Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 143/74
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 163/75
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Einem französischen Staatsangehörigen, der während des letzten Krieges als Arbeitnehmer eines französischen Unternehmens im Gebiet der heutigen DDR einen Arbeitsunfall erlitt, steht keine Verletztenrente zu.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Oktober 1974 wird zurück- und die Klage gegen den Bescheid vom 23. Juni 1976 abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der im Jahre 1913 geborene Kläger, der früher deutscher Staatsangehöriger war, wohnt seit 1924 in Frankreich. Seit dem 16. März 1939 ist er französischer Staatsangehöriger. Als Arbeitnehmer der Firma R. C. mit Sitz in P. war er im Jahre 1942 im Werk M. der Braunkohle-Benzin AG tätig, wo er im August des gleichen Jahres einen Arbeitsunfall erlitt, bei dem die rechte Hand betroffen wurde. Deswegen bekam er von der Magdeburgischen Baugewerks-Berufsgenossenschaft gemäß Bescheid vom 1. Oktober 1943 eine monatliche Verletztenrente in Höhe von 41,– RM.
Am 4. November 1971 beantragte er bei der Beklagten über den Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften die Wiedergewährung der Verletztenrente. Die Beklagte lehnte diese mit Bescheid vom 10. September 1973 ab. Zur Begründung führte sie aus, daß nach § 12 des Fremdrentengesetzes – FRG – der Anspruch auf Verletztenrente ruhe, da der Kläger sich als Berechtigter gewöhnlich außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, nämlich in Frankreich aufhalte.
Gegen diesen ihm am 4. Oktober 1973 zugestellten Bescheid hat der Kläger mit dem bei der Beklagten am 24. Oktober 1973 eingegangenen Schreiben vom 22. Oktober 1973, das dem Sozialgericht Frankfurt am Main – SG – am 3. Mai 1974 vorgelegt worden ist, Klage erhoben. Das SG hat mit Urteil vom 18. Oktober 1974 die Klage aus den Gründen des angefochtenen Bescheides abgewiesen.
Gegen dieses ihm gegen Rückschein am 12. Dezember 1974 ausgehändigte Urteil hat der Kläger bei dem Hessischen Landessozialgericht am 29. Januar 1975 Berufung eingelegt.
Auf Antrage im Berufungsverfahren hat der Kläger die französische Einbürgerungsurkunde vom 16. März 1939 vorgelegt und erklärt, daß er seit 1924 in Frankreich lebe und weder z.Zt. des Arbeitsunfalls Deutscher i.S. des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – GG – noch früherer deutscher Staatsangehöriger i.S. des Art. 116 Abs. 2 S. 1 GG gewesen sei. Die Beklagte hat hierauf mit Schriftsatz vom 23. Juni 1976 erklärt, daß dem Kläger auch keine Leistungen nach § 13 FRG zu gewähren seien. Ein Widerspruchsbescheid werde deshalb nicht erteilt.
Der Kläger meint nach wie vor, daß die Beklagte zu Unrecht das Ruhen der ihm zustehenden Verletztenrente angeordnet habe.
Er beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Oktober 1974 sowie die Bescheide vom 10. September 1973 und vom 23. Juni 1976 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des am 8. August 1942 erlittenen Arbeitsunfalls Verletztenrente in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Unfall- und Streitakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist jedoch nicht begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte nicht aufgehoben werden, da die angefochtenen Bescheide nicht rechtswidrig sind.
