L 5 V 1208/73

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 1208/73
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Tod eines früheren Angehörigen der Waffen-SS, welcher im Februar 1947 als Zivilist beim aus Furcht vor Repressalien unternommenen Versuch der unerlaubten Überschreitung der jugoslawisch-ungarischen Grenze von Grenzposten erschossen wurde, ist nicht auf eine unmittelbare Kriegseinwirkung i.S. von § 5 Buchst. d) oder e) BVG zurückzuführen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 11. Dezember 1973 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann sind in Jugoslawien geboren; die Klägerin ist dort noch wohnhaft. Im Februar 1970 beantragte sie die Gewährung von Hinterbliebenenrente. Ihr Ehemann sei von März 1942 bis Kriegsende Angehöriger der früheren Deutschen Wehrmacht gewesen. Deshalb habe er sich anschließend in Jugoslawien versteckt gehalten und habe das Land schließlich wegen der Gefahr einer Verfolgung verlassen wollen. Bei seiner Flucht sei er bei S. an der jugoslawisch-ungarischen Grenze am 26. Februar 1947 erschossen worden. Hierzu hat sie eine Sterbeurkunde vorgelegt. Sie selbst sei deutsche Volkszugehörige gewesen. Nach einer von ihr vorgelegten Mitgliedskarte waren beide Eheleute Mitglieder des Volksbundes der Deutschen in U ... Ferner legte die Klägerin einen Kriegsurlaubsschein für die Waffen-SS vom 22. April 1944 für den Ehemann vor, welcher offenbar in D. ausgestellt worden war. Die von dem Beklagten durchgeführten eingehenden Ermittlungen über das Schicksal des Ehemannes der Klägerin blieben ohne Ergebnis.

Hierauf lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 28. Juni 1972 die Gewährung von Hinterbliebenenrente ab, da der Tod des Ehemannes keine Schädigungsfolge sei. Die Todesursache sei nicht nachgewiesen und im übrigen sei auch der von der Klägerin angegebene Sachverhalt versorgungsrechtlich nicht geschützt. Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr Ehemann sei als deutscher Volkszugehöriger und früherer Soldat bekanntlich von Verfolgung bedroht gewesen, weshalb sein Versuch eines illegalen Grenzübertritts berechtigt gewesen sei.

Mit Bescheid vom 24. August 1972 half der Beklagte dem Widerspruch nicht ab. Die einzig hier in Frage kommende Vorschrift des § 5 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) sei nicht erfüllt. Seinerzeit hätten keine Kampfhandlungen eine Flucht erforderlich gemacht und der Krieg sei bereits fast 2 Jahre beendet gewesen. Deshalb sei die angegebene Flucht ohne Zusammenhang mit ihm gewesen. Die politischen Nachkriegsverhältnisse in Jugoslawien seien nicht mehr als kriegerische Vorgänge im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes zu werten. Wenn sich der Ehemann im Februar 1947 als Zivilist zu einem illegalen Grenzübertritt entschlossen habe, habe er damit ein Risiko auf sich genommen, das nicht nur dort und damals bestanden habe.

Mit ihrer hierauf erhobenen auf Gewährung von Witwenrente gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, ihr Ehemann habe sich bis 1947 verstecken und dann fliehen müssen, da er anderenfalls in Kriegsgefangenschaft oder in Internierung geraten wäre. Sie selbst sei jugoslawische Staatsangehörige und habe sich nach 1945 nicht zum Deutschtum bekennen können.

Mit Urteil vom 11. Dezember 1973 wies das Sozialgericht Frankfurt/Main die Klage als unbegründet ab; auf die Entscheidungsgründe wird im einzelnen Bezug genommen.

Gegen dieses am 14. Dezember 1973 mit Einschreiben an sie abgesandte Urteil legte die Klägerin am 27. Dezember 1973 Berufung ein. Mit ihr macht sie vor allem geltend, ihr Ehemann sei entgegen der Auffassung des Sozialgerichts deutscher Volkszugehöriger gewesen und habe deshalb seinerzeit mit einer Internierung rechnen müssen, zumal er außerdem auch Wehrmachtsangehöriger gewesen sei. Deshalb seien die Tatbestände des § 5 Abs. 1 d) und e) BVG erfüllt. Hierzu verwies sie auf bei Schieckel-Gurgel IV. Aufl., Bd. I, S. 140 (4) wiedergegebene Entscheidungen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 11. Dezember 1973 und den Bescheid des Beklagten vom 28. Juni 1972 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1972 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, daß die von der Klägerin herangezogene Rechtsprechung wesentlich andere Fälle betreffe und eine Beweiserhebung nicht erforderlich sei.

Auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und Versorgungsakten, welcher zum Gegenstand der Entscheidung gemacht wurde, wird im einzelnen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig; sie ist insbesondere nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt und nach § 143 SGG statthaft.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Entscheidung des Sozialgerichts ist jedenfalls im Ergebnis beizupflichten. Es kann zunächst dahinstehen, ob die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann deutsche Volkszugehörige im Sinne des BVG waren bzw. sind. Auch wenn man diese Frage und damit die Anwendbarkeit von § 7 in Verbindung mit § 64 Abs. 1 BVG im Hinblick auf ihre frühere Mitgliedschaft im Volksbund der Deutschen in U. bejaht, so kann der Klägerin Witwenrente nach § 1 Abs. 5, § 38 BVG nicht gewährt werden, weil ihr Ehemann nicht an einer Schädigungsfolge im Sinne des Gesetzes verstorben ist.

Hierbei mag dahinstehen, ob er als ein früher offenbar in D. stationiert gewesener Angehöriger der Waffen-SS militärischen oder militärähnlichen Dienst im Sinne von § 1 Abs. 1 BVG geleistet hatte, da er jedenfalls im Zeitpunkt seines Todes derartigen Dienst nicht mehr leistete. Er ist aber auch nicht infolge einer unmittelbaren Kriegseinwirkung im Sinne von § 5 BVG ums Leben gekommen. Die näheren Umstände seines Todes sind – abgesehen allenfalls von Ort und Zeit – in keiner Weise nachgewiesen. Aber auch dann, wenn man insoweit von der Schilderung der Klägerin ausgeht, war der Tod insbesondere nicht nach § 5 Abs. 1 d) BVG durch schädigende Vorgänge infolge einer mit der militärischen Besetzung ehemals deutsch besetzten Gebietes verbundenen besonderen Gefahr eingetreten. Eine solche besondere Gefahr könnte nämlich in der Regel allenfalls nur dann bejaht werden, wenn der Ehemann von Grenzposten einer Besatzungsmacht erschossen worden wäre (vgl. hierzu auch Wilke-Wunderlich, 4. Aufl., S. 97). Dafür liegen aber keinerlei konkrete Anhaltspunkte vor, noch hat die Klägerin dies behauptet. Im übrigen ist ein solcher Sachverhalt auch sehr unwahrscheinlich, zumal der neue jugoslawische Staat schon am 29. November 1945 konstituiert worden und noch im gleichen Jahr Gründermitglied der Vereinten Nationen geworden war.

Das von der Klägerin herangezogene Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. Juli 1962 (teilweise wiedergegeben bei Schieckel-Gurgel a.a.O.) trifft auf den vorliegenden Fall offensichtlich deshalb nicht zu, weil keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Ehemann bei Ausführung von seiten einer Besatzungsmacht angeordneten Maßnahmen umgekommen ist. Für das a.a.O. folgende Urteil des Bundessozialgerichts vom 6. Februar 1958 gilt insofern dasselbe, als vorliegend keinerlei Anhaltspunkte für eine Schießung durch einen Besatzungssoldaten bestehen. Ferner kann ein innerstaatlicher Gewaltzustand jedenfalls im Jahre 1947 grundsätzlich nicht mehr als unmittelbare Kriegseinwirkung angesehen werden (vgl. auch Wilke-Wunderlich a.a.O. S. 89).

Nach § 5 Abs. 1 e) BVG gelten im übrigen als unmittelbare Kriegseinwirkungen, wenn sie im Zusammenhang mit einem der beiden Weltkriege stehen, nachträgliche Auswirkungen kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind hier deshalb nicht erfüllt, weil es bei dem vorliegend streitigen, erst 1947 eingetretenen Vorfall der Erschießung eines nunmehrigen Zivilisten an einem unmittelbaren kausalen Zusammenhang mit kriegerischen Vorgängen fehlt (vgl. auch Verwaltungsvorschrift Nr. 5 zu § 5 BVG, ferner Wilke-Wunderlich, Anm. V zu § 5 BVG). Hier gilt insoweit der Grundsatz einer engen Auslegung des § 5 BVG. Schließlich darf auch nicht ganz unberücksichtigt bleiben, daß der Ehemann der Klägerin mit seinem unerlaubten Grenzübertritt selbst ein beträchtliches Risiko auf sich genommen hat, wie es auch an anderen Staatsgrenzen und zu anderen Zeiten in mehr oder minder großem Umfange bestand und besteht.

Nach alledem war die unbegründete Berufung, wie geschehen, zurückzuweisen, ohne daß es einer Beweiserhebung bedurft hätte. Die Entscheidung konnte nach §§ 110, 126 SGG nach Aktenlage ergehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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