Personenkreis solle bei fortdauernder Arbeitslosigkeit der Umstand, daß die Arbeitskraft altersbedingt zunehmend entwertet werde, nicht mehr leistungsmindernd berücksichtigt werden dürfen. Insoweit sei, durch § 136 Abs. 2 c AFG rechtlich geschützt, ein sozialpolitischer Bestandsschutz mit dem Erreichen der Altersgrenze von 58 Jahren eingetreten; danach eintretende Entwertungen der Arbeitskraft seien unschädlich. Bezogen auf diesen eindeutigen Schutzzweck der Regelung sei aber der Übergang von Arbeitslosengeld auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe unerheblich. § 136 Abs. 2 AFG sei somit in Verbindung mit § 134 Abs. 4 Satz 1 AFG dahingehend auszulegen, daß auch solche Arbeitslosen privilegiert seien, die beim Übergang vom Arbeitslosengeld auf die Anschluß-Arbeitslosenhilfe bei fortdauernder Arbeitslosigkeit bereits 58 Jahre alt seien. Nur diese Auslegung ergänze im übrigen harmonisch die Parallelvorschrift des § 112 Abs. 10 AFG, wonach, wenn der Arbeitslose das 58. Lebensjahr vollendet habe, das Arbeitsentgelt nach Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nicht mehr nach § 112 Abs. 8 AFG vermindert werde, wobei diese Regelung wiederum im Zusammenhang mit der Regelung des § 105 c AFG stehe, nach der Arbeitslose, die das 58. Lebensjahr vollendet hätten, unter erleichterten Voraussetzungen Arbeitslosengeld erhalten könnten.
Gegen dieses an sie am 13. April 1992 abgesandte Urteil hat die Beklagte am 8. Mai 1992 die – vom SG zugelassene – Berufung eingelegt. Nach ihrer Auffassung steht der Neubemessung der Arbeitslosenhilfe nicht § 136 Abs. 2 c AFG entgegen. Der Wortlaut dieser Vorschrift schließe eine Herabbemessung des Bemessungsentgeltes nur für Zeiten nach Entstehung des Arbeitslosenhilfeanspruchs aus, nicht dagegen eine Neubemessung bei der Entstehung dieses Anspruchs. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten bei Arbeitslosen, die das 58. Lebensjahr vollendet hätten, Gründe, die in ihrer Person oder in ihren Verhältnissen lägen, oder veränderte Arbeitsmarktverhältnisse nicht mehr das maßgebliche Arbeitsentgelt mindern. Lägen die Gründe bei der Entstehung des Anspruchs bereits vor, seien sie jedoch zu berücksichtigen. Die Wortwahl "nach der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe” in § 136 Abs. 2 c AFG stelle somit kein redaktionelles Versehen, sondern entspreche der Absicht des Gesetzgebers, wovon auch das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 14. Februar 1989 – 7 RAr 92/87 – ausgehe. Dieser Auffassung stehe § 134 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz AFG, der die Rechtsnatur des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe als eines einheitlichen Systems gestufter Leistungen zur Sicherung gegen die finanziellen Folgen von Arbeitslosigkeit unterstreiche, nicht entgegen. Tatbestände, die für den Anspruch auf Arbeitslosengeld rechtserheblich seien, sollten auch für den sich anschließenden Anspruch auf Arbeitslosenhilfe rechtserheblich bleiben. Dies gelte vor allem für das Erlöschen des Anspruchs aufgrund des wiederholten Eintritts einer Sperrzeit gemäß § 119 Abs. 3 AFG, aber auch im Zusammenhang mit der für die Zuordnung zur Leistungsgruppe maßgeblichen Lohnsteuerklasse (§ 113 Abs. 1 Satz 1 AFG). Trotz des einheitlichen Systems der Leistungen bei Arbeitslosigkeit beruhten diese Leistungen jedoch auf eigenständigen Anspruchsvoraussetzungen, so daß erst die Erfüllung der besonderen Voraussetzungen des § 134 AFG einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe begründe, für den eigene Bemessungsvorschriften bestünden. Im übrigen gelte der Anspruch auf Arbeitslosengeld und der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nur soweit als einheitlicher Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit, als "nichts anderes bestimmt ist”. Für den Bereich der Arbeitslosenhilfe bestimme jedoch § 136 Abs. 2 c AFG, daß das maßgebliche Arbeitsentgelt nach der Entstehung des Leistungsanspruchs nicht mehr gemindert werde, eine Minderung dementsprechend nicht ausgeschlossen sei, wenn die Gründe hierfür bereits bei der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe vorlägen. Insoweit sei "etwas anderes” bestimmt. Schließlich zöge eine andere Betrachtungsweise eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von Leistungsempfängern nach sich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Januar 1992 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Akten der Beklagten und der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die angefochtenen Bescheide, die, soweit sie nach Rechtshängigkeit der Klage ergangen sind, gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden sind, abgeändert. Der Kläger hat Anspruch darauf, daß ihm die Arbeitslosenhilfe ab 20. Dezember 1989 ohne Minderung des Arbeitsentgelts bewilligt wird, nach dem sich zuletzt sein Arbeitslosengeld gerichtet hat.