Zunächst stellt der Senat fest, daß der Kläger im Jahre 1942 für die in P. ansässige Firma R. C. für die Braunkohle-Benzin AG in M. als Zimmerer tätig war und dort im August 1942 bei einem Arbeitsunfall verschiedene Verletzungen an der rechten Hand erlitt. Er bezog deshalb seit dem 1. Oktober 1943 von der Magdeburgischen Baugewerks-Berufsgenossenschaft eine Verletztenrente von monatlich 41,– RM. Diese ergeben die Bescheinigungen des Arbeitsamtes M. vom 2. Oktober 1942 sowie seines Arbeitgebers vom 7. Oktober 1942 und dessen Abrechnung über den Lohn für die Woche bis zum 26. Juli 1942. Außerdem folgt dies aus den Mitteilungen der Magdeburgischen Baugewerks-Berufsgenossenschaft an den Kläger vom 20. Oktober 1942 und 23. Oktober 1943.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des FRG wird nach den für die gesetzliche Unfallversicherung maßgebenden bundesrechtlichen Vorschriften auch ein außerhalb des Geltungsbereiches des FRG (Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes Berlin) eingetretener Arbeitsunfall dann entschädigt, wenn der Verletzte im Zeitpunkt des Unfalls bei einem deutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war. Obwohl dies nach den oben getroffenen Feststellungen hier der Fall ist, war von der Beklagten zu Recht das Ruhen der Verletztenrente nach § 12 Abs. 1 und 2 FRG anzuordnen. Nach dieser Bestimmung ruht eine nach § 5 FRG zu gewährende Rente solange, wie sich der Berechtigte außerhalb des Geltungsbereichs des FRG gewöhnlich aufhält. Das ist bei dem Kläger, wie er selbst vorbringt, der Fall. Er hält sich bereits seit 1924 bis zum heutigen Tag gewöhnlich in Frankreich auf.
Das nach § 12 FRG bestimmte Ruhen der Rente wird auch nicht von Vorschriften des zwischen- oder überstaatlichen Rechts berührt. Zwar sieht das Übereinkommen Nr. 19 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vom 5. Juni 1925 (Reichsgesetzblatt II, 928, 509), dem sowohl Frankreich (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 59 a zu § 625 RVO) als auch die Bundesrepublik Deutschland (vgl. Lauterbach, a.a.O., Anm. 38 zu § 625 RVO) beigetreten sind, die Gleichbehandlung einheimischer und ausländischer Arbeitnehmer bei der Entschädigung aus Anlässen von Betriebsunfällen (Arbeitsunfällen) vor. Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz gilt auch hinsichtlich des Wohnsitzes. Indessen hat die Bundesrepublik Deutschland bei ihrer Wiederaufnahme in die ILO am 12. Juni 1951 ihre Verpflichtung auf Leistungen beschränkt, die in ihrem Hoheitsreich entstanden sind oder entstehen (vgl. Lauterbach, a.a.O., Anm. 38 zu § 625 RVO unter Hinweis auf den Erlaß des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 8. August 1951 in Bundesarbeitsblatt 1951, 389). Da der Kläger den Arbeitsunfall auf einem Gebiet erlitt, daß nicht zum heutigen Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland gehört, kann er daher wegen der Folgen dieses Arbeitsunfalles nach dem Übereinkommen Nr. 19 der ILO gegenüber der Beklagten keine Entschädigungsansprüche geltend machen.
