Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 318/76
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 778/77
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine Schaustellerin, die für ihr Unternehmen einen Führerschein benötigt, steht bei der Rückfahrt von der Fahrprüfung zum Unternehmen unter Versicherungsschutz.
2. Zur Frage, wann der Weg von einem 3. Ort zum Unternehmen unter Versicherungsschutz steht.
2. Zur Frage, wann der Weg von einem 3. Ort zum Unternehmen unter Versicherungsschutz steht.
Die Berufung von Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juli 1977 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (Wegeunfalls).
Die im Jahre 1957 geborene Klägerin ist Unternehmerin eines Schaustellungsunternehmens (Schießbude). Aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit der Stadt F. wurde ihr dafür ein Platz in F. anläßlich der W. Kirchweih 1975 vom 16. August bis 24. August 1975 zugeteilt mit der Verpflichtung, das Geschäft an den "Nachkerbtagen” zu betreiben. Am 21. August 1975 hatte sie ihren Wagen auf dem Festplatz in W. aufgestellt und beabsichtige, ihm am Nachmittag des 22. August 1975 zu dekorieren. Da sie am Vormittag dieses Tages die Führerscheinprüfung in dem ihrem Wohnort F. unmittelbar benachbarten F. machen wollte, verabredete sie mit dem Kraftfahrzeugmechaniker B. (B.), sie nachmittags in H. von der Fahrschule abzuholen, um sie auf direkten Wege nach F. zu ihrer Schießbude zu bringen. Nachdem ihr der Führerschein mit der Fahrerlaubnis für die Kraftfahrzeuge der Klassen 3 und 4 ausgehändigt worden war, wurde sie gegen 13.00 Uhr von B. in dessen Pkw von der Fahrschule S. in F. abgeholt. Er fuhr ihr auf der H. F.straße in Richtung S. H. und W. Kurz vor dem Verkehrskreisel am Ortsanfang S. verunglückte er. Die Klägerin erlitt dabei nach dem Durchgangsarztbericht des Dr. J. vom 22. August 1975 und dem Arztbrief vom 29. August 1975 der Ärzte Prof. Dr. S. und Dr. E. folgende Verletzungen: Trümmerfraktur der rechten Beckenschaufel und Hüftpfanne, insbesondere Frakturen aller drei Pfeiler der Hüftpfanne, Platzwunde am rechten Oberschenkel, Platzwunde an der Oberlippe. Sie war deshalb bis zum 4. Januar 1976 arbeitsunfähig. Nach dem ersten Rentengutachten des Dr. Sch. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in F. vom 22. April 1976 betrug die unfallbedingte MdE für die Zeit vom 5. Januar bis 4. April 1976 30 v.H. und ab 5. April 1976 bis auf weiteres 20 v.H.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. Juli 1976 lehnte die Beklagte eine Unfallentschädigung ab, weil kein Arbeitsunfall vorgelegen habe. Der Versicherungsschutz scheide aus, da die Klägerin den Weg zur Arbeitsstätte nicht von ihre Wohnung, sondern aus privaten Gründen von ein anderen Ort aus angetreten habe, ohne noch vor dem Unfall den üblichen Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte erreicht zu haben.
Gegen diesen am 13. Juli 1976 zur Post gegeben Bescheid legte die Klägerin am 26. Juli 1976 Widerspruch bei der Beklagten ein. Nachdem sie ihre Zustimmung zur Weiterleitung des Widerspruchs als Klage an das Sozialgericht erteilt hatte, entschied die Widerspruchsstelle der Beklagten am 18. Oktober 1976, sie wolle dem Widerspruch nicht abhelfen; er werde als Klage an das zuständige Sozialgericht weitergeleitet.
Am 27. Oktober 1976 ist der Widerspruch dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) zugeleitet worden. Mit Urteil vom 8. Juli 1977 hat das SG die Beklagte verurteilt, "die Klägerin wegen der Gesundheitsschäden aus dem Verkehrsunfall vom 22. August zu entschädigen”. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Gegen dieses ihr am 25. Juli 1977 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 3. August 1977 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
In der mündlichen Verhandlung am 25. Januar 1978 hat der Senat den Vater der Klägerin, W. S. zu den Berufsanforderungen an sein einen selbständigen Schausteller und zu den Plänen der Klägerin als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Vernehmungsniederschrift (Bl. 42 bis 43 GA.) Bezug genommen.