Gemäß § 136 Abs. 1 AFG in der vorliegend anwendbaren Fassung des Siebten AFG-Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 (BGBl. I S. 2484) beträgt die Arbeitslosenhilfe für Arbeitslose, denen ein anrechenbares Kind zugeordnet wird, 58 v.H. und für die übrigen Arbeitslosen 56 v.H. des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts. Arbeitsentgelt bei der sog. Anschluß-Arbeitslosenhilfe, die – wie das hier der Fall ist – aufgrund vorhergehenden Arbeitslosengeld-Bezugs gewährt wird, ist nach § 136 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AFG das Arbeitsentgelt, nach dem sich zuletzt das Arbeitslosengeld gerichtet hat oder ohne die Vorschrift des § 112 Abs. 8 AFG gerichtet hätte. Dem Arbeitslosengeld, das der Kläger zuletzt bis zum 19. Dezember 1989 von der Beklagten bezog, lag ein wöchentliches Arbeitsentgelt von 610,00 DM zugrunde. Dieses Arbeitsentgelt war demgemäß auch für die Bemessung der Arbeitslosenhilfe maßgebend.
Allerdings richtet sich abweichend von den vorgenannten Grundsätzen die Arbeitslosenhilfe nach dem Arbeitsentgelt im Sinne von § 112 Abs. 7 AFG, wenn und solange der Arbeitslose aus Gründen, die in seiner Person oder in seinen Verhältnissen liegen, nicht mehr das für die Bemessung der Arbeitslosenhilfe zuletzt maßgebende Arbeitsentgelt erzielen kann. Zutreffend gehen sowohl die Beklagte als auch das SG davon aus, daß diese Vorschrift dem Arbeitsamt die Befugnis einräumt, schon bei der erstmaligen Festsetzung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe von einem niedrigeren Arbeitsentgelt auszugehen als von dem, nach welchem zuletzt das Arbeitslosengeld bemessen worden war. Dies hat das BSG zutreffend sowohl der Gesetzesgeschichte als auch dem Sinngehalt des § 136 Abs. 2 Satz 2 AFG, der vorliegend ebenfalls in der Fassung des Siebten AFG-Änderungsgesetzes anzuwenden ist, entnommen (BSG SozR 4100 § 136 Nr. 7).
Im Falle des Klägers steht der grundsätzlichen Befugnis der Beklagten, von einem niedrigeren Arbeitsentgelt auszugehen, als von dem, welches dem Arbeitslosengeld zugrund lag, indes die Vorschrift des § 136 Abs. 2 c AFG entgegen. Danach wird das Arbeitsentgelt nach der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe nicht mehr nach § 136 Abs. 2 Satz 2 gemindert, wenn der Arbeitslose das 58. Lebensjahr vollendet hat. Der Wortlaut dieser Norm ("nach der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe”) spricht zwar für die Auffassung der Beklagten, daß in Fällen, in denen der Arbeitslose vor Entstehung des Anspruchs auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe das 58. Lebensjahr vollendet hat, eine Minderung des Arbeitsentgelts nach § 136 Abs. 2 Satz 2 AFG möglich bleibt. Diese Auffassung, die offensichtlich auch das BSG (a.a.O.), wenn auch lediglich in einem sog. obiter dictum, ausgesprochen hat, berücksichtigt indes nicht hinreichend die mit § 136 Abs. 2 c AFG im Zusammenhang stehende Vorschrift des § 134 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 AFG und Sinn und Zweck der hier in ihrer Auslegung streitigen Rechtsnorm. Beide Gesichtspunkte sprechen gegen die Rechtsansicht der Beklagten. Vielmehr ist § 136 Abs. 2 c AFG dahingehend auszulegen, daß die Vorschrift auch solche Arbeitslosen privilegiert, die beim Übergang vom Arbeitslosengeld auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe bei fortdauernder Arbeitslosigkeit bereits 58 Jahre alt sind.
Nach § 134 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 AFG gelten der Anspruch auf Arbeitslosengeld und der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, soweit nichts anderes bestimmt ist, als ein einheitlicher Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Zu Recht hat das SG hieraus abgeleitet, daß jedenfalls beim nahtlosen Übergang des Anspruchs auf Arbeitslosengeld auf den Anspruch auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen keine – originäre – "Entstehung” des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe im Sinne des § 136 Abs. 2 c AFG vorliegt. Bei Anwendung des § 134 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 AFG ist vielmehr ausreichend, daß der Anwendungsfall des § 136 Abs. 2 c AFG nach der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld liegt (Ebsen in: Gagel, AFG, § 136 Rdnr. 66). Zu Unrecht wendet demgegenüber die Beklagte ein, in § 136 Abs. 2 c AFG sei im Sinne des § 134 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AFG "etwas anderes” bestimmt. Davon kann deshalb keine Rede sein, weil es vorliegend gerade um die Auslegung von § 136 Abs. 2 c AFG und damit um die Frage geht, ob tatsächlich diese Vorschrift im Verhältnis zu der fraglichen Regelung in § 134 Abs. 4 AFG eine anderweitige Bestimmung enthält.