An dieser Rechtslage hat sich weder durch die bis zum 30. September 1972 geltenden EWG-Verordnungen Nr. 3 und 4. noch durch die am 1. Oktober 1972 in Kraft getretenen EG-Verordnungen Nr. 1408/71 und 574/72 etwas geändert. Im Anhang G Teil I der EWG-Verordnung Nr. 3 ist bezüglich der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften nur bestimmt, daß die (Versicherungs-)Träger in der Bundesrepublik Deutschland Personen, auf welche der Vertrag anzuwenden ist und die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnen, Leistungen aus der Versicherung gegen Arbeitsunfälle gewähren, wenn es sich um Fälle handelt, die vor oder nach der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland in deren Hoheitsgebiet eingetreten sind und das als Arbeitsunfälle auch Unfälle gelten, die sich im Zusammenhang mit einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland außerhalb des Hoheitsgebietes ereignet haben. Da der Kläger jedoch außerhalb des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland für ein französisches Unternehmen tätig war, ist ein Zusammenhang mit einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeschlossen. Die Aufhebung der EWG-Verordnung Nr. 3 durch die Verordnung Nr. 1408/71 (und 574/72) des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 14. Juni 1971 zur Anwendung des Systems der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, hat zu keiner Änderung geführt. Zwar bestimmt Art. 10 der Verordnung Nr. 1408/71, daß Renten bei Arbeitsunfällen nicht deshalb zum Ruhen gebracht werden dürfen, weil der Berechtigte im Gebiet eines anderen Staates wohnt, in dessen Gebiet der zur Zahlung verpflichtete Versicherungsträger seinen Sitz hat. Nach Anhang V B 1 b der Verordnung Nr. 1408/71 berührt jedoch Art. 10 nicht die deutschen Rechtsvorschriften, nach denen für Unfälle, die außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland eingetreten sind, Leistungen an Berechtigte außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen gezahlt werden dürfen. Auch hier ist eine Abgrenzung gewollt (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 1973 – 2 RU 209/71 – in SozR Nr. 2 zu Art. 20 Abkommen Niederlande SozVers. mit weiteren Nachweisen). Damit ist die Regelung des § 12 FRG nicht durch diese Verordnung außer Kraft gesetzt. Sie bleibt auch auf den Kläger nach wie vor anwendbar.
Er kann sich aber auch nicht auf das am 1. Januar 1952 in Kraft getretene Gesetz über das Allgemeine Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die soziale Sicherheit nebst 4 Zusatzvereinbarungen und drei Protokollen vom 10. Juli 1950 berufen (vgl. Bundesgesetzblatt II. 1951, s. 177 ff.). Nach Kapitel 6 Art. 19 des Abkommens finden auf die Staatsangehörigen eines der beiden vertragschließenden Länder die Vorschriften der Gesetzgebung des anderen Landes über Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten zwar insoweit keine Anwendung, als sie die Rechte der Ausländer einschränken oder sie wegen ihres Wohnsitzes benachteiligen. § 12 FRG benachteiligt den Kläger jedoch nicht deswegen, weil er Ausländer ist. Auch bei deutschen Staatsangehörigen ruht nach § 12 FRG die Rente, sofern es sich um eine solche handelt, die ihm nach § 5 FRG zu gewähren wäre und er sich gewöhnlich außerhalb des Geltungsbereichs des FRG aufhält. Hiervon abgesehen, sind die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich am 18. Juni 1955 dahin übereingekommen, daß das Übereinkommen Nr. 19 der ILO auch auf Arbeitsunfälle in der Zeit zwischen dem 19. Oktober 1935 und dem 1. Juli 1951 anzuwenden ist. Insoweit hatte die Bundesrepublik Deutschland, wie bereits oben ausgeführt, aber bei ihrem Wiedereintritt zur ILO am 12. Juni 1951 ausdrücklich erklärt, daß sie lediglich für Verpflichtungen einstehe, die in ihrem Hoheitsbereich entstanden sind oder entstehen werden.