Unter Wiederholung der Ablehnungsgründe des angefochtenen Bescheides vertritt die Beklagte die Meinung, entgegen der Ansicht des SG sei die Ablehnung der Fahrprüfung grundsätzlich dem eigenwirtschaftlichen Bereich der Klägerin zuzurechnen, auch wenn sie die Fahrerlaubnis in ihrem Unternehmen verwerten könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juli 1977 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils für zutreffend.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der Unfallakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und somit zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das SG der zulässigen Klage stattgegeben. Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte zu, weil sie am 22. August 1975 einen Arbeitsunfall auf einem Betriebsweg erlitten hat (§§ 539 Abs. 1 Nr. 3, 548 Abs. 1 RVO). Hierzu ist zunächst festzustellen: Die Klägerin stammt aus einer Familie, die seit Generationen ein Schaustellungsunternehmen betriebt. Nach Vollendung ihres 18. Lebensjahres (13. Mai 1975) meldete sie am sie am 17. Mai 1975 ein eigenes Schaustellungsunternehmen an, dessen Gegenstand u.a. der Betrieb einer Schießbude verbunden mit dem Vertrieb abgepackter Lebensmittel, Süß- und Backwaren, Spielwaren, Keramikwaren und Steinzeug war. Ihr Vater hatte ihr die Schießbude (3 m × 6 m) überlassen und zu deren Transport eigens einen Gerätewagen angeschafft, damit in der Familie neben seinem ein zweites, bei der Platzvergabe selbständig zu berücksichtigendes Schaustellungsunternehmen betrieben wurde. Vorläufig ließ die Klägerin die Schießbude auf dem Gerätewagen von ihren Vater mit dessen Spezialzugmaschine oder durch einen Spediteur zu den jeweiligen Veranstaltungsorten befördern. Später wollte sie eine eigene Zugmaschine anschaffen. Darüber hinaus beabsichtigte sie, für ihren Betrieb einen Pkw und ein damit zu transportierenden Wohnmobil zu kaufen. Diese Gegenstände, über die auch ihr Vater verfügt, sind auf die Dauer für einen rationellen Betrieb eines derartigen Schaustellungsunternehmens notwendig, um die Schließbude an den verschiedensten Orten aufstellen, am Ort der Aufstellung kostengünstig übernachten, die Ware heranschaffen sowie ihr Unternehmen nachts bewachen zu können. – Die Klägerin hatte ihre Schießbude bereits bei sechs Veranstaltungen aufgestellt. Ein siebentes Mal geschah dies am 21. August 1975 auf dem Festplatz in F ... Weil sie noch nicht in Besitz einer Fahrerlaubnis war, benötigte sie dazu stets zusätzliche Hilfe durch andere Personen, die im Besitz einer Fahrerlaubnis waren, vornehmlich diejenige ihres Vaters oder ihrer Mutter. Deshalb hatte sie bei der Fahrschule S. im benachbarten Stadtteil F. Fahrunterricht genommen. Die Führerscheinprüfung fand am 22. August 1975 statt. Da sie im unmittelbaren Anschuß daran nach W. wollte, um ihre Schießbude weiter zu dekorieren, verabredete sie sich mit B., sie in F. abzuholen und direkt nach W. zu fahren. Sie wohnte damals noch bei ihren Eltern in F. F.straße ; von dort aus betrug die Entfernung bis W. ca. 8,5 km. Am 22. August 1975 begab sich die Klägerin zur Fahrschule S. in der Z.straße in F., etwa 5 km von ihrer Wohnung entfernt, und legte von dort aus die Fahrprüfung ab. Gegen 13.00 Uhr ließ sie sich an der Fahrschule verabredungsgemäß von B. in dessen Pkw abholen. B. wollte sie auf dem nächsten Wege über die breite, gut ausgebaute H.straße unter Umgehung des Ortskerns S. in dem die Wohnung der Klägerin lag, über H. nach W. fahren. Diese Wegstrecke beträgt ungefähr 12,5 km. Kurz vor dem Verkehrskreisel am Ortsanfang S. verunglückte der Wagen des B. Die Klägerin erlitt dabei erhebliche Verletzungen, die auch nach Eintritt der Arbeitsfähigkeit eine MdE von mindestens 20 v.H. bedingten.
Diese Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Aussagen des Zeugen W. S. den Ermittlungen der Beklagten, insbesondere den darin einbezogenen Feststellungen des polizeilichen Unfallkommandos, den Angaben der Klägerin und des B. vor dem Versicherungsamt F., den fotokopierten Auszügen von Straßenplänen der betroffenen Gegend (Bl. 25, 58, 68 UA.) und der Stadtumgebungskarte von F., Maßstab 1: 200 000, Der Große Shellatlas, 1976/77, S. 214/215 sowie dem Generalstadtplan F. Maßstab 1: 22 000, Mairs Geographischer Verlag, 11. Auflage.