Für eine Privilegierung auch solcher Arbeitslosen, die beim Übergang vom Arbeitslosengeld auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe das 58. Lebensjahr vollendet haben, durch § 136 Abs. 2 c AFG sprechen entscheidend Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Die Bundesregierung hat in ihrer Begründung des Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes ausgeführt, daß bei Arbeitslosen, die das 58. Lebensjahr vollendet haben (nicht nur in den Fällen des § 105 c AFG), Gründe, die in ihrer Person oder in ihren Verhältnissen liegen, oder veränderte Arbeitsmarktverhältnisse nicht mehr das maßgebliche Arbeitsentgelt mindern sollen (Bundestags-Drucksache 10/4211 S. 26 zu Nr. 30 Abs. 2 d). Dieselbe Begründung findet sich in dem Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (Bundestags-Drucksache 10/3923, S. 25 zu Nr. 30 Buchst. d Abs. 2 d). Daraus ist als Sinn der Privilegierung der über 58jährigen arbeitslosen Arbeitnehmer zu entnehmen, daß die altersbedingt zunehmende Entwertung der Arbeitskraft bei fortdauernder Arbeitslosigkeit nicht mehr leistungsmindernd zu berücksichtigen ist. Dieser Sinn kommt auch deutlich durch den Hinweis in den jeweiligen Gesetzesbegründungen auf § 105 c AFG zum Ausdruck, wonach ältere Arbeitnehmer (nach Vollendung des 58. Lebensjahres), bei Arbeitslosigkeit auch dann Arbeitslosengeld beanspruchen können sollen, wenn sie nicht mehr bereit sind, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Diese Regelung sollte berücksichtigen, daß für den genannten Personenkreis im allgemeinen kein Arbeitsplatz mehr vermittelt werden kann, der ihrer bisherigen – in der Regel durch langjährige Betriebszugehörigkeit geprägten – Tätigkeit annähernd gleichwertig ist (Bundestags-Drucksache 10/3923 S. 21 zu Nr. 17).
Dieser aus der Begründung des Gesetzesentwurfs ergebende Gesetzeszweck wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Bundesregierung und die Fraktionen von CDU/CSU und FDP in den jeweiligen Gesetzesbegründungen weiter ausgeführt haben, daß Gründe, die bei "Entstehung des Anspruches” bereits vorliegen, zu berücksichtigen seien. Zu Recht hat das SG darauf hingewiesen, daß daraus für die Auslegung des § 136 Abs. 2 c AFG nichts gewonnen werden kann, weil mit der "Entstehung des Anspruchs” nicht zwingend der Arbeitslosenhilfeanspruch isoliert vom Arbeitslosengeldanspruch gemeint sein muß, sondern auch der einheitliche Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit im Sinne des § 134 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 AFG gemeint sein kann.
Mit Rücksicht auf § 134 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 AFG und auf Sinn und Zweck der Vorschrift begründet § 136 Abs. 2 c AFG auch nach Auffassung des erkennenden Senats einen Bestandsschutz mit dem Erreichen der Altersgrenze von 58 Jahren; danach eintretende Entwertungen der Arbeitskraft sind grundsätzlich unschädlich und dürfen insbesondere nicht mehr leistungsmindernd berücksichtigt werden (ebenso Ebsen, a.a.O.). Das gilt bei fortdauernder Arbeitslosigkeit auch beim Übergang vom Arbeitslosengeld auf die Anschluß-Arbeitslosenhilfe. Zu Unrecht wendet die Beklagte dagegen ein, diese Betrachtungsweise zöge eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von Leistungsempfängern nach sich. 58jährige und ältere Arbeitslose wären beim Übergang vom Arbeitslosengeld- in den Anschluß-Arbeitslosenhilfebezug insoweit privilegiert, als wegen der Anspruchseinheit dieser Leistungen eine Neufestsetzung des Bemessungsgeldes ausgeschlossen wäre. Ein 58jähriger oder älterer Arbeitsloser hingegen, der keinen Arbeitslosengeldanspruch erworben habe, sondern unmittelbar einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erwerbe, müsse mit einem nach § 136 Abs. 2 Satz 2 AFG festzusetzenden (geminderten) Arbeitsentgelt vom Beginn des Leistungsbezuges an rechnen. In dieser unterschiedlichen Behandlung liegt indes schon deshalb keine ungerechtfertigte (und deshalb auch nicht verfassungswidrige) Ungleichbehandlung, weil der erstgenannte Personenkreis die für den Anspruch auf Arbeitslosengeld viel weitergehenden Leistungsvoraussetzungen erfüllt, insbesondere durch die mehrjährige Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung die Anwartschaftszeit für das Arbeitslosengeld (§ 104 AFG) zurückgelegt hat. Dieser Umstand rechtfertigt dessen Privilegierung gegenüber Personen, die lediglich die Voraussetzungen für die originäre Arbeitslosenhilfe (§ 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 b AFG) erfüllt haben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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