Eine Zahlung von Verletztenrente kommt für den Kläger aber auch nicht nach § 13 FRG in Betracht. Die Beklagte hat die Gewährung einer Leistung nach dieser Bestimmung mit ihrem Schriftsatz vom 23. Juni 1976 abgelehnt. Zwar handelt es sich insoweit nicht um einen förmlichen Bescheid. Da dieser Schriftsatz aber die Ablehnung einer Leistung nach § 13 FRG enthält, stellt er einen Verwaltungsakt dar, der Gegenstand des Verfahrens im 2. Rechtszuge geworden ist und als mit der Klage angefochten gilt (§ 96 SGG). Nach § 13 Abs. 1 FRG kann Rente einem Deutschen i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG oder einem früheren deutschen Staatsangehörigen i.S. des Art. 116 Abs. 2 S. 1 GG, der sich im Gebiet eines auswärtigen Staates aufhält, in dem die Bundesrepublik Deutschland eine amtliche Vertretung hat, gezahlt werden, wenn der Arbeitsunfall vor dem 9. Mai 1945 außerhalb des Geltungsbereichs des FRG eingetreten ist und der Berechtigte hierfür von einem Deutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zu entschädigen war. Der Senat kann, obwohl es sich hierbei um eine in das Ermessen der Beklagten gestellte Leistung handelt, die nicht als solche der sozialen Sicherheit gilt, und die Beklagte keinen Widerspruchsbescheid erlassen hat, entscheiden. Zwar war insoweit ein Vorverfahren durchzuführen (§ 78 Abs. 1 und 2 SGG); indessen ist es hier, da die Beklagte die Durchführung eines Vorverfahrens und den Erlaß eines Widerspruchsbescheides ausdrücklich abgelehnt hat, wie ihr Schriftsatz vom 23. Juni 1976 zeigt, entbehrlich. Seine Erfolglosigkeit steht nämlich fest (vgl. im einzelnen Bettermann in DVBl. 1959, 308; Haueisen in JW 1961, 2329 in Fußnote 19; Hauck in NJW 1958, 330; Plagemann JZ 1959, 381; LSG Nordrhein-Westfalen in Breithaupt 1959, 9; Bundesverwaltungsgericht in E 4, 213; DV 1959, 770, NJW 1960, 883; DÖV 1970, 284; Peters-Sautter-Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 4 g zu § 78 SGG). Der Kläger erfüllt indessen nicht die Voraussetzungen nach § 13 FRG. Er ist nämlich z. Zt. des Arbeitsunfalls im August 1942 nach eigenem Vorbringen und nach der von ihm vorgelegten Einbürgerungsurkunde bereits französischer und nicht deutscher Staatsangehöriger gewesen. Da er bereits seit 1924 in Frankreich lebt, hatte er weder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling im Gebiete des deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden (Art. 116 Abs. 1 GG), noch ist ihm die frühere deutsche Staatsangehörigkeit zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden (Art. 116 Abs. 2 S. 1 GG).
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der im Jahre 1913 geborene Kläger, der früher deutscher Staatsangehöriger war, wohnt seit 1924 in Frankreich. Seit dem 16. März 1939 ist er französischer Staatsangehöriger. Als Arbeitnehmer der Firma R. C. mit Sitz in P. war er im Jahre 1942 im Werk M. der Braunkohle-Benzin AG tätig, wo er im August des gleichen Jahres einen Arbeitsunfall erlitt, bei dem die rechte Hand betroffen wurde. Deswegen bekam er von der Magdeburgischen Baugewerks-Berufsgenossenschaft gemäß Bescheid vom 1. Oktober 1943 eine monatliche Verletztenrente in Höhe von 41,– RM.
Am 4. November 1971 beantragte er bei der Beklagten über den Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften die Wiedergewährung der Verletztenrente. Die Beklagte lehnte diese mit Bescheid vom 10. September 1973 ab. Zur Begründung führte sie aus, daß nach § 12 des Fremdrentengesetzes – FRG – der Anspruch auf Verletztenrente ruhe, da der Kläger sich als Berechtigter gewöhnlich außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, nämlich in Frankreich aufhalte.
Gegen diesen ihm am 4. Oktober 1973 zugestellten Bescheid hat der Kläger mit dem bei der Beklagten am 24. Oktober 1973 eingegangenen Schreiben vom 22. Oktober 1973, das dem Sozialgericht Frankfurt am Main – SG – am 3. Mai 1974 vorgelegt worden ist, Klage erhoben. Das SG hat mit Urteil vom 18. Oktober 1974 die Klage aus den Gründen des angefochtenen Bescheides abgewiesen.
Gegen dieses ihm gegen Rückschein am 12. Dezember 1974 ausgehändigte Urteil hat der Kläger bei dem Hessischen Landessozialgericht am 29. Januar 1975 Berufung eingelegt.