Danach und nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sind die Voraussetzungen der §§ 539 Abs. 1 Nr. 3, 548 Abs. 1 S. 1 RVO erfüllt. Zu Recht hat bereits das SG erkannt, daß die Klägerin einen versicherten Arbeitsunfall auf einem Betriebsweg vom Ort einer betrieblichen Tätigkeit zum Ort des Betriebes erlitten hat. Sowohl die Ablegung der Führerscheinprüfung in F. als auch die beabsichtigten Einräumungsarbeiten an der Schießbude in F. sind versicherte Tätigkeiten gewesen. Der innere ursächliche, den Unfallversicherungsschutz begründete Zusammenhang mit dem Unternehmen ist im Gegensatz zu der Ansicht der Beklagten auch in Bezug auf die Ablegung der Führerscheinprüfung gegeben. Die Klägerin war nämlich zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ihres als "Ein-Personen-Betrieb” konzipierten Schaustellungsunternehmens und auch zur Rationalisierung der eigenen Kräfte existenznotwendig auf eine Fahrerlaubnis angewiesen. Der Zeuge W. S. hat glaubhaft bekundet, daß er seine Hilfe für die Klägerin nur als Anfangsunterstützung erbracht und zeitlich absehbar begrenzt hatte. An dem Erfordernis der Fahrerlaubnis für den Betrieb eines Unternehmens ändert sich nicht dadurch, daß der Unternehmer mit dem Führerschein in seiner Freizeit auch Privatfahrten durchführen kann.
Die rechtliche Beurteilung dieser Betriebstätigkeit unterscheidet sich nicht von der auf Fortbildungsmaßnahmen von Unternehmen sowie den Besuch von Messen und Veranstaltungen beruflicher Fachorganisationen bezogenen. Wie in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt ist, dient die Fortbildung eines Unternehmers auf den seinen Betrieb berührenden Sachgebieten wegen seiner besonderen Stellung in Unternehmen unmittelbar dem Interesse des Betriebes. Hierzu wird noch nicht einmal gefordert, daß die Fortbildung aus einem besonderen konkreten Anlaß erforderlich ist, vielmehr reicht es aus, daß sie allgemein der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens dient (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand August 1977, S. 484 f. unter Hinweis auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 12.7.1967, Breith. 57 Jahrgang, S. 379). Das gleiche gilt für den noch erheblich schwächer faßbaren betrieblichen Nutzen der Teilnahme eines Unternehmers an beruflichen Fachveranstaltungen. Der Senat stimmt dem BSG zu, daß allein die Anwesenheit – ohne aktive Mitwirkung – bei einer Veranstaltung, auf der fachliche Fragen behandelt und diskutiert werden, in innerem ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Unternehmertätigkeit steht, wenn dabei besondere Kenntnisse und Erfahrungen vermittelt werden, die die Teilnehmer zumindest später für ihre betrieblichen Tätigkeiten nutzen können (vgl. BSG, Urt. v. 30.1.1970 – 2 RU 228/67 – und 2 RU 197/67 –). Wenn die Rechtsprechung des BSG darüber hinaus im Einzelfall sogar grundsätzlich die subjektive Vorstellung über betriebsfördernde Auswirkungen der Veranstaltung rechtlich ausschlaggebend sein läßt (vgl. BSG, Urt. v. 30.1.1970 – 2 RU 197/67) und auch die Fahrt zu Ausstellungen und Messen unter Versicherungsschutz stellt (vgl. BSG, Urt. v. 30.7.1971 – 2 RU 84/70 – in SozR. Nr. 29 zu § 548 RVO), sofern sie nicht nur ein Nebenzweck einer vorwiegend privaten Zwecken dienenden Reise ist (vgl. BSG, Urt. v. 16.12.1971 – 2 RU 100/71 –), dann kann die Führerscheinprüfung der Klägerin nicht anders bewertet werden. Ihr Nutzen für die Wettbewerbs- und Existenzfähigkeit des Schaustellungsunternehmens unter der im modernen Wirtschaftsleben alternativ drohenden Belastung mit erheblichen Kosten für Fremdleistungen ist handgreiflich. Obwohl die Schaustellungssaison nur von Ende März bis Ende Oktober reicht, überwiegt doch die Bedeutung der Fahrerlaubnis für den Betrieb der Klägerin, weil die Existenz ihres Unternehmens maßgeblich davon berührt wird.