Auf Antrage im Berufungsverfahren hat der Kläger die französische Einbürgerungsurkunde vom 16. März 1939 vorgelegt und erklärt, daß er seit 1924 in Frankreich lebe und weder z.Zt. des Arbeitsunfalls Deutscher i.S. des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – GG – noch früherer deutscher Staatsangehöriger i.S. des Art. 116 Abs. 2 S. 1 GG gewesen sei. Die Beklagte hat hierauf mit Schriftsatz vom 23. Juni 1976 erklärt, daß dem Kläger auch keine Leistungen nach § 13 FRG zu gewähren seien. Ein Widerspruchsbescheid werde deshalb nicht erteilt.
Der Kläger meint nach wie vor, daß die Beklagte zu Unrecht das Ruhen der ihm zustehenden Verletztenrente angeordnet habe.
Er beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Oktober 1974 sowie die Bescheide vom 10. September 1973 und vom 23. Juni 1976 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des am 8. August 1942 erlittenen Arbeitsunfalls Verletztenrente in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Unfall- und Streitakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist jedoch nicht begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte nicht aufgehoben werden, da die angefochtenen Bescheide nicht rechtswidrig sind.
Zunächst stellt der Senat fest, daß der Kläger im Jahre 1942 für die in P. ansässige Firma R. C. für die Braunkohle-Benzin AG in M. als Zimmerer tätig war und dort im August 1942 bei einem Arbeitsunfall verschiedene Verletzungen an der rechten Hand erlitt. Er bezog deshalb seit dem 1. Oktober 1943 von der Magdeburgischen Baugewerks-Berufsgenossenschaft eine Verletztenrente von monatlich 41,– RM. Diese ergeben die Bescheinigungen des Arbeitsamtes M. vom 2. Oktober 1942 sowie seines Arbeitgebers vom 7. Oktober 1942 und dessen Abrechnung über den Lohn für die Woche bis zum 26. Juli 1942. Außerdem folgt dies aus den Mitteilungen der Magdeburgischen Baugewerks-Berufsgenossenschaft an den Kläger vom 20. Oktober 1942 und 23. Oktober 1943.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des FRG wird nach den für die gesetzliche Unfallversicherung maßgebenden bundesrechtlichen Vorschriften auch ein außerhalb des Geltungsbereiches des FRG (Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes Berlin) eingetretener Arbeitsunfall dann entschädigt, wenn der Verletzte im Zeitpunkt des Unfalls bei einem deutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war. Obwohl dies nach den oben getroffenen Feststellungen hier der Fall ist, war von der Beklagten zu Recht das Ruhen der Verletztenrente nach § 12 Abs. 1 und 2 FRG anzuordnen. Nach dieser Bestimmung ruht eine nach § 5 FRG zu gewährende Rente solange, wie sich der Berechtigte außerhalb des Geltungsbereichs des FRG gewöhnlich aufhält. Das ist bei dem Kläger, wie er selbst vorbringt, der Fall. Er hält sich bereits seit 1924 bis zum heutigen Tag gewöhnlich in Frankreich auf.