Danach kann es dahingestellt bleiben, ob auch nach § 550 Abs. 1 RVO Versicherungsschutz bestand. Der Senat neigt jedoch dazu, auch dies zu bejahen. Im Anschluß an die Rechtsprechung des BSG hat der Senat zuletzt in den Urteilen vom 2. März 1977 (L-3/U – 1024/76) und vom 27. April 1977 (L-3/U – 931/76) entscheiden, daß der Versicherungsschutz nicht allein deswegen entfällt, weil der Weg zur Arbeitsstätte vom einem anderen Ort als der Wohnung angetreten wird. In § 550 Abs. 1 RVO ist allein der Ort der Tätigkeit als Ende des Hinwegs und Ausgangspunkt des Rückweges festgelegt. Andererseits ist nicht jeder Weg unter Versicherungsschutz gestellt, der zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus begonnen wird. Der Weg muß vielmehr mit der Tätigkeit im Unternehmen zusammenhängen, d.h. mit ihr in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang stehen. Der Zweck des Weges muß überwiegend von dem Vorhaben des Versicherten geprägt sein, sich nur Arbeit zu begeben. Das BSG hat eine der Versicherungsschutz ausschließende Ursache darin gesehen, daß ein Versicherter aus privaten Gründen eine andere Ortschaft aufgesucht hatte und auf dem Weg von dieser nach der Ortschaft, in der sich seine Wohnung und seine Arbeitsstätte zugleich befanden, verunglückte (vgl. BSGE 1, 171 und 8, 53). Zutreffend hat das BSG unter diesen Umständen angenommen, dem zugleich nach dem Ort der Tätigkeit führenden Wege werde überwiegend durch den privaten Ausflug das Gepräge als bloßer Rückweg von einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit gegeben (vgl. BSG, Urteil vom 27.4.1961 – 2 RU 192/58 – in SozR. Nr. 32 zu § 543 RVO a.F.). Mit Recht hat das BSG allerdings betont, daß es stets auf die Verhältnisse des Einzelfalles ankommt. An der betriebsbedingten Notwendigkeit eines Wegen fehlt es dann, wenn er nach der Verkehrsanschauung wegen seiner Länge und Dauer (z.B. bei ungewöhnlichen Entfernungen und Erholungsfahrten in andere Ortschaften) nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen Weg des Versicherten nach und von dem Ort der Tätigkeit steht (vgl. BSG, Urt. v. 30.10.1964 – 2 RU 157/63 – in BSGE 22, 60). Angemessen kann dieses Verhältnis einmal dann sein, wenn beide zu vergleichenden Wege gleich lang sind (vgl. die Urteile des Senats vom 2.3.1977 – L-3/U – 1024/78 – und vom 27.4.1977 – L-3/U – 931/76 – sowie BSG, Urt. vom 30.7.1975 – 2 RU 73/74 –). Angemessen ist das Verhältnis beider Wege aber auch unter den besonderen Voraussetzungen des vorliegenden Falles. Obwohl die Klägerin auf einem Wege von einer anderen Ortschaft verunglückte, der bis zur Unfallstelle mit dem Heimweg übereinstimmte, fehlte diesem Weg das Gepräge eines unversicherten "Rückweges”. Das Verhältnis des eingeschlagenen Weges zu dem sonst üblichen Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte war unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles noch angemessen. Zwar betrug das Längenverhältnis beider Strecken zueinander 12,5 km: 8,5 km. Ausschlaggebend sind jedoch die weiteren Umstände. Einmal ist die H.straße als Verbindungsstraße zwischen S. und H. im Gegensatz zu dem Weg von S. nach W. so breit und bequem zu befahren, daß die Strecke relativ wenig zusätzliche Zeit im Pkw in Anspruch nimmt. Zum anderen führte der beabsichtigte – als Ganzes zu sehende – Weg nicht über die Wohnung der Klägerin, sondern als kürzere Verbindung mit W. am Ortskern S. vorbei. Schließlich stand der Weg zwischen H. und W. wegen der zuvor erworbenen Fahrerlaubnis in einem inneren ursächlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit im Unternehmen der Klägerin, und zwar selbst dann, wenn die Ablehnung der Fahrprüfung in Übereinstimmung mit der Ansicht der Beklagten keine gemäß § 539 Abs. 1 RVO versicherte Tätigkeit darstellte, weil es sich dabei dann jedenfalls um eine den Unternehmen dicht unterhalb der Grenze des Versicherungsschutzes liegende nützliche Vorbereitungshandlung handelte (vgl. zur unversicherten Vorbereitungshandlung: BSG, Urt. v. 25.1.1977 – 2 RU 57/75). Es war dies i.S. des Urteils des BSG vom 30. Juli 1975 (2 RU 73/749) ein sachgerechter, mit der versicherten Tätigkeit in engem Zusammenhang stehender Grund für die Wahl des Weges zum Unternehmen, der deshalb keinen unversicherten Rückweg von einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit darstellte.
Das SG konnte sich schließlich auf den Erlaß eines Grundurteils (§ 130 SGG) beschränken, da die Beklagte wenigstens die Mindestleitungen zu erbringen hat. Nach dem 1. Rentengutachten des Dr. Sch. haben die Unfallfolgen nach Beendigung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit noch eine MdE rentenberechtigendem Grad hinterlassen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 SGG.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (Wegeunfalls).
Die im Jahre 1957 geborene Klägerin ist Unternehmerin eines Schaustellungsunternehmens (Schießbude). Aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit der Stadt F. wurde ihr dafür ein Platz in F. anläßlich der W. Kirchweih 1975 vom 16. August bis 24. August 1975 zugeteilt mit der Verpflichtung, das Geschäft an den "Nachkerbtagen” zu betreiben. Am 21. August 1975 hatte sie ihren Wagen auf dem Festplatz in W. aufgestellt und beabsichtige, ihm am Nachmittag des 22. August 1975 zu dekorieren. Da sie am Vormittag dieses Tages die Führerscheinprüfung in dem ihrem Wohnort F. unmittelbar benachbarten F. machen wollte, verabredete sie mit dem Kraftfahrzeugmechaniker B. (B.), sie nachmittags in H. von der Fahrschule abzuholen, um sie auf direkten Wege nach F. zu ihrer Schießbude zu bringen. Nachdem ihr der Führerschein mit der Fahrerlaubnis für die Kraftfahrzeuge der Klassen 3 und 4 ausgehändigt worden war, wurde sie gegen 13.00 Uhr von B. in dessen Pkw von der Fahrschule S. in F. abgeholt. Er fuhr ihr auf der H. F.straße in Richtung S. H. und W. Kurz vor dem Verkehrskreisel am Ortsanfang S. verunglückte er. Die Klägerin erlitt dabei nach dem Durchgangsarztbericht des Dr. J. vom 22. August 1975 und dem Arztbrief vom 29. August 1975 der Ärzte Prof. Dr. S. und Dr. E. folgende Verletzungen: Trümmerfraktur der rechten Beckenschaufel und Hüftpfanne, insbesondere Frakturen aller drei Pfeiler der Hüftpfanne, Platzwunde am rechten Oberschenkel, Platzwunde an der Oberlippe. Sie war deshalb bis zum 4. Januar 1976 arbeitsunfähig. Nach dem ersten Rentengutachten des Dr. Sch. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in F. vom 22. April 1976 betrug die unfallbedingte MdE für die Zeit vom 5. Januar bis 4. April 1976 30 v.H. und ab 5. April 1976 bis auf weiteres 20 v.H.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. Juli 1976 lehnte die Beklagte eine Unfallentschädigung ab, weil kein Arbeitsunfall vorgelegen habe. Der Versicherungsschutz scheide aus, da die Klägerin den Weg zur Arbeitsstätte nicht von ihre Wohnung, sondern aus privaten Gründen von ein anderen Ort aus angetreten habe, ohne noch vor dem Unfall den üblichen Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte erreicht zu haben.
Gegen diesen am 13. Juli 1976 zur Post gegeben Bescheid legte die Klägerin am 26. Juli 1976 Widerspruch bei der Beklagten ein. Nachdem sie ihre Zustimmung zur Weiterleitung des Widerspruchs als Klage an das Sozialgericht erteilt hatte, entschied die Widerspruchsstelle der Beklagten am 18. Oktober 1976, sie wolle dem Widerspruch nicht abhelfen; er werde als Klage an das zuständige Sozialgericht weitergeleitet.
Am 27. Oktober 1976 ist der Widerspruch dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) zugeleitet worden. Mit Urteil vom 8. Juli 1977 hat das SG die Beklagte verurteilt, "die Klägerin wegen der Gesundheitsschäden aus dem Verkehrsunfall vom 22. August zu entschädigen”. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Gegen dieses ihr am 25. Juli 1977 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 3. August 1977 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
In der mündlichen Verhandlung am 25. Januar 1978 hat der Senat den Vater der Klägerin, W. S. zu den Berufsanforderungen an sein einen selbständigen Schausteller und zu den Plänen der Klägerin als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Vernehmungsniederschrift (Bl. 42 bis 43 GA.) Bezug genommen.