Das nach § 12 FRG bestimmte Ruhen der Rente wird auch nicht von Vorschriften des zwischen- oder überstaatlichen Rechts berührt. Zwar sieht das Übereinkommen Nr. 19 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vom 5. Juni 1925 (Reichsgesetzblatt II, 928, 509), dem sowohl Frankreich (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 59 a zu § 625 RVO) als auch die Bundesrepublik Deutschland (vgl. Lauterbach, a.a.O., Anm. 38 zu § 625 RVO) beigetreten sind, die Gleichbehandlung einheimischer und ausländischer Arbeitnehmer bei der Entschädigung aus Anlässen von Betriebsunfällen (Arbeitsunfällen) vor. Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz gilt auch hinsichtlich des Wohnsitzes. Indessen hat die Bundesrepublik Deutschland bei ihrer Wiederaufnahme in die ILO am 12. Juni 1951 ihre Verpflichtung auf Leistungen beschränkt, die in ihrem Hoheitsreich entstanden sind oder entstehen (vgl. Lauterbach, a.a.O., Anm. 38 zu § 625 RVO unter Hinweis auf den Erlaß des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 8. August 1951 in Bundesarbeitsblatt 1951, 389). Da der Kläger den Arbeitsunfall auf einem Gebiet erlitt, daß nicht zum heutigen Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland gehört, kann er daher wegen der Folgen dieses Arbeitsunfalles nach dem Übereinkommen Nr. 19 der ILO gegenüber der Beklagten keine Entschädigungsansprüche geltend machen.
An dieser Rechtslage hat sich weder durch die bis zum 30. September 1972 geltenden EWG-Verordnungen Nr. 3 und 4. noch durch die am 1. Oktober 1972 in Kraft getretenen EG-Verordnungen Nr. 1408/71 und 574/72 etwas geändert. Im Anhang G Teil I der EWG-Verordnung Nr. 3 ist bezüglich der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften nur bestimmt, daß die (Versicherungs-)Träger in der Bundesrepublik Deutschland Personen, auf welche der Vertrag anzuwenden ist und die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnen, Leistungen aus der Versicherung gegen Arbeitsunfälle gewähren, wenn es sich um Fälle handelt, die vor oder nach der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland in deren Hoheitsgebiet eingetreten sind und das als Arbeitsunfälle auch Unfälle gelten, die sich im Zusammenhang mit einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland außerhalb des Hoheitsgebietes ereignet haben. Da der Kläger jedoch außerhalb des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland für ein französisches Unternehmen tätig war, ist ein Zusammenhang mit einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeschlossen. Die Aufhebung der EWG-Verordnung Nr. 3 durch die Verordnung Nr. 1408/71 (und 574/72) des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 14. Juni 1971 zur Anwendung des Systems der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, hat zu keiner Änderung geführt. Zwar bestimmt Art. 10 der Verordnung Nr. 1408/71, daß Renten bei Arbeitsunfällen nicht deshalb zum Ruhen gebracht werden dürfen, weil der Berechtigte im Gebiet eines anderen Staates wohnt, in dessen Gebiet der zur Zahlung verpflichtete Versicherungsträger seinen Sitz hat. Nach Anhang V B 1 b der Verordnung Nr. 1408/71 berührt jedoch Art. 10 nicht die deutschen Rechtsvorschriften, nach denen für Unfälle, die außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland eingetreten sind, Leistungen an Berechtigte außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen gezahlt werden dürfen. Auch hier ist eine Abgrenzung gewollt (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 1973 – 2 RU 209/71 – in SozR Nr. 2 zu Art. 20 Abkommen Niederlande SozVers. mit weiteren Nachweisen). Damit ist die Regelung des § 12 FRG nicht durch diese Verordnung außer Kraft gesetzt. Sie bleibt auch auf den Kläger nach wie vor anwendbar.