Unter Wiederholung der Ablehnungsgründe des angefochtenen Bescheides vertritt die Beklagte die Meinung, entgegen der Ansicht des SG sei die Ablehnung der Fahrprüfung grundsätzlich dem eigenwirtschaftlichen Bereich der Klägerin zuzurechnen, auch wenn sie die Fahrerlaubnis in ihrem Unternehmen verwerten könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juli 1977 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils für zutreffend.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der Unfallakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und somit zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das SG der zulässigen Klage stattgegeben. Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte zu, weil sie am 22. August 1975 einen Arbeitsunfall auf einem Betriebsweg erlitten hat (§§ 539 Abs. 1 Nr. 3, 548 Abs. 1 RVO). Hierzu ist zunächst festzustellen: Die Klägerin stammt aus einer Familie, die seit Generationen ein Schaustellungsunternehmen betriebt. Nach Vollendung ihres 18. Lebensjahres (13. Mai 1975) meldete sie am sie am 17. Mai 1975 ein eigenes Schaustellungsunternehmen an, dessen Gegenstand u.a. der Betrieb einer Schießbude verbunden mit dem Vertrieb abgepackter Lebensmittel, Süß- und Backwaren, Spielwaren, Keramikwaren und Steinzeug war. Ihr Vater hatte ihr die Schießbude (3 m × 6 m) überlassen und zu deren Transport eigens einen Gerätewagen angeschafft, damit in der Familie neben seinem ein zweites, bei der Platzvergabe selbständig zu berücksichtigendes Schaustellungsunternehmen betrieben wurde. Vorläufig ließ die Klägerin die Schießbude auf dem Gerätewagen von ihren Vater mit dessen Spezialzugmaschine oder durch einen Spediteur zu den jeweiligen Veranstaltungsorten befördern. Später wollte sie eine eigene Zugmaschine anschaffen. Darüber hinaus beabsichtigte sie, für ihren Betrieb einen Pkw und ein damit zu transportierenden Wohnmobil zu kaufen. Diese Gegenstände, über die auch ihr Vater verfügt, sind auf die Dauer für einen rationellen Betrieb eines derartigen Schaustellungsunternehmens notwendig, um die Schließbude an den verschiedensten Orten aufstellen, am Ort der Aufstellung kostengünstig übernachten, die Ware heranschaffen sowie ihr Unternehmen nachts bewachen zu können. – Die Klägerin hatte ihre Schießbude bereits bei sechs Veranstaltungen aufgestellt. Ein siebentes Mal geschah dies am 21. August 1975 auf dem Festplatz in F ... Weil sie noch nicht in Besitz einer Fahrerlaubnis war, benötigte sie dazu stets zusätzliche Hilfe durch andere Personen, die im Besitz einer Fahrerlaubnis waren, vornehmlich diejenige ihres Vaters oder ihrer Mutter. Deshalb hatte sie bei der Fahrschule S. im benachbarten Stadtteil F. Fahrunterricht genommen. Die Führerscheinprüfung fand am 22. August 1975 statt. Da sie im unmittelbaren Anschuß daran nach W. wollte, um ihre Schießbude weiter zu dekorieren, verabredete sie sich mit B., sie in F. abzuholen und direkt nach W. zu fahren. Sie wohnte damals noch bei ihren Eltern in F. F.straße ; von dort aus betrug die Entfernung bis W. ca. 8,5 km. Am 22. August 1975 begab sich die Klägerin zur Fahrschule S. in der Z.straße in F., etwa 5 km von ihrer Wohnung entfernt, und legte von dort aus die Fahrprüfung ab. Gegen 13.00 Uhr ließ sie sich an der Fahrschule verabredungsgemäß von B. in dessen Pkw abholen. B. wollte sie auf dem nächsten Wege über die breite, gut ausgebaute H.straße unter Umgehung des Ortskerns S. in dem die Wohnung der Klägerin lag, über H. nach W. fahren. Diese Wegstrecke beträgt ungefähr 12,5 km. Kurz vor dem Verkehrskreisel am Ortsanfang S. verunglückte der Wagen des B. Die Klägerin erlitt dabei erhebliche Verletzungen, die auch nach Eintritt der Arbeitsfähigkeit eine MdE von mindestens 20 v.H. bedingten.
Diese Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Aussagen des Zeugen W. S. den Ermittlungen der Beklagten, insbesondere den darin einbezogenen Feststellungen des polizeilichen Unfallkommandos, den Angaben der Klägerin und des B. vor dem Versicherungsamt F., den fotokopierten Auszügen von Straßenplänen der betroffenen Gegend (Bl. 25, 58, 68 UA.) und der Stadtumgebungskarte von F., Maßstab 1: 200 000, Der Große Shellatlas, 1976/77, S. 214/215 sowie dem Generalstadtplan F. Maßstab 1: 22 000, Mairs Geographischer Verlag, 11. Auflage.
Danach und nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sind die Voraussetzungen der §§ 539 Abs. 1 Nr. 3, 548 Abs. 1 S. 1 RVO erfüllt. Zu Recht hat bereits das SG erkannt, daß die Klägerin einen versicherten Arbeitsunfall auf einem Betriebsweg vom Ort einer betrieblichen Tätigkeit zum Ort des Betriebes erlitten hat. Sowohl die Ablegung der Führerscheinprüfung in F. als auch die beabsichtigten Einräumungsarbeiten an der Schießbude in F. sind versicherte Tätigkeiten gewesen. Der innere ursächliche, den Unfallversicherungsschutz begründete Zusammenhang mit dem Unternehmen ist im Gegensatz zu der Ansicht der Beklagten auch in Bezug auf die Ablegung der Führerscheinprüfung gegeben. Die Klägerin war nämlich zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ihres als "Ein-Personen-Betrieb” konzipierten Schaustellungsunternehmens und auch zur Rationalisierung der eigenen Kräfte existenznotwendig auf eine Fahrerlaubnis angewiesen. Der Zeuge W. S. hat glaubhaft bekundet, daß er seine Hilfe für die Klägerin nur als Anfangsunterstützung erbracht und zeitlich absehbar begrenzt hatte. An dem Erfordernis der Fahrerlaubnis für den Betrieb eines Unternehmens ändert sich nicht dadurch, daß der Unternehmer mit dem Führerschein in seiner Freizeit auch Privatfahrten durchführen kann.
Die rechtliche Beurteilung dieser Betriebstätigkeit unterscheidet sich nicht von der auf Fortbildungsmaßnahmen von Unternehmen sowie den Besuch von Messen und Veranstaltungen beruflicher Fachorganisationen bezogenen. Wie in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt ist, dient die Fortbildung eines Unternehmers auf den seinen Betrieb berührenden Sachgebieten wegen seiner besonderen Stellung in Unternehmen unmittelbar dem Interesse des Betriebes. Hierzu wird noch nicht einmal gefordert, daß die Fortbildung aus einem besonderen konkreten Anlaß erforderlich ist, vielmehr reicht es aus, daß sie allgemein der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens dient (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand August 1977, S. 484 f. unter Hinweis auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 12.7.1967, Breith. 57 Jahrgang, S. 379). Das gleiche gilt für den noch erheblich schwächer faßbaren betrieblichen Nutzen der Teilnahme eines Unternehmers an beruflichen Fachveranstaltungen. Der Senat stimmt dem BSG zu, daß allein die Anwesenheit – ohne aktive Mitwirkung – bei einer Veranstaltung, auf der fachliche Fragen behandelt und diskutiert werden, in innerem ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Unternehmertätigkeit steht, wenn dabei besondere Kenntnisse und Erfahrungen vermittelt werden, die die Teilnehmer zumindest später für ihre betrieblichen Tätigkeiten nutzen können (vgl. BSG, Urt. v. 30.1.1970 – 2 RU 228/67 – und 2 RU 197/67 –). Wenn die Rechtsprechung des BSG darüber hinaus im Einzelfall sogar grundsätzlich die subjektive Vorstellung über betriebsfördernde Auswirkungen der Veranstaltung rechtlich ausschlaggebend sein läßt (vgl. BSG, Urt. v. 30.1.1970 – 2 RU 197/67) und auch die Fahrt zu Ausstellungen und Messen unter Versicherungsschutz stellt (vgl. BSG, Urt. v. 30.7.1971 – 2 RU 84/70 – in SozR. Nr. 29 zu § 548 RVO), sofern sie nicht nur ein Nebenzweck einer vorwiegend privaten Zwecken dienenden Reise ist (vgl. BSG, Urt. v. 16.12.1971 – 2 RU 100/71 –), dann kann die Führerscheinprüfung der Klägerin nicht anders bewertet werden. Ihr Nutzen für die Wettbewerbs- und Existenzfähigkeit des Schaustellungsunternehmens unter der im modernen Wirtschaftsleben alternativ drohenden Belastung mit erheblichen Kosten für Fremdleistungen ist handgreiflich. Obwohl die Schaustellungssaison nur von Ende März bis Ende Oktober reicht, überwiegt doch die Bedeutung der Fahrerlaubnis für den Betrieb der Klägerin, weil die Existenz ihres Unternehmens maßgeblich davon berührt wird.