Er kann sich aber auch nicht auf das am 1. Januar 1952 in Kraft getretene Gesetz über das Allgemeine Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die soziale Sicherheit nebst 4 Zusatzvereinbarungen und drei Protokollen vom 10. Juli 1950 berufen (vgl. Bundesgesetzblatt II. 1951, s. 177 ff.). Nach Kapitel 6 Art. 19 des Abkommens finden auf die Staatsangehörigen eines der beiden vertragschließenden Länder die Vorschriften der Gesetzgebung des anderen Landes über Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten zwar insoweit keine Anwendung, als sie die Rechte der Ausländer einschränken oder sie wegen ihres Wohnsitzes benachteiligen. § 12 FRG benachteiligt den Kläger jedoch nicht deswegen, weil er Ausländer ist. Auch bei deutschen Staatsangehörigen ruht nach § 12 FRG die Rente, sofern es sich um eine solche handelt, die ihm nach § 5 FRG zu gewähren wäre und er sich gewöhnlich außerhalb des Geltungsbereichs des FRG aufhält. Hiervon abgesehen, sind die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich am 18. Juni 1955 dahin übereingekommen, daß das Übereinkommen Nr. 19 der ILO auch auf Arbeitsunfälle in der Zeit zwischen dem 19. Oktober 1935 und dem 1. Juli 1951 anzuwenden ist. Insoweit hatte die Bundesrepublik Deutschland, wie bereits oben ausgeführt, aber bei ihrem Wiedereintritt zur ILO am 12. Juni 1951 ausdrücklich erklärt, daß sie lediglich für Verpflichtungen einstehe, die in ihrem Hoheitsbereich entstanden sind oder entstehen werden.
Eine Zahlung von Verletztenrente kommt für den Kläger aber auch nicht nach § 13 FRG in Betracht. Die Beklagte hat die Gewährung einer Leistung nach dieser Bestimmung mit ihrem Schriftsatz vom 23. Juni 1976 abgelehnt. Zwar handelt es sich insoweit nicht um einen förmlichen Bescheid. Da dieser Schriftsatz aber die Ablehnung einer Leistung nach § 13 FRG enthält, stellt er einen Verwaltungsakt dar, der Gegenstand des Verfahrens im 2. Rechtszuge geworden ist und als mit der Klage angefochten gilt (§ 96 SGG). Nach § 13 Abs. 1 FRG kann Rente einem Deutschen i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG oder einem früheren deutschen Staatsangehörigen i.S. des Art. 116 Abs. 2 S. 1 GG, der sich im Gebiet eines auswärtigen Staates aufhält, in dem die Bundesrepublik Deutschland eine amtliche Vertretung hat, gezahlt werden, wenn der Arbeitsunfall vor dem 9. Mai 1945 außerhalb des Geltungsbereichs des FRG eingetreten ist und der Berechtigte hierfür von einem Deutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zu entschädigen war. Der Senat kann, obwohl es sich hierbei um eine in das Ermessen der Beklagten gestellte Leistung handelt, die nicht als solche der sozialen Sicherheit gilt, und die Beklagte keinen Widerspruchsbescheid erlassen hat, entscheiden. Zwar war insoweit ein Vorverfahren durchzuführen (§ 78 Abs. 1 und 2 SGG); indessen ist es hier, da die Beklagte die Durchführung eines Vorverfahrens und den Erlaß eines Widerspruchsbescheides ausdrücklich abgelehnt hat, wie ihr Schriftsatz vom 23. Juni 1976 zeigt, entbehrlich. Seine Erfolglosigkeit steht nämlich fest (vgl. im einzelnen Bettermann in DVBl. 1959, 308; Haueisen in JW 1961, 2329 in Fußnote 19; Hauck in NJW 1958, 330; Plagemann JZ 1959, 381; LSG Nordrhein-Westfalen in Breithaupt 1959, 9; Bundesverwaltungsgericht in E 4, 213; DV 1959, 770, NJW 1960, 883; DÖV 1970, 284; Peters-Sautter-Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 4 g zu § 78 SGG). Der Kläger erfüllt indessen nicht die Voraussetzungen nach § 13 FRG. Er ist nämlich z. Zt. des Arbeitsunfalls im August 1942 nach eigenem Vorbringen und nach der von ihm vorgelegten Einbürgerungsurkunde bereits französischer und nicht deutscher Staatsangehöriger gewesen. Da er bereits seit 1924 in Frankreich lebt, hatte er weder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling im Gebiete des deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden (Art. 116 Abs. 1 GG), noch ist ihm die frühere deutsche Staatsangehörigkeit zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden (Art. 116 Abs. 2 S. 1 GG).
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 SGG.
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