Danach kann es dahingestellt bleiben, ob auch nach § 550 Abs. 1 RVO Versicherungsschutz bestand. Der Senat neigt jedoch dazu, auch dies zu bejahen. Im Anschluß an die Rechtsprechung des BSG hat der Senat zuletzt in den Urteilen vom 2. März 1977 (L-3/U – 1024/76) und vom 27. April 1977 (L-3/U – 931/76) entscheiden, daß der Versicherungsschutz nicht allein deswegen entfällt, weil der Weg zur Arbeitsstätte vom einem anderen Ort als der Wohnung angetreten wird. In § 550 Abs. 1 RVO ist allein der Ort der Tätigkeit als Ende des Hinwegs und Ausgangspunkt des Rückweges festgelegt. Andererseits ist nicht jeder Weg unter Versicherungsschutz gestellt, der zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus begonnen wird. Der Weg muß vielmehr mit der Tätigkeit im Unternehmen zusammenhängen, d.h. mit ihr in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang stehen. Der Zweck des Weges muß überwiegend von dem Vorhaben des Versicherten geprägt sein, sich nur Arbeit zu begeben. Das BSG hat eine der Versicherungsschutz ausschließende Ursache darin gesehen, daß ein Versicherter aus privaten Gründen eine andere Ortschaft aufgesucht hatte und auf dem Weg von dieser nach der Ortschaft, in der sich seine Wohnung und seine Arbeitsstätte zugleich befanden, verunglückte (vgl. BSGE 1, 171 und 8, 53). Zutreffend hat das BSG unter diesen Umständen angenommen, dem zugleich nach dem Ort der Tätigkeit führenden Wege werde überwiegend durch den privaten Ausflug das Gepräge als bloßer Rückweg von einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit gegeben (vgl. BSG, Urteil vom 27.4.1961 – 2 RU 192/58 – in SozR. Nr. 32 zu § 543 RVO a.F.). Mit Recht hat das BSG allerdings betont, daß es stets auf die Verhältnisse des Einzelfalles ankommt. An der betriebsbedingten Notwendigkeit eines Wegen fehlt es dann, wenn er nach der Verkehrsanschauung wegen seiner Länge und Dauer (z.B. bei ungewöhnlichen Entfernungen und Erholungsfahrten in andere Ortschaften) nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen Weg des Versicherten nach und von dem Ort der Tätigkeit steht (vgl. BSG, Urt. v. 30.10.1964 – 2 RU 157/63 – in BSGE 22, 60). Angemessen kann dieses Verhältnis einmal dann sein, wenn beide zu vergleichenden Wege gleich lang sind (vgl. die Urteile des Senats vom 2.3.1977 – L-3/U – 1024/78 – und vom 27.4.1977 – L-3/U – 931/76 – sowie BSG, Urt. vom 30.7.1975 – 2 RU 73/74 –). Angemessen ist das Verhältnis beider Wege aber auch unter den besonderen Voraussetzungen des vorliegenden Falles. Obwohl die Klägerin auf einem Wege von einer anderen Ortschaft verunglückte, der bis zur Unfallstelle mit dem Heimweg übereinstimmte, fehlte diesem Weg das Gepräge eines unversicherten "Rückweges”. Das Verhältnis des eingeschlagenen Weges zu dem sonst üblichen Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte war unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles noch angemessen. Zwar betrug das Längenverhältnis beider Strecken zueinander 12,5 km: 8,5 km. Ausschlaggebend sind jedoch die weiteren Umstände. Einmal ist die H.straße als Verbindungsstraße zwischen S. und H. im Gegensatz zu dem Weg von S. nach W. so breit und bequem zu befahren, daß die Strecke relativ wenig zusätzliche Zeit im Pkw in Anspruch nimmt. Zum anderen führte der beabsichtigte – als Ganzes zu sehende – Weg nicht über die Wohnung der Klägerin, sondern als kürzere Verbindung mit W. am Ortskern S. vorbei. Schließlich stand der Weg zwischen H. und W. wegen der zuvor erworbenen Fahrerlaubnis in einem inneren ursächlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit im Unternehmen der Klägerin, und zwar selbst dann, wenn die Ablehnung der Fahrprüfung in Übereinstimmung mit der Ansicht der Beklagten keine gemäß § 539 Abs. 1 RVO versicherte Tätigkeit darstellte, weil es sich dabei dann jedenfalls um eine den Unternehmen dicht unterhalb der Grenze des Versicherungsschutzes liegende nützliche Vorbereitungshandlung handelte (vgl. zur unversicherten Vorbereitungshandlung: BSG, Urt. v. 25.1.1977 – 2 RU 57/75). Es war dies i.S. des Urteils des BSG vom 30. Juli 1975 (2 RU 73/749) ein sachgerechter, mit der versicherten Tätigkeit in engem Zusammenhang stehender Grund für die Wahl des Weges zum Unternehmen, der deshalb keinen unversicherten Rückweg von einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit darstellte.
Das SG konnte sich schließlich auf den Erlaß eines Grundurteils (§ 130 SGG) beschränken, da die Beklagte wenigstens die Mindestleitungen zu erbringen hat. Nach dem 1. Rentengutachten des Dr. Sch. haben die Unfallfolgen nach Beendigung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit noch eine MdE rentenberechtigendem Grad hinterlassen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 SGG.